Interview mit Rainer Wekwerth

Andreas Jur:
Hallo Rainer, dein neuer Thriller „Das Hades-Labyrinth“  ist nun bei Fischer erschienen – Kannst du uns schon etwas zum bisherigen Verkaufserfolg und den Reaktionen bei Leserschaft und Presse sagen?

Rainer Wekwerth:
Über den Verkaufserfolg lässt sich nach so kurzer Zeit noch nichts sagen. Ich weiß aber, dass der |Fischer|-Verlag mit den Abverkäufen in den Buchhandel sehr zufrieden ist. Die Reaktionen zu „Das Hades-Labyrinth“ fallen dagegen sehr vielseitig aus. Bei Amazon und in verschiedenen Foren hoch gelobt, habe ich auch Leser, die mir sagen, sie können das Buch nicht lesen, da sie Angst haben, davon in ihren Träumen verfolgt zu werden. Zugegeben ist es an manchen Stellen harter Stoff, aber die Schauereffekte werden allein durch die Phantasie der Leser erzeugt, denn ich ergehe mich nicht in blutigen Details. Aber ich wollte auch ein gewissen Effekt erzielen und meine Leser an Grenzen führen. Offensichtlich ist mir das gelungen.

Andreas Jur:
Das macht neugierig. Welchen Plot können unsere Leser im „Hades-Labyrinth“ erwarten?

Rainer Wekwerth:
„Das Hades-Labyrinth“ handelt von der Geschichte eines Mannes und seiner Rache. Kommissar Daniel Fischer erhält Informationen, dass unter der Erde seiner Heimatstadt Lichtenfels in unterirdischen Tunneln und natürlichen Höhlen Drogen im großen Stil angebaut werden. Er steigt mit zwei Kollegen hinab und trifft auf Adam, einen größenwahnsinnigen Killer, der dort mit seinen Jüngern haust. Fischer und die Beamten werden überwältigt und grausam gefoltert. Die beiden Beamten sterben einen schrecklichen Tod. Adam lässt sie pfählen. Für Daniel Fischer hat er sich etwas Besonderes ausgedacht. Ihn lähmt er mit einem Gift und überlässt ihn den Ratten.

Dies ist die Ausgangssituation, und mit Fischers Kampf gegen die Lähmung und die Angriffe der Ratten beginnt auch das Buch.
Daniel Fischer überlebt und kehrt nach drei Tagen an die Oberfläche zurück, aber er ist ein gezeichneter Mann. Körperlich und seelisch zerstört, bleibt ihm nichts mehr. Seine Frau verlässt ihn, seinen Job im Rauschgiftdezernat kann er nicht mehr ausüben. Daniel ähnelt durch unzählige Rattenbisse und viele Operationen inzwischen einem Albtraum der Mary Shellys Frankensteinroman entsprungen sein könnte. Achtzehn Monate verbringt er in Kliniken und findet danach nicht mehr ins Leben zurück.

Und dies ist die Story. Daniel Fischer muss erkennen, dass Adam ihm sein Leben genommen hat und nur Adam kann es ihm wiedergeben. Rache wird der alles beherrschende Gedanke, aber Adam ist verschwunden. Schließlich entdeckt Fischer seine Spur und schleicht sich unerkannt in ein Spezialeinsatzkommando der Polizei ein, das in den Abgrund steigt, um Adams Treiben ein für allemal ein Ende zu machen. Doch Daniel Fischer weiß: Adam ist mehr als nur ein Mensch, denn im Lauf seiner Jagd nach dem Killer hat er erfahren, dass eine dunkle Legende unter der Erde ruht und Adam eine alte Prophezeiung erfüllt.

Andreas Jur:
Ein Psychothriller mit Mysteryeinschlag also. Klingt lecker. „Hades“ übrigens klingt in Anlehnung an die griechische Unterweltsmythologie auch schon recht düster. Spielen die mythologischen Aspekte auch selbst mit in die Handlung hinein oder woher stammt der Hades-Bezug?

Rainer Wekwerth:
Es gibt historische Bezüge zu einer der grausamsten Figuren der Menschheitsgeschichte, neben der selbst Diktatoren wie Hitler und Stalin wie Waisenknaben wirken. Alles, was in diesem Buch geschieht, hat seinen Ursprung im 15. Jahrhundert und ich lasse in „Das Hades-Labyrinth“ einen Herrscher zu Wort kommen, der einem wirklich Albträume bescheren kann. Es gilt, eine alte Prophezeiung zu erfüllen. Der Fürst der Finsternis wartet auf seine Wiedergeburt.

Übrigens sind alle historischen Details gesichert. Ich habe intensiv recherchiert und mir nur ganz wenige künstlerische Freiheiten genommen.

Andreas Jur:
Die gründliche Recherchearbeit wurde ja auch schon in deinem vorigen Roman spürbar. Konnte sich [Traumschlange“ die erhoffte Aufmerksamkeit der deutschen Thrillerfans erkämpfen?

Rainer Wekwerth:
Traumschlange war kein großer Verkaufserfolg, hat mir aber eine Stammleserschaft gesichert und wurde in der Presse durchweg positiv besprochen. Mit „Das Hades-Labyrinth“ sieht die Sache schon anders aus. Allein die Vorbestellungen waren um ein Vielfaches höher als die Gesamtauflage von Traumschlange. Ich führe das auf den Schauplatz der Story in Deutschland zurück. Trotzdem kommt die Exotik nicht zu kurz, denn ein Großteil der Handlung spielt unter Erde. Diese Exotik ergibt sich also diesmal aus unterirdischen Stollen, Tunneln und Höhlen. Dort im Dunklen, unter ungewöhnlichen Bedingungen, sind meine Figuren auf sich allein gestellt. Es gibt keine Hilfe von oben. Sie könnten ebenso auf einem fremden Planeten gestrandet sein.

Andreas Jur:
Bei der Gelegenheit: Du konntest ja bereits unter dem Pseudonym „David Kenlock“ eine kleine Stammleserschaft um dich scharen. Was bewog dich dazu, das englisch anmutende Alias abzulegen und die letzten beiden Titel unter deinem bürgerlichen Namen zu veröffentlichen? Das war doch sicherlich ein Wagnis. War es die richtige Entscheidung? Und ist David Kenlock nun in den Ruhestand versetzt worden?

Rainer Wekwerth:
Das Pseudonym David Kenlock war ein Erfolg und Bücher wie z.B. [„Dunkles Feuer“]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3502519994/powermetalde-21 laufen noch heute gut im Buchhandel. Allerdings habe ich ein englisch anmutendes Pseudonym immer als Last empfunden, da ich generell beweisen möchte, dass deutsche Autoren es mit den anglo-amerikanischen Kollegen aufnehmen können. Als ich mit dem Schreiben von internationalen Thrillern begann, war die Situation auf dem Buchmarkt allerdings so, dass man es deutschen Autoren einfach nicht zutraute, einen Roman auf internationaler Ebene und mit einem hohen Spannungsniveau zu schreiben. Mein erster Roman „Dunkles Feuer“ spielte in den USA. Damals hätten die Leser hierzulande gesagt: Was brauchen wir einen deutschen Autor, der über Amerika schreibt, dafür haben wir die „Amis“.

Der Buchmarkt wurde vor wenigen Jahren im Bereich Spannungsliteratur dermaßen von englischen und amerikanischen Autoren dominiert, dass ich keine Chance gehabt hätte. Also blieb mir nur der Weg über ein Pseudonym, denn im Regal hätte ich zwischen Autoren wie Stephen King, John Grisham, Michael Chrichton, etc. als deutscher Autor fast lächerlich gewirkt. Erst durch Autoren wie Andreas Eschbach und Frank Schätzing hat sich die Situation geändert, aber die beiden haben nicht mit internationalen Thrillern, sondern im Fall von Eschbach mit Science-Fiction, oder Schätzing mit deutschen Krimis begonnen. Ihre Ausgangssituation war anders und nun haben sie Autoren wie mir den Weg bereitet. Ich muss mich nicht mehr hinter einem Pseudonym verbergen, denn deutsche Verlage haben erkannt, zu welchen Leistungen deutsche Autoren fähig sind.

Zur Frage: „Richtige Entscheidung?“. Dies wir die Zeit zeigen. Noch ist es zu früh, darüber eine Aussage zu treffen, aber es ist richtig, David Kenlock hat sich seinen Platz auf dem Buchmarkt erobert, Rainer Wekwerth muss dies erst noch gelingen, aber ich bin zuversichtlich. Ob es noch Bücher unter dem Pseudonym David Kenlock geben wird, ist noch nicht entschieden.

Andreas Jur:
Die zentrale Figur in „Traumschlange“ ist eine Frau – Hat deine Gattin dich dabei in Sachen weiblicher Psychologie und Handlungsweise beraten?

Rainer Wekwerth:
Meine Frau Gaby liest alle meine Bücher und gibt mir wertvolle Anregungen. Ohne sie wären meine Bücher um einiges schlechter. Speziell zur weiblichen Psyche hat sie mir aber nichts gesagt, denn sie erfährt immer erst, um was es in dem Buch geht, wenn sie das fertige Manuskript in Händen hält. Dann legt sie aber richtig los. Es gibt Romane von mir, die nie ein Verlag zu sehen bekommen hat, weil sie ihr nicht gefallen haben. Ich verlasse mich zu hundert Prozent auf ihr Urteil, denn sie ist eine ungewöhnlich aufmerksame Leserin, die viele Büchern gelesen hat und somit über eine große Leseerfahrung verfügt.

Andreas Jur:
Auch die Örtlichkeiten in „Traumschlange“ klingen zunächst nicht gerade nach vertrautem Terrain. Die Protagonistin ist Britin, die Haupthandlung spielt auf Hait – Auch hier tun sich sicherlich einige Falltüren auf, in die man als Autor stolpern kann, wenn man bekanntes Gebiet verlässt. Abby Summers hätte vermutlich auch eine Stuttgarter Innenarchitektin sein können. Was hat dich zur Wahl der Nationalität bewogen? Gerade was Haiti angeht: Wie sorgst du für die nötige Authentizität? Warst du vor Ort oder hast du dich auf gründliche Recherchen beschränken müssen?

Rainer Wekwerth:
Ich würde Haiti niemals betreten. Dieses Land ist die Hölle auf Erden. Wer „Traumschlange“ gelesen hat, wird mir zustimmen, denn ein Großteil der Handlung wird von der politischen und sozialen Situation in Haiti bestimmt. Ich sorge für die nötige Authentizität, indem ich akribisch recherchiere und mit Menschen spreche, die dort lange Zeit gelebt haben. Ich bin ein Fanatiker und höre erst auf, wenn jedes Detail stimmt. Dabei spielt es keine Rolle, ob ich einen Straßennamen benötige oder den Fahrpreis für eine Taxifahrt von einem Ort zum anderen. In „Traumschlange“ werden Gifte verwendet, deren Zusammensetzung ich bis ins Milligramm kenne. Ich habe mich mit Voodoo beschäftigt und meine Figuren benutzen alle kreolischen Begriffe korrekt. Ich kenne die Geschichte des Landes und verarbeite sie in meinem Roman. Ein Rezensent hat über „Traumschlange“ geschrieben: „Wenn man dieses Buch liest, kann man Haiti riechen, schmecken und sehen.“ Ein größeres Kompliment gibt es nicht.

Abby Summers wurde in meinem Kopf als Engländerin geboren. Sie war einfach da. Dies zu ändern hätte bedeutet, die Figur zu vergewaltigen.

Andreas Jur:
Du hast dich bei „Traumschlange“ auf einen zentralen und geradlinigen Plot beschränkt. War die Versuchung nicht spürbar, die besondere soziale, politische, wirtschaftliche und militärische Situation des Schauplatzes Haiti stärker mit der Storyline zu verflechten und ein regelrechtes Verschwörungsgebäude drumherum zu zimmern? Angeboten hätte es sich ja vielleicht.

Rainer Wekwerth:
Nein. Ich habe die besonderen Zustände auf Haiti in meine Handlung einfließen lassen, wollte aber einen geradlinigen Plot. Menschen tun anderen Menschen Böses an. Ich wollte das Böse an konkreten Namen festmachen, denn hinter allem Schlechten in der Welt steckt keine unbekannte Größe, sondern Menschen, meist von Gier getrieben. Es ist nicht der große Konzern, der die Umwelt verschmutzt, sondern der Manager in diesem Konzern, der aus Gewinnsucht die Umweltbestimmungen missachtet. Wenn irgendjemand auf dieser Welt stirbt, verdient ein anderer daran. Das sollte jedem von uns klar sein. Die Bombe, die ein Krankenhaus in Bagdad zerstört, sorgt für Gewinne bei den Rüstungskonzernen in den USA. In meinen Büchern versuche ich, diffuse Aussagen zu vermeiden und gebe dem Bösen ein Gesicht. In unserer zivilisierten Welt sieht man leider das Antlitz der Bösen nur, wenn jemand zum Massenmörder wird oder besonders grausam handelt. Aber das Böse verbirgt sich viel häufiger hinter dem Lächeln eines Aufsichtsratsvorsitzenden, der im Bestreben, seine Gewinne zu steigern, die Produktion ins Ausland verlegt, Tausende Arbeitsplätze vernichtet und kleine Kinder in Indonesien seine Turnschuhe in 12-Stunden-Schichten nähen lässt. Autoren wie ich sind ein Spiegel für die Gesellschaft. Auch wenn der Wunsch nach Unterhaltung dominiert, sollte der Leser nach der Lektüre eines Buches etwas klüger sein als zuvor und sich über bestimmte Problematiken seine Gedanken machen.

Andreas Jur:
Du bist oder warst ja wahrlich ein Hans Dampf in allen Gassen – Grafikdesigner, Kampfsportlehrer, Gärtner, Händler, Vertreter, Breakdancer, Redakteur, Spieleentwickler, noch so einiges mehr und schließlich Autor. Umtreibt dich ein unruhiger Geist? Das klingt nach einem spannenden Lebensstil. Wie bringt man das alles mit einem Leben als Ehemann und Familienvater unter einen Hut? Bist du immer noch so unternehmungslustig oder macht sich die Ruhe des heranschleichenden Alters bemerkbar? In welchen Bereichen neben der Schriftstellerei bist du derzeit noch aktiv geblieben?

Rainer Wekwerth:
Es ist schon ruhiger um mich geworden. Als kreativer Mensch unterliegt man immer wieder der Versuchung, sich neu zu erfinden. Das Neue ist die spannende Herausforderung, das Bekannte nur langweilige Routine. In diesem Denken schwebt eine große Gefahr mit, denn man konzentriert sich nicht und macht vieles nicht so gut, wie man es könnte, da man von einer inneren Unruhe vorangetrieben wird. Inzwischen lasse ich die Figuren meiner Romane die Abenteuer erleben und führe selbst ein ruhigeres Leben. So interessant mein Leben auch war, es war auch anstrengend, und neben vielen gefeierten Erfolgen galt es auch, Misserfolge zu verarbeiten.

Derzeit konzentriere ich mich auf das Schreiben und auf ein Projekt, das mir sehr am Herzen liegt. Ich habe eine literarische Agentur gegründet, die „Literarische Agentur Rainer Wekwerth“, im Internet zu finden unter http://www.die-autoren-agentur.de. Es soll eine Agentur von Autoren für Autoren sein, denn ich bin der Meinung, dass ein Schriftsteller die Arbeit eines anderen Schriftstellers am besten beurteilen und Verbesserungsvorschläge machen kann. Auf den Gedanken, eine Agentur zu gründen, kam ich durch meine Schreibkurse. Ich war überwältigt von der Einsicht, wie viele Talente da draußen darauf warten, entdeckt zu werden. Es lag nahe, dieses Potenzial zu nutzen. Meine Schreibkurse sind somit eine Art „Kaderschmiede“ für den schriftstellerischen Nachwuchs und Basis für die Arbeit der Agentur. Ich denke, von diesem neuen Konzept profitieren nicht nur die Autoren, sondern auch die Verlage, die mit der Zeit erkennen, dass „meine“ Autoren eine harte Schule durchlaufen haben und sehr professionell arbeiten.

Andreas Jur:
Als Jonathan Abendrot hattest du ja auch bereits Erfolge als Jugendbuchautor feiern können. Gerade jetzt, wo du seit einigen Jahren Vater bist – inspiriert dich das nicht, auch in dieser Richtung mal wieder einen Vorstoß zu wagen?

Rainer Wekwerth:
Eher das Gegenteil ist der Fall. Ich spiele sehr viel mit meiner Tochter Anna (drei Jahre alt) und erzähle ihr Geschichten, die ich frei erfinde. Es genügt mir, jeden Tag einige Stunden in einer kindlichen Welt zu verbringen. Meine Arbeit als „harter“ Thrillerautor bietet hierzu einen gewissen Ausgleich. Aber wer weiß schon, was morgen ist? Bei einem entsprechenden Angebot werde ich nicht „nein“ sagen.

Andreas Jur:
Woran arbeitet der Thrillerautor Rainer Wekwerth dieser Tage? Was können wir als nächstes erwarten?

Rainer Wekwerth:
Derzeit erlebt die realistische Phantastik (Preston/Child, Frank Schätzing, etc.) einen Boom, dem ich mich aber nicht anschließen will. Ich arbeite an einem historischen Roman zur Zeit der spanischen Inquisition, aber ich habe auch noch ein paar andere Projekte im Hinterkopf.

Vielen Dank für das Interview.

Andreas Jur:
Ich habe zu danken und wünsche dir viel Erfolg mit dem „Hades-Labyrinth“ und deinem weiteren Schaffen.

Autorenhomepage: www.wekwerth.com

Literarische Agentur Rainer Wekwerth (inklusive Schreibkurs):
www.die-autoren-agentur.de