Jay Kristoff – Das Babel-Projekt: Lifelike

Was unterscheidet Mensch und Maschine?

Die 17-jährige Eve kann sich gerade so mit Roboterkämpfen über Wasser halten – bis sie vernichtend geschlagen wird und auch das letzte Geld verliert. Auf der Suche nach einem Ausweg findet sie Ezekiel, ein Lifelike-Androide, die wegen ihrer Ähnlichkeit zu Menschen und überlegenen Kampfkunst verboten sind. Unerklärlicherweise vertraut sie ihm, obwohl seine Behauptungen ihr gesamtes Leben infrage stellen. Eve bricht in die Wüste aus schwarzem Glas auf, um die Wahrheit über ihre Vergangenheit und sich selbst herauszufinden. Aber manche Geheimnisse sollten besser ungelüftet bleiben …

(Verlagsinfo)

Der deutsche taschenbuch verlag hat mit diesem Roman ein schön aufgemachtes Hardcover verlegt. Der Unter- oder Obertitel „Das Babel-Projekt“ legt die Vermutung nahe, es handle sich hierbei um den ersten Teil eines Mehrteilers. Und ein Blick in das Buch zeigt auf den ersten Seiten gleich eine interessante Reminiszenz an den Vater der Roboter- und KI-Geschichten Isaac Asimov, dessen Roboter-Gesetze hier eine tragende Rolle spielen. Dass Kristoff bisher Autor vor allem düsterer Fantasy in Deutschland in Erscheinung trat, lässt für den Roman auch einiges an unliebsamen Überraschungen vermuten. Er selbst gibt in seiner Vorstellung an, keinen Sinn für Happy-Ends zu haben. Nun, ein Jugendbuch soll es sein.

Jay Kristoff verbrachte den Großteil seiner Jugend mit einem Haufen Bücher und vielseitiger Würfel in seinem spärlich beleuchteten Zimmer. Als Master of Arts verfügt er über keine nennenswerte Bildung. Er ist zwei Meter groß und hat laut Statistik noch 13.020 Tage zu leben. Zusammen mit seiner Frau und dem faulsten Jack-Russell-Terrier der Welt lebt er in Melbourne.
(Verlagsinfo)

Der Weltentwurf ist eine postapokalyptische Zukunft, die Landkarte der Welt hat sich durch Klimakatastrophen und Atomkrieg deutlich verändert. Zeugnisse der alten Zeit und abgewandelte Namen lassen jedoch erkennen, dass wir uns an der Westküste des heutigen Nordamerika befinden. Hier lebt ein jugendliches Mädchen in einer von Banden beherrschten brutalen Welt. Arenakämpfe kennen wir aus dieser Art Zukunftswelt zuhauf, so dass es nicht verwundert, derlei hier ebenfalls vorzufinden. Nur kämpfen hier die verpönten abgehalfterten künstlichen Intelligenzen, Maschinen und Roboter gegen von Menschen gesteuerte Automaten, wobei der endgültige Ausgang für die Maschine klar ist: Sie wird vernichtet. Das Mädchen Eve ist eine begnadete Technikerin, sie steuert einen dieser Arenakämpfer. Ihr zur Seite ein weiteres Mädchen, eine fußballgroße KI und ein Großvater, der an einer tödlichen Krankheit leidet.

Soweit das Setting. Die Perspektive ist diejenige von Eve in der dritten Person. Einschübe aus einer Vergangenheit in der Ich-Perspektive einer Ana zeugen von einer nicht lange zurückliegenden Entwicklung menschengleicher KI, die sich mörderisch gegen ihre Entwickler auflehnten. Menschengleich, jedoch bezeichnet als Lifelike, menschenähnlich, was für die empfindungsfähigen und bewussten Intelligenzen von Beginn an den Status verdeutlichte und nicht unbeträchtlich an ihrer Auflehnung beteiligt war.

Die Geschichte kumuliert in einer Hetzjagd durch die verstrahlte Wüste auf der Flucht vor fanatischen KI-Gegnern und der Suche nach dem eigenen Ich, und Kristoff zeigt am Ende, wie ein abgeschlossenes Ende auch offen sein kann und die Lesenden in ihrer Erwartung austrickst. Stilistisch ist deutlich die Zielgruppe der jugendlichen Lesenden herausgearbeitet, so drehen sich Bemerkungen und Beschreibungen oft um Äußerlichkeiten und Gefühle, die Erwachsenen naiv und sprunghaft erscheinen können. Inhaltlich schwächelt die Geschichte nur im Detail der Fähigkeiten der Lifelikes, das mutet doch teilweise sehr übertrieben an, bei aller technischer Zukunftsvision. Auch wird eine als Abnormalität bezeichnete mysteriöse Kraft bei einzelnen Kindern dieser Welt beschrieben, für die in diesem (ersten?) Roman nicht der Ansatz einer nachvollziehbaren Erklärung geliefert wird, was das Setting als Science-Fiction doch ziemlich wackeln lässt und möglicherweise auf die Fantasy-Wurzeln des Autors hinweist.

Ansonsten überzeugt die Geschichte selbst als wendungsreicher Entwurf und spannende Erzählung, die durchaus das Potenzial zur Fortsetzung hat, denn das Ende, das nochmal die große Offenbarung mit sich bringt (wenn auch für belesene SF-Lesende nicht völlig überraschend), wird ziemlich rasch ohne Eindringen in die Entscheidungsgrundlage der Protagonistin durchgezogen und lässt die Richtung ihrer weiteren Interessen ziemlich offen.

Insgesamt eine spannende Geschichte für jugendliche Lesende und Erwachsene, die sich nicht an der stilistischen Ausrichtung auf die junge Zielgruppe stören, sondern das Gefühl einer modernen Reminiszenz an die klassischen KI-Geschichten genießen können. Kurz, schnelllesig, spannend.

Gebundene Ausgabe
Aus dem Australischen von Gerald Jung
Deutsche Erstausgabe
464 Seiten
Altersempfehlung des Verlags: ab 14
ISBN 978-3-423-76303-5
20. Oktober 2021

Das Buch beim Verlag
Hier bietet der Verlag eine Leseprobe an
Autorenhomepage: https://www.jaykristoff.com/

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