Interview mit Willibald Spatz

_Buchwurm.info:_
Wie geht es Ihnen? Wo sind Sie? Was machen Sie gerade?

_Willibald Spatz:_
Gut. Daheim am Schreibtisch, Tasse Kaffee, bereit zu antworten.

_Buchwurm.info:_
Die Angaben in der Autoreninfo des |Gmeiner|-Verlags sind äußerst mager. Könnten Sie sich bitte unseren Lesern etwas ausführlicher vorstellen?

_Willibald Spatz:_
Ich bin Bio- und Chemielehrer an einer Augsburger Schule. Studiert habe ich in Würzburg und während des Studiums habe ich angefangen, Theatertexte zu schreiben. Würzburg hat eine sehr lebendige und gute freie Szene – deshalb war es immer einfach, diese Texte einem Publikum vorzuführen. Vor vier Jahren verschlug es mich nach Kempten, dort gibt es keine so gut ausgebaute Bühnen-Infrastruktur, deshalb habe ich angefangen, einen Roman zu schreiben, also einen Text, den man nicht aufführen muss, damit er funktioniert.

Inzwischen wohne ich auf dem Land bei Augsburg, da könnte man wieder gut Theater machen, aber im Moment komme ich kaum dazu. Es gibt allerdings bald einen Film, bei dem ich ein bisschen mitgewirkt habe. (Mehr Information unter [www.sumosam.de).]http://www.sumosam.de

_Buchwurm.info:_
Was soll ich mir denn unter dem Studienfach „Kulturkritik“ vorstellen? Ich finde allein schon die Vorstellung, eine ganze Kultur kritisieren lernen zu können, ziemlich – öhm – faszinierend. Sind Sie jetzt ein Doktor?

_Willibald Spatz:_
Kulturkritik ist eine Abkürzung, ausgeschrieben heißt der Studiengang „Theater-, Film- und Fernsehkritik“. Dabei handelt es sich um ein kulturjournalistisches Aufbaustudium an der Bayerischen Theaterakademie. Man soll da lernen, wie man fürs Feuilleton schreibt. Am Schluss bekommt man dann ein Zertifikat.

_Buchwurm.info:_
Konnten Sie Ihre Erkenntnisse aus dem Fach „Kulturkritik“ stets eins zu eins anwenden, wenn Sie nun für die Publikationen schreiben?

_Willibald Spatz:_
Ja, konnte ich. Der Schwerpunkt dieses Studiums liegt nämlich auf Schreibseminaren, bei denen man diverse journalistische Formen übt. Kann man dabei auch Krimischreiben lernen? Nein, nicht direkt, aber es schadet auch nicht.

_Buchwurm.info:_
Worum geht es in Ihrem neuen Krimi [„Alpendöner“? 6066 Der Titel weckt ja vielfältige Assoziationen in Richtung Culture Clash …

_Willibald Spatz:_
Ein Mann kommt in die Fremde, genauer nach Kempten im Allgäu, wo man mit Fremden nicht viel anfangen kann. Das merkt der Mann und auch andere Fremde, die sich dem Anschein nach schon integriert hätten, denen aber noch mal richtig eins reingewürgt werden soll, um ihnen zu zeigen, dass sie nicht willkommen sind. Der Mann und die anderen Fremden finden zusammen in ihrer Ausgeschlossenheit. Es kommt also zu einem Culture Clash, aber definitiv nicht aufgrund von nationalen Grenzen. Die Barrieren, an denen es knallt, sind imaginär und zwischen den Menschen hochgezogen.

Damit’s ein Krimi wird, passiert ein Mord und ein Kommissar tritt auf, aber die wahre Action findet im Inneren der Handelnden statt.

_Buchwurm.info:_
Was ist denn der Held Birne für einer? Warum sollte er uns interessieren?

_Willibald Spatz:_
Birne ist selbst auf der Suche, er hat keine Ahnung, wohin er soll mit sich. Das unterscheidet ihn ein bisschen von anderen Krimihelden, die meist ganz eindeutig auf der Seite des Guten, manchmal auch auf der bösen Seite stehen. Birne kann das nicht, weil er nicht weiß, was gut und böse ist und täglich neue Antworten findet.

Das macht die Figur für mich spannend, auch im Hinblick auf andere Figuren – denen kann man mit dieser Hauptperson auch immer wieder neu begegnen, keiner muss seine Rolle bis zum Ende spielen, jeder darf ständig neue Facetten zeigen. Am Schluss ist uns mitunter der Bösewicht sympathischer als der ständig Gute und wir hören auf, die anderen zu bewerten, sie nach zwei Sekunden in eine Schublade zu stecken, aus der wir sie erst wieder lassen, wenn sie uns was Großes spendiert haben.

_Buchwurm.info:_
Welche Rolle spielt Humor für diesen Roman bzw. für Ihre anderen Werke?

_Willibald Spatz:_
Humor kommt vor, allerdings nicht um Gags zu produzieren und Leser für ein paar Sekunden zu Lachern zu machen. Im Gegenteil ganz klassisch: Die komischsten Gestalten sind die tragischsten. Wir nehmen sie alle so ernst, wie sie sich selbst ernst nehmen und stellen plötzlich fest, dass sie nur noch zum Lachen sind. Dann lacht auch der Leser (oder Zuschauer im Theater), obwohl er vielleicht lieber weinen wollte.

Veröffentlicht ist im Moment nur der „Alpendöner“, im Februar folgt „Alpenlust“, dazu gäbe es eine Menge an Theaterstücken, die nicht verlegt sind.

_Buchwurm.info:_
Wollen Sie mit Krimis sowohl unterhalten als auch Missstände ansprechen?

_Willibald Spatz:_
Angesprochen sind im „Alpendöner“ die Ausgrenzung Fremder und eine treffend als Pädophobie bezeichnete und aus Großbritannien rüberschwappende Angst vor Jugendlichen, die uns dazu bringt, sie tagsüber in Einrichtungen wegzusperren, anstatt zu versuchen, sie in ihren Bedürfnissen zu verstehen.

In „Alpenlust“ geht es um die Kontrolle, die der Staat über uns ausüben will, und die Angst vor Terror, die er uns deswegen einzureden versucht. – Das alles sind gesellschaftliche Missstände, die mich bewegen. Natürlich wäre es gut, wenn Leser der Bücher anfangen würden, sich Fragen zu stellen und auch Dinge in Frage zu stellen. Aber ich halte die Wirkung, die ein Roman haben kann, leider für sehr begrenzt. Ich glaube, man müsste für mehr Effekt noch expliziter schreiben. Das mag ich nicht. Unterhalten will ich. Ja.

_Buchwurm.info:_
Was sind Ihre liebsten Freizeitbeschäftigungen? Sind Sie politisch engagiert?

_Willibald Spatz:_
Gelegentlich kann ich hier auch noch musikalisch tätig werden bei den Bands „Turboblues“, „Fressen“, „Gnadenkapelle Höges Gold“ und „Herbe Sahne“. Ich bin in keiner politischen Vereinigung, wenn Sie das mit politischem Engagement meinen.

_Buchwurm.info:_
Wagen wir einen Ausblick. Der Verlag kündigt Ihren nächsten Birne-Krimi „Alpenlust“ für Februar 2010 an. Das klingt nach Jodelgrüßen aus der Lederhose, also einem Porno. Richtig oder falsch? Wenn nicht, warum? Vielleicht wollen Sie ja neue Leserschichten erreichen. 😉

_Willibald Spatz:_
Ganz im Gegenteil. Der Krimi ist streng protestantisch, zu Geschlechtsverkehr kommt es nur in Ausnahmefällen. Aber da ist dennoch eine ständige Lust auf einen fremden Körper, die den Roman schwül durchweht und die Hauptpersonen ganz kirre macht. Die stellen dann Dinge an, die sie mit ein bisschen Triebdruck weniger hätten sein lassen.

Mehr Event-Informationen über mich finden Sie auf der Homepage http://www.friedrich-pilsner.de.