Janice Hardy – Krieg der Heiler (The Healing Wars 3)

Endkampf um die Freiheit: spannende Jugendfantasy

Die Schifterin Nya und ihr Freunde fliehen vor dem Herzog von Baseer und kehren in ihre Heimatstadt Geveg zurück. Dort haben sich die Einheimischen wie auch die Baseeri-Adeligen gegen den Herzog erhoben. Um sie vor dem anstehenden Angriff der herzoglichen Armee zu warnen, begeben sich Nya und Co. in die geteilte Stadt. Doch was können sie schon gegen eine Armee von Unsterblichen ausrichten, fragt sich Nya bang.

Die Autorin

Janice Hardy wurde in Pennsylvania geboren und wuchs in Florida auf. Sie machte ihren Collegeabschluss in Grafikdesign und arbeitete als Gestalterin für verschiedene Zeitschriften. Während dieser Zeit absolvierte sie einen Kurs als Rettungstaucherin. Dabei lernte sie ihren Mann kennen. Heute leben die beiden im amerikanischen Bundesstaat Georgia.

Die Trilogie „The Healing Wars

1) Die Heilerin (dt. 2010; The Shifter, 2009)
2) Das blaue Feuer (dt. 2010; Blue Fire, 2010)
3) Krieg der Heiler (dt. 2012; Darkfall, 2011)

Mehr Info: http://www.janicehardy.com/

Vorbemerkung: Ich empfehle dringend die Lektüre meiner Berichte zu den zwei Vorgängerbänden „Die Heilerin“ und „Das blaue Feuer“.

Handlung

Nach den dramatischen Ereignissen in Baseer, wo sie gefoltert wurde, flieht die Schifterin Nya mit ihren Freunden Danello, Aylin, Lanelle und Quenji per Boot zu einem Anwesen, wo ihnen Jeatar, der geheime Thronprätendent, Obdach zur Verfügung stellt. Doch obwohl das Anwesen idyllisch liegt, dauert es nicht lange, bis das erste Attentat erfolgt: Kopfgeldjäger. Sie müssen weiter, am besten nach Geveg, wo man noch nichts von der anstehenden Invasion der Armee des Herzogs ahnt – das ist Nya klar.

Doch schon in Dorpstaad kommt es zur ersten Konfrontation mit den Unsterblichen des Herzogs. Das sind Soldaten, die über einen speziellen Schutzpanzer aus einer Pynviumlegierung verfügen, also immun gegen Schmerzen und Wunden sind. Normalerweise. Doch sie haben nicht mit den Fähigkeiten der Schifterin gerechnet. Im Handumdrehen purzeln die Gepanzerten um. Unter ihnen findet Nya zu ihrem Entsetzen und Entzücken auch ihre vermisste Schwester Tali. In Geveg einst eine angehende Heilerin, ist Tali in die Killertruppe des Herzogs gesteckt worden. Wie es in ihrer Seele aussieht, kann Nya nur ahnen, denn Tali erkennt Nya nicht mehr.

Per Boot gelangt die Gruppe schließlich heimlich auf eine der Inseln von Geveg, ihrer Heimatstadt. Sie befestigen die Jolle an einem Kai, lassen Lanelle, der Aylin nicht traut, als Bewachung zurück und schleichen zum Haus von Zertanik. Zertanik war Nyas Geschäftspartner, ein Pynvium-Techniker, der mit dem Erhabenen der Heilergilde dunkle Geschäfte machte. Nya tötete ihn. Nun findet sie in diversen Verstecken Pynvium-Waffen, Juwelen und ein Zauberbuch. Um die Zeichen darin lesen zu können, muss sie aber auf Onderaan, ihren Baseeri-Onkel, warten, der den Landweg genommen hat.

Als sie nach einer Schlacht mit Plünderern zum Boot zurückkehren, ist Lanelle fort – nur ein ausgeschlagener Zahn zeugt von Gewaltanwendung gegen die Heilerin. Sie können nicht mehr weg und brauchen dringend Hilfe. In Danellos Haus finden sie seine Quasi-Großmutter. Sie berichtet, dass der Vater, den er sucht, in der Widerstandsbewegung kämpft – Narren ohne Ausbildung, meint die alte Saama. Aber sie halten zwei der sechs Inseln. Die anderen vier teilen sich die Adeligen und die Plünderer.

Die Ausgangslage für den Kampf gegen die anrückende Armee des Herzogs ist also denkbar ungünstig. Wie kann Nya nur hoffen, irgendeinen nennenswerten Widerstand auf die Beine zu stellen? Zum Glück besinnt sie sich auf den Herzog im Exil, und Jeatar ist gar nicht so weit entfernt …

Mein Eindruck

Wie schon in den beiden Vorgängerbänden scheint die Lage für Nya aussichtslos. Allerdings fand sie immer wieder einen Weg, um dem Gegner zu schaden, hauptsächlich um ihrer Schwester Tali zu helfen. Doch diesmal dauert es viel länger, bis sich das Blatt wendet, und Nya muss sich als Heldin bzw. Heilige bewähren. Denn nach einem heldenhaften Einsatz gegen die „Unsterblichen“ verfügt sie in den Augen der Geveger Bürger über übermenschliche Kräfte. Das ist ihr natürlich überhaupt nicht recht. Denn wie soll sie einem solchen Ideal gerecht werden?

Außerdem ist der Einsatz, den sie selbst erbringen muss, enorm gestiegen. Einfach einen „Unsterblichen“ zu berühren, um das Pynvium gegen dessen Träger zu wenden, reicht nicht mehr. Die „Unsterblichen“ haben nämlich schon mit diesem Trick gerechnet und Nya eine Falle gestellt. Da diese „Blauen“ – so genannt wegen der Farbe ihrer Rüstung – aber die Gilde der Heiler quasi als Geisel genommen haben, führt kein Weg an ihnen vorbei.

Die Antwort auf dieses Problem liegt in der Vereinigung der zersplitterten Stadt. Das ist jedoch nur teilweise eine Frage des Kampfes, sondern vielmehr eine Frage der Politik. Das mag für den jugendlichen Leser vielleicht zu anspruchsvoll klingen. Doch es zeigt sich, dass Nya durchaus in der Lage ist, Politik an Personen festzumachen, und alle diese Personen sind auch bloß Menschen. Als sich Jeatar als der wahre Thronanwärter auf den Herzogssitz in Baseer offenbart, sind die Baseeri-Adeligen von Geveg entzückt und schon halb gewonnen. So einfach geht das.

Der Rest des Kampfes ist allerdings auch nicht ohne: Die vereinten Geveger müssen die Invasion der Seestreitkräfte abwehren. Gelingt ihnen dies nicht, werden die Feuerschiffe ihre Stadt abfackeln. Daran dürfte sich ein Massaker anschließen. Und dann ist da ja noch der Herzog selbst. Er kommt mit der Geheimwaffe, die Nya aus ihrem Baseer-Aufenthalt nur zu gut kennt. Und dagegen muss sie alle Kräfte als Schifterin aufbieten. Doch Nya hat gerade damit zu tun, dass ihr Freund Danello vergiftet worden ist. Kann sie ihn vor dem sicheren Tod retten?

Die Übersetzung

S. 106: In dem Satz „Aylin trug den Sack mit dem Pynvium… an der Brust, damit er so wenig Lärm wie wir verursachte“ scheint etwas nicht zu stimmen. Ersetzt man allerdings das Wörtchen „wir“ durch „möglich“, wird ein Schuh draus.

S. 115: „Eier sollten nie mit Steine[n] kämpfen.“ Das N fehlt. Solche Endungsfehler sind in Taschenbüchern leider gang und gäbe.

S. 283: „Ich wollte sie nicht berühr[t]en.“ Das T ist überflüssig.

S. 284: „ich gehe und hol[t]e die Wächter.“ Dito.

S. 296: „(A) und (B) winkten Tali zu, als sie zur Kutsche rannte. Nicht zu meiner [Kutsche], zu einer von Onderaan[s].“
Lange habe ich mich gefragt, ob das S am Schluss von „Onderaan“ korrekt ist oder nicht. Die deutsche Sprache ja die Kunst des Weglassens zur Perfektion getrieben. Solche Weglassungen wie hier würden einem Englischsprecher das Wasser in die Augen treiben. Aber was wurde hier wirklich weggelassen?
Das erste Weglassen von [Kutsche] im zweiten Satz geht völlig in Ordnung. Aber dann wird auch in der Konstruktion „zu einer von Onderaans“ das Wort [Kutschen] weggelassen. Also, ich würde das S am Ende von „Onderaan“ dennoch weglassen. Denn es ist bereits klar, dass „zu einer [Kutsche] von Onderaan“ anzeigt, dass es sich um Onderaans Kutschen handelt. Das S am Schluss von „Onderaan“ würde dann erfordern, den Satz wie folgt zu vervollständigen: „zu einer Kutsche von Onderaans Kutschen“. Und das ist ganz mieser Stil, wenn nicht sogar ein Zeichen von Schwachsinn.

Unterm Strich

Auch im dritten und abschließenden Band bleibt der Kampf Nyas bis zum packenden Finale spannend. Nie erringt sie mit ihren Parteigängern einen überzeugenden Vorteil, der sie unbesiegbar machen würde. Ganz im Gegenteil: Die Heilung des vergifteten Danello verlangt ihr alle Kräfte ab und lässt sie nahezu kraftlos zurück, ausgerechnet vor der Invasion des Herzogs. Auch weiterhin bleibt die Lage auf der Kippe. Kein Leser kann also vorhersagen, wie die Sache ausgeht (es sei denn, er/sie war so unfair, die letzte Seite zu lesen).

Eines der zentralen Themen ist Führerschaft. Nya ist immer noch bloß 17 Jahre alt, wenn auch in einem Jahr der Kämpfe entsprechend gereift. Warum sollte sie sich mit ihrer Kraft nicht zur neuen Herrscherin von Geveg aufschwingen? Die Geveger verehren sie ja eh schon als Heilige, als Verkörperung einer Heiligen und als Heldin. Doch Nya erinnert sich stets daran, wem ihre Verpflichtungen, ihre Liebe und ihre Loyalität gebühren. Sie muss sowohl ihre Schwester als auch ihren Freund heilen. Diese Wiederherstellung spiegelt sich in der Wiederherstellung der Einheit von Geveg. Erst nach diesem aufwendigen Prozess können sie und die Stadt hoffen, gegen die Herzogsarmee aus „Unsterblichen“ bestehen zu können.

Dieser Vereinigungsvorgang ist das genaue Gegenteil dessen, was in „Die Tribute von Panem“ bei den Spielen passiert. Die Spielleiter bringen den Kandidaten ja bei, dass nur der Stärkste überleben werde. Die Heldin beweist ihnen, dass das Gegenteil wahr ist: Nur wer sich Freunde machen und sich auf sie verlassen kann, ist stark genug, es mit den Gegnern aufzunehmen. Als dieses Prinzip Erfolge aufweist, fallen die Rebellenbezirke von der tyrannischen Republik ab und beginnen, wie einst im 18. Jahrhundert, den Kampf um ihre Unabhängigkeit.

Ich habe auch für diesen Band nur wenige Tage gebraucht, obwohl die Handlung komplexer ist und Nya keineswegs alles glatt läuft. Doch das fabelhafte Finale hat mich für diese Mühe mehr als entschädigt. Gewundert hat mich das Fehlen der üblichen Landkarten. Da jedoch vier Fünftel der Handlung in Geveg stattfinden, kann man einfach die Landkarte aus Band heranziehen und findet sich sofort zurecht.

Taschenbuch: 303 Seiten
Originaltitel: The Healing Wars 3: Darkfall (2011)
Aus dem US-Englischen von Frauke Meier
ISBN-13: 978-3-404-20011-5

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