J. D. Barker – The Fourth Monkey: Geboren, um zu töten (Sam Porter 1)

Seit fünf Jahren jagt Cop Sam Porter einen irren, aber natürlich genialen Serienkiller. Der hat gerade ein Mädchen entführt, als er vor einen Bus läuft. Aus den bei der Leiche entdeckten Indizien muss die Polizei die Spur zum Opfer rekonstruieren, das in einem rattenverseuchten Kerker schmachtet … – Ideenübersichtlicher, auf Tempo getrimmter, mit logikarmen ‚Überraschungen‘ (und Ekeleffekten) gespickter Routine-Thriller, der von der Werbung zum ‚Bestseller‘ gehypt werden soll.

Das geschieht:

Seit ein Strolch seine Gattin niederschoss, ist Detective Sam Porter von der Chicago Metropolitan Police vom Dienst suspendiert. Nur allmählich stellen sich Spürsinn und Ermittlungseifer wieder ein. Die Trauerpause findet definitiv ihr Ende, als Partner Nash sich meldet: In einem Päckchen fand die Polizei ein menschliches Ohr; der „Four-Monkey-Killer“ hat wieder zugeschlagen!

Fünf Jahren jagte ihn Porter zusammen mit einer Sondereinheit – vergeblich. In dieser Zeit hat der Mörder sieben Mal zugeschlagen. Sein Muster: Er pickt sich einen von der Justiz unbemerkten Kriminellen heraus, lässt diesen aber unbehelligt und entführt stattdessen ein Familienmitglied, dem er erst ein Ohr abschneidet, dann die Augen aus den Höhlen reißt und schließlich die Zunge abzwackt. Diese Körperteile werden per Post der Polizei zugestellt, die kurz darauf die verstümmelte Leiche findet.

Aktuell hat der Killer den Baulöwen Arthur Talbot ins Visier genommen und dessen uneheliche Tochter Emory entführt. Wie üblich hat er die Fünfzehnjährige in einen geheimen Kerker verschleppt und ihr bereits ein Ohr gekappt. Als der Killer es wie üblich verschicken und in einen Postkasten werfen will, läuft er vor einen Bus und wird in den Asphalt gewalzt.

Für Sam Porter und seine Kollegen geht es nun darum, die verschleppte Emory zu finden, bevor sie in ihrer Zelle verschmachtet. Wer war der Täter, wo hauste er? Die Spurenlage ist schlecht; vielversprechend scheint noch ein Tagebuch zu sein, das man bei der Leiche des Mörders fand. Der schildert dort seine Jugend als Kind gleich zweier Psychopathen, die ihre Freude an Folter und Mord offensichtlich vererbt haben. Hat der Killer Hinweise in seinen Aufzeichnungen versteckt, die seine Identität enthüllen? Lügt er? Ist überhaupt der echte Four-Monkey-Killer gestorben? Die Uhr tickt, während Porter verzweifelt versucht, die Rätselspur zur entführten Emory zu lösen …

Wir basteln uns einen Bestseller!

Der erfahrene Leser schöpft stets Verdacht, wenn ein Buch nicht angekündigt, sondern seinen potenziellen Käufern förmlich in die Hirne gehämmert werden soll. „The Fourth Monkey“ wird zu einem Lektüre-Event stilisiert: Die Werbung überschlägt sich; zum Einsatz kommen Außen- und Kinowerbung, eine Print-Anzeigen- und eine Online-Kampagne. In Kinos und Wellnesshotels (!) werden zusätzlich Leseproben verteilt. Um den Hype abzurunden, werden im Namen schon berühmter (und dafür gut bezahlter) Autorenkollegen Lobeshymnen kreiert und Jubel-Phrasen aus Quellen zitiert, die kaum ein Mensch kennt. Selbstverständlich fehlt nicht der Hinweis auf die bereits verkauften Filmrechte; ob „Marc Webb/Spiderman“ tatsächlich irgendwann cineastisch zur Tat schreiten wird, ist von sekundärer Bedeutung.

Hinter dem lauten Geklapper kommt ein Roman zum Vorschein, der eine simple, aber gefährliche Frage aufwirft: Wieso wird gerade dieses Garn so zelebriert? Weder inhaltlich noch formal gibt es dafür eine logische Begründung. „The Fourth Monkey“ ist keineswegs „Das Thrillerdebüt 2018, das niemanden kaltlässt!“, wie auf dem rückseitigen Cover zu lesen ist. Bestenfalls haben wir es mit unterhaltsamem Durchschnitt zu tun, weil tempostarke Thriller immer gehen.

Ansonsten dominiert blanke Routine. Autor Barker lässt die Katze/n selbst aus dem Sack, wenn er im Interview seine Vorbilder nennt: Thomas Harris mit „Das Schweigen der Lämmer“ und Jeffery Deaver, König des Plot-Twistes; hinzu kommt der Spielfilm „Seven“ (1995; dt. „Sieben“). In der Tat wirkt „The Fourth Monkey“ recht ungelenk aus deren Vorgaben zusammenbastelt. Barker ist dabei ganz auf der Höhe der Zeit: Er ‚ehrt‘ seine Vorgänger, indem er ihre Werke dort ausschlachtet, wo sie ihm dienlich sind.

Drei Ebenen ohne echte Berührungspunkte

Kurze Kapitel, die meist als Cliffhanger enden, weil es nach einem Ortswechsel weitergeht, wo man zuvor im Regen stehengelassen wurde: Tempo und Atemlosigkeit sind Barkers Maximen, die indes nur bedingt greifen, weil es an innerer Verknüpfung mangelt. Handlungsebene 1 erzählt von Detective Porter, der mit seinen Kollegen a) nach Emory sucht, deren Zeit allmählich abläuft, und b) dem verunfallten Four Monkey Killer nachspürt, der natürlich – so durchsichtig, wie Barker es einfädelt, ist dies kein Spoiler! – quicklebendig ist und fleißig weiter an Schlichen feilt, die vor allem kompliziert, aber nicht unbedingt sinnvoll nachvollziehbar sind.

Ebene 2 blendet um zu besagter Emory, die in einem düsteren Loch hockt, von Ratten angenagt und mit überlauter Rockmusik gequält wird, während ihr die verstorbene Mutter Hässliches ins Restohr flüstert. Ebene 3 besteht aus dem nach und nach vorgestellten Tagebuch des Killers. Der schildert seinen Werdegang, dessen Höhepunkt die Konfrontation seiner Psychopathen-Eltern mit Mafia-Mördern darstellt. Das ist genauso bescheuert, wie es klingt, zumal Barker sich weitere Bizarr-Details aus dem Hirn wringt, um diesem Wahnsinn einige Umdrehungen mehr zu verleihen.

Lange laufen die drei Ebenen nebeneinander her; vor allem das Killer-Tagebuch beschränkt sich auf die Aufzählung grotesker Folter-Episoden – hier ‚erinnert‘ sich Barker an Bret Easton Ellis und „American Psycho“ – und platten Psychopathen-Fantasien, wie sie uns einschlägige TV-‚Dokumentationen‘ beinahe allabendlich näherbringen. Im Finale greift Barker sich seine drei Handlungsstränge und biegt sie unter lautem Knirschen zusammen, bis sie sich zumindest berühren: Alles, was sich auf den drei Ebenen und binnen einer drei Jahrzehnte zurückgreifenden Vergangenheit ereignet hat, hängt plötzlich zusammen. Das soll einen finalen Super-Twist generieren, sorgt aber eher für Verwirrung und Ärger, weil die Mutwilligkeit dieses Schachzugs so offensichtlich ist.

Retorten-Helden vs. Schema-F-Bösewicht

Noch offensichtlicher wird das Bestseller-Recycling durch die Figurenzeichnung. Als ‚Helden‘ stellt uns Barker den x-ten Ermittler mit tragischem Privatleben vor. Sam Porter ist so schwer verliebt in seine Gattin, der er zärtliche Telefonanrufe und Zettel hinterlässt, dass der Leser sofort misstrauisch wird bzw. weiß, dass dieses Glück Vergangenheit und besagte Gattin längst tot ist, denn Barker hat kein Händchen für echte = überzeugend geschilderte Gefühle.

Porter ist darüber hinaus ein blasser, langweiliger Zeitgenosse, denn zur Tragik gesellt sich höchstens ein ausgeprägter bzw. behaupteter Spürsinn, der allerdings zuverlässig dort versagt, wo der Four-Monkey-Killer seine Schlingen legt. Um von Porters Eindimensionalität abzulenken, umgibt ihn der Autor mit einer Gruppe ‚ulkiger‘ Mitstreiter-Kollegen, die sich kindisch balgen, faule Witze reißen und schmerzlich offenlegen, dass Barkers Flachsinn auch sein Humorverständnis einschließt.

Der Four-Monkey-Killer reiht sich nahtlos in dieses Figurenumfeld ein. Er benimmt sich exakt so genial, wie kein realer Serienmörder jemals gewesen ist. Seit Jahrzehnten verfolgt er einen umständlichen Plan, den wohl selbst Zenon von Kiteon, den antiken Begründer der stoischen Lehre, zur Weißglut getrieben hätte. Um diesem Flach-Finsterbold wenigstens ein wenig dämonische Anziehungskraft zu verleihen, verlegt Barker die finale Konfrontation zwischen Held und Schurken in einen abbruchreifen Wolkenkratzer. Es hilft wenig, sondern unterstreicht diese traurige Wahrheit: J. D. Barker ist niemals Thomas Harris oder Jeffery Deaver, sondern höchstens Ethan Cross und manchmal sogar nur Chris Carter. Allerdings gibt es ein Publikum für solche Grobquast-Thriller, weshalb das Marketing-Getöse wahrscheinlich auf offene Ohren treffen wird. Der Four-Monkey-Killer kehrt jedenfalls zurück! Bis auf wenige, latent anspruchsvollere Leser dürften somit alle glücklich sein.

Autor

Jonathan Dylan Barker wurde am 7. Januar 1971 in Lombard, US-Staat Illinois, geboren. Ab 1985 lebte er mit seiner Familie in Englewood, Florida. Dort besuchte er die High School. Nach dem Abschluss (1989) studierte Barker am Art Institute of Fort Lauderdale. Dort nahm er an einem Schreibkurs teil und erregte das Interesse des Herausgebers Paul Gallotta. Barker arbeitete später für das Magazin „25th Parallel“ und spezialisierte sich hier auf Themen der Popkultur.

Seit 1992 schrieb Barker eine Zeitungskolumne („Revealed“) über angeblich von Geistern heimgesuchte Häuser und Stätten. Parallel dazu betätigte er sich als Ghost Writer und Buch-Doktor für Autoren, denen das Talent und/oder das handwerkliche Geschick fehlten. 2014 veröffentlichte Barker seinen ersten Roman unter eigenem Namen. „Forsaken“ war eine Gruselgeschichte, die von der Kritik gut aufgenommen wurde und Barker mit Dacre Stoker – einem Groß-Groß-Neffen von Bram Stoker, der „Dracula“, das Hauptwerk seines Vorfahren, epigonisch ausschlachtet – zusammenbrachte. Gemeinsam fabrizierten sie 2018 den Dracula-Nachklapp „Dracul“. 2017 veröffentlichte Barker „The Fourth Monkey“, einen mit Schauer- und Splattereffekten angereicherten Killer-Thriller, der ein entsprechend gepoltes Publikum fand und rasch fortgesetzt wurde.

Mit seiner Familie lebt J. D. Barker in Pittsburgh, Pennsylvania.

Paperback: 540 Seiten
Originaltitel: The Fourth Monkey (New York : Houghton, Mifflin, Harcourt 2017)
Übersetzung: Leena Flegler
http://www.randomhouse.de/blanvalet

E-Book: 871 KB
ISBN-13: 978-3-6412-0699-4
http://www.randomhouse.de/blanvalet

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