Sammy ist ein kleiner Kater, der irgendwie mit seinem Zuhause nicht so richtig zufrieden ist. Ständig träumt er vom Wald, von der Jagd auf Mäuse, und sein Lieblingsplatz ist der Zaunpfosten am Rande der Menschensiedlung, wo es so verführerisch nach Laub und Beute duftet. So kommt es, dass er eines Tages sein Revier verlässt, trotz der Warnungen seines Freundes Wulle, der glaubt, dass die wilden Katzen im Wald jede andere Katze töten.
Tatsächlich wird Sammy nicht viel später von einer solchen wilden Katze angefallen. Mit überraschenden Folgen …
„In die Wildnis“ ist der Auftakt zu einer mehrteiligen Reihe. Hauptfigur ist Sammy, der orangerote kleine Kater. Er ist neugierig, intelligent und anpassungsfähig. Er besitzt Beobachtungsgabe und vor allem Mitgefühl, und er neigt dazu, auf diese innere Stimme zu hören, selbst wenn er damit mit dem Clangesetz in Konflikt gerät.
Seine besten Freunde sind Graupfote und Rabenpfote. Sie werden gerade zu Kriegern ausgebildet, wobei Rabenpfote sich damit wesentlich schwerer tut als Graupfote. Das liegt nicht unbedingt daran, dass er ungeschickt oder feige wäre. Aber er fürchtet seinen Lehrer Tigerkralle, und das aus gutem Grund.
Tigerkralle ist ein starker, ehrgeiziger Kater, der nach dem Tod des stellvertretenden Clanführers selbst Stellvertreter geworden ist. Er geht ausgesprochen hart mit Rabenpfote um, setzt ihn massiv unter Druck. Außerdem nimmt er es mit der Wahrheit nicht so genau, wie Sammy feststellt. Aber warum lügt er?
Blaustern, die Clanführerin, weiß davon nichts. Sie ist eine sehr besonnene Katze, die ihre Urteile niemals allein aufgrund von Gerüchten oder Verdächtigungen fällt.
Natürlich kommen noch eine ganze Menge anderer Katzen vor, zum Beispiel der gütige Löwenherz, der freundliche Weißpelz, die Heilerin Tüpfelblatt, in die Sammy sich verliebt, und Gelbzahn, die Katze vom verfeindeten SchattenClan. Die meisten von ihnen sind jedoch nur Nebenfiguren, und die Charakterzeichnung ist insgesamt nicht besonders tiefschürfend.
Auch der Plot haut einen nicht gerade vom Hocker. Blaustern macht sich Sorgen um das Überleben ihres Clans, denn im Jahr zuvor gab es zu wenig Futter, und der Clan hat zu wenig Krieger. Trotzdem weigert sie sich, den Forderungen des SchattenClan-Anführers Braunstern nach Jagdrechten in ihrem eigenen Territorium kampflos nachzugeben. Es kommt zum Krieg zwischen den beiden Clans. Dieser Krieg ist allerdings am Ende des Bandes bereits abgehakt; zumindest der offene Krieg gegen den SchattenClan insgesamt.
Den roten Faden des Zyklus scheint eher Tigerkralle zu bilden. Dass dieser Kater ein falscher Fünfziger ist, der unbedingt Clanführer werden will und weder vor Erpressung noch vor Mord oder Verrat zurückschreckt, dürfte allerdings selbst jugendlichen Leser recht bald klar sein. Da fragt man sich, ob es wirklich mehrere Bände dauern kann, bis ihn jemand überführt.
Was mir gut gefallen hat, war die Darstellung der Katzenwelt. Nicht, dass die Idee, vermenschlichte Tiere zu Protagonisten einer Geschichte zu machen, neu wäre. Aber immerhin wurde sie hier stimmungsvoll umgesetzt. Die Autorinnen haben den Clans ein soziales Gefüge, Rituale, ja sogar eine regelrechte Religion gegeben. Das Verhalten der Katzen untereinander wirkt – abgesehen davon, dass Wildkatzen von Natur aus eigentlich Einzelgänger sind – sehr echt und authentisch; offenbar haben die Autorinnen ihre eigenen Katzen genau beobachtet. Das gilt sogar für die Kampfszenen.
Spannung war allerdings trotz der diversen Kämpfe nicht allzu viel zu spüren. Erst gegen Ende, als Sammy sich aufmacht, um Gelbzahn zu folgen, zieht der Spannungsbogen ein wenig an. Der Kampf, in den die Ereignisse schließlich münden, ist aber ebenso rasch vorbei wie alle anderen Kämpfe, der Konflikt löst sich erstaunlich leicht, wenn man von Braunstern einmal absieht. Aber für die Folgebände musste ja schließlich auch noch etwas übrig bleiben.
Insgesamt ist dieser Band eine recht nette Lektüre, wirklich mitreißen oder fesseln kann er den Leser jedoch nicht. Zu linear, zu leicht verläuft die Handlung, zu offensichtlich und gleichzeitig langwierig zieht sich die Offenbarung von Tigerkralles Absichten hin. Das kann auch der stimmungsvolle Hintergrund nicht mehr ausgleichen. Fast möchte man das Lesealter von zwölf auf zehn Jahre absenken. Davon halten allein die vielen Kämpfe ab, bei denen durchaus Blut und Fetzen fliegen und einige Todesfälle zu beklagen sind.
Erin Hunter ist, wie oben bereits angeklungen, ein Team aus mehreren Autorinnen. Victoria Holmes, Cherith Baldry und Cate Cary sind Katzenliebhaberinnen und haben inzwischen drei Staffeln mit je sechs Bänden über die Erlebnisse der Warrior Cats geschrieben. Dabei liefert Victoria Holmes die Ideen, die ihre beiden Kolleginnen dann zu Papier bringen. Auf Deutsch erschienen sind bisher die beiden ersten Bände „In die Wildnis“ und „Feuer und Eis“.
Originaltitel: Warrior Cats. Into the Wild
299 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-407-81041-0
http://www.warriorcats.com
http://www.beltz.de
Der Autor vergibt: