Hohlbein, Wolfgang – Gejagte, Der (Die Chronik der Unsterblichen 7)

Im Frühjahr 1565 droht dem kleinen Mittelmeerstaat Malta ein apokalyptischer Untergang. Nach Jahren der stillen Auseinandersetzung mit dem Osmanischen Reich kommt es nun zum offenen, unverhohlenen Krieg. Dem letzten Herrschaftsgebiet der Johanniter mit seinen spartanischen Waffenarsenalen und Munitionslagern steht nahezu die gesamte türkische Armee gegenüber. Inmitten dieser angespannten Situation finden sich die Protagonisten der Chronik der Unsterblichen, Andrej Delany und Abu Dun, wieder.

Auf der Suche nach einem Ort, der sie als Fremde wohl aber nicht als Verfluchte akzeptiert, haben sie ihre Oase der Stille in Malta gefunden. Allen voran haben die beiden Krieger und Söldner ihre Ruhe dem Großmeister des Johanniter-Ordens, La Valette, zu verdanken, der schützend seine Hand über sie hält. Aus Dankbarkeit oder der unbestimmten Gewissheit, später einen Nutzen daraus zu ziehen, hat sich Andrej infolgedessen dem Orden angeschlossen und seine Dienste den Befehlen des Großmeisters unterstellt. Diese Option hat sich dem nubischen Riesen nicht eröffnet.

Angesichts der übermächtigen türkischen Bedrohung hat es sich für Abu Dun empfohlen, das Leben abseits der Ordensfestung vorzuziehen. Drei friedvolle Jahre hat ihnen diese Insel geschenkt, drei Jahre ohne Verfolgung durch andere Unsterbliche und ohne den Zorn der Inquisition, drei Jahre, in denen Abu Dun eine Familie gegründet hat und Andrej zu einem hochrangigen Ritter des Ordens emporgestiegen ist. Doch mit den ersten Gerüchten um einen Angriff der Osmanen unter Suleiman zerfällt das Paradies in eine Wüste der Gefahren und Bedrohungen. Ihr erster Auftrag führt sie in die Höhle des Löwen. Als Spione im Auftrag der Johanniter ist ihr Ziel das Waffenlager in Konstantinopel. Dieses Unterfangen hätte mit absehbarer Gewissheit jeden gewöhnlichen Mann in den sicheren Tod geführt, doch allein ihrer Freundschaft und ihren übermenschlichen Kräften haben sie es zu verdanken, dass sie nach einer schier endlosen Reise die weiß leuchtenden Klippen Maltas wohlbehalten wiedersehen.

Doch vielleicht wären sie bei ihrer Flucht aus dem Herzstück des östlichen Reiches besser von einer der zahlreichen Kanonenkugeln auf ewig in die Tiefen des Meeres versenkt worden. Denn ohne die Erlebnisse und Erkenntnisse, die sie mitbringen, wären ihnen die quälende Gewissheit einer totalen Niederlage und das Warten auf die erste Salve der zu Hunderten erwarteten Galeeren erspart geblieben. Doch mit dem Mut der Verzweiflung beginnt die Aufrüstung und Befestigung der Insel.

Was Andrej und Abu Dun jedoch nicht preisgeben, ist ebenso beängstigend. Ein Unsterblicher, so mächtig, dass seine Präsenz ihnen den Atem zu rauben vermag, ist ihnen begegnet und scheint offenbar in den Diensten der Osmanen zu stehen. Allzu früh offenbart sich ihnen der Fremde. Einem Schatten gleich überfällt er die beiden Gefährten und erweist sich als der einzig wahre Unsterbliche unter ihnen dreien. Doch nie bringt er zu Ende, was er beginnt, jedes Mal lässt er den beiden ihr Leben, aber nimmt ihnen ein Stück ihres Glücks indem er jene leiden lässt, die ihnen etwas bedeuten. Das Kriegsgeschehen gerät im Verlauf der Geschichte in den Hintergrund, ist jedoch allgegenwärtig, muss dem Handlungsstrang um den unbesiegbaren Vampyr aber weichen. Die Ereignisse spitzen sich zu und ziehen immer weitere Kreise.

Abu Duns Familie wird durch den Fremden zerstört, der Orden durch Zwietracht zerrüttet und selbst Abu Dun und Andrej, Freunde seit mehr als einem Menschenleben, haben miteinander zu kämpfen. Zu allem Überfluss erweisen sich darüber hinaus der Großmeister La Valette und sein englischer Sekretär Sir Starkey als undurchsichtige Figuren, die nie mehr preisgeben, als ihnen gut zu Gesichte steht. Das Schicksal bindet sie jedoch aneinander. Als Sir Starkey Andrej offenbart, von seiner Existenz als Vampyr zu wissen, unterbreitet er ihm ein Angebot. Im Tausch für den Kopf des Kommandierenden des türkischen Heeres und die Leiche des unbesiegbaren Vampyrs erhält Andrej die Möglichkeit, Einsicht in die geheimen Aufzeichnungen des Ordens zu bekommen, die seine Suche nach der Erklärung für sein Dasein als Vampyr beenden sollen. Doch dies erweist sich weder als Fluch noch Segen, es ist vielmehr eine Bestätigung dessen, was Andrej schon immer gefürchtet und nie zu glauben gewagt hatte. Schließlich müssen Andrej und Abu Dun ihren Teil der Vereinbarung erfüllen, was sich als äußerst schwierig erweist …

Sechs weitere Bücher liegen diesem siebten Band der Chroniken der Unsterblichen zu Grunde und erweisen sich als wichtige Grundlage. Wolfgang Hohlbein bezieht sich oft auf Ereignisse, die weit zurück liegen und aus verschiedenen Abschnitten der Lebensgeschichte der beiden Protagonisten stammen. So entsteht allmählich ein abgerundetes Bild der Handlung, deren Rahmen die Suche nach einer Erklärung für die Existenz von Vampyren darstellt. Die Ereignisse verdichten sich mit diesem Band und werden miteinander verwoben und doch weiß der Leser nach der Lektüre dieses Buches nicht mehr als zuvor.

Nach dem hervorragenden sechsten Band enttäuscht sein Nachfolger. Die Handlung beginnt zunächst rasant, doch der Spannungsbogen bricht sehr schnell ab. Das Kriegsgeschehen und die Ereignisse auf der Insel mit dem mysteriösen und scheinbar unbesiegbaren Vampyr kitzeln die Nerven des Lesers nur wenig, vielleicht weil das Motiv des unbekannten, starken Fremden mittlerweile überstrapaziert ist.

Wer die Chroniken so weit verfolgt hat, vermag den Ausgang der Handlung abzuschätzen, da sie immer wieder einem ähnlichen Schema folgt. Dieser Fakt ist aufgrund überraschender Wendungen und brilliant ausgearbeiteter Charaktere bisher nie sonderlich störend aufgefallen. Doch hier bleiben vermeintlich wichtige Charaktere wie der Großmeister La Valette blass, und Sir Starkey erscheint zwar durchaus interessant, bringt der Handlung dennoch nicht das gewünschte Prickeln. Als weitaus störender erweisen sich allerdings inhaltliche Schwächen. Abu Duns Familie existiert plötzlich und wird nur mit wenigen Worten beleuchtet, ebenso zweidimensional sind die Erklärungen für mancherlei Entscheidungen Andrejs oder Abu Duns.

Gleichzeitig sind eben diese beiden Charaktere und ihre Entwicklung der Glanzpunkt der Geschichte. Sowohl ihre Freundschaft als auch Abu Dun als einzelner Charakter erhalten eine immense Tiefe, und jene Stellen im Buch, die dies Thema ansprechen, fesseln den Leser, der zweifelsohne beide bereits in sein Herz geschlossen hat, doch noch bis zum Ende (das zugleich Höhepunkt der Entwicklung ist).

Als Anhänger dieser Reihe möchte ich nur ungern davon sprechen, dass dieses Buch summa summarum nicht gut ist, aber es steht weit hinter den anderen zurück und besticht mehr durch einen historisch trockenen Stil und appelliert weniger an die Emotionen der Leser.

Dennoch: Wer einmal begonnen hat, die Chroniken zu lesen, wird sich aus diesem Buch die besten Körner picken und auf baldige Fortsetzung hoffen! Band 8, [„Die Verfluchten“,]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/380253459X/powermetalde-21 erscheint im Mai 2005.

_Stefanie Borgmann_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.x-zine.de veröffentlicht.|