Ian Brodie – Der Herr der Ringe – Reiseführer zu den Schauplätzen

Informative, bunt bebilderte Führung durch Mittelerde

Ein Reisebegleiter der besonderen Art ist der »Reiseführer zu den Schauplätzen« von »Der Herr der Ringe« für alle, die Mittelerde bereisen möchten. Die Karten mit Wegbeschreibungen zu den Drehorten sowie viele weitere Informationen zu Neuseeland mit Übernachtungsmöglichkeiten und Restaurant-Tipps machen die Reise unvergesslich. (Verlagsinfo)

Der Autor

Ian Brodie ist nicht nur ein guter Freund von Peter Jackson, sondern auch Inhaber des New Zealand Fighter Pilots Museum und Autor des erfolgreichen „The Lord of the Rings Location Guidebook“, das zu Weihnachten 2002 erstmals erschien. Davon hat er mehr als eine halbe Million Exemplare verkauft, tönt sein Verlag. 2004 erschien eine erweiterte Fassung, 2005 das Buch „Cameras in Narnia“ (800.000 Exemplare). Geplant sind derzeit „The Hobbit Location Guidebook“ sowie der Spielfilm „Glastonbury: Isle of Light“. Er ist derzeit Leiter der Firma „Hobbiton Movie Set Tours“.

Seine Homepage www.ianbrodie.net bietet zahlreiche Fotos von den schönsten Locations in Neuseeland. Denn Brodies Firma bietet seit 35 Jahren Beratung in vielen Aspekten des Filmtourismus, der Fotografie, in der Fliegerei und in der Geschichte der Luftfahrt. Brodie hat darüber 18 weitere Bücher veröffentlicht.

Zur Leseprobe: http://www.klett-cotta.de/buch/Buecher_zum_Herrn_der_Ringe/Der_Herr_der_Ringe_%E2%80%93_Reisefuehrer_zu_den_Schauplaetzen/27411
Zum Video-Interview mit dem Autor: http://blog.klett-cotta.de/hobbit-presse/nachgefragt-ian-brodie-der-herr-der-ringe-reisefuhrer-zu-den-schauplatzen/.

Inhalte

Warum ausgerechnet Neuseeland? Könnte es nicht auch Patagonien sein, wo der „Herr der Ringe“ verfilmt hätte werden können? Soll ja auch ganz malerisch sein, wie mir mein Vater erzählt hat, nachdem er dort war. Aber erstens ist es ja Peter Jackson, der aus dem Land der Kiwis stammt – und zweitens ist da noch die unglaublich vielfältige Landschaft der beiden Hauptinseln.

Der Autor Brodie bemüht auf 13 Seiten nicht weniger als fünf Vorworte plus eine Einführung aus der Mythologie der Maori, um die Schönheit der Doppelinsel im Hinblick auf Mittelerde zu preisen. Peter Jackson, Brodies Freund, ist gleich zweimal vertreten. Mehr Ritterschlag geht eigentlich nicht. Hinzukommen noch mehrere Kommentare von Schauspielern wie Elijah Wood („Gott segne Wellington!“), Andy Serkis und Sean Astin, Viggo Mortensen und Ian McKellen, die sich allesamt lobend über die Städte, Drehorte und die Leute auslassen.

Genug der Lobhudelei! Was bietet der Reiseführer nun wirklich an Brauchbarem für den Tolkien-Touristen? Neben Vierfarbfotos von den Schauplätzen – mit und ohne Schauspieler – aus allen drei HdR-Filmen finden sich hier:

1) Landkarten und Orientierungsanweisungen;
2) GPS-Daten zu den Schauplätzen (jedes Handy hat ja heute GPS);
3) nützliche Toureninfos hinsichtlich Unterkunft, Lebensmitteln (jede Gegend hat ihre Spezialität) und Anregungen für Freizeitaktivitäten (bis zur Disco in Wellington);
4) zu jedem wichtigen Ort einen Textkasten mit Angaben zu der entsprechenden Stelle aus der Roman- bzw. Filmhandlung;
5) Stichwortregister (wichtig fürs Finden der Schauplätze in Neuseeland UND in Mittelerde);
6) ein Vorschlag für eine Neuseeland-Tour von nicht weniger als 23 Tagen.

Der Aufbau ist recht einfach:

Die 21 Schauplätze auf der Nordinsel und die 26 Schauplätze auf der Südinsel sind in einer Reihenfolge angeordnet, die sich eher natürlich aus dem Buch ergibt. Der Start ist also in Hobbingen, das heißt in Matamata. Das ist nicht weit von Wellington entfernt, aber es ist eine spezielle Tour erforderlich, um das abgesperrte Gelände – besonders falls gerade gedreht wird – betreten zu dürfen. Ist ja schließlich Privatbesitz.

Das Schöne an der Abfolge, die mit erheblichen Unterbrechungen der Reiseroute der Hobbits durch Mittelerde folgt, ist die Priorität der Schauplätze aus dem Buch. Zumindest was die Darstellung angeht. Die Touristen wollen ja vor allem die Filmschauplätze sehen, und wie die in Wahrheit heißen, ist eher sekundär. Kleine Textkästen verknüpfen einen Schauplatz mit einer Handlungsszene im Film. So kann der Tourist seine Lektüre-Erinnerung mit dem verbinden, was er vor sich sieht (zumindest bei schönem Wetter; bei Nebel wird’s schwierig).

Aber es gibt natürlich auch praktisch Erwägungen zu berücksichtigen. Man braucht ja nicht gerade von Wellington auf der Nordinsel ans Ende der Südinsel düsen und dann wieder zurück, nur um die Reihenfolge der Hobbit-Reiseroute einzuhalten. Diese Reiseplanung würde den Reiseweg locker verzehnfachen, von der begrenzten Zeit ganz zu schweigen. Selbst wenn man Krösus ist, könnte dieses Vorgehen auch ein wenig die Portokasse schmälern.

Deshalb empfiehlt Brodie, die Reise so zu planen, dass bestimmte Zentren der Aktivität, wie etwa Wellington, eine Ausgangsbasis darstellen, von der aus man leicht eine ganze Reihe von Mittelerde-Schauplätzen erreicht. Zu jeder solchen Ausgangsbasis findet sich im Reiseführer eine gesonderte Einführung, die auf die Besonderheiten hinweist.

Das ergibt eine Menge Sinn, finde ich. So lässt sich eine Neuseeland-Tour von Ausgangsbasis zu Ausgangsbasis effizient planen. Man verschwendet keine Zeit und bekommt das meiste zu sehen, ohne sich zu verzetteln. Alles kann man wahrscheinlich eh nicht abklappern, es sei denn, man folgt Brodies Grand-Tour-Vorschlag und investiert 23 Tage.

Mein Eindruck

Angesichts der massiven Unterstützung durch die Macher und Darsteller der Film-Trilogie handelt es sich bei diesem Buch ganz klar um einen Beitrag zu dem zahlreichen lizenzierten Filmführern, die von New Line Cinema veröffentlicht wurden. Das ist kein Fehler, sondern ein Pluspunkt. Auf diese Weise ordnen Buchläden und Webshops diesen Reiseführer nicht nur unter „Tourismus“ ein, sondern auch unter „Filmliteratur“, also dort, wo auch die anderen HdR-Titel stehen. Das Buch sollte dementsprechend als Suchergebnis in einer entsprechenden Web-Anfrage auftauchen, beispielsweise „Herr der Ringe + Schauplätze“.

Anfahrt etc.

Zwar ist der Text auch nette Lektüre zwischendurch, aber deswegen blättert man nicht 20 Euronen auf den Tisch. Wichtig sind die handfesten Anweisungen zur Orientierung im häufig schwierigen und durchaus mal abgelegenen Gelände. Wer die Dokus „Cameras in Middle-Earth“ auf den DVDs gesehen hat, weiß schon, was gemeint ist. Der Hügel etwa, auf dem das Filmteam Edoras erbaute, ist heute wieder völlig kahl und einsam und verlassen auf einer windumtosten Hochebene der Südinsel. Da muss man erstmal hinkommen. Wie das am einfachsten geht, beschreibt der Reiseführer.

Ähnliche Schauplätze sind auch in den zahlreichen Wäldern zu finden, wo sich die Hobbits durch dick und dünn kämpfen. Von oben sieht jeder Wald ziemlich gleich aus, deshalb ist es von großem Vorteil, wenn der Autor jeweils sehr schöne Fotos eingebunden hat, die dem Reisenden einen klaren Eindruck vermitteln, wie der Schauplatz nicht nur im Film, sondern auch in der Realität aussieht. Oder aussehen sollte, denn naturgemäß zeigen alle Fotos die Gegend bei schönstem Sonnenschein. Und der ist auch in Neuseeland nie garantiert.

Genauigkeit

Leider hatte ich keine Gelegenheit, die Angaben des Autors vor Ort nachzuprüfen. Was die Leser auf Amazon.de jedoch zu den Angaben schreiben, stimmt mich nachdenklich. „Das vorhandene Kartenmaterial reicht aber in den wenigsten Fällen aus, die Schauplätze dann vor Ort wirklich zu finden. Verwirrung kommt spätestens auf, wenn der Autor sich auf Maori-Namen von Kleinstädten bezieht, die man nicht auf der Karte findet.“ Auch ein Schafgatter als Ortsangabe ist nicht hilfreich, den die gibt es auf der Insel der Schafzüchter zu Millionen. Ein GPS-Gerät sollte man auf jeden Fall dabei haben, notfalls im Smartphone.

„Wünschenswert wäre eine Neuseeland-Karte mit kleinen Nummern im Kreis und einer Legende der Schauplätze mit Namen“, empfiehlt ein Leser. Diese Karte existiert bereits, und zwar auf Seite 40/41. Die Doppelseite zeigt alle Schauplätze, die in der Nähe von Wellington liegen. Das sind eine ganze Menge, nämlich nicht weniger als zehn. Sie führen durch ganz „Mittelerde“, von Bruchtal bis Mordor.

Und auf Seite 45 gibt es eine kleine Tourkarte, in der die Stationen nummeriert sind. Vielleicht bezog sich der Wunsch des Lesers auf die erste Fassung des Originals. Diese wurde bekanntlich überarbeitet und erweitert. Allerdings sind solche Tourkarte mit nummerierten Stationen die große Ausnahme. Offenbar wollte der Autor dem Leser nicht vorschreiben, auf welchem Weg er zu reisen hat.

Die Übersetzung

S. 12: „und die [und] es ihm erlaubte…“ Das zweite „und“ ist unnötig.
S. 36: „um den Ausblick auf [die] Schlucht zu genießen.“ Der bestimmte Artikel „die“ ist hier durchaus nötig.
S. 38: „Auenland. Somit entstand eine interessante Parallele zum Wirtschaftsleben in Otaki.“ Eine ziemlich an den Haaren herbeigezogene Parallele!
S. 46: „An diesem (…) Strand konnte man den Hobbits oft beim Surfen zuschauen.“ Gemeint sind hier vermutlich deren Darsteller.

Kasten über den Drehort von Dunharg und den Dwimmorberg: „Hier befand sich der Zugang zum Düsterwald (!) und zu den Pfaden der Toten.“ Kompletter Unsinn! Gemeint ist der Dwimmorberg.

S. 85: „Die magische Flutwelle, mit der Arwen die Nazgûl vertrieb…“ In diesem Satz kann man trefflich über jedes einzelne Wort streiten.

S. 93: Textkasten über das Schattenbachtal: Hier liegt nicht der „westliche Eingang zu den Minen von Moria“, sondern der östliche. Der Westeingang wird von einem Monster bewacht.

S. 94: Textkasten über Amon Hen, den Berg des Auges am WESTLICHEN Ufer des Anduin. Hier erblickt Frodo erneut das flammende Auge des Dunklen Herrschers. Dann wird behauptet, Amon Llhaw, der „Berg des Ohrs“, befinde sich am westliche Ufer, wohingegen er sich am ÖSTLICHEN Ufer befindet, wie ein Blick auf die Karte Tolkien belegt. Warum die Übersetzerin diese Irrtümer bezüglich der Himmelsrichtung nicht korrigiert hat, ist mir ein Rätsel.

S. 110: John Rhys Davies => Der Bindestrich in „John Rhys-Davies“ fehlt. Wenn schon, denn schon.

Unterm Strich

Als Reiseführer ist das Büchlein bedingt brauchbar, besonders in dem Fall, in dem der Reisende kein GPS-Gerät besitzt, selbst nicht im Smartphone. Ich würde daher den Kauf einer guten Reisekarte für das jeweilige Reiseziel empfehlen, insbesondere auf der wilden, teils unwegsamen Südinsel. „Gut“ bedeutet in diesem Fall einen großen Maßstab, der auch noch kleinere Dorfnamen auf Maori anzeigt.

Dass sich der Reisende vor Reiseantritt über die Fortbewegungs- und Verpflegungsmöglichkeiten sowie die Zugänglichkeit der Sehenswürdigkeiten informiert, ist eigentlich selbstverständlich. Nicht jeder Berg ist im Winter der Südhalbkugel wirklich leicht zu besteigen, also sollte man im Südsommer hinfahren. Alle Vierfarbfotos des Reiseführers wurden offensichtlich im Sommer oder Frühherbst aufgenommen. Das ist das Wetter darauf auch immer bestens, im Gegensatz zur Realität.

Da der Autor niemals Preisangaben macht und nur hin und wieder einen lokalen Tour-Veranstalter nennt, ist der Reisende bei seiner Planung sowieso gut beraten, sich vorab bei der Touristeninfo von Neuseeland zu informieren. Die Locations sind, besonders auf der Südseeinsel, selten ohne eingehende Ortskenntnisse zu finden bzw. zu erreichen. Wer keinen Jeep mit Vierradantrieb hat, sollte dort, im holprigen, abgelegenen Hinterland, gar nicht erst losfahren.

Die Sesseltour

Für den Nichtreisenden bietet das Büchlein mit seinen knapp 130 Seiten jedoch eine Fülle von interessanten Informationen und eine Unmenge schöner Fotos. Diese zeigen den realen Ort, Filmszenen und, als Bonus, auch Eindrücke von den Dreharbeiten, die der Autor offensichtlich als Berater und Helfer mitverfolgte. Da sieht dann eine simple Kamera sehr viel unhandlicher aus, nämlich halb so groß wie die arme Frau, die sie den Berg hochschleppen muss …

Während mich die Reisebeschreibungen auf meiner Sesseltour kaum vom Hocker hauten, fand ich die Vorworte und Einleitungen, Kommentare und so weiter viel interessanter. Sie bringen eine ganz persönliche Note in die inhaltliche Darstellung. So erzählt Sir Peter Jackson schon in seinem Vorwort, wie sehr ihn die Landschaften, von denen er mit 18 Jahren im „Herr der Ringe“ gelesen hatte, an seine eigene Heimat Neuseeland erinnerten. Wäre hier nicht eine tolle Location, oder dort drüben?

Aus diesem Wunschtraum wurde dann wesentlich später eine Wirklichkeit, an der erst 2500 Crewmitglieder und dann Millionen von Filmzuschauer teilhaben konnten. Art Designer Alan Lee erging es wenig anders, Barry Osborne, einer der Proudzenten, verließ sich ganz auf Leute wie Brodie. Darsteller wie Sean Astin und Elijah Wood erinnern sich mehr an die tollen Sportarten, die man hier ausüben kann: Bungee-Jumping, Segeln, Wind-Surfen, vom Bergsteigen ganz zu schweigen. Die Dokus auf den DVDs sprechen eine deutliche Sprache, was die „neun Gefährten“ dort alles trieben.

Die Fehler, die ich in der Übersetzung fand (s. o.), sind nur ein kleines Haar in der Suppe, obwohl die Vertauschung von Ost und West für einen Reiseführer doch bedenklich erscheint. Ganz ehrlich: Wer das Buch liest, würde am liebsten gleich die Koffer packen und hinfliegen.

Broschiert: 128 Seiten mit zahlr. farbigen Abbildungen, mit Karten von Ian Brodie,
Aus dem Englischen übersetzt von Anja Welle
Originaltitel: The Lord Of The Rings, Location Guide Book, 2002
ISBN-13: 978-3608938364

www.klett-cotta.de

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