Jerry Hopkins/Daniel Sugerman – Keiner kommt hier lebend raus. Die Jim Morrison Biographie

Jim Morrison wird (wieder einmal) exhumiert

Rechtzeitig zu Jim Morrison Exhumierung am 6. Juli 2001 erscheint bei Heyne erneut die bereits 1995 „erweiterte und überarbeitete Ausgabe“ der klassischen und umfassendsten Morrison-Biografie. Anno 1980 fachte diese Biografie durch ihren Erfolg den ganzen Star-Biografie-Rummel erst an. Doch die Erweiterungen beschränken sich vor allem auf den Epilog von Ko-Autor Jerry Hopkins und das Nachwort von Morrisons Dichterkollegen Michael McClure. Zudem wurden die Disko- und Bibliografien durch Updates ergänzt.

Hintergrund

Jim Morrison wird am 6. Juli 2001 exhumiert. Der Grund: Seine Frau Pamela hat sein Grab auf dem Pariser Friedhof Père La Chaise nur für 30 Jahre gepachtet. Da Morrisons Grab eine internationale Kultstätte der Jugend und die drittbeliebteste Pariser Attraktion (nach Louvre und Eiffelturm) ist, möchte – so unterstellen die Autoren des vorliegenden Buches – die Pariser Stadtverwaltung den Rummel beenden und das Grab verlegen lassen. Man kann diese Haltung verstehen: Eigentlich soll ein Friedhof ja ein Ort des Gedenkens und der Besinnung sein, an Morrisons Grab aber ereignen sich Dinge, die eher das Gegenteil davon sind. Es ist obligatorisch, Kondome zum Grab mitzunehmen…

Inhalte

Der Hauptteil umfasst immer noch die gleichen Themen, verteilt auf drei Teile: „Der Bogen ist gespannt“ erzählt Jims Kindheit und Jugend; „Der Pfeil fliegt“ berichtet von seiner Jobsuche in Kalifornien, den ersten Doors-Alben (1967) bis zum Höhepunkt von Jims Karriere – bis zum Vorabend des „Miami-Zwischenfalls“; in Teil 3 „Der Pfeil fällt“ erfahren wir dann alle traurigen Details bis zu Jims Tod am 3.7.1971: vom folgenschweren Miami-Konzert über die langen Rechtsverfahren und die zwei letzten erfolgreichen LPs bis zu seiner Quasi-Emigration nach Frankreich.

Skandal in Miami

Die Einzelheiten über das Miami-Konzert 1968 möchte ich hier nicht ausbreiten, zumal die Wahrheit von jedem anders dargestellt wird. Man sollte auch als Leser die Vorgeschichte dazu kennen, um verstehen zu können, warum Morrison sein Publikum beschimpfte: Er hatte den Starkult um seine Person, der ihn zu einem Sexidol machte, gründlich satt. Er wollte, dass seine Zuhörer anfingen, selbst zu denken, um etwas zu verändern – in ihrem Leben, an ihrer Gesellschaft. Er wurde gründlich missverstanden, selbst von den Mitgliedern seiner eigenen Band.

Außenseiter

Und es scheint mir die eigentliche Tragödie seines Lebens zu sein, missverstanden und ausgenutzt zu werden. Morrison – das verkannte Genie? Nein, sein Genie wurde von Kollegen wie McClure und natürlich der Band erkannt und nutzbar gemacht. Umgekehrt nutzte er selbst auch viele aus, besonders Frauen. Diese Seite hat Oliver Stone dann in seinem Film 1990 herausgestellt. Doch Stone deckt die freigebige, großzügige Seite an Jims Charakter zu und zeigt den Poeten und Filmemacher Morrison überhaupt nicht. (Die Doors bzw. Morrison machten fünf Filme, davon drei „Videoclips“.)

Ist Jim noch am Leben?

Seitenlang lassen sich die beiden Autoren über die mysteriösen Umstände von Morrisons Tod aus. Er starb am 3. Juli in Paris in der Badewanne. Laut Totenschein an Herzversagen. Doch als sein Manager Bill Siddons drei Tage später eintraf, war der Sarg bereits versiegelt und wurde auch bald unter die Erde gebracht. Erst sechs Tage später, also am 12.7., unterrichtete er die Öffentlichkeit von Jims Tod. Er hatte nur das Wort der Witwe und den Totenschein, dass Jim tot war.

Doch Jim hätte seinen Tod auch inszenieren und fingieren können, genau wie vor ihm der bewunderte französische Dichter Arthur Rimbaud, der mit 19 verschwand, um in Äthiopien ein neues Leben zu beginnen. Jim scherzte: „Wenn ich also eines Tages aus Afrika anrufe, melde ich mich mit ‚Mr. Mojo Risin'“. (Das ist ein Anagramm von Jim Morrison; es taucht erstmals in dem Song „L.A. Woman“ auf.)

Unterm Strich

Wie gesagt, ist „Keiner kommt hier lebend raus“ (auch ein Songzitat) die definitive Biografie. Die Detailfülle an Infos ist beeindruckend. Doch manchmal fragte ich mich, von welchem Jahr gerade die Rede war – 68 oder 69? Eine bessere Strukturierung als nur in drei Teile wäre hilfreich – etwa in Jahresabschnitte.

Das Buch liest sich spannend wie ein Entwicklungsroman, doch manchmal fragte ich mich, wozu ich nun das 2599. Besäufnis von Mister Morrison mitgeteilt bekam. Nun weiß ich zwar, dass Morrison bereits zu Lebzeiten ein anerkannter und sogar gelobter Poet war, doch eine Einschätzung von Fachleuten fehlt. Lediglich Kollegen wie McClure ordnen ihn ein, in eine Reihe mit William Blake und Walt Whitman, Arthur Rimbaud und Dylan Thomas. Das ist ein beeindruckender Rang. Es lohnt sich also, zu diesen poetischen Arbeiten ein separates Buch zu lesen – es findet sich sicherlich in der umfangreichen Bibliografie.

Schwachstellen

Das war’s aber schon. Den Doors-Kenner nerven immer noch allenthalben Druckfehler, vor allem bei den Namen von nicht deutschen Orten, aber auch bei den Lyrics selbst – und das ist schon ein starkes Stück. Von den Lektoren und den zwei nachträglichen Übersetzern hätte ich mehr Sorgfalt erwartet. Wenigstens hat mir die Biografie immerhin zwei kurzweilige Tage Lektüre beschert.

Taschenbuch: 384 Seiten
Originaltitel: No one here gets out alive, 1980/1995 (2. Erweiterte Auflage)
Aus dem Englischen von Werner F. Bonin, Werner Bauer, Mátyás Kiss.
ISBN-13: 9783453197848

www.heyne.de

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