Interview mit Jean-Louis Glineur

|Jean-Louis Glineur, Autor von [„Todesangst in der Nordeifel“, 3020 über sein Schreiben, seinen Einsatz für Tiere, Nord- und Südeifeler und warum Europa noch nicht genügend vereint ist|

_Buchwurm.info:_
Was machst du gerade? Bist du zu Hause? Fühlst du dich wohl in deinem Wohnort – wo ist das überhaupt?

_Glineur:_
Ich habe gerade eine Cabrio-Tour in meinem alten Alfa Spider hinter mir und genieße die Eifeler Sonne. Konkret die im kleinen Dorf Dedenborn nahe der belgischen Grenze.

_Buchwurm.info:_
Würdest du sagen, dass du dich als geborener Belgier inzwischen in der Nordeifel heimisch fühlst?

_Glineur:_
Absolut. Schließlich lebe ich hier seit meinem fünften Lebensjahr, da meine Mutter Deutsche ist. Aber Anfang der Siebziger gab es auch schon mal Anfeindungen gegen einen Belgier in der Eifel. Ein paar sonderbare Charaktere spielten zumindest verbal weiter „Krieg“. Aber das ist lange her, und da gab als Kind auch mal die eine oder andere Rauferei. Meine Wurzeln in Belgien liebe ich ebenso wie die Eifel.

_Buchwurm.info:_
Was macht den Nordeifeler Menschen aus? Was unterscheidet ihn vom Südeifeler? In deinem Roman „Todesangst in der Nordeifel“ beschreibst du ein paar Alteingesessene auf recht humorvolle Weise.

_Glineur:_
Die Nordeifel ist wesentlich moderner, hier gibt es eine stärkere Infrastruktur als in der Südeifel. Dort ist fast nur der Nürburgring ein Wirtschaftsmotor. Die Menschen beider Regionen unterscheiden sich nicht. Bestenfalls muss der Südeifeler bis zu 45 Minuten fahren, bis er eine Disco findet …

Ja, in meinem Roman sind auch Alteingegessene das Thema am Rande, Menschen, die sympathisch sind, die sich aber im Alltag nicht wirklich vom Hunsrücker oder Westerwälder unterscheiden. Der Roman spielt in der Nordeifel, weil ich hier lebe und die meisten Eifelkrimiautoren ihre Protagonisten im Süden der Eifel, auch Vulkaneifel genannt, ansiedelten. Carola Clasen und ich haben die Nordeifel wohl am intensivsten im literarischen Fokus.

_Buchwurm.info:_
Du hast in „Todesangst in der Nordeifel“ die Nordeifel quasi als „Euroland“ vorgestellt, wo es zwischen Belgien, Deutschland und Luxemburg nur die grüne Grenze gibt. Diese günstige Ausgangslage, die dem Bürger nützt, wird von den Verbrechern im Buch, gewieften Autoschiebern, schamlos ausgenutzt. Wolltest du vor der Offenheit der Grenzen warnen?

_Glineur:_
Nein, keinesfalls, ich schätze die offenen Grenzen und das Zusammenwachsen der Länder um mich herum. Ich denke aber, dass ich einen realistischen Wermutstropfen geschildert habe, dass ein Verbrechen mit oder ohne grüne Grenze geschieht, aber bei der Bekämpfung von Kriminalität noch Kooperationshemmnisse da sind, sicher zum Teil auch bedingt durch die verschiedenen Sprachen. Mein Detektiv Alwin Schreer durfte als „Private Investigator“ locker die Grenze überqueren, um einen Mörder und Vergewaltiger zu stellen, doch eine Polizeistreife hätte im Grenzort Mützenich an der belgischen Grenze halten und die belgischen Kollegen informieren müssen. Das kann’s nicht sein, jedenfalls nicht in einem vereinten Europa.

_Buchwurm.info:_
Befürchtest du, dass mit der Erweiterung der Europäischen Union und der Eurozone weitere solche Verbrecherorganisationen ihr Unwesen treiben? Du hast ja auch Gastarbeiterschmuggel thematisiert. Die nächste Stufe ist der allgemeine Menschenschmuggel.

_Glineur:_
Nein, das befürchte ich nicht. Auch ohne die Erweiterung der EU finden wir genug Straftäter aus dem Ausland. Wohlgemerkt, das ist keine Meinung gegen Ausländer, denn Schurken haben wir auch eigene genug. Ein Zusammenwachsen der EU sollte aber nicht nur wirtschaftlich funktionieren, sondern zu einem internationalen Netz gegen Kriminalität führen. Im Umkehrschluss sollte ein deutscher Verbrecher auch leichter durch Amtshilfe in z. B. Polen oder Belgien gefasst werden können.

_Buchwurm.info:_
Wie bist du zum Schreiben gekommen und zur Auswahl dieses Sujets?

_Glineur:_
Schreiben war schon immer meine Leidenschaft. Als Kind hatte ich eine blühende Fantasie, auch wenn ich eher Comics zeichnete, was manchen Deutschlehrer störte, aber ich denke, dass die Verbindung von Bild und Wort die Kreativität fördert. Hier kommt mein Ursprung aus dem Comicland Belgien wohl durch.

1984 war ich aktiv im regionalen Motorsport und bat eine Zeitung, ob ich über unsere Veranstaltungen berichten darf. Zwanzig Jahre später begann ich wieder mit dem Schreiben und Fotografieren für die Presse, und ich hatte eines Tages Lust, einen Krimi zu schreiben. Das Thema ist davon geprägt, dass ich vor rund 20 Jahren eine junge Frau kennen lernte, die beim Waldlauf vergewaltigt wurde. Das Thema habe ich aufgegriffen, um einen Roman zu schreiben.

_Buchwurm.info:_
Wer sind deine schriftstellerischen Vorbilder, denen du nacheiferst?

_Glineur:_
Jacques Berndorf als Eifelkrimi-Autor ist „schuld“, dass ich rund ein Jahr |nicht| an dem Manuskript weiterschrieb. Ich kannte seine Bücher noch nicht, las dann das erste und hatte Angst, ihn zu kopieren. Das ist nicht der Fall, aber es hat mich damals irritiert.

„Nacheifern“ ist der falsche Ausdruck – ich schätze und liebe vor allem die Eifeler Krimiautoren Carsten Sebastian Henn und Ralf Kramp, auch wenn wir uns vollkommen unterscheiden. Beide schreiben mit mehr Humor und skurrilen Protagonisten, ich bin da eher kühl und berechnend.

Es war zudem nichts Literarisches, was mich zu „Todesangst in der Nordeifel“ bewegte: Es war die TV-Serie „Ein Fall für zwei“ und da ganz speziell die Figur des Matula, gespielt von Claus-Theo Gärtner. So und nicht anders stelle ich mir meinen Alwin Schreer als Typ vor, auch optisch. Anne Catherine Vartan, als belgisches Pendant zu Alwin, erinnert mich in Bildern an eine belgische Freundin, die in der Tat auch Anne-Catherine, aber nicht Vartan, heißt. Bei Kommissar Welsch hatte ich indes immer „Schweinchen Dick“ mit schwarzem Sakko und Krawatte vor Augen. Ich denke, da spielt mir meine Leidenschaft Comics einen Streich, die mich dazu bringt, so visuell zu denken.

_Buchwurm.info:_
Ist der Privatdetektiv Alwin Schreer in dem Roman dein Alter Ego? Man merkt jedenfalls, dass du wie er über Fotografiekenntnisse verfügst. Würdest du dich selbst so wie er gegen Verbrecher einsetzen?

_Glineur:_
Eigene Eindrücke zu verarbeiten, ist auch Mittelpunkt meiner Schreiberei. Mir war wichtig, zwischen gutem und schlechtem Journalismus zu unterscheiden. Darum watscht der Detektiv Schreer auch einen Skandalreporter. Da ich selbst viel fotografiere, kam das vielleicht auch ins Kalkül.

_Buchwurm.info:_
Der Detektiv mag Tiere sehr. Trifft das auch für dich zu, und falls ja, wie setzt du das praktisch in deinem Leben um? Bist du in einer Tierhilfsorganisation?

_Glineur:_
Ja, Privatermittler Alwin Schreer ist ein Spiegelbild von mir, und da gibt es einige kleine autobiographische Züge. Ich bin ein absoluter Tiernarr, der sich auch schon als Falkner versucht hat und von einem Weißkopfseeadler nach Strich und Faden verprügelt wurde. Tiere sind für mich der Mittelpunkt meiner Emotionen. Frauen nerven mich eher, vielleicht bin ich auch beziehungsunfähig, aber bei Tieren geht mein Herz vollkommen auf. Bekannt bin ich für einen totalen Enten-Tick, habe diese Tiere auch schon mal ein Jahr lang für eine Fotoreise durch ihr Leben „verfolgt“ und darüber geschrieben. Kürzlich erhielt ich von der Redaktion der „Kölner Rundschau“ mit viel Humor den Hinweis, die nächsten zwanzig Service-Bilder sollten bitte vollkommen „federfrei“ sein. Wir haben viel darüber gelacht.

Mitglied bin ich im „Komitee gegen Vogelmord e. V.“ – übrigens von der Zeitschrift „Ökotest“ für sein Engagement ausgezeichnet. Und manchmal führe ich einfach einen Hund aus dem Tierheim aus.

_Buchwurm.info:_
Dein Romandebüt war recht erfolgreich. Trittst du bei Lesungen auf, machst du Lesereisen? Oder hast du andere Jobs, denen du mehr verpflichtest bist – kurzum: Kannst du mit dem Schreiben deine Brötchen verdienen?

_Glineur:_
Nein, damit kann ich meine Brötchen nicht verdienen. Schön wäre das, durchaus, aber es hat eher Hobbycharakter. Lesereisen gibt es nicht, da ich meinen Lebensunterhalt anderweitig verdienen muss, aber meine erste Lesung habe ich Anfang Mai. Da bin ich schon sehr aufgeregt, nicht nervös, sondern schlicht voller Erwartung, wie es für die Zuhörer und für mich sein wird.

_Buchwurm.info:_
Kommst du jetzt überhaupt noch zum Schreiben? Wir sind schon gespannt auf deinen nächsten Roman und fragen uns, wann wir mit seinem Erscheinen rechnen können.

_Glineur:_
Nein, ich schreibe seit ein paar Monaten nicht. Das neue Manuskript „Sabotage am Nürburgring“ ruht sich nach 90 Seiten auf meiner Festplatte aus. Da muss mich mal wieder die Muse küssen. Und die richtige Muße hat mir durch verschiedene Schulungen und persönliche (positive) Veränderungen gefehlt. Ich brauche vermutlich mal wieder eine schwere Grippe, um mich mit dem Laptop im Bett zu verkrümeln. Ich kenne mich ja: Wenn es wieder „klick“ macht, dann geht das Schreiben auch wieder wie mit Vollgas. Ich lebe nicht davon – also mache ich mir deswegen auch keinen Druck.

|Das Interview führte Michael Matzer.|

_Biografische Kurznotiz_

Jean-Louis Glineur wurde 1964 in Verviers/Belgien geboren, wuchs aber in Gemünd in der Eifel auf. Heute lebt er in Dedenborn, Nordeifel. Er arbeitete als Industriekaufmann und ist heute als freier Journalist tätig, unter anderem für die Kölnische Rundschau. Sein Hobby Fotografieren hat er zum Nebenberuf gemacht und mit seinen Fotos beliefert er Zeitungen in der Nordeifel und Aachen. In seinem Hauptberuf ist er Arbeitsvermittler.

2006 erschien sein Kriminalroman [„Todesangst in der Nordeifel“, 3020 zuerst als Hörbuch bei |Radioropa|.