Interview mit Markus Heitz

Am 16. Dezember 2005 fanden sich um 20 Uhr knapp dreißig Gäste in der Julius-Springer-Schule in Heidelberg ein, um einer Lesung von Markus Heitz, dem Autor von „Die Zwerge“, beizuwohnen. Die Lesung, organisiert und präsentiert vom Buchladen [Fun-Fiction,]http://www.fun-fiction.de stand unter dem Titel „Die Rache der Zwerge“ des gleichnamigen dritten Teils der Zwergen-Saga um den Zwerg Tungdil. Ein sichtlich gut gelaunter Markus Heitz führte die Hörer durch fünf sehr passend ausgesuchte Textstellen, die er aber zum Schluss, natürlich an der spannendsten Stelle, mit den Worten beendete: „Hier kann ich aus dramaturgischen Gründen leider nicht weiterlesen!“ Das war allerdings nicht weiter schlimm, denn durch die vertretenen Textauschnitte kam jeder auf seine Kosten, denn sowohl lustige Szenen als auch Schlachtensequenzen kamen nicht zu kurz, so dass eigentlich nur entsprechend gut gelaunte Besucher zu sehen waren.

Die Möglichkeit zum anschließenden Plausch mit dem Erfolgsautor und die Chance, ihre Bücher signieren zu lassen, nahmen dann so viele Besucher ausführlich war, dass wir uns entschlossen, das geplante Interview zunächst zu verschieben und es zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen. Da es bereits zahlreiche Interviews gab, in denen es um die „Ulldart-Saga“ ging, beschäftigten wir uns ausführlicher mit den Zwergen und den daraus entsprungenen Publikationen. Doch lest selbst:

_Martin Schneider_:
Servus Markus, wie fühlt man sich so, wenn man momentan als der „Shootingstar“ des Fantasy-Genres bezeichnet wird?

_Markus Heitz_:
Viele Leute schreiben, ich wäre der „Shootingstar“. Ich bin aber immer noch der gleiche Autor wie zu meinen Anfängen bei „Ulldart“ und fühle mich auch nicht als ein Star. Ich tue das Gleiche wie vor einigen Jahren, nur dass jetzt glücklicherweise mehr Menschen meine Romane lesen. Das freut mich dann schon.

_Martin_:
Wie kam es dazu, dass „Die Zwerge“ entstanden sind?

_Markus_:
Es gab einen anderen Band, der hieß [„Die Orks“, 624 von einem Engländer namens Stan Nicholls. Der hat in Deutschland ordentlich eingeschlagen.

Und als ich dann gefragt wurde, ob ich mir vorstellen könnte, über ein klassisches Fantasyvolk zu schreiben, habe ich mir die Zwerge ausgesucht, weil ich mich mit den Zwergen besser identifizieren kann; weil sie Ecken und Kanten haben – im Gegensatz zu den Elfen.

_Martin_:
Wie findest du die Darstellung von Gimli in den „Herr der Ringe“-Filmen?

_Markus_:
Vorweg: Jackson hat gute Arbeit geleistet. Aber Gimli bekam die Rolle des Clowns, der zu viele Lacher auf seine eigenen Kosten fabrizieren musste.

Es gibt einige Stellen davon im Film (der Sturz vom Pferd, Unterliegen beim Wetttrinken mit dem Elben uvm.), aber den Hammer fand ich die Schlacht bei Helms Klamm. Man erinnere sich an die Kamerafahrt: Millionen von Orks auf der einen Seite, Schwenk rüber, vorbei an unrasierten Menschen, gestylten Elben und dann … eine Helmspitze hinter einer Zinne. Klar, wieder der lustig-naive Zwerg!

Jetzt mal ehrlich: Würde sich ein Zwerg vor einer Schlacht an eine Stelle der Mauer begeben, wo er nichts, aber auch gar nichts von dem sieht, was auf ihn zukommt?

Nein, würde er nicht!!!

Spätestens da war mir klar: Die Zwerge haben dringend ein eigenes Buch verdient, in dem sie so dargestellt werden, dass sie immer noch Humor, aber mehr Grips und Würde besitzen.

_Martin_:
War die Reihe von Anfang an auf mehrere Bände ausgelegt?

_Markus_:
Im ersten Band habe ich mir ein kleines Hintertürchen offen gelassen, aber nicht damit gerechnet, dass der Zuspruch so hoch ausfallen würde. Als ich den zweiten Band anging, habe ich ihn so angelegt, dass es einen dritten geben könnte.

Tja, und irgendwann wird es auch einen vierten geben. Aber das wird noch ein bisschen dauern, da ich den Zwergen und mir ein bisschen Zeit geben will.

_Martin_:
Beschreibe den Lesern, die noch nicht mit diesem Zyklus vertraut sind, doch bitte einmal kurz die drei Teile („Die Zwerge“, „Der Krieg der Zwerge“ und „Die Rache der Zwerge“).

_Markus_:
Grob zusammengefasst, ist der erste Teil Zwerge für Einsteiger. Für Leute, die die Zwerge aus dem „Herr der Ringe“ kennen – und hiermit meine ich in erster Linie die Filme. Sie wissen nicht sehr viel über dieses Volk, und daher nehme ich sie bei der Hand und führe sie mit der Hilfe von Tungdil in mein Zwergenreich. Tungdil ist ein Zwerg, der bei Menschen aufwuchs und nach und nach in die fünf Zwergenreiche des Geborgenen Landes hineinschnuppert. Man kriegt mit seinen Augen mit, wie die verschiedenen Zwerge sind und was er alles erlebt. Vom Anfängerzwerg wird er dabei zum Heldenzwerg.

Und mit diesem Heldenzwerg Tungdil gehen wir dann in den zweiten Band „Der Krieg der Zwerge“. Der erste Band war Zwerge für Einsteiger, der zweite Band ist Zwerge für Fortgeschrittene. Da wird beleuchtet, wie vielschichtig die Zwergenkultur ist, und wo auch die Reibungspunkte zwischen den verschiedenen Zwergenvölkern und Stämmen liegen.

Im dritten Band öffnen wir dann die Tür für ganz neue Zwerge und ganz neue Herausforderungen, indem wir einen Schritt über die Landesgrenzen hinaus gehen, und einen Blick in das „Jenseitige Land“ werfen, das eben außerhalb des „Geborgenen Landes“ liegt. Dort treffen wir völlig andere Zwerge, die wenig mit denen gemeinsam haben, die im Geborgenen Land leben. Das reicht vom Aussehen bis zur Kultur.

_Martin_:
Im dritten Teil bist du auch ein Risiko eingegangen, indem du Magie und Technik verbunden hast. Was hast du dir von diesem Schritt erwartet?

_Markus_:
Mir war von Anfang an klar, dass der klassische Fantasyleser das kritisch sehen wird. Viele dieser Leute möchten ausschließlich das ihnen Bekannte. Das ist nicht schlimm, vergleichbar mit einem eingefahrenen Musikgeschmack. Jeder hat seine Vorlieben, und das akzeptiere ich.

Fantasy lebt aber auch davon, dass man immer wieder neue Sachen erfindet und kombiniert, sonst wäre es für mich auch als Autor sehr langweilig, immer das Gleiche zu schreiben.

Deswegen kombiniere ich Dinge, die es bisher so – auf jeden Fall in meinen Romanen – nicht gab und biete dem Leser völlig neue Betrachtungsweisen.

Das fasziniert die einen, und ein anderer Teil sagt: „Nee, das ist wohl Fantasy, aber für mich zu viel davon.“ Mir war das Risiko aber von Anfang an klar, und ich habe es in Kauf genommen. Ich bleibe dabei: Das Fantasy-Genre braucht neue Impulse.

_Martin:_
Wie kamst du auf die Idee, Hybridwesen aus Albae, Orks und Maschinen zu erschaffen?

_Markus_:
Die kam einfach so. Ich überlegte mir, was wohl das Schlimmste wäre, was den Helden passieren kann. Das musste ein Gegner sein, der verschiedene Eigenschaften beinhaltet. Er sollte einigermaßen gewitzt sein, Magie beherrschen oder mit ihr aufgeladen worden sein und auch noch die Technik zur Verfügung haben. Und das macht die Hybriden zu Gegnern, die das „Geborgene Land“ so noch nicht gesehen hat.

_Martin_:
Denkst du, es kann im „Geborgenen Land“ überhaupt noch weitergehen? Oder wirst du eher ins „Jenseitige Land“ expandieren?

_Markus_:
Es kann sehr wohl noch im „Geborgenen Land“ weitergehen. Und ich weiß auch schon, wie … (lacht)

_Martin_:
Gehe ich richtig in der Annahme, dass du uns nicht erzählen willst, was am Ende von „Die Rache der Zwerge“ mit Tungdil passiert ist?

_Markus_:
Nein, das ist zu gefährlich. Aus dramaturgischen Gründen kann ich an dieser Stelle, wie es so schön heißt, nichts sagen.

_Martin_:
Wie kam dir die Idee, Tassia als Gegenstück zum Unglaublichen Rodario einzubauen?

_Markus_:
Rodario war ja als Schauspieler immer der Weiberheld, und jede Frau war für ihn eine Trophäe, eine Beute sozusagen. Wie wäre es denn, wenn er ein Gegenstück kriegt? Und zwar eine Frau, die genauso ausgebufft ist wie er!

Das hat schon sehr, sehr viel Spaß gemacht, ihm eine Frauenfigur gegenüberzustellen, die genauso denkt wie er und ihm sogar ein Stück weit überlegen ist.

_Martin_:
Leider ist sie dann auf einmal verschwunden und taucht auch nicht mehr auf.

_Markus_:
Das war gewollt, sonst wären es am Ende des Buches zu viele Personen gewesen, und sie spielt ja nicht die tragende Rolle. Sie sollte auftauchen und zeigen: Jawohl, es gibt Frauen, die es mit Rodario aufnehmen können. Sie wird im vierten Band wieder dabei sein.

_Martin_:
Wie war das mit der Reaktivierung des Magus Lot-Ionnan, war sie von Anfang an geplant?

_Markus_:
Ja. Ich war mir nur nicht ganz im Klaren darüber, wann ich sie einsetzen kann. Im zweiten Band war mir noch nicht so ganz wohl dabei, aber im dritten wusste ich dann: Es wird Zeit!

_Martin_:
Dein „Heldenausschuss“ ist relativ hoch, welche Überlegungen führen dich zu dieser hohen Sterberate?

_Markus_:
Auch Helden sterben. Es gibt Bücher, in denen Helden alles überleben, das finde ich ein bisschen schade. Gut, der Leser will natürlich, dass seine Sympathieträger überleben, aber ich finde, es macht nichts, wenn auch mal ein paar Helden fallen. Das zeigt auch, dass sie schlichtweg erstens sterblich sind und zweitens auch nicht jeden Kampf überleben.

_Martin_:
Was hältst du von dem Vermarktungsprinzip von |Heyne| & |Piper|, dass die Verlage viele neue Fantasybücher pauschal „Die Zwerge“, „Die Elfen“ oder „Die Drachen“ etc. nennen?

_Markus_:
Es zeigt dem Leser plakativ, was er von dem Buch zu erwarten hat. Wenn vorne „Die Orks“ draufsteht, sind auch Orks drin, wenn „Die Zwerge“ draufsteht, sind Zwerge drin. Das ist eine klare Ansage. Aus Marketingsicht ist das sicher nicht schlecht.

_Martin_:
Besteht aber nicht auch die Gefahr, dass der Leser denkt a) die Bücher gehören zusammen und b) sie haben auch alle den gleichen Stil?

_Markus_:
Das kann passieren, aber als Autor hat man wenig Einfluss. Die Mitarbeiter des Verlages werden dafür bezahlt, dass sie sich diese Gedanken im Vorfeld machen. Und wenn sie der Meinung sind, das das alles so funktioniert, kann ich nichts dagegen sagen.

Ab und zu sagen mir dann auch Leute, was sie von „Die Orks“ oder „Die Elfen“ halten. Stan Nicholls kenne ich nicht persönlich, aber Bernhard Hennen kenne ich und daher richte ich ihm das Lob aus. Das macht man unter Kollegen.

_Martin_:
Kommen wir zu „Die dritte Expedition“. Wie kam die Idee zu diesem Solospielbuch?

_Markus_:
Diese Solospielbücher gab es in der Mitte der 80er. Die kamen damals aus England, waren in Deutschland sehr erfolgreich, und sehr viele ältere Rollenspieler werden sich noch ziemlich genau daran erinnern. Mir haben die damals sehr gut gefallen

_Martin_:
Wie sieht es mit Fortsetzungen aus?

_Markus_:
Es werden nach und nach neue Solospielbücher kommen, immer abwechselnd eines von den Zwergen und eines aus „Ulldart“.

_Martin_:
Planst du auch, das in ein richtiges Rollenspiel einzubetten?

_Markus_:
Ich bin damals zur Spielemesse in Essen an den |Pegasus|-Stand gegangen und habe gefragt: „Wie sieht’s mit einem Ulldart-Rollenspiel oder einem Zwerge-Rollenspiel aus?“

Und die Profis von |Pegasus| meinten, dass es momentan auf dem Pen&Paper-Rollenspielmarkt nicht ganz so gut aussieht, aber man könnte es mit Solospielbüchern versuchen, um das Interesse zu testen. Die Idee: die jüngere Generation, die momentan nichts mit Rollenspielen am Hut hat, über die Solospielbücher langsam wieder an die klassischen Rollenspiele heranführen.

Das wird nicht leicht. Im Gegensatz zu früher ist das sonstige elektronische Unterhaltungsangebot wesentlich höher als Mitte der 80er. Das Rollenspiel hatte damals einen viel stärkeren Reiz auf die Jugendlichen und Kinder.

Wir versuchen es, die Leute über diese Plattform wieder zum Rollenspiel hinzuführen, um ihnen zu zeigen, dass die Solospielbücher für die Anfänger gedacht sind und es auch noch eine Steigerung dazu gibt. Na ja, wir werden sehen, was daraus wird.

_Martin_:
Bei deiner Lesung waren auch einige jüngere Leute, freust du dich besonders, wenn du die Kids erreichst?

_Markus_:
Ich finde das sehr gut! „Die Zwerge“ ist zwar nicht als Kinder- und Jugendbuch konzipiert gewesen, aber ich bekomme häufig E-Mails von jungen Lesern, der Spitzenreiter hatte gerade elf Jahre auf dem Buckel. Ist doch klasse, wenn Kinder sagen: Okay, wir nehmen uns diese 800 Seiten vor, und danach lesen wir das nächste und noch eines.

Es geht mir nicht darum, dass sie unbedingt meine Bücher lesen, sondern dass sie überhaupt lesen. Dass sie dann gleich richtig dicke Bücher anpacken, freut mich umso mehr.

_Martin_:
Kommen wir zum neuen Jahr. Im April 2006 erscheint dein neuer Roman „Ritus“. Die Verlagsinfo zu diesem Roman erinnert sehr an den Film „Packt der Wölfe“. Zufall oder gewollt?

_Markus_:
Das liegt daran, dass die Geschichte aus „Ritus“ auf einer in Frankreich sehr bekannten Geschichte basiert. Was in England Jack the Ripper ist, ist in Frankreich die Bestie von Gévaudan. Diese Geschichte kommt, glaube ich, in jedem Schulbuch vor, wenn es um Heimatkunde geht.
Das Ganze basiert eben auf historisch belegbaren Fakten. Fakt ist, dass 1764-1767 in Südfrankreich in besagtem Gebiet Gévaudan irgendetwas unterwegs war, das Leute angefallen und grausig zerfetzt und verstümmelt hat.

Bis heute weiß man eben nicht genau, was es war. Der „Pakt der Wölfe“ nimmt diese populäre Geschichte zum Anlass und baut seine Theorie auf.

Da das Geheimnis bis heute nicht geklärt ist, ist es der perfekte Anlass für einen Schriftsteller, eine eigene Erklärung zu liefern. Ich habe mich mit der Materie auseinandergesetzt und einige Bücher darüber gelesen: Welche Meinungen es gibt, welche Personen beteiligt waren und so weiter. Das war furchtbar spannend, und heraus kam „Ritus“.

_Martin_:
Nächstes Jahr erscheint auch noch ein Buch namens „Sanctum“ von dir …

_Markus_:
Das ist die Fortsetzung. „Ritus“ macht den Anfang und „Sanctum“ führt das fort, was in „Ritus“ offen geblieben ist.

_Martin_:
Was ist noch für 2006 zu erwarten?

_Markus_:
Abgesehen von verschiedenen kleinen Solospielbüchern, wird es im Sommer „Ulldart – Zeit des Neuen: Brennende Kontinente“ geben.

Und zur Buchmesse wird wieder ein neues Fantasyprojekt erscheinen. Aber das ist alles noch geheim, darüber kann ich noch nichts sagen.

_Martin_:
Bei Amazon stand ein „Shadowrun“-Roman namens „Schattenjäger“ im Sortiment, von dem du, laut einer Anmerkung auf deiner Homepage, nichts wusstest.

_Markus_:
Das hat sich mittlerweile geklärt. Der |Heyne|-Verlag bringt meine insgesamt sechs „Shadowrun“-Romane in zwei Sammelbänden neu heraus. Also dieser „Schattenjäger“ ist kein neuer Roman, sondern enthalten sind die ersten drei Romane von mir.

_Martin_:
Dann bedanke ich mich ganz herzlich für das nette Interview, wünsche dir schöne Weihnachten und einen gute Rutsch. Möchtest du noch ein Abschlusswort an unsere Leser richten?

_Markus_: Seid kreativ!

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_Rezensionen zu Titeln von Markus Heitz bei |Buchwurm.info|:_
[„Schatten über Ulldart“ 381 (Die Dunkle Zeit 1)
[„Trügerischer Friede“ 1732 (Ulldart – Zeit des Neuen 1)
[„05:58“ 1056 (Shadowrun)
[„Die Zwerge“ 2941 (Lesung)
[„Die Zwerge“ 2823
[„Der Krieg der Zwerge“ 3074
[„Die Rache der Zwerge“ 1958
[„Die dritte Expedition“ 2098
[„Ritus“ 2351
[„Ritus“ 3245 (Lesung)
[„Sanctum“ 2875