Interview mit Tade Thompson, nominiert für den Kurd-Laßwitz-Preis 2021

Interview mit Tade Thompson, der für den KLP 2021 nominiert ist

Der Autor

Tade Thompson ist in London geboren, in Nigeria aufgewachsen und wieder nach England zurückgekehrt, um dort Medizin und Sozialanthropologie zu studieren. Inzwischen lebt er als Arzt an der englischen Südküste, wo er gegen seine Bibliomanie ankämpft. Mehr Info im folgenden.
Tade Thompson (c) Golkonda und David Thomson

BUCHWURM: Hallo, Mr. Thompson, was machen Sie gerade?

Tade Thompson: Ich versuche mir gerade einen Plot für eine Story über Hexen auszudenken.

Wie fühlen Sie sich in diesen besonders erschöpfenden Zeiten?

Thompson: Ich kann nicht klagen. Ich bin ein Arzt im Krankenhaus, deshalb verfüge ich nicht über den Luxus, erschöpft zu sein.

Was bedeutet es für Sie, ein erfolgreicher Autor zu sein?

Thompson: Was versteht man unter Erfolg und was bedeutet er? Er bedeutet, dass ich fähig bin, in meinem Schreiben ein Thema mit einiger Klarheit zu vermitteln und die Achtung meiner SchriftstellerkollegInnen zu haben.
Rosewater 1

Das Buch „Rosewater“ (Band 1) erzählt den Lesern von Nigeria, aber auf indirekte Weise. Weil die Inhaltsangabe bereits öffentlich zugänglich ist, brauchen wir nicht darauf einzugehen. Warum haben Sie die Themen Nigerianische Gesellschaft, Aliens, Futurismus und eine Kriminalgeschichte im einem Buch miteinander verknüpft?

Thompson: Ich neige dazu, das, was ich kenne, mit dem zu verknüpfen, was mich interessiert. Ich kenne Nigeria (zumindest jenes Nigeria, in dem ich vor Jahren lebte), und Aliens sind nur eine Metapher für Kolonialismus. Die afrikanische Erzählweise neigt dazu, sowohl optimistisch als auch futuristisch zu sein, und „Rosewater“ ist definitiv ein afrikanisches Buch. Ich bin mit Kriminalgeschichten (unter anderem) aufgewachsen, also kann ich mich schwer davon lösen.

Was bedeutet der Protagonist Kaaro für Sie? Wo liegen seine sozialen, kulturellen und genetischen Wurzeln?

Thompson: Kaaro basiert auf einem kriminellen Nigerianer, den ich damals kannte. An meiner Universität traten die nicht-akademischen Mitarbeiter in den Streik, deshalb begaben sich die Studentenvertreter zum lokalen Gefängnis und bezahlten die Häftlinge dafür, an der Uni zu putzen. Für die Häftlinge war es ein prima Deal, denn wir gaben ihnen Essen und obendrein Bier. Wenn jemand jeden Tag bei dir auftaucht, kommst du ins Gespräch. Der Mann hat eine einzigartige Sichtweise und zudem eine interessante Lebensgeschichte.

Kaaro verfügt über eine besondere geistige Fähigkeit, eine Art verbindender Empathie. Ist das eine Metapher für die sozialen Netzwerke im Internet?

Thompson: Nicht genau, aber ich pflegte, mit Cisco-Netzwerken zu arbeiten (ich bin ein Cisco Certified Network Professional), und das habe ich genutzt, um in „Rosewater“ die Xenosphäre zu entwerfen. Es gibt zudem ein paar Aspekte in der Geschichte, die Cybersex imitieren sollen.

Wie sahen die Reaktionen Ihrer Leser aus? Sind sie in jedem Land verschieden?

Thompson: Um ehrlich zu sein, kenne ich die Verteilung über die einzelnen Länder nicht, aber ich bekomme reichliche und positive Fan-Mail. Ich bin zu Lesungen in deutschen Buchläden eingeladen worden und ich will definitiv kommen, sobald die Pandemie vorüber ist. Die Reaktion aus Deutschland ist erstaunlich positiv gewesen. Den Arthur C. Clarke Award 2019 zu gewinnen und ein HUGO-Award-Finalist für die beste (SF-) Serie zu sein, vermittelt mir den Eindruck, dass den Lesern das Buch („Rosewater“ und die Fortsetzung) gefallen hat.

Wie gefallen Ihnen die Leserreaktionen? Sind Sie erstaunt?

Thompson: Ja, siehe oben. Die einzigen Reaktionen, die mich enttäuscht haben, sind von ein paar Fans gekommen, die die Persönlichkeit der Figur Kaaro auf mich projiziert haben. Ich bin nicht Kaaro!

Was bedeutet der Begriff „Afrofuturismus“ für Sie?

Thompson: Das kommt darauf an. Im engeren Sinne lässt sich der Begriff auf eine breite Palette von Kreativität der spekulativen Art anwenden, die primär aus der afroamerikanischen Diaspora kommt. Im weiteren (und unzutreffenden) Sinne wird der Begriff auf jede Science Fiction angewandt, die aus der schwarzen, afroamerikanischen oder afrikanischen Diaspora hervorgebracht wird.

Letzten Endes interessieren mich solche Etikettierungen nicht besonders. Sie beleidigen mich nicht, aber sie interessieren mich auch nicht. Ich betrachte mich als Schriftsteller. Ich habe vielerlei Interessen, die sich nicht in eine einzelne Schublade zwängen lassen.

Mögen Sie Nnedi Okorafor und ihre Bücher? Falls ja, was bedeutet sie und ihr Werk für Sie?

Thompson: Doktor Okorafor ist eine großartige Schriftstellerin, die in Jahrzehnten ausgezeichnete Werke veröffentlicht hat. Meiner Meinung nach ist die wichtigste Autorin in der afrikanischen Science Fiction und Fantasy.

Welche Autoren sind Ihre wichtigsten literarischen Einflüsse?

Thompson: Wieviel Platz haben Sie? Italo Calvino, Jack Kirby, Cormac McCarthy, Pat Cadigan, die verschiedenen Verfasser von „1001 Nacht“, Haruki Murakami, Wole Soyinka, Thomas Pynchon, Alessandro Baricco, Kurt Vonnegut, Mary Shelley, Anne Sexton, William Blake, Alan Moore….

Das erste Buch ist der Auftakt zur ROSEWATER-Trilogie und äußerst erfolgreich; es hat – siehe oben – mehrere wichtige Preise gewonnen. Haben Sie sich deshalb unter Druck gesetzt gefühlt, dass die Fortsetzungen genauso beliebt sein müssten?

Thompson: Ich fühle mich nicht unter Druck gesetzt. Sobald das Schreiben zur Last werden sollte, werden ich aufhören.

„Rosewater Insurrection“ wird im Juni unter dem Titel „Rosewater -der Aufstand“ in Deutschland veröffentlicht. Welche Art von Entwicklung wollen Sie in der Trilogie beschreiben?

Rosewater 2

Thompson: „Rosewater“ drehte sich um die Wirkung (der Xenosphäre) auf einen einzelnen Mann. „Rosewater – der Aufstand“ dreht sich um die Auswirkungen der (Alien-) Invasion auf eine Gemeinschaft. Der Leser bekommt eine bessere Sicht auf die Aliens und ihre Absichten sowie einen besseren Einblick in die Gemeinschaft und wie sie darauf reagiert.

Warum haben Sie in Band 2 einen völlig anderen Erzählstil als im ersten Band verwendet? „Rosewater“ wird aus dem Blickwinkel Kaaros erzählt, wenn auch in verschiedenen Zeitabschnitten. „Rosewater – der Aufstand“ spielt fast vollständig im gleichen Zeitabschnitt, aber aus den unterschiedlichen Blickwinkeln verschiedener Figuren.

Thompson: Der Grund ist einfach, dass ich mich leicht langweile und nie das gleiche zweimal schreiben möchte. Obendrein ist der persönliche Blickwinkel ein wenig zu begrenzt, um die Geschichte erzählen zu können, die ich im zweiten Band erzählen musste.

Können Sie uns schon sagen, welche Erzählweise Sie für den dritten Band gewählt haben?

Thompson: Fragmentiert, subjektiv, verfallend. Sie werden verstehen, was ich meine, wenn Sie es lesen.

Ich wünsche Ihnen alles Gute für Ihre weiteren Arbeiten und freue mich auf Ihr nächstes Buch!

Thompson: Vielen Dank! Es ist eine Ehre, so viel Unterstützung von den deutschen SF-Lesern zu erhalten. Ich hoffe, Sie bald besuchen zu können.

Das schriftliche Interview führte und übersetzte Michael Matzer.

http://buchwurm.org/die-nominierten-fuer-den-kurd-lasswitz-preis-2021/