Für Nicola Lubitz bedeutet Silvester den absoluten Neuanfang – allerdings nicht ganz freiwillig … Zu einer noblen Kostümparty kommt sie unpassenderweise im Biene-Maja-Kostüm, und dann telefoniert sie auf der Feier auch noch mit ihrem Liebhaber, und zwar direkt neben einem eingeschalteten Babyphone, sodass sämtliche Gäste von ihrer Liebschaft erfahren, auch ihr eigener Ehemann. So muss sie noch in der Silvesternacht aus dem gemeinsamen Nobelappartement ausziehen und einen neuen Unterschlupf finden. Sie kann sich ihren Friseur und die Fußpflege nicht mehr leisten, hat kein eigenes Einkommen und vor allem keinen Mann mehr. Was ist eigentlich passiert? Oliver und sie waren einst ein glückliches Paar, doch nach dem Umzug ins Hamburger Nobelviertel war plötzlich alles vorbei.
Durch Zufall trifft Nicola auf Erdal Küppers, der ihr in ihrer Not ein Dach über dem Kopf und einen Job in seinem Unternehmen anbietet. So muss sich Nicola zwar mit einer zukünftigen Braut herumschlagen, die ihrem zukünftigen Ehemann die Fehlgeburt verheimlichen will, doch zumindest hat Nicola nun viel Zeit, um über ihr eigenes Leben nachzudenken, über ihren Liebhaber, der ihr zwar Schmetterlinge im Bauch besorgt hat, aber mit dem sie eigentlich gar nicht reden konnte. Und vor allem kann sie darüber nachdenken, wie ihre Ehe mit Oliver scheitern musste.
Eines Tages schreibt Nicola ihrem Noch-Mann einen überaus ehrlichen Brief, den sie sogar frankiert, aber dann doch einfach liegen lässt. Als aber Erdal seine Putzfrau in Nicolas neues Domizil schickt, ist der Brief auf einmal verschwunden …
Zurück auf Los
Mit 43 Jahren muss Nicola Lubitz nochmal komplett von vorne beginnen. Für ihren Mann hat sie ihren Job aufgegeben, aber als die Ehe zerbricht, steht sie vor dem Nichts – keine Wohnung, kein Mann, kein Job, kein Geld, keine Perspektive. Zunächst lebt die Liebschaft mit ihrem Geliebten auf, doch bald merkt Nicola, dass bei dieser Affäre auch nicht alles gold war, was glänzte. Nicola muss sich ein neues Leben aufbauen und denkt nun auch viel über ihre Vergangenheit nach. Nach und nach erfahren wir dabei, was in ihrer Ehe mit Oliver alles vorgefallen war und warum die beiden kinderlos sind. Wir erfahren, wie sich alles verändert hat, als Oliver den Job gewechselt und plötzlich ganz viel Geld verdient hat. Plötzlich fanden die beiden sich in der High Society wieder, und für Nicola waren Besuche im Tennisclub, bei der Pediküre und beim Schönheitschirurgen ganz alltäglich.
So kurios die Silvesternacht auch begann und so witzig bei allem Drama die Geschichte auch ist, als Nicola übers Babyphone ihre Liebschaft ausplaudert, so nachdenklich geht es in diesem Buch zu. Ungewohnt leise und nachdenkliche Töne liest man hier in Ildikó von Kürthys neuestem Roman. Was mir am besten gefiel: Nicola ist eine Frau wie du und ich. Sie ist 43, hat Schlupflider, sie macht Fehler und denkt über Liebe, Treue und Betrug nach und darüber, ob eine Ehe mit einem Geliebten dabei nicht auch vollkommen okay sein kann. Sie ist zum Glück nicht die übliche Protagonistin in einem Frauenroman, die mit viel Naivität von einem Fettnäpfchen ins nächste tritt. Nein, Nicola macht zwar Fehler, aber dumm oder gar naiv ist sie nicht. Sie weiß genau, was sie tut, auch wenn es nicht immer das Richtige ist. Ich fand es herrlich erfrischend, dass Ildikó von Kürthy uns hier nicht das übliche Dummchen präsentiert, sondern eine authentische Frau mittleren Alters mit all ihren Schwächen und Stärken. Wie oft habe ich mich bei Frauenromanen zwar amüsiert, aber doch auch immer wieder geärgert über das naiv-dumme Verhalten der Hauptprotagonistin. Viele Frauenromane leben ja davon, dass die Frauen darin den größten Mist machen. Ab und an kann das zwar mal amüsant sein, aber viel besser gefiel mir doch das vorliegende Buch, in dem ich mich eben nicht über das dumme Verhalten der Hauptfigur ärgern musste. Und es wäre bei einer 43-jährigen Frau irgendwie auch nicht glaubwürdig gewesen.
„Sternschanze“ ist zwar ein klassischer Frauenroman, hebt sich aber positiv aus der Masse ab durch die authentische und sympathische Protagonistin. Der Wortwitz leidet darunter kein bisschen, und nicht zuletzt Erdal Küppers – der treuen von Kürthy-Leserinnen natürlich ein Begriff ist – sorgt für allerlei kuriose und komische Szenen, die einen bei all den nachdenklichen Passagen doch auch wieder zum Lachen bringen.
Fünf Sterne auf der Schanze
„Sternschanze“ hatte ich ratzfatz durchgelesen und mich dabei keine Minute gelangweilt. Sicherlich habe ich nicht annähernd so oft gelacht wie bei von Kürthys Erstlingswerk „Mondscheintarif“, aber das liegt eben auch an der Thematik. Es ist eben nicht mehr die ledige Frau auf Männerjagd, die wir begleiten, sondern es ist die gestandene Frau in den 40ern, deren Leben von einer Minute auf die andere zusammenbricht und die sich nun völlig neu (er)finden muss. Von mir gibt es für dieses Buch volle fünf Sterne!
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