Ein Jahr ist vergangen, seit erst China, dann die Welt und schließlich die Vereinigten Staaten von Amerika von Untoten überrannt wurden. Die wenigen Überlebenden haben sich verschanzt, die Regierung existiert womöglich nicht mehr bzw. wurde von den Resten des US-Militärs übernommen. Auf hoher See und einigen Inseln ist man einigermaßen sicher vor den Zombies, weshalb nunmehr geplant wird, ihnen den Garaus zu machen.
Um eine biologische oder chemische Waffe zu schneidern, benötigen die dafür zuständigen Wissenschaftler allerdings unbedingt „Patient 0“ – jenen Pechvogel, der den Zombie-Virus in die Welt setzte. Der US-Geheimdienst konnte ihn kurz vor dem endgültigen Untergang in China ausmachen. Dorthin wird ein U-Boot in Marsch gesetzt. An Bord ist eine kleine aber entschlossene Truppe, die sich zu jenem chinesischen Stützpunkt durchschlagen soll, in dem „Patient 0“ einst neugierig aber ohne Wahrung der Sicherheitsvorschriften untersucht wurde.
Die Mission ist doppelt heikel, denn „Patient 0“ ist kein Mensch, sondern der Pilot eines vor 20000 Jahren abgestürzten Raumschiffs und hat die Seuche aus dem Weltall mitgebracht. Auf der Erde sitzen dem Kommandounternehmen nicht nur die Untoten und überlebende Kommunisten im Nacken: Eine mysteriöse Gruppe namens „Remote Six“ hat es darauf abzusehen, die militärische Not-Führung zu vernichten.
Die ihr zur Verfügung stehenden Instrumente und Waffen sind außergewöhnlich fortschrittlich, was misstrauische Nachfragen in Nevada bedingt: Dort werden in der Area 51 seit 1947 ein weiteres Raumschiff und seine vier Insassen aufbewahrt und untersucht. Offensichtlich ist „Remote Six“ im Besitz von Hightech, die auf der Basis des dabei gewonnenen Wissens entstand. Heimlich wird ein weiteres Kommandounternehmen in Marsch gesetzt, das dem nachgehen soll – eine Maßnahme, die „Remote Six“ nicht lange verborgen bleibt …
Das große, untot-außerirdische Finale
Aller guten Dinge sind bekanntlich drei, obwohl diese ‚Tatsache‘ eher mystisch statt logisch unterfüttert ist. Nichtsdestotrotz neigen fortgesetzte Geschichten dazu, in Trilogien zu gipfeln. Alle losen Enden werden zuletzt zusammengeführt und möglichst ordentlich verknotet. Deshalb ist der dritte Band einer Trilogie in der Regel deutlich umfangreicher als seine Vorgänger.
J. R. Bourne hält sich an diese ungeschriebene Regel. Seine „Day by Day Armageddon“-Serie, ursprünglich als privates Internet-Projekt begonnen, hatte 2012 so viel Leserstaub aufgewirbelt, dass klassische Buchverlage Gewinn witterten und sowohl an einer Veröffentlichung als auch einer Fortsetzung interessiert waren.
Der Neustart in der ‚richtigen‘ Literaturwelt war offensichtlich mit Auflagen verbunden. Bisher hatte Bourne sein Zombie-Garn aus der Sicht eines namenlosen Ex-Soldaten gesponnen, der nach der Apokalypse seine Erlebnisse und Gedanken in einem Tagebuch festhielt, um auf diese Weise der aus den Fugen geratenen Welt eine Struktur zu geben und sich das tägliche Grauen buchstäblich von der Seele zu schreiben. Dies bedingte eine Sicht, die sich auf den Horizont dieses Mannes und seiner Kampf- und Lebensgefährten beschränkte.
So hätte es im dritten Band weitergehen können, doch Bourne weicht vom Konzept ab. Zwar gibt es noch die beschriebenen Tagebucheinträge, doch sie sind nur Einschübe in einem ansonsten konventionell ereignisbeschreibenden Text. Gleichzeitig weitet sich das Panorama, wobei die Zentralfigur oft außer Sicht gerät. (Sie erhält sogar einen Namen: „Kil“ als Abkürzung von „Kilroy“.) Gänzliche neue Figuren werden eingeführt, während sich die Handlung auf mehrere Orte verlagert: Von einem „Tagebuch der Apokalypse“ kann im Grunde nicht mehr die Rede sein.
Die Welt ist mehr als genug
Da Bourne ein redlich bemühter aber kein gewandter Autor ist, gerät er unter seiner plötzlich global gewordenen Geschichte ins Wanken. Ständig springt er von Geschehen zu Geschehen, wobei er das Cliffhanger-Prinzip deutlich überstrapaziert: Spannung soll geschürt werden, indem der allwissende Erzähler den jeweiligen Handlungsort auf dem Höhepunkt einer Eskalation abrupt verlässt. Kehrt er dorthin zurück, schrumpft diese Krise oft zum simplen Zwischenfall, was den Leser auf die Dauer abstumpfen lässt.
Obwohl der Erdball nun Bournes Spielfeld ist, bleibt er allzu stark auf kleine Gruppen fokussiert. Er blendet allzu grundsätzlich aus, dass es außerhalb der USA auch Überlebende und Widerstand gibt. Höchstens China spielt diesbezüglich eine Rolle; dies jedoch nur, weil ein US-Kommandounternehmen dorthin unterwegs ist. Dass China durchaus ein Land ist, in dem wie in den USA eine rudimentäre Organisation mit Transport- und vor allem Kommunikationsmitteln den Untoten trotzen könnte, kommt Bourne nicht in den Sinn bzw. wird aus dramaturgischen Gründen geleugnet.
So entsteht das übliche Bild tatkräftiger (US-) Individuen, die auch in der Kleingruppe ihren Eigensinn behalten und sich trotzdem in den Sinn der größeren Sache stellen – eine typische Konvention der populären Unterhaltung, zu der Bournes Serie nicht nur gehört, sondern in diesem Umfeld auch keine Maßstäbe setzt: „Das Tagebuch der Apokalypse“ ist reines, geistig nährstoffarmes Lesefutter, aber nie wurde dies deutlicher als in diesem dritten Band!
Tücken, trügen, Tote killen
Die überaus flach gezeichneten Figuren gewinnen kein Profil. Wo Bourne es versucht, wird es peinlich: So greift er die biblische Geschichte vom Christenverfolger Saulus auf, der zum Apostel Paulus mutierte, und lässt den Nah-Ost-Terroristen Saien, der mit seinen Mörder-Kumpels gerade die Besucher einer US-Mall zusammenschießen wollte, aufgrund der ausbrechenden Zombie-Seuche erst bereuen und sich dann auf die Seite der Amerikaner schlagen.
Ansonsten gibt es Kinder in Not, einen ulkigen Hund, knorrige US-Militärs, schleimig-verräterische Geheimdienstler und immer wieder tapfere Soldaten, die zwar geistig beschränkt sind aber das Herz auf dem rechten Fleck tragen, was sie durch männerbündlerische Zeremonien, ostentative Emotionsarmut und Wortkargheit demonstrieren; ohne „Yeah“ müssten sie sich durch Gesten verständigen. Überhaupt ist die Sprache knapp und gleitet oft ins Saloppe ab, was aber auch in der Übersetzung begründet sein könnte, die jene Lakonie verströmen soll („Kil gab Bleifuß“), die wahre Helden auszeichnet.
Während an diversen Orten gespäht, gekillt und intrigiert wird, wundert sich der Leser, dass die eigentliche Handlung auf der Stelle tritt, obwohl die Zahl der verbleibenden Buchseiten rapide sinkt. Entweder hat Bourne die Kontrolle über seine Geschichte verloren, oder er plante ursprünglich einen vierten Band, der recht spät gestrichen wurde. Seite 450 naht bereits, als Bourne merkt, dass ihm kein Spielraum mehr bleibt. Jetzt geht es holterdiepolter und völlig überhastet endlich nach China, wo jene Katze, die das große Rätsel hinter der Seuche darstellt, nicht aus dem Sack gelassen, sondern mit Fußtritten getrieben wird. Von Stimmung oder gar Spannung kann keine Rede sein.
Nicht ausrollen, sondern gegen die Wand fahren
Es wird noch schlimmer: In der Heimat wird die bisher übermächtige Verräter-Organisation „Remote“ mit wenigen Federstrichen ausgetilgt. Ein aufwändiger Handlungsstrang, der sich um einige Forscher drehte, die am Nordpol um ihr Leben kämpften, erweist sich als völlig irrelevant. Wenige Zeilen müssen reichen, um die Gründung einer Kolonie zu skizzieren, die dank des China-Einsatzes offenbar weiß, wie man die Zombies bekämpfen kann. Dann packt Kil seine Familie zusammen und segelt in die Abendsonne. Zurück bleibt verdattert der Leser, der sich fragt, wieso er sich über drei Bände und viele, viele Seiten gefragt hat, wie diese Geschichte ausgehen wird. Dass der Autor ihn aus der Tür jagt und es ihm quasi hinterherruft, ist eine echte aber keineswegs erfreuliche Überraschung.
Bourne hat sich mit diesem ‚Finale‘ einen Bärendienst erwiesen. Was er simpel aber durchaus unterhaltsam aufgebaut hat, bringt er zum Einsturz. Niemand scheint ihn auf die Strukturschwächen dieses dritten Bandes hingewiesen zu haben. Womöglich ist es dem anvisierten Publikum gleichgültig. Wem es genügt, dass unzählige Zombies mit immer neuen Waffen in Stücke gemetzelt werden – wofür sie sich blutrünstig revanchieren -, dürfte die Story ohnehin nur als notwendigen, für das Spaßerlebnis sekundären Treibriemen betrachten.
Autor
Über das Privatleben des im US-Staat Arkansas geborenen J. L. Bourne ist kaum etwas bekannt. Vielleicht liegt es daran, dass er als aktives Mitglied der US-Marine und bedrohter Vaterlandsbeschützer in einer Welt wachsamer Terroristen & potenzieller Verräter wach- und sparsam mit Informationen sein muss. Um seinen Arbeitgeber nicht in Verlegenheit zu bringen, betont Bourne darüber hinaus, dass die in seinen Romanen zum Ausdruck gebrachten Äußerungen und Meinungen nicht die Äußerungen und Meinungen der US-Marine darstellen.
Als Schriftsteller machte Bourne 2003 erstmals auf sich aufmerksam. „Day by Day Armageddon“, das erste „Tagebuch der Apokalypse“, erschien als kostenfrei lesbare Loseblatt-Sammlung eines fiktiven Soldaten auf einer vom Verfasser selbst eingerichteten und gestalteten Website. 2007 folgte eine erste professionelle Buchausgabe, für die Bourne sein Material bearbeitete, um ihm die für einen Roman erforderliche inhaltliche Stringenz zu verleihen.
Der Erfolg stellte sich rasch ein, denn mit seiner Mischung aus Horror und „Military Fantasy“ lag Bourne richtig, zumal er über erzählerisches Talent verfügt und an der Spannungsschraube zu drehen vermag. Inzwischen hat Bourne eine weitere Serie – dieses Mal dreht es sich um einen III. Weltkrieg – begonnen.
Taschenbuch: 495 Seiten
Originaltitel: Day by Day Armageddon, Book 3: Shattered Hourglass (Jonestown/Arkansas : Permuted Press 2012/New York : Gallery Books/Simon & Schuster 2012)
Übersetzung: Ronald M. Hahn
www.randomhouse.de/heyne
jlbourne.com
eBook: 1063 KB
ISBN-13: 978-3-641-12831-9
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Hörbuch-Download: 632 min. (ungekürzt, gelesen von David Nathan)
www.randomhouse.de/audible.de
Der Autor vergibt: