Ian Watson – Orakel

Von zeitreisenden Römern, Zeloten und der IRA

In einer dunklen Nacht liest Tom Ryan einen als römischen Zenturio gekleideten Mann auf einer einsamen Landstraße auf. Zuerst glaubt Tom an eine Verkleidung, doch der Mann, Marcus Appius Silvanus, spricht nur Latein, glaubt im Jahr 60 AD zu leben und daß England von Königin Boudicea regiert wird. Tom nimmt den Mann mit nach Hause, wo er die Aufmerksamkeit verschiedenster Gruppen erregt: der Journalisten, der IRA, des britischen Sicherheitsdienstes und nicht zuletzt der Wissenschaftler des Projekts Orakel, die in einem geheimen Labor Zeitexperimente durchführen. Tom, seine Schwester Mary und Marcus sind zu Sicherheitsrisiken geworden. Und so beginnt die Jagd… (Verlagsinfo)

Der Autor

Ian Watson gehört zu den literarisch versiertesten und intelligentesten britischen Autoren. In den letzten Jahren ist er durch die Science-Fiction-Trilogie um das „Buch Mana“ und das „Buch vom Fluss“ sowie diverse WARHAMMER-Bände bei uns bekannt geworden.

Der britische Autor Ian Watson ist bei uns zuletzt durch seinen Science-Thriller „Quantennetze“ bekannt geworden. Zuvor veröffentlichte er mit der Mana-Trilogie ein futuristisches Gesellschaftspanorama zwischen Science Fiction und Fantasy. „Orakel“ zeigt ihn wieder als Verschmelzer von disparaten Stoffen: Zeitexperimente, IRA, Geheimdienste und römische Soldaten. „Das Babel-Syndrom“ war sein erster veröffentlichter Roman (1973) und erregte sofort Aufsehen in der Fachwelt. Er wurde mit dem französischen Apollo Award ausgezeichnet.

Handlung

Tom Ryan ist ein friedliebender Übersetzer lateinischer Texte, der sich nach einer unruhigen Jugend in Belfast mit seiner Schwester Mary in dem friedlichen Retortenstädtchen Milton Keynes mitten in England niedergelassen hat. In einer dunklen Nacht liest er einen als römischen Zenturio gekleideten Mann auf einer Landstraße nicht weit von Milton Keynes auf. Zunächst glaubt Tom zwar an eine gelungene Verkleidung, doch der Mann, Marcus Appius Silvanus, spricht nur Latein und glaubt, im Jahre 60 AD zu leben und dass England von der rebellischen Königin Boudicca (Boadicea) gegen die römischen Eroberer (sie kamen 43 AD) aufgewiegelt werde.

Tom nimmt Marcus, mit dem er sich einwandfrei verständigen kann, mit nach Hause zu Mary, wo es nur wenige Wochen dauert, bis er die Aufmerksamkeit der Presse erregt. Diese macht wiederum die Verursacher des Zeitreisephänomens, die britischen Geheimdienste MI5 und MI6, auf ihn aufmerksam. Deren Experiment „Orakel“ soll der Manipulation der Zukunft dienen, leider ging mit der Vergangenheit etwas daneben. „Orakels“ Existenz soll um jeden Preis verheimlicht werden, wofür die Dienste auch über Leichen gehen.

Dumm nur, dass sich aus Belfast ein IRA-Mann an Mary herangemacht hat, ein Ex-Lover. Durch diesen Kontakt geraten die Ryans in Verdacht, mit Terroristen unter einer Decke zu stecken. Als sie vor der Bedrohung der Dienste nach Belgien fliehen, heckt dort die IRA gerade die Ermordung der britischen Königin aus. Es kommt zu einem tödlichen Wettlauf mit der Zeit…

Mein Eindruck

Watson zieht sehr deutliche Parallelen, was seine Behandlung des Nordirland-Themas angeht. Waren zur Zeit von Jesu Kreuzigung die Truppen unter Marcus zugegen, um die Juden zu unterdrücken (die wiederum von den Griechen gehasst wurden), so stehen heutzutage (also 1997) britische Truppen in Nordirland der Irischen Republikanischen Armee gegenüber, deren katholische Angehörige wiederum von den Protestanten in Ulster gehasst werden.

Zu den Briten gehören natürlich auch die Geheimdienste, die am liebsten alle Beteiligten in ihrem Sinne manipulieren und beherrschen würden – daher das Orakel-Experiment. Marcus wiederum ist mit Leuten wie der IRA bestens vertraut: So wurden in den Provinz Judäa Zeloten genannt, Messer-Kämpfer und Selbstmörder.

Leider kommt in dieser ganzen historischen Beziehungskiste das Menschlich-Allzumenschliche ein wenig zu kurz. Schön, das sich Mary und Marcus einander trösten, aber der Urheber der Verwirrung, Tom, kommt kaum jemals zu Wort – das heißt, bis auf den Schluss. Anstelle von Marcus verschlägt es IHN in das Jahr 60 AD nach Britannien. Nun ist er ironischerweise selbst ein echtes Orakel, und wer weiß, was er in dieser Eigenschaft alles anstellen wird.

Taschenbuch: 479 Seiten
Originaltitel: Oracle, 1997
Aus dem Englischen von Jürgen Martin.
ISBN-13: 9783404242573

www.luebbe.de

Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)