Hohlbein, Wolfgang – Unheil (Lesung)

Der Vampir, der ein Schläfer war

Man nennt ihn den „Vampir“: Bestialisch foltert er seine jungen weiblichen Opfer und zapft ihnen das Blut ab. Kommissarin Conny Feisst plant, ihm das Handwerk zu legen. Im Gothic Club „Trash“ kommt sie ihm gefährlich nahe. Von nun an kann sie sich nirgends mehr sicher fühlen. Doch wer ist ihr geheimnisvoller Helfer, der sich „Vlad“ nennt und aus dem 19. Jahrhundert zu stammen scheint? Connys schlimmste Albträume werden Wirklichkeit …

Der Autor

Wolfgang Hohlbein, geboren 1953 in Weimar, hat sich seit Anfang der achtziger Jahre einen wachsenden Leserkreis in Fantasy, Horror und Science-Fiction erobert und ist so zu einem der erfolgreichsten deutschen Autoren geworden (Gesamtauflage laut Verlag: mehr als 40 Millionen Bücher). Zuweilen schreibt er zusammen mit seiner Frau Heike an einem Buch. Er lebt mit ihr und einem Heer von Katzen in seinem Haus in Neuss. (keine Verlagsinfo)

Der Sprecher & die Sprecherin

Dagmar Heller (* 1951 in Berlin) ist eine deutsche Schauspielerin und Synchronsprecherin. Dagmar Heller absolvierte nach der Schule eine dreijährige Schauspielausbildung bei Else Bongers in Berlin. Zwischen 1972 und 1973 spielte sie Theater in Berlin und Frankfurt und wirkte in einigen Fernsehserien wie Derrick oder Tatort mit. 1977 bis 1980 war sie am Thalia-Theater in Hamburg.

Das Synchronsprechen wurde ab etwa 1980 zu ihrem Hauptbetätigungsfeld. 1980 war Dagmar Heller bei Nils Holgersson als Erzählerin zu hören. Sie ist die Stammsprecherin von Mia Farrow und Beverly D’Angelo. Seit 1981 synchronisierte sie regelmäßig Barbra Streisand. Auch wird sie häufig für Jamie Lee Curtis eingesetzt. Heller wohnt in München. (Wikipedia)

Michael Schwarzmaier (* 11. September 1940 in Frankfurt am Main) ist ein deutscher Schauspieler und Synchronsprecher. 1965/66 debütierte er an der Landesbühne in Verden (Aller). 1966/67 spielte er am Deutschen Theater Göttingen, 1967/68 an den Städtischen Bühnen Münster, 1968 bis 1971 am Niedersächsischen Staatstheater Hannover, 1971/72 an den Deutschen Kammerspielen in Buenos Aires, 1972 bis 1974 an den Münchner Kammerspielen und 1974 am Berliner Hansa-Theater. Danach war er freischaffend tätig.

Bekannt ist er für seine Rolle des Joachim Herbolz in Lotta in Love, die er von 2006 bis 2007 spielte. Als Synchronsprecher lieh er unter anderem Daniel Stern und James Warwick seine Stimme. In der Serie Law & Order sprach er in den ersten vier Staffeln Chris Noth. Außerdem synchronisierte er einige Animes, darunter den Erzähler in Pokémon (von 1999 bis 2012) und Soun Tendo in Ranma ½. Er hat über 50 Hörbücher gesprochen. (Wikipedia)

Regie führten Volker Gehr und Claus Vester.

Handlung

Weil Lea, die Tochter ihrer besten Freundin, ermordet am Straßenrand gefunden wurde und die Polizei der Stadt nach ihrem Mörder fahndet, begibt sich Kommissarin Conny Feisst an einen Ort, den sie nicht mal in ihren Albträumen besuchen würde: den Gothic-Club. Alle, meist jungen Leute sind in Schwarz gekleidet, und so sticht sie als 42-Jährige und in ihrem dunkelroten Outfit doppelt hervor.

Conny hat eine E-Mail erhalten, die sie hierhergelotst hat. Sie will dem Spuk, den der achtfache Mädchenmörder und die Sensationspresse, die ihn einen „Vampir, der umgeht“ nennt, ein Ende bereiten. Als Leiterin der Sonderkommission „Vampir“ ist sie besonders gespannt auf den Mailschreiber, der sich „Vlad“ nennt.

Nachdem der 17-jährige Tom sie angebaggert hat, muss er einem distinguiert aussehenden älteren Herrn Platz machen. Ist das „Vlad“, fragt sie sich. Er nennt sich in der Tat „Vlad“, das sei die Kurzform von „Vladimir“, und er wolle ihr helfen. Der Mörder sei hier im Raum. Nicht sonderlich dezentzeigt er auf einen Typen an der Theke, der ein kindhaftes Gesicht, aber einen teuflischen Jägerblick aufweist. Vlad nennt ihn DIE SPINNE.

Kaum ist Vlad verschwunden, nimmt Tom sie an der Hand, um sie ins Obergeschoss zu führen, wo ein Graffito UNHEIL verheißt. Ein Schrei! Conny zieht ihre Dienstwaffe und stürzt los. Hier oben sind die Räume in Verschläge aufgeteilt. Der Schrei dringt aus einem davon: ein gefesseltes Mädchen auf einem Bettgestell, über ihr ein Typ, der ihr Blut abzapft. Als er Conny bemerkt, wirft er das bett samt Mädchen und Blutgefäß um. Conny feuert, daneben, feuert erneut, doch er greift sie mit einer silbernen Kralle an, trifft sie in die Magengrube. Im folgenden Fight zieht sie den Kürzeren. Er zielt bereits auf ihren Kopf, als sich jemand bemerkbar macht und in den Verschlag kommt: ein Riese. Der Vampir sucht das Weite und Conny bittet um einen Notarzt – für das Mädchen…

Im Gegensatz zu ihrem Chef ist „Vlad“ keineswegs zufrieden mit der Arbeit, die Conny geleistet hat. Er gibt ihr einen weiteren Tipp, im Gegenzug hat er bei ihr einen Gefallen gut. Der Zugriff mitsamt Technikern und Scharfschützen erweist sich als Desaster. Wieder versemmelt Conny den Zugriff. Doch sie gibt nicht auf, folgt ihm in Tiefgarage und Heizungsanlage des Wohnblocks. Wieder kommt es zu einem vehementen Kampf, und Conny feuert mehrmals, bevor sie bewusstlos zu Boden.

Als sie erwacht, lobt ihr Mentor und alter Kollege Trausch sie: Sie habe Eisler, den Vampir, erwischt. Doch ihr Chef, Eichholz, ist keineswegs glücklich. Woher wusste Conny immer, wo der Vampir zu finden sei? Steckt sie etwa mit ihm unter einer Decke, um ihre Karriere zu fördern? Auch der Gerichtsmediziner Lefevre hat seine Zweifel: Der „Vampir“ Eisler sei eine medizinische Unmöglichkeit. Und er sei gar nicht an einem Schuss gestorben, sondern an einem Stich in die Halsschlagader. Moment mal! Gibt es einen Trittbrettfahrer? Betreten berichtet Conny von ihrem Informanten „Vlad“. Das lässt sie keineswegs besser dastehen.

Nachdem Eislers Leiche aus der Gerichtsmedizin verschwunden ist, will Vlad Conny treffen. Okay. Doch was sie nicht ahnt: Die Polizei, misstrauisch wie immer, stellt ihr und ihrem „Vampirlover“ eine Falle …

Mein Eindruck

In diesem unheimlichen Thriller kombiniert der Bestsellerautor Horrorversatzstücke mit einem Kriminalmilieu, das recht realistisch beschrieben ist. Er stellt die Frage, ob Kriminalisten überhaupt in der Lage sein können, mit ihren Mitteln ein übernatürliches Wesen zu verstehen und zu fassen. Cops wie Eichholz, die nach Vorschrift vorgehen, beginnen, lieber die eigenen Beamten zu verdächtigen, als das Unwahrscheinliche für möglich zu halten, wie Sherlock Holmes es stets fordert.

Nach mehreren actionreichen Kämpfen mit dem „Vampir“ Eisler, einem Eisler-Nachahmer oder mit Trittbrettfahrern, die sich seine Anhänger nennen, beginnt sich Conny Feisst zu fragen, wie weit sie zu gehen bereit ist, um den Serienkiller zu fassen. Und was wäre, wenn sie dabei selbst zum Gesetzesbruch bereit und willens wäre? Der Autor stellt also die Frage, wie weit Behördenvertreter selbst Verbrecher sein dürfen, um Erfolg zu haben. Das ist angesichts des Verhaltens des Verfassungsschutzes in der NSU-Affäre eine brandaktuelle Frage. Inzwischen ist die Bundesregierung soweit, den Verfassungsschutz zu reformieren. Sagt sie jedenfalls.

Der Plot schreitet rasch voran, das Tempo ist hoch, der Hörer kann stets mit einem weiteren Action-Höhepunkt rechnen. Das sollte eigentlich auch mich bei der Stange gehalten haben, doch das Gegenteil war der Fall. Durch die Kürzungen, die der Audio Media Verlag vorgenommen hat, erscheinen die Konfrontationen bald ebenso beliebig wie die Begegnungen zwischen Conny und ihrem Mentor Vlad.

Wer ist dieser Vlad überhaupt, lautet noch eine der spannendsten Fragen. Stammt er wirklich wie ein Untoter aus dem 19. Jahrhundert, als wäre er dem Roman von Bram Stoker entsprungen? Sicher nicht, selbst wenn er hervorragend mit einem viktorianischen Stockdegen umzugehen versteht. Er wirkt sehr lebendig, wenn er Conny Fotos mit GPS-Daten überreicht.

Es ist ausgerechnet dieser romantisierte Vlad, der die Figur Conny schlecht aussehen lässt. In fast jedem Kampf geht sie regelmäßig zu Boden, bis er sie wieder auf die Beine bringt. Immer wenn sie niedergeschlagen ist, muntert er sie wieder auf. Er verhält sich wie eine Kombination aus Schutzengel, Mentor und Vater. Das macht sie jedoch zum kleinen Mädchen, das nicht für sich selbst sorgen kann. Es klingt wie eine Märchenstunde, dass er sie am Schluss mit einem Haus und der Rolle als sein Nachfolger belohnt. Braves Mädchen. Note eins. Setzen!

Der Sprecher & die Sprecherin

Dagmar Heller spricht die Szenen, die wir aus Conny Feissts Blickwinkel erleben, Michael Schwarzmaier die Szenen, in denen Vlad spricht – was natürlich viel seltener ist. Die Abwechslung sorgt für ein bisschen Anregung beim Zuhören. Die Sprecher rufen, flüstern, zischen wütend und hängen sich auch sonst gehörig rein.

Allerdings verhindert dies nicht, dass Vlad als Connys Ersatzvater erscheint und sie als seine meist unfähige Tochter, die nichts kapiert und nach einem Fight meist in einer Ohnmacht endet. Was Vlad sich als Gegenleistung für seine Hilfe von ihr wünscht, kann man sich schon denken. Es ist immer dieselbe alte Leier. Seine sanfte Stimme ist die eines hinterhältigen Verführers.

Der Gerichtsmediziner doziert herablassend, als hätte er die Weisheit mit Löffeln gefressen, und Polizeipräsident Eichholz wirkt ungewöhnlich aggressiv gegen Conny- bis ihn die blutigen Ereignisse klein- und reumütig werden lassen. Ich kam mir bald vor wie in einem Comic, etwa auf dem Niveau von „Batman“.

Geräusche

Um dem Geschehen einen möglichst realistischen Anstrich zu verleihen, hat die Regie Geräusche eingespielt. Wir hören Motoren, Sirenen, auch mal Kirchenglocken. Ein Puls-Geräusch und das Piepen eines Elektrokardiogramms manipulieren die Stimmung des Hörers unterschwelliger.

Musik

Meist kommt eine akustische Gitarre zum Einsatz, um eine neue Szene einzuleiten. Aber es gibt auch andere Musikformen. Leider ergeben die musikalischen Beiträge kein erkennbares Konzept.

Unterm Strich

Die Kombination des Horrormotivs „Vampir“ mit einem kriminalistischen Plot lädt uns dazu ein, die Ereignisse mit angemessenem Spürsinn zu betrachten, statt uns von Übernatürlichem und Unerklärlichem einlullen zu lassen. Das trägt einiges zur Spannung der Handlung bei. Auch das Rätsel, das den Informanten „Vlad“ umgibt, ist eine Denksportaufgabe. Wohl dem, der die Parallelen zu einer anderen Figur entdeckt. Dann jedoch löst sich das Rätsel in Wohlgefallen auf und die Handlung wird vorhersehbar.

Da es an einem übergreifenden Spannungsbogen mangelt – vielleicht aufgrund der Kürzung -, erscheinen die immer wieder eingeflochtenen Kampfszenen völlig grundlos und beliebig. Nach einer Weile wird klar, dass überall, wo Conny hinkommt, Kampf und Blut angesagt ist. Das macht die Story ziemlich fade. Da die Figuren auch nicht sonderlich tief gezeichnet sind, interessiert uns ihr Schicksal auch herzlich wenig. Sollen sie doch von mir aus zur Hölle fahren. Das einzige Argument, das dem entgegensteht, sind die jungen Opfer. Sie gilt es zu rächen und Neue zu verhindern. Go, Conny, go!

Das Hörbuch

Das Hörbuch, das in der ersten Szene noch richtig gute Action bieten kann, verflacht alsbald zu einer Nummerrevue. Die war nicht etwa extravagant, denn sie bot stets mehr vom Gleichen, sondern schläferte mich im Gegenteil zunehmend ein. Das ist der Effekt, der eintritt, wenn man überfüttert wird und nicht zum Verdauen kommt.

Schließlich muss ich dann in meinem Dämmerzustand irgendetwas verpasst haben, denn eine der Hauptfiguren wird auf halber Strecke getötet, taucht aber am Schluss wieder quicklebendig auf. Hm, muss wohl ein Traum gewesen sein. Meiner oder der von Conny?

Ich rate daher lieber zur Lektüre des Buches, selbst wenn die wesentlich länger dauert, oder zur Gesamtfassung auf 20 CDs. Aber man läuft dann wenigstens nicht Gefahr, die Hälfte zu verpassen (oder zu verpennen).

6 Audio-CDs
Spieldauer: 446 Minuten
Autorisierte Kurzfassung
ISBN-13: 978-3868044898

http://www.audio-media-verlag.de

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