Interview mit Alexander Besher

Buchwurm.info führte ein Interview mit dem amerikanischen Autor Alexander Besher, von dem der Goldmann Verlag (jetzt ein Imprint von Random House) drei phantastische Romane veröffentlichte – die RIM-Trilogie.

_Hallo, Alex, wo bist du und was machst du gerade?_

_Alexander Besher:_ Ich sitze gerade an meinem Schreibtisch in meinem Haus im Herzen des Mission Districts von San Francicso, nur einen halben Block östlich von Central America (dort wohnen nur Latinos), einen halben Block westlich von Wi-Filandia (WiFi: WLAN). Dort gibt es angesagte Restaurants, Boutiquen, Buchläden, Bars, WLAN-Cafés, junge Websurfers, deren Ohren an den iPods und deren Augen an den Handybildschirmen kleben … Ich lebe in einer ruhigen Gasse, sitze am meinem Schreibtisch, vor mir einen blühenden Pflaumenbaum mit einem Fries aus pinkfarbenen Blütenblättern.

_In Deutschland wurden drei deiner Romane veröffentlicht, die RIM-Trilogie._

_Besher:_ Der Goldmann Verlag veröffentlichte meine Rim-Trilogie: „Rim“, „Mir“ und „Chi“. Nur dass sie den Titel von „Rim“ in „Satori City 2.0“ änderten. Wenn ich mich nicht täusche, veröffentlichte der Verlag jeden Titel individuell, ohne die Tatsache zu erwähnen, dass sie zu einer Trilogie gehören. Mir gefällt jedoch der Titel „Satori City 2.0“. (Die anderen Titel lauten „Virtual Tattoo“ und „Cyber Blues“ – die Red.)

_Bitte erzähle deinen deutschen Lesern von dir und wie du ein Schriftsteller wurdest._

_Besher:_ Ich begann mit dem Schreiben, bevor ich schreiben konnte. Wir mir meine Eltern sagten, war ich ein „Großer Diktator“.

_Warum und wozu schreibst du Geschichten? Oder betrachtest du dich mehr als Multimedia-Künstler? Auf deiner Homepage zeigst du ungewöhnliche Videos …_

_Besher:_ Die Geschichten schreiben vielmehr mich. Zunehmend. Ich habe den Keim einer Geschichte, doch der Zauber wirkt erst, sobald ich zur Seite trete. In den letzten Jahren habe ich jedoch einen Abstecher ins Schreiben von Filmdrehbucher gemacht bevor ich bin mit meiner Kabbala-Trilogie zur Prosa zurückgekehrt bin.

Deren erster Titel „The Clinging“ wurde ursprünglich als Drehbuch verfasst. Der Kurzroman folgte kurz danach, so dass ich den Spannungsbogen der Story schon ziemlich gut festgelegt hatte (obwohl es nahezu die üblichen unzähligen Überarbeitungen gab). Jahre der Recherche flossen in die Trilogie ein. Das Drehbuch erforderte zwei Jahre, der Roman aber nur zwei Wochen.

Die Fortsetzung „The Night of the Golem“ ist ein ganz anderes Tierchen. Ich schrieb die 450 Seiten in nur zwei Monaten, mehr im Geiste von „Rim“. Dann lasse ich das Ergebnis wie einen hoffentlich guten Wein erst einmal „atmen“, bevor ich den Text überarbeite und kürze. Der Roman war am schwierigsten zu schreiben, denn es handelt sich um einen Schauplatz im Berlin der Nazijahre. Unmengen an Recherche.

Die Trilogie fällt ins Genre des Supernatural Horror, mit viel Suspense und Exorzismus – eine Art spirituelles Abenteuer, das so tiefgründig und düster wird wie mein jüngster Roman „The Manga Man“.

Dieser Roman erschien nicht in Buchform, sondern auf der Plattform eines intelligenten T-Shirts. Der Betrachter macht mit seinem Handy einen Schnappschuss vom QR-Code auf dem T-Shirt. Dieser Code wurde vom italienischen Comickünstler Daniele Serra (nominiert für den British Fantasy Award 2009 und 2010, siehe [www.multigrade.it]http://www.multigrade.it .

Nach diesem Schnappschuss werden sie ins Universum von Managa Man expediert, das folgendes anbietet: einen fürs Handy-Display formatierten Roman, einen unabhängigen Kurzfilm, den Original Soundtrack, einen Graphic Novel Trailer (weil Daniele an einer Comicbook-Version von „Manga Man“ arbeitet) und STUNDEN von Videos, die japanische Avantgarde-Butoh-Tanzaufführungen zeigen.

Der Grund für diese Videos ist der, dass der Protagonist von „Manga Man“ ein japanischer Butoh-Tänzer-Assassine der Zukunft ist. Seien Mission besteht darin, die „Kriegsherren aufzuhalten, die das Universum klonen wollen“. Es handelt sich um den ersten Transmedia-Roman der Nach-Gutenberg-Ära – alles auf einem T-Shirt.

_Wie bist du auf diese Idee gekommen?_

_Besher:_ Ich kam auf die Idee, ein paar der Vorstellungen aus meinem zweiten RIM-Roman „Mir“ (dt. Titel: „Virtual Tattoo“) aus dem Jahr 1998 in die Tat umzusetzen. Darin kommen „intelligente Tattoos“ vor, die von einem Menschenkörper zum nächsten wandern können. Das erfolgt während techno-heidnischen Ritualen, und sie wandern sowohl off- als auch online. Natürlich birgt eines der tattoos einen teuflischen Computer-Virus in sich …

Inzwischen hat die technische Entwicklung zu diesem Traum Anschluss gefunden, und zwar mit den QR-Codes. Deshalb entwarf ich das Naheliegende, nämlich intelligente Tattoos, die man auf dem Körper tragen kann, die aber die Schnittstelle zwischen dem Selbst und der Welt ringsum überschreiten.

Aus meiner Sicht ist dies die Richtung, in die sich der Mensch entwickelt. Die Verständigungstechnik evolviert vom Gebrauch der Werkzeuge zu einer neuen Spezies, die ich „omni sapiens“ getauft habe. Sie wird in der Lage sein, auf mehrdimensionaler Ebene zu kommunizieren. Hey, willst du mit den belebten und unbelebten Wesen auf den Planeten von Arktur oder in einem Paralleluniversum twittern? Na los, erzähl ihnen, was du zum Frühstück gehabt hast.

In der Zukunft werden wir keine Technologie mehr brauchen. Klar, bis dahin sind erst noch ein paar Zwischenschritte zu bewältigen. Ich denke, dass wir uns der Vollendung des Kreises nähern, der in den Tagen vor der Zivilisation mit dem Zwei-Kammern-Bewusstsein begann, als wir uns alle noch mit archetypischen Vorstellungen verständigten, bevor wir dann in linearer Sprache steckenblieben. Doch endlich, endlich sehen wir am fernen Horizont ein neues Portal aus Kommunikation und Sprache, mit dessen Hilfe wir innere „synästhetische“ Kanäle entdecken und so schließlich mit dem gesamten Universum in transmedialen Formen kommunizieren können – Formen, die wir uns gegenwärtig noch nicht vorstellen können.

_Was hat es mit diesen Portalen auf sich?_

_Besher:_ Im dritten Roman „Chi“ (1999) meiner RIM-Trilogie beschreibe ich die Entdeckung eines Portals, das zum organischen Cyberspace der Natur führt (mit Servern in Gestalt von Bäumen, die im Dschungel von Borneo wachsen). Vor ein paar Jahren gab es eine wissenschaftliche Entdeckung, die besagt, dass die Natur tatsächlich eine Art Internet besitzt. Der Beweis in der Fallstudie: Schwarzulmen, die in Gefahr sind, von Raupen angegriffen zu werden, senden „chemische E-Mails aus, um Insekten zu einem kostenlosen Abendessen einzuladen, nämlich Raupen. Und diese Insekten nahmen die Einladung prompt an und vertilgten die Raupen.

_Worum geht es in „Manga Man 2.0“?_

_Besher:_ Siehe dazu [die Pressemitteilung]http://delivr.com/1489m zu „Manga Man 2.0“, die im Februar 2011 herausgegeben wurde. (Daher auch „2.0;“ weil der ursprüngliche „Manga Man“-Roman zuerst anno 2008 erschien, wie üblich vorzeitig, denn die USA hinken in puncto Mobilfunktechnik hinter Afrika her und mühen sich aufzuholen.)

Die „Manga Man“ Site ist: [www.mangaman.mobi]http://www.mangaman.mobi.
Andere Verweise: [trendmobi.de]http://trendmobi.de/index.php/2009/02/alexander-besher-–-the-manga-man-die-rezension-zum-handy-roman/
und [conversations.nokia.com]http://conversations.nokia.com/2008/11/04/manga-man-creator-talks-mobile-t-shirt-publishing-sentient-tattoos-and-the-physical-social-networks/
und [ebay]http://cgi.ebay.com/Worlds-First-Multimedia-SF-Novel-on-a-QR-Code-T-shirt__W0QQitemZ270509369715QQcmdZViewItemQQptZLH__DefaultDomain__0?hash=item3efb9d6973#ht__1716wt__1046

_Bist du ein Multimedia-Künstler?_

_Besher:_ „Multimedia“ ist ein geradezu archaischer Ausdruck (ebenso wie „Transmedia“, der wenigstens den allgemeinen Sinn vermittelt). Ich glaube, wir werden die „Demokratisierung der Synästhesie“ auf Gebieten wie Kunst, Kultur und Technologie erleben. Als Zwischenstufe, denke ich, entwickelt künstliche Intelligenz synästhetische Fähigkeiten, bevor wir die organische und gesteuerte Fähigkeit erlangen, Geschichten, Bilder, „Film“ und andere Medienformen durch „morphische Synästhesie“ zu kommunizieren.

Der Romanautor Vladimir Nabokov („Lolita“) war bekanntermaßen ein synästhetischer Schriftsteller. Und dann gibt es noch den Fall des Malers Kandinsky. Wie malte er sein Thema? Er legte eine Phonograph-Musikaufnahme auf und malte einfach die Farben und Formen, die er als Emanationen der Musik wahrnahm.

Gegenwärtig wird Synästhesie entweder als neurologische Störung oder als Einzelfall betrachtet. In der Zukunft wird Synästhesie jedoch die Grundlage einer universellen Sprache bilden, die von der Mehrzahl der Menschen verstanden (und zwecks Ausdruck genutzt) werden kann. Stellen Sie sich das als eine Art „Esperanto der neuen Medien“ vor. Bis jetzt ist Synästhesie eine zufällige und unvorhersagbare Erfahrung. Doch eines tages wird sie programmierbar sein und von allen genutzt werden können.

_Wie bist du auf diese Idee gekommen?_

_Besher:_ Als ich seinerzeit (vor 1999) an „Chi“ schrieb, lebte ich auf der thailändischen Insel Koh Samui. Mein Bungalow, der nur Minuten vom Strand entfernt lag, stand direkt neben einem absichtlich unberührten Stück Urwald, in dem einst ein alter Stamm geliebt hatte. In manchen Nächsten wiegte mich ein ätherisches Konzert von Trommeln, Gesang und seltsamer elektronischer Musik in den Schlaf! Mensch, wenn ich bloß diese Musik aufgenommen hätte, während ich schon längst an den Tantiemen reich geworden. Diese Musik hätte Musikgruppen wie „Enigma“ arbeitslos gemacht. Leider war dies das letzte Mal, dass ich dieses Konzerterlebnis in der ersten Reihe erfahren durfte.

_Wenn du kreativ bist, willst du dann deine eigene Welt-Anschauung ausdrücken?_

_Besher:_ Wahrscheinlich schon. Aber ich folge einem inneren Drang, das ist keine kalkulierte Wahl. Um jene Zone des Wohlfühlens des Selbstausdrucks zu erreichen, muss ich mein Selbst erst einmal beiseitestellen und einfach in diese Zone eintreten, die die Quelle meiner Kreativität ist. Dann schau ich einfach, was passiert und von dort kommt. Aus diesem Grund lerne ich so viel von der Quelle meines Werks, wie ich hoffentlich meinen Lesern mitteilen kann. Diese reinterpretieren den text dann mit ihrem eigenen Bewusstsein. Kreativität kennt weder Ideologien noch Landkarten. Wir sind schon da und müssen uns nur noch zurechtfinden.

Ich erinnere mich daran, dass ich mich mit meinem ersten Roman „Rim“ echt abrackerte. Ich schleppte einfach zuviel Ballast mit mir herum. Das Ergebnis war deshalb missraten, so dass ich frustriert war.

Zu der Zeit schrieb ich in Südfrankreich an der Cote d’Azur. Ich war derart verzweifelt, dass ich einem Reiseführerhinweis folgte und exakt jenem Pfad bei Nizza folgte, auf dem Friedrich Nietzsche die Epiphanie empfing, die dazu führte, dass er „Also sprach Zarathustra“ schrieb. Allerdings folgte ich einer einfacheren Route, als ich auf eine solche Erleuchtung hoffte, Ich bereue es nicht, doch alles, was ich fand, waren leere Coladosen, und ich begegnete niemandem auf dem Pfad. Das hätte mir einiges sagen sollen. Erst drei völlig veränderte Fassungen später stellte ich „Rim“ fertig, nachdem ich es 1994 an HarperCollins verkauft hatte. Kaum war der Vertrag unterzeichnet, als ich den kompletten Roman in nur drei Wochen schrieb. Die Bruchstücke, die ich gesucht hatte, fielen alle an den richtigen Platz. Und wenn Sie mich nach meiner Weltanschauung fragen, antworte ich nur kurz: „Have a nice day.“

_Hilft dir das Internet mit seinen Nebenzweigen, dass du dich auf bestimmte Weise besser ausdrücken kannst? Falls ja, auf welche Weise? Wie sieht deine Homepage [www.alexanderbesher.tv]http://www.alexanderbesher.tv aus?_

_Besher:_ Was Technologie anbelangt, bin ich ein moderner Primitiver. Das Internet benutze ich für die Recherche, E-Mail und erst seit Kurzem nutze ich auch ein wenig Twitter und Facebook. In dieser Anfängerphase kapiere ich einfach nicht, wie Twitter zu solchen Revolutionen wie in Ägypten beitragen konnte. Manchmal scheint es so, als könnte ich meine „Message“ schneller rüberbringen, indem ich sie mit einem Ochsenkarren ausliefere. Wenigstens wäre ich dann nicht so überladen mit all diesem Datenmüll. Der Turm von Ge-Babbel ist heutzutage dieses Smartphone in deiner Hand.

_Bitte nenne deine jüngsten Produktionen._

_Besher:_ Ich habe einige Sachen am Laufen. Eine davon ist meine „Manga-Man“-Trilogie „Dance of Darkness“. Ich habe die Fortsetzung von „Manga Man“ mit dem Titel the Black Tao“ fertiggestellt. Ich freue mich sehr über meine neue „Kabbalah noir“-Trilogie. Sie ist in einem anderen Stil geschrieben: einfach, fast schon auf Trashniveau (zumindest der erste Titel „The Clinging“). Aber ich will verdammt sein, ich hab doch tatsächlich ein Cover-Zitat von keinem geringeren als William Blatty bekommen, dem Autor von „Der Exorzist“ und Drehbuchautor des gleichnamigen Films.

Bislang verfolgte er eine strenge Politik, niemals anderen Autoren solche Cover-Zitate zu liefern. Daran hat er sich über 40 Jahre lang gehalten. Und jetzt dieses Lob!

Während ich „The Clinging“ (ursprünglich „Dybbuk“ betitelt) schrieb, wurde ich unter anderem von den übernatürlichen, aber humanistischen Themen der chassidischen Geschichten (insbesondere von Martin Bubers Buch „Erzählungen der Chassidim“) beeinflusst. So sprachen mich an, weil ich in Japan aufwuchs und lebte, so dass mich die Ähnlichkeit zwischen der psycho-spirituellen Tradition des Zen (-Buddhismus) und der existentiellen Euphorie der frühen Chassidim à la „Sorbas der Grieche“ beeindruckte. Man könnte meinen Ansatz von „Kabbalah noir“ also „Sorbas trifft den Buddha“ taufen.

In „Manga Man“, das im Jahr 2062 spielt, habe ich mich der sogenannten Absurdität der menschlichen Natur genähert. Aber darin erforschte ich die göttliche Dunkelheit. Zen ist oder war in Ordnung, als wir noch in einer weitaus einfacheren Welt lebten. Doch die andere Seite der Medaille namens „Aufklärung“ ist ein dunkler Stand der Gnade namens „Verdunklung“. In meinen Augen wird dies vollkommen durch die Philosophie des „Butoh“ widergespiegelt, jener japanischen Form des Tanzes, die von dem großartigen Tänzer Hijikata in den Nachwehen des Atombombenabwurfs auf Hiroshima kreiert wurde. Butoh ist post Zen.

Wir können nicht wie der Vogel Strauß unseren Kopf in den Sand stecken und uns weigern, all den Schrecken unserer Zeit einen Sinn abzugewinnen. Hast du den Witz über die Sträuße gehört, die in einem Haus lebten und sich entschlossen, nach draußen zu laufen? Sie taten es, und als der letzte Straß rauskam, hatten alle anderen ihre Köpfe in den Sand gesteckt. Er fragte sich verwundert: „Wo sind denn alle hin?“ Wenn man daran denkt, wieviele Satelliten und Kameras jeden auf dem Planeten beobachten, könnte man sagen, dass alles, was sie aufnehmen, „Blindheit“ ist. Aber wer beobachtet „Big Brother“?
Hier ist eine meiner Lieblingsstellen aus „Managa Man“:

>>Der alte Nijima schloss seine Butoh-Tanzübungsstunde für diesen Morgen ab, indem er Johnny und Rizzako einen Vortrag im Hof des tempels hielt. „In der alten Zeit“, erzählte er ihnen, „gab es eine berühmte Redensart: Jeder kann für wenigstens fünfzehn Sekunden in seinem Leben anonym werden.“<< In meinem "Manga Man Manifesto" (einem der vielen merkmale dieses transmedialen Werks) stelle ich fest: >> In einem Zeitalter der Google-Landkarten und Satelliten verfügt selbst der einsame Betrunkene, der auf der Straße tanzt, über ein Milliardenpublikum. Manchmal scheint es, als gäbe es nichts mehr zu verbergen außer der Unsichtbarkeit. Vielleicht wird unser neues Paradigma lauten: „Wir sind unsichtbar, daher kann man uns sehen.“ Käufer und Voyeur sollten gleichermaßen auf der Hut sein! Dies wird übersetzt als: „Wie wissen, wo du dich versteckst, denn wir haben den Code dafür geschrieben.“ Es wird nicht darum gehen, dass das Unsichtbare zum Zwecke der Offenbarung sichtbar wird, sondern dass es ein todsicheres Rezept für Blindheit ist. Nur ein weiteres Symptom der pathologischen „Mad-Now“-Krankheit, die unsere total vernetzte Welt in ihrem Griff hält.<< Ich sollte natürlich erwähnen, dass mein Protagonist in "Manga Man" selbst halb digital, halb physisch existiert. Ansonsten beschäftige ich mich gerade mit zwei Projekten - erstens mit meiner "Kabbalah noir"-Trilogie, wobei ich gerade die Fortsetzung zu "The Clinging" mit dem Titel "Night of the Golem" überarbeite. Dieser Roman spielt im Berlin des Nationalsozialismus, also in den Dreißigern und frühen Vierzigern des vorigen Jahrhunderts. Es gibt Interesse, dieses Buch zu verfilmen. (Wahrscheinlich wird auch die RIM-Trilogie für die aktuelle Lesergeneration neu aufgelegt. Sie haben einen besseren Bezug zum Inhalt. Als ich RIM erstmals veröffentlichte, war das noch vor dem Boom des Internets.) Mein zweites aktuelles Projekt ist ein transmediales Start-up namens cloudzero. Es hatte sein geheimes Debüt auf dem Sundance Film Festival 2010, wo ich das Konzept eines Filmfestivals in der Hosentasche" vorstellte. Vergleiche dazu: [www.wired.com]http://www.wired.com/underwire/2010/01/showwx-sundance Ich darf nicht mehr über unsere Pläne verraten, weil wir gerade Investorenkapital aufzutreiben versuchen. Dieses kommt garantiert nicht von den üblichen VC-Quellen im Silicon Valley. Alles, woran die nämlich interessiert sind, ist die Entwicklung neuer Apps oder Gadgets oder Social Media Sites. Keinerlei Vorstellungskraft. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir bald starten können, und dann kriegen wir Kaufangebote von den üblichen Verdächtigen wie Google etc. (Ich kanns immer noch nicht fassen, dass AOL die "The Huffington Post" für schlappe 145 Mio. $ gekauft hat. Das ist ein stattlicher Preis für einen weiteren Nagel zu AOLs Sarg.) Sogenannte Analysten und Marktbeobachter glauben, dass die durchschnittliche Lebensdauer eines reichen Unternehmens wie Google rund 20 Jahre beträgt. Heutzutage sind 20 Jahre doch schon in 20 Minuten rum. Deshalb ist Google ebenso besorgt wie Nokia. _Was sind deine bevorzugten Hobbys, wenn du nicht schreibst?_ _Besher:_ Nach Liebe, Frieden und Verständnis suchen - stets an den falschen Orten. _Engagierst du dich für soziale oder wohltätige Projekte?_ _Besher:_ Die Welt befindet sich in solch desolatem Zustand, dass es schwierig ist, die wirkungsvollste Wohltätigkeitsorganisation zu finden, die nicht 80% all ihrer Spenden für ihre "Verwaltungskosten" ausgibt. Persönlich favorisiere ich Medecins San Frontieres und den Cambodia Children’s Fund. Aber das ist nur ein Tropfen auf den globalen heißen Stein. Wir müssen alle die globale Klimaerwärmung in den Griff bekommen. Ich habe kürzlich eine öko-apokalyptische Erzählung geschrieben, die in Sri Lanka auf einer "para-klimatologischen Konferenz" spielt. Die Story ist in der Februar-2011-Ausgabe des [www.thehorrorzine.com]http://www.thehorrorzine.com "Horror-Zines" erschienen. Siehe [www.thehorrorzine.com/Fiction/February2011]http://www.thehorrorzine.com/Fiction/February2011/AlexanderBesher/AlexanderBesher.html _Wer sind deine bevorzugten Schriftsteller (nicht unbedingt aus der SF) und Lieblingsbücher?_ _Besher:_ Ganz ehrlich - ich lese nicht viel SF, wenn überhaupt. Es gibt einfach zu viele Klone von "Star Wars". Das Gleiche gilt für Fantasy: Zu viele Klone vom "Herrn der Ringe". Davon mal ganz abgesehen: Die Zukunft ändert sich dermaßen schnell, dass sie bereits Schnee von gestern ist. Schau dir an, was mit William Gibson passiert ist (ich hab "Neuromancer" von 1983 gelesen, und es hat mich praktisch umgehauen) - der schreibt heute über die Gegenwart. Und Neal Stephenson schreibt historische Romane ("Quicksilver-Zyklus", d. Red.). Der sogenannte "magische Realismus hat sich in etwas verwandelt, was ich "weltlichen Fabulismus" nennen würde. Vielmehr lese ich Sachbücher, die etwas mit meiner Buchrecherche zu tun haben. Das Gleiche gilt für Belletristik. Kürzlich hab ich Alfred Döblins Meisterwerk "Berlin Alexanderplatz" gelesen, sowie eine Menge von Isaac Babels Kurzgeschichten, besonders seine Erzählungen aus Odessa. Ansonsten lausche ich dem Radiosender BBC World Service und sehe mir auf meinem Laptop ausgewählte DVDs an. Außerdem schaue ich mir eine Menge Träume an, die zum Glück alle in epischer Länge vorliegen und in der Zukunft spielen. Habe ich schon erwähnt, dass "Manga Man" in einer Welt spielt, in der alle kollektiven Träume privatisiert worden sind? Und dass es eine neuartige Unterhaltungsindustrie gibt, die aus professionellen Traumerzählern besteht, deren Träume (Action, Seifenoper usw.) von einem Publikum aus Schläfern abonniert werden? Faszinierende Traumgeschichten, die man herunterladen kann. Jedenfalls nimmt man das an. _Was muss ein Autor wie du tun, um ein breiteres Publikum zu erreichen, etwa in Deutschland?_ _Besher:_ Keine Ahnung. Ich hab vor Kurzem einen Vertrag mit einem Hollywood-Manager namens Barry Krost unterschrieben. Der stellte den Kontakt zu dem Literaturagenten Steve Troha von Folio Literary Management in New York City her. Ich lehne mich zufrieden zurück und schaue zu, was sie mit all meinem Kram anfangen können. Ich mag Barry, weil er ein charmanter Brite ist und Cat "Yusuf" Stevens ebenso vertritt wie Jackie und Joan Collins. _Lass uns einen Blick in die nahe Zukunft werfen. Was ist das nächste Projekt, das du im Sinn hast? Werden deine Bücher verfilmt werden?_ _Besher:_ Siehe oben. Ja zu Verfilmungen, mehrsprachigen Lunch-Boxen, Spielewelten und Windeln mit Doktortiteln. Als ich die erste Filmoption für "RIM" anno 1995 an Robin Williams (den falschen Typ) verkaufte, wurde der Film n ie gemacht, denn das Budget für die Spezialeffekte hätte alleine schon 100 Mio. Dollar ausgemacht. Heutzutage könnte man sie hingegen ebenso effektiv auf einem Desktop-PC erstellen. Meine andere Hauptbeschäftigung ist das Transmedia-Startup cloudzone. _Würdest du gerne in Europa bekannter sein?_ _Besher:_ Popularität war noch nie meine persönliche Top-Priorität. Sie ist einfach zu abhängig vom täglichen Modegeschmack und den Vorlieben sogenannter Strippenzieher. Scheiß drauf! Die Leute klüger oder sollten klüger sein, als sich vom Löffel der Medien zwangsernähren zu lassen. Sie sollten mehr an ihren eigenen Geschmack glauben. Denn sonst werden sie von dem verschlungen werden, was man ihnen verabreicht. Ganz nebenbei: Ich LIEBE Berlin. Es gehört zu meinen Lieblingsstädten auf der Welt. _Alexander Besher bei |Buchwurm.info|:_ ["Satori City 2.0" (Rim-Trilogie 1)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7076 ["Virtual Tattoo" (Rim-Trilogie 2)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7075