Das Zeitalter der Wandlung:
Band 1: Nebelriss
Band 2: Flammenbucht
Band 3: Schattenbruch
Band 4: Splitternest
Wem beim Stichwort „Fantasy“ eine bunte Truppe aus Bäcker- oder Magierlehrling, rotnasigem Zwerg sowie ähnlichen Rollenbildern und Stereotypen vorschwebt, die verständlicherweise für Brechreiz und gepflegte Langweile sorgt, den kann man verstehen.
Wer anspruchsvolle Fantasy mit natürlichen, lebensechten Charakteren, fernab bekannter Klischees, sowie einer spannenden Handlung sucht, deren Ende man nicht mit prophetischer Gewissheit vorhersagen kann, sollte sich ohne Zögern in Markolf Hoffmanns Nebelriss stürzen!
Das Zeitalter der Wandlung
Die Welt Gharax wird von einer Invasion scheinbar aus dem Nichts kommender Echsenwesen, den Goldéi, erschüttert. Diese unterwerfen nacheinander und ohne große Mühe die Königreiche des Nordens – König Eshandrom von Kathyga unterwirft sich gar freiwillig, zum Entsetzen vieler seiner Ritter und Bürger, die sich zum Widerstand in die Gebirgswälder des Rochenlands zurückziehen.
Die Ziele der Echsen sind unbekannt, Macht und Reichtum scheinen sie nicht zu locken, aber die magischen Quellen sind für sie wohl von höchstem Interesse. Vor Jahrhunderten bereits bezwang der große Durta Slargin die magischen Quellen von Gharax, gründete zahlreiche Magierlogen und machte ihre Magie nutzbar. Meeresströmungen wurden umgeleitet, um eisfreie Seewege zu schaffen, trockene Gebiete durch Regen fruchtbar gemacht. Im südlichen Kaiserreich Sithar, das sich seine Unabhängigkeit vom mächtigen Königreich Arphat im Norden in Jahrhunderten voller Kriege immer wieder erkämpfen musste, sind in der Tathrilya Staatskirche und Magierlogen sogar miteinander verschmolzen.
Kaiser Akendor ist jedoch ein schwacher Herrscher, dessen Thronrat, der „silberne Kreis“, von den beiden mächtigen Fürsten Scorutar und Binhipar gelenkt wird, die sich auch im Angesicht der Bedrohung durch die Goldéi eher um ihre Privilegien und Vorrangstellung sorgen. Fürst Baniter von Ganata regt eine diplomatische Mission zu Königin Inthara von Arphat an, um sie als Verbündete gegen die Goldéi zu gewinnen, was angesichts der Geschichte der beiden Reiche ein gewagter Vorschlag ist. Seine Pläne sind jedoch nicht vollständig uneigennützig und gehen weit über den Kampf gegen die Goldéi hinaus …
Währendessen wird im fernen Thax der Magierschüler Laghanos aus den Klauen der Goldéi befreit. In der Magierfestung Oors Caundis untersucht man die seltsame Maske aus Gold, die ihm während seiner Gefangenschaft angelegt wurde und ihm Schmerzen verursacht. Laghanos findet sich unvermittelt in einer Rolle als trojanisches Pferd der Goldéi wieder; gleichzeitig wird er innerhalb der Kirche und Magierlogen des Südens zum Spielball zwischen den Fronten: Ein Schisma droht, ehrgeizige Magier einer längst bedeutungslos geglaubten Sekte sind im Begriff, die Macht an sich zu reißen.
Fürst Baniter kann gegen alle Widerstände auch aus den eigenen Reihen seinen Plan hinsichtlich Arphats verwirklichen, alles läuft wie gewünscht für ihn … doch fatalerweise kommt es während seiner Abwesenheit zu Verschiebungen im Machtgefüge des Kaiserreichs, die von keinem der üblichen Verdächtigten verursacht werden.
Der Autor
Markolf Hoffmann wurde 1975 in Braunschweig geboren, er studiert Geschichte und Literaturwissenschaft in Berlin, außerdem engagiert er sich in Kurzfilmprojekten. Bereits in seiner Schulzeit wurde er für hervorragende Leistungen im Fach Deutsch mit dem Scheffelpreis ausgezeichnet.
Sprachlich und inhaltlich überzeugend
Das merkt man „Nebelriss“ auch positiv an. Die Figuren charakterisieren sich über ihre Sprache selbst; so bemerkt man Fürst Baniters Hang zum Spott natürlich aus seinen Äußerungen, erkennt man den gerissenen und kalkulierenden Politiker Scorutar an wohlbedachten Kommentaren und Einwürfen, während man Laghanos Jugend ohne weiteres auch aus seiner Sprache erkennen kann. Faszinierend ist auch die gelegentlich lautmalerisch (Schlangenzischeln) unterlegte Sprachweise der Goldéi, deren Siegessicherheit und Überlegenheit sich auch in ihren Worten niederschlägt – aus den puren Worten eines Goldéi-Anführers spürt man die Fremdartigkeit und Gefahr durch diese Wesen. Hier ist Hoffmann der Konkurrenz aus deutschen Landen weit voraus, die seine Virtuosität nicht erreicht und oft mit schwülstigen, langwierigen und umständlichen Umschreibungen das Wesen ihrer Figuren zu definieren versucht.
Eine der großen Stärken von „Nebelriss“ ist, dass es keine alles dominierende Hauptfigur gibt, sondern viele Personen, deren Handlungen an verschiedenen Orten den Lauf der Geschichte nachhaltig beeinflussen. Dass alle diese Figuren mit nachvollziehbaren Motiven und Charakterzügen ausgestattet sind, macht den Reiz dieser Welt aus – sie wirkt natürlich und lebendig. Schwarz-Weiß-Malerei, pathetische Tugendbolde oder notorische Unholde gibt es demzufolge nicht. Die Handlung selbst kommt in diesem Buch erst langsam in die Gänge, Hoffmann blendet jedoch immer wieder virtuos zwischen verschiedenen Orten und Personen um und fügt immer wieder geschickt Passagen über die Geschichte und Kultur der Welt Gharax ein, deren Komplexität und Bedeutung für die Gegenwart sich so auf angenehme Weise nach und nach erschließt.
Hoffmanns Studium der Geschichte merkt man den Aufbauten seiner Kaiser- und Königreiche an. Die Situation eines schwachen Kaisers und starker Fürsten mit ausgeprägt eigennützigen Motiven wurde von ihm mit zahlreichen Intrigen unterfüttert. Das Kaiserreich Sithar, dem eine Kirchenspaltung droht, erinnert stark an das Heilige Römische Reich deutscher Nation, das während der Reformation auch mit vielen Problemen zu kämpfen hatte. Die rauschenden Feste am Hof des Kaisers hingegen, bei denen dieser sich ganz seiner bezaubernden Mätresse Ceyla hingibt, haben ein wenig das französische Flair Ludwig XIV. und seines Hofes in Versailles. Im altehrwürdigen und stolzen Königreich Arphat hingegen herrscht die bildschöne und grausame Königin Inthara als absolute Herrscherin von des Sonnengottes Gnaden; während die Magierschaft in Sithar Teil der Staatskirche ist, wird sie in Arphat von den religiösen Orden und Sekten der Herrscherin kontrolliert. In ihrer Rolle als Hohepriesterin des Sonnengottes erinnert Königin Inthara an aztekische Herrscher wie Montezuma, aber auch Anleihen im alten Ägypten und im fernen Osten kann man erkennen.
Fazit:
Zu kritisieren gibt es wenig; am Ende des Romans wird jedoch der Einstiegsbandcharakter des Buches klar. Fürst Baniters Plan wird erst im Folgeband für einigen Aufruhr sorgen, ebenso bleiben bei den Goldéi viele Fragen offen, die Sekte der Bathaquar und der bereits in diesem Band beginnende Aufruhr in Sithar zeichnen sich in diesem Band erst ab, fortgeführt wird die sich erst andeutende Geschichte (wer oder was ist „Drafur“ nun genau, was genau bezwecken die Goldéi mit den Quellen?) im zweiten Band der mittlerweile zur Tetralogie gewordenen Trilogie, „Flammenbucht“. Der geplante dritte Teil, „Schattenbruch“, wird vom Piper-Verlag vermutlich geteilt und im Herbst 2005 erscheinen. Mit den troublinischen Händlern Aelarian Truarc und seinem Diener Cornbrunn (inklusive ihrer lustigen kleinen, hochaggressiven Kieselfresser Grimm und Knauf, einer Art Hosentaschen-Monster) halten zudem humorige und bissige Dialoge ihren Einzug in die Serie, die in „Nebelriss“ ein wenig fehlen.
Markolf Hoffmann hat eine faszinierende Welt geschaffen, mit ebenso lebendigen und natürlichen Charakteren. Die Geschichte, die er erzählt, profitiert davon, denn sie ist unberechenbar und vielfältig, einfach spannend und macht Lust auf mehr.
Auf der Homepage www.nebelriss.de von Markolf Hoffmann kann man Probekapitel von „Nebelriss“ und „Flammenbucht“ lesen, ebenso findet man weitere Informationen über die Welt Gharax.
P. S.: Der namengebende Nebelriss ist eine mysteriöse, schauderhaft tiefe Schlucht an der Grenze zwischen Sithar und Arphat, in der Legenden zufolge die Wolken geboren werden, um der Welt Regen zu bringen oder sie mit Stürmen heimzusuchen. Das Titelbild fängt die nebelige Grundstimmung trefflich ein, auch wenn es eine Burg und Berge darstellt.
Taschenbuch: 510 Seiten
www.piper.de