Kay Hooper – Jagdfieber

Zynisches Mörderspiel

Ein grauenvoller Mord versetzt eine amerikanische Kleinstadt in Aufruhr. Ein skrupelloser Kidnapper kassiert hohe Lösegelder und ermordet die Entführten dennoch. Die Lage wäre aussichtslos, gäbe es nicht die Spezialeinheit von Noah Bishop und seinem Profiler Lucas Jordan. Denn der besitzt die Fähigkeit, vermisste Personen aufzuspüren … (Verlagsinfo)

_Die Autorin_

Kay Hooper wurde in Kalifornien auf einer Luftwaffenbasis geboren. Sie studierte Wirtschaftswissenschaften, wechselte dann zu Geschichte und schließlich zu Literaturwissenschaft. Bald begann sie, eigene Geschichten zu verfassen und am Beruf der Autorin Gefallen zu finden. Ihr erster Roman wurde 1980 veröffentlicht, mittlerweile blickt sie auf ein Werk von 60 Büchern zurück. (Verlagsinfo)

_Der Sprecher_

Wolfgang Rüter, Jahrgang 1950, ist bekannt aus zahlreichen TV-Serien und Filmen, u. a. „SOKO Köln“ und „Alarm für Cobra 11“. Neben seiner Arbeit als Rundfunk- und Synchronsprecher hat er sich auch an einigen Schauspielbühnen einen Namen gemacht. (Verlagsinfo)

Die Redaktion und Aufnahmeleitung für das Buch oblag Thomas Krüger, Toningenieur und Tonregisseur war Georg Niehusmann. Die Aufnahme fand in den |d.c. studios|, NRW-Berlin statt.

_Handlung_

|PROLOG|, vor fünf Jahren. Er hat sie entführt und hier eingesperrt, sie weiß nicht, wo. Doch sie hat bis 600 gezählt und war ein „braves Mädchen“. Nun endlich kann sie den Knebel und die Fesseln abnehmen. Schwärze. Sie tastet umher und findet nur Holz, aber keinen Funken Licht. Sie ist lebendig begraben. Und keiner weiß, wo sie sich befindet. Ihre Schreie verhallen ungehört.

Lt. Pete Edgerton vom Department für Gewaltverbrechen glaubt, das entführte Mädchen sei tot, doch Lucas Jordan widerspricht ihm. Jordan ist ein Medium, hinzugezogen von FBI-Sonderermittler Noah Bishop. Er hat nichts von Meredith Gilberts Ableben gespürt. Bishop wird von seinen Kollegen für den Einsatz eines Mediums kritisiert, aber das ist Bishop gewöhnt. Jordan warnt Bishop, dass er nur wahrnehmen könne, ob jemand Todesangst empfinde. Ist das nicht der Fall, so könne er den Gesuchten nicht lokalisieren.

Drei Wochen später findet Edgerton die sterblichen Überreste von Meredith Gilbert und identifiziert sie anhand des Inhalts ihres Rucksacks. Jordan rauft sich die Haare. Er wusste vor drei Wochen, dass etwas passiert sein müsse, aber konnte sie nicht orten. Er hat absolut keine Lust, Bishops Angebot eines Eintritts ins FBI anzunehmen. Bishop ist vom Wert seiner Psi-Begabung überzeugt, Jordan aber keineswegs. Das soll sich als verhängnisvoll erweisen …

|Fünf Jahre später. Donnerstag, der 20. September.|

Der Bauunternehmer Mitchell Callahan ist ein „braver Junge“ gewesen, seit er entführt worden ist. Zum Dank darf er jetzt die Augen aufmachen. Er schreit auf, als er das Mordinstrument sieht … Am Montag, den 24. September, ist das Lösegeld für ihn bezahlt, doch Sheriff Wyatt Metcalfe hat dennoch den Tod des Unternehmers konstatieren müssen. Kein Wunder, dass er sauer ist. Callahan ist schon der dritte Entführte und Ermordete im Westen seines Staates. Er wurde guillotiniert.

FBI-Sonderermittlerin Jaylene Avery gibt zu bedenken, dass die erste Entführte freigelassen wurde. Es bestehe also Hoffnung. Sie hätten es mit einem berechnenden und skrupellosen Serientäter zu tun, der nie die Nerven verliere. Lucas Jordan ist frustriert, wenn er sie so hört. Sollen sie Däumchen drehen, während sich der Killer ein neues Opfer sucht?

Carrie Vaughan, 20 Jahre alte Software-Designerin, lebt als Single unabhängig am Rande von Golden, wo Sheriff Metcalfe sein Büro hat. Sie versucht gerade ihre Heizpumpe zu reparieren, als sie eine seltsame Frau bemerkt, die plötzlich in ihrer Einfahrt auftaucht und sie anstarrt. Sie nennt sich Samantha, sei eine Hellseherin, die mit dem herumziehenden Jahrmarkt nach Golden gekommen sei und nun eine große Gefahr auf Carrie zukommen spüre. Carrie erklärt sie für verrückt. Sam wird eindringlich. Sie habe Carrie wirklich in einer Vision gesehen: gefesselt und angsterfüllt. Carrie denkt daran, den Sheriff anzurufen.

Metcalfe wettert über diese neue Hellseherin; die hätte ihm gerade noch gefehlt. Er glaubt ebenfalls nicht an übersinnliche Fähigkeiten. Er wendet sich mit Jordan und Avery an die lokale FBI-Agentin Lindsay Graham. Auf Grahams Fragen muss Metcalfe betreten zugeben, dass Samantha ihn gewarnt hatte, als Callahan verschwand, doch er habe sie nicht ernstgenommen und für eine Betrügerin gehalten, die einen Profit machen wollte.

Da sagt Samantha die Entführung von Carrie Vaughan voraus, und zwar am kommenden Mittwochnachmittag oder Donnerstagmorgen, denn der Entführer stellt seine Lösegeldforderung immer am Donnerstag, so dass die Angehörigen Zeit haben, bis Montag das Geld zu beschaffen und zu übergeben. Der Täter spiele ein Spiel nach den immer gleichen Regeln, und zwar gegen keinen anderen als Lucas Jordan, das Medium des FBI. Alle sind verblüfft, wie Sam zu einer solchen Behauptung kommt. Ganz einfach deshalb, weil Jordan der beste seiner Zunft sei, besser noch als Sam selbst, die einen körperlichen Kontakt benötigt, um eine Vision zu erlangen.

Keiner der Ermittler ahnt auch nur im Geringsten, dass Samantha und Lucas Jordan weit mehr verbindet als die gleiche Zunft und Begabung. Vor Jahren waren sie ein Paar und nahmen an der gemeinsamen Aufklärung eines Verbrechens teil. Und er ahnt nicht, dass Sam in einem geheimen Auftrag gekommen ist, und zwar nur seinetwegen. Der Jahrmarkt ist nur eine Tarnung für ihren Einsatz im Auftrag von Noah Bishop. Aber wozu die Umstände?

Am Dienstag, den 25. September, wird Carrie Vaughan von Polizisten bewacht, und ihre Proteste verpuffen wirkungslos. Der Zeitplan des Gegners läuft diesmal anders: am Mittwoch ereignet sich nichts. Am Donnerstag, den 27., warten Jordan und Avery ungeduldig im Sheriffbüro. Als Metcalfe entnervt von einem Einsatz bei einem Bankraub zurückkehrt, bekommt er einen großen Umschlag. Darin ist das Foto einer gefesselten Frau. „Der Schweinehund hat Agentin Lindsay Graham!“

_Mein Eindruck_

Im deutschen Free-TV läuft ab und zu eine TV-Serie namens „Medium“. Sie nimmt das gleiche Thema auf: Psi-begabte Menschen helfen den Ermittlungsbehörden, Verbrechen aufzuklären und Vermisste zu finden. Genau das gleiche Muster wird auch hier verfolgt. Es handelt sich um einen Roman vom Reißbrett, der allen Vorgaben des Mediums (!) Fernsehen gehorcht, nur dass hier die Handlung auf Spielfilmlänge aufgeblasen wird. Der besondere Zynismus des Täters (oder der Autorin?) zeigt sich jedoch darin, dass die Mordserie als Schachspiel und Wettkampf inszeniert wird.

Letzten Endes dreht sich alles um Lucas Jordan, das lokalisierende Medium und angeblich der Beste auf seinem Gebiet. Dass uramerikanische Prinzip des Wettbewerbs wird nun vom Serienmörder auf das Katz-und-Maus-Spiel angewendet, das Jordan mit ihm treiben muss. Die Menschenverachtung, die dahinter steckt, braucht wohl kaum besonders hervorgehoben zu werden.

Das Problem für Jordan und seine Mitstreiter besteht nun darin, Jordan dazu zu bringen, sein Trauma zu überwinden, das er in dem Gilbert-Fall fünf Jahre zuvor erlitten hat, und wieder mit voller Kraft Einsatz zu zeigen. Auftritt Samantha Burke: Bishop hat sie auf Jordan angesetzt, um die Flamme ihrer alten Liebe wieder zu entfachen und Jordan ordentlich zu motivieren. Klingt nach einer guten Wahlkampfhelferin wie Sarah Palin? Ist es wohl auch. Eine Frau muss zu ihrem Mann stehen – das hört jeder Republikaner gerne.

Dass auch Sam einiges an erlittener Vergangenheit auszupacken und zu überwinden hat, macht sie halbwegs menschlich. Zusammen können sie ihre Wunden lecken und sich gegenseitig heilen. Liebe muss therapeutisch sein. Ganz abgesehen davon, dass jeder Thriller auch eine Romanze als Zutat braucht. Das spricht dann auch das weibliche Publikum an.

|Der Sprecher|

Wolfgang Rüter, ein gestandener Theater- und TV-Schauspieler, tut sein Möglichstes, um diesem Reißbrett-Thriller Leben einzuhauchen. Aber die Szenen wechseln derartig schnell, dass ihm keine Chance gegeben wird, irgendwelche Figuren mit einer gewissen Tiefe zu versehen, und selbst Samantha Burke und Lucas Jordan wirken völlig austauschbar. Der Einzige, der so etwas wie Lebenszeichen von sich gibt, ist der stets grantige Sheriff Wyatt Metcalfe.

Was macht ein Schauspieler, wenn die Figuren nichts hergeben? Er setzt alle möglichen Emotionen ein, um wenigstens die Szenen mit etwas Leben zu versehen, so dass es aussieht, als passiere wirklich etwas Weltbewegendes. Also hören wir die Figuren – welche, ist egal – flüstern, verzweifelt klagen (kommt immer gut) oder hasserfüllt zischen. Am besten gefiel mir der wetternde Sheriff, am schlimmsten waren die ach so gefühlvollen und hilfsbereiten Damen Burke, Avery und Graham. Einzige Ausnahme: die verachtungsvolle Stimme von Carrie Vaughan. „Ein Medium? Sie spinnen wohl, Sheriff!“ Recht hat sie.

_Unterm Strich_

Dieser Thriller ist ein Buch vom Reißbrett. Die Autorin macht alles richtig, um einen massenkompatiblen Roman zu liefern, der sowohl Männer als auch Frauen anspricht. Opfer und Ermittler sind sowohl Männer als auch Frauen, und so kommt ein politisch korrektes Buch heraus. Aber mir sagt der Trick mit den Psi-Begabten nichts, denn ihre Begabung wird nie erklärt, sondern als gegeben hingestellt: take it or leave it! Warum nicht gleich eine TV-Serie daraus machen? Gut unterhalten fühlte ich mich jedenfalls nicht.

Fazit: lediglich Mittelmaß

Hinweis: Das Hörbuch gibt es gebraucht schon für unter vier Euro bei Amazon; es hat also bei einem Ladenpreis von rund 20 Euro bereits einen massiven Preisverfall hinter sich. Kein Wunder bei dieser Qualität. Musste |Lübbe Audio| eine nachweihnachtliche Lücke füllen?

Originaltitel: Hunting fear, 2004
Aus dem US-Englischen übersetzt von Marion Balkenhol
309 Minuten auf 4 CDs
ISBN-13: 978-3-7857-3490-2
www.luebbe-audio.de