Jean-Louis Glineur – Panik in der Nordeifel. Schreer und Vartan ermitteln

Spannend: bizarre Morde in der Eifel

Nordeifel, anno 2016. Zwei pensionierte Studienräte suchen die Privatermittler Schreer und Vartan auf. Der brutale Mord an den ebenfalls auf dem aktiven Dienst ausgeschiedenen Kollegen Sturm und Kling führt zu der Annahme, dass jemand es auf die Lehrerschaft eines Gymnasiums abgesehen hat. Alwin Schreer hat allerdings einen anderen Verdacht, da die Ermordeten Mitglieder einer rechtsextremen Partei waren.

Dass der 26-jährige Sohn Michael des getöteten Ewald Kling ebenfalls ermordet wird, festigt den Verdacht, denn er galt vor allem in Aachen und Umgebung als rechter Brandstifter. Der Mordversuch an einem weiteren Lehrer wirft allerdings alle Annahmen um, dass rechtsextreme das Ziel sind, denn der Überlebende namens Carsten Strauch gilt als das krasse Gegenteil – er steht politisch „links außen“… (Verlagsinfo)

Der Autor

Jean-Louis Glineur wurde im belgischen Verviers geboren, wohnt mit seiner Frau Ute im Eifelort Simmerath, ist gelernter Industriekaufmann und freier Journalist. „Todesangst in der Nordeifel“ war sein erster Krimi und wurde im Hörbuch ein Erfolg. 2016 fielen die Rechte an den Autor zurück und er veröffentlichte die Fortsetzung „Panik in der Nordeifel“.

Handlung

Alwin Schreer erwacht aus unruhigen Träumen. Nein, er findet sich nicht wie weiland Gregor Samsa im Körper eines Riesenkäfers wieder, sondern erinnert sich an die üblen Terroranschläge in Paris und Brüssel. Seine geschätzte Freundin, Geschäftspartnerin und Kollegin Anne-Catherine Vartan fühlt sich das als frankophone Belgierin aus der Wallonie schon unmittelbarer betroffen. Es ist sicher bloß eine Frage der Zeit, bis sich auch Deutschland ähnliche Anschläge ereignen.

Als zwei gestandene Studienräte um professionelle Hilfe bitten, weil zwei ihrer Kollegen getötet wurden, liegt deshalb die Vermutung nahe, auch sie könnten einem politischen Killerkommando zum Opfer gefallen sein. Doch die Ermordeten waren in Pension gegangenen Studienräte, die auf höchst bizarre Weise ins Jenseits befördert wurden.

Ewald Kling fand man im Kurpark auf eine Parkbank gefesselt vor. Nach der Fesselung, berichtet Vartan, wurde ihm eine Papiertüte über den abgeschnürten Kopf gestülpt, in die ein Loch gestoßen wurde. Durch das Loch flößte der Täter dem noch atmenden Opfer genügend Wodka und Strohrum ein dass, dass dieser nicht weniger als fünf Promille Alkohol hatte, als man ihn fand. Ewald Kling starb als nicht durch Erdrosseln, sondern durch Alkoholvergiftung. „Extrem krass“, findet Alwin.

Ebenso wie sein ermordeter Exkollege Franz-Josef Sturm, genannt „Sturmbannführer“, war Kling im rechten politischen Spektrum aktiv, nämlich bei der RFE, der Partei „Rechts für Europa“. Sind also linke Sturmtruppler durch die schöne Eifel auf Nazihatz? Mitnichten, denn nachdem auch Klings rechtsextremer Sohn Michael das zeitliche vorzeitig gesegnet hat, erwischt es einen linksextremen Lehrer namens Carsten Strauch. Er überlebt den Anschlag auf ihn als einziger lebend. Wegen der ihm übergestülpten Papiertüte kann aber auch er keine Hinweise auf die Identität des oder der Täter liefern.

Dafür tut sich ein rasender Reporter aus dem Sumpf der Sensationspresse durch unangenehme Indiskretionen hervor. Alwin und Anne-Catherine machen zudem hautnahe Bekanntschaft mit Rowdies, die sich an einem der Tatorte versammelt haben, um die Schnüffler „aufzumischen“. Nachdem Anne-Catherine ihre Kampfsportkünste an ihnen demonstriert hat, erweisen sie sich als Nazi-Hasser. Dass sie Vartan und Schreer für braune Genossen gehalten haben, scheint auf einen gewissen Grad an Verblendung schließen. Später erweisen sie sich indes als wichtige Hinweisgeber…


Mein Eindruck

Links oder rechts – aus welcher Ecke kommt die Gewalt in Deutschland? Diese Grundfrage wird in diesem zweiten Fall des dynamischen Duos Vartan & Schreer in mehreren Durchgängen erörtert. Michael Kling beispielsweise war drauf und dran, einen Anschlag auf ein Flüchtlingsheim zu verüben. So wie dies im Herbst 2015 leider bundesrepublikanischer Alltag war. Fremdenangst, der in Fremdenhass umschlug. Heute scheint die Lage wesentlich besser zu sein, denn viele Flüchtlinge sind angeblich integriert.

Dass dem nicht so ist, zeigte der Berliner Anschlag vor Weihnachten 2016 – rund 550 sogenannte „Gefährder“ machen die Republik unsicher, und nicht alle können überwacht werden. Und selbst wenn sie überwacht werden und ihre Gefährlichkeit bekannt ist, so heißt dies noch lange nicht, dass sie auch gestoppt werden, wie der Fall Anis Amri zeigte.

Im vorliegenden Fall scheint ein linksradikaler Serientäter rechtsextreme Zeitgenossen auf dem Korn zu haben. Die Bezeichnung der RFE „Rechts für Europa“ scheint auf den ersten Blick ein Widerspruch in sich zu sein, denn die Rechten wollen ja gerade kein Europa, sondern den Nationalismus wiedereinführen. Aber ein Treffen der rechten Populisten, das kürzlich (20./21.1.2017) in Koblenz stattfand, zeigte, dass sich die Rechten aller Euro-Länder zu einer Allianz zusammengefunden haben. Sie könnten sich durch RFE nennen. Der Leser weiß aber, dass in Wahrheit die AfD gemeint ist. Der Krimi ist also ein indirektes Porträt der aktuellen Realität des Jahres 2016.

Die Annahme, dass aber die Morde politisch motiviert sein müssen, wird durch den Anschlag auf den linksradikalen Carsten Strauch widerlegt. So einfach, wie der Leser dachte, ist die Lage also dann doch nicht. Vielmehr können genauso gut private Gründe die Triebfeder für die Serie der Anschläge auf Lehrer sein. Und das reißt den Fall wieder ganz weit auf. Dabei liegt die Lösung doch in unmittelbarer Nähe…

Stil und Humor

Der sprachliche Stil der Erzählung ist recht einfach. Die Sätze und Absätze sind sehr kurz und in aller Regel einfach gebaut. Die Figuren werden kaum eingehend eingeführt, manchmal muss ein Name reichen, etwa bei Polizisten. Sie sind lediglich Chiffren. Doch bei den vermeintlichen Tätern sieht die Sache anders aus, denn ihnen widmet der Autor etliche Sätze, um sie dem Leser nahezubringen. Den einzigen Blick in das Innenleben der Figuren gewährt uns der Autor im Falle der beiden Privatdetektive Schreer und Vartan. Die Geschichte wird aus dem Blickwinkel des Ich-Erzählers Schreers erzählt.

Dennoch ist der Plot nicht allzu vorhersehbar. Wie schon erwähnt, widerspricht der Anschlag auf Strauch der ersten Theorie, hilft aber nur bedingt weiter. Die Lösung kommt aus einer ganz anderen Ecke. Natürlich wird der gewiefte Krimileser schon früh einen gewissen Verdacht hegen, doch bis dieser bestätigt wird, vergeht ein ganzer Roman. Besser ist es also, sich auf die Geschichte einzulassen und die Späße zu genießen, mit denen der Autor aufwartet: Wortspiele, schräge Decknamen und vieles mehr.

Schwächen

Die Grammatik des Textes ist ebenso gewöhnungsbedürftig wie die Rechtschreibung und zuweilen die Zeichensetzung. Eine sorgfältige Korrektur würde dem Text sehr gut tun.

Druckfehler

S. 111: „Die Zurechtweisung durch den Polizeisprecher hatte er sich gefragt.“ Hier fehlen offenbar nicht bloß eines, sondern mehrere Wörter; aber welche?

S. 126: „Sturmbandführer“. Gemeint ist wohl „Sturmbannführer“, ein niederer Rang in den Nazi-Organisationen SA oder SS.

S. 154: „Lust auch brachialen Lärm hatte.“ Statt „auch“ sollte es „auf“ heißen.

S. 162: „“Von wegen Hinbiegen!“ kam es auch Anja heraus.“ Siehe oben.

S. 168: „Wir befanden und kurz vor Vogelsang.“ Statt „und“ sollte es „uns“ heißen.


Unterm Strich

Die Story ist sorgfältig erzählt und fesselt den Leser durch eine sorgfältig ausgereihte Sequenz spannender Leichenfunde. Das Finale mit der Auflösung habe ich nicht kommen gesehen. Es ist gekonnt herbeigeführt und abgeschlossen, da gibt es nichts zu meckern. Die wenigsten Leser dürften einen entsprechenden Verdacht gegen den wahren Täter gehegt haben.

Hier sollte der Autor noch mehr nachliefern. Das würde ihm auch helfen, die Handlung nicht „action-driven“ zu entwickeln wie im vorliegenden Buch, sondern „character-driven“, also aus den Figuren heraus. Das erfordert jedoch viel Übung, Mut und Feingefühl. Die besten Autoren wie Robert B. Parker („Spenser“, „Jesse Stone“) oder Michael Connelly („Bosch“) haben auf nur einem Charakter, der über eine komplette Biografie verfügt, eine ganze Serie gestrickt.

Ich bin aber überzeugt, dass der Autor über Letzteres verfügt und sich nur noch die Zeit nehmen muss, um zu üben, wie man Figuren zum Leben erweckt. Bislang zeigt sein Detektiv Schreer dazu die besten Ausgangspunkte. So lässt uns der Autor beispielsweise hinter die Stirn Schreers, des Ich-Erzählers, blicken, der uns wiederum Einblick in das Seelenleben Vartans verschafft. Statt zu behaupten und zu referieren, sollten jedoch die Figuren selbst sprechen und dabei Gefühle vermitteln.

Außerdem muss der Autor noch die Kunst lernen, das Innenleben durch Symbole und Metaphern im Außen zu spiegeln. Wen im Film Figuren traurig sind, dann regnet es meistens. Das ist kein Zufall, sondern ein erprobter Kunstgriff: Wenn es in der Seele regnet, dann darf auch der Himmel seine Schleusen öffnen.

Insgesamt bietet das Buch spannende und humorvolle Unterhaltung für den geringen Obolus, den man entrichten muss. Preis und Leistung stimmen, doch die Fähigkeiten des Autors lassen sich in den nächsten Büchern sicher noch ausbauen, auch hinsichtlich der Rechtschreibung.

Taschenbuch: 177 Seiten
www.twentysix.de

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