Jessica Salmonson (Hg.) – Neue Amazonen-Geschichten

Schach dem Tyrannen! Feministische Fantasy

Nach dem weltweiten Erfolg ihrer Anthologie „Amazonen!“, die den World Fantasy Award erhielt, legt die engagierte Fantasy-Autorin und Feministin Jessica Amanda Salmonson mit diesem Band weitere Geschichten um kämpfende Frauen vor.

„Die Erzählungen in diesem Buch wollen sicher in erster Linie unterhalten. Aber die Tatsache, dass Frauen zum ‚Schwert‘ greifen, bedeutet in einer Gesellschaftsform wie der unseren einen Akt der Revolution… In diesem Kontext ist ‚Amazonen‘ keine eskapistische Fantasy, sondern hat einen unleugbaren subversiven Charakter.“ Jessica A. Salmonson (Verlagsinfo)

Die Herausgeberin

Jessica Amanda Salmonson ist das Pseudonym von Melanie Kaye. Für ihre Anthologie „Amazonen!“ erhielt sie den World Fantasy Award. Sie ist selbst Fantasy-Autorin.

Das Vorwort: „Amazonen in Kunst und Geschichte“ (S. 9-26)

Die Herausgeberin führt zunächst mehrere Beispiele aus der klassischen Literatur an, die belegen, dass starke, kriegerische Frauen nicht nur in bekannten Epen wie „Orlando Furioso“ und „Das neue Jerusalem“ auftraten, sondern selbst welche schrieben. So gibt es ein bedeutendes Lager von Fachleuten, die meinen, dass sowohl die „Odyssee“ als auch das „Nibelungenlied“ von Frauen geschrieben wurden.

Wie wäre es sonst zu erklären, dass im Nibelungenlied wichtige Schlachten und Kriegskünste nur am Rande erwähnt werden, die Gobelinstickerei aber bis ins letzte Detail beschrieben wird? Das Wissen stammt nicht von einem Ritter, die Sprache nicht von einem Mönch, und Kaufleute hatten bekanntlich keine Zeit zum Schreiben – bleiben also nur gebildete Nonnen (aus einem ganz bestimmten Kloster in Niederösterreich).

Diesen Belegen lässt die Herausgeberin weibliche Kriegerinnen aus der belegten Geschichte folgen. Sie stammen aus den Jahrtausenden zwischen dem 3. vorchristlichen Jahrhundert und dem 19. Jahrhundert. In Palmyra herrschte im 3. Jahrhundert die mächtige Königin Zenobia über ein gewaltiges Reich, das sich von Kleinasien über Persien bis nach Ägypten erstreckte. Erst der römische Kaiser Aurelian besiegte sie und führte sie nach Rom, wo sie eine Dynastie gründete. Es gäbe noch etliche weitere Beispiele anzuführen, von Japan, China über Peru bis nach Jamaika und die amerikanischen Prärien.

Die Erzählungen

1) F.M. Busby: Für eine Tochter (For a Daughter)

Was tut frau nicht alles für eine Tochter! Atla stammt aus Walddorf, in dem nur Frauen leben, und um sich zu vermehren, sind die Frauen auf Exogamie angewiesen: Sie gehen wie Atla auf große Fahrt und fordern Männern heraus, die als potenzielle Erzeuger einer Tochter in Frage kommen. Ragon ist so ein feiner Kerl, der es versteht, die Kämpferin zu besiegen, aber leider fehlt ihm die gewisse nötige Potenz.

Ein weiterer Kandidat ist ein Typ, der sich Firalc nennt und sie mit einem Trick besiegt. Er darf seine Rechte wahrnehmen und wenig später merkt Atla aufgrund des Ausbleibens ihrer magischen Kräfte, dass sie empfangen hat. Er verteidigt sie gegen aggressive Nomaden usw., aber ihr Bauch wird nach einer Weile hinderlich und beschwerlich. Er bringt deshalb in sein Dorf. Zu ihrem Entsetzen handelt es sich um das verhasste Dorf Flusstal: Hier werden Frauen unterdrückt. Und Firalc entpuppt sich als Häuptling Clarif – schon wieder ein Betrug!

Obendrein wartet ein weiterer Schock auf Atla: Ihre Mutter Phylla ist ein alter Krüppel geworden. Aber nicht durch die Clarif-Leute, sondern durch Banditen, erfährt sie. Zu ihrer Freude hilft ihr Phylla, das Baby zur Welt zu bringen. Wunderbar: Es ist ein Mädchen. Doch jetzt gibt es Streit mit Clarif. Er will mit seinen Frauen – er hat ja schon zwei, die beide eifersüchtig auf Atla sind – ein neues Reich gründen. Das kann er sich an die Backe kleben, wenn es nach Atla geht. Sie will zurück nach Walddorf. Doch das erweist sich als gar nicht so einfach, und Clarif wird zu einem echten Problem…

Mein Eindruck

Atlas Geschichte ist die einer echten Amazone, nicht die einer Pseudoheldin. Amazone zu sein, ist ein Lebensstil und ein Kodex, nach dem sich eine Frau zu richten hat. Ihr Gegner ist ein Möchtegernkönig, der genau diesen Kodex infragestellt, indem er Atlas Unterordnung fordert. Für Atla wird die Wahl zwischen den beiden Prinzipien zuerst zu einem Kampf, in dem ihr ihre Mutter beisteht, schließlich zu einer Entscheidung über Leben und Tod – ihres oder seins.

Man sieht also, dass die Autorin, die eher für ihre SF bekannt ist, ihre Heldin keine Kompromisse eingehen lässt, was ich sehr sympathisch finde. Die Kämpfe sorgen mehrfach für Action, die mit Sachverstand geschildert ist. Atlas Entwicklung von der jungfräulichen Kriegerin zur Mutter und Weisen ist nachvollziehbar, wenn auch hier manche Abkürzung genommen wird.

2) Gillian Fitzgerald: Tochter der Kriegsgöttin (The Battle Crow’s Daughter)

Die Dänen haben wichtige Städte an der Küste Irlands erobert. Der König von Connaught ist der verlustreichen Kriege müde und möchte mit den Eroberern lieber Frieden schließen, als auch noch seinen dritten Sohn, Cormac, zu verlieren. Deshalb willigt er ein, seine Tochter Maeve ni Ruairi mit Torvald Torvaldsons Sohn Harald zu vermählen. Haralds älterer Bruder Ingvar ist in Osteuropa auf Reisen.

Doch unterschiedlichere Brautleute hat man selten zuvor gesehen. Maeve ist die Tochter der Kriegsgöttin Morrigu, im Schwertkampf ebenso bewandert wie in der Heilkunst. Ihre blauen Augen sind bezwingend, ihr Haar schwarz wie Rabenflügel, kurzum: eine Walküre. Harald hingegen ist gerade mal 17 Lenze alt und muss sich noch die Hörner abstoßen – was er fleißig mit den Dienstmägden praktiziert.

Nach einem Jahr kinderloser Ehe kommt es zur Krise. Viele Demütigungen hat Maeve erduldet, doch heimlich den Schwertkampf geübt. Am Tag, als Ingvar zurückkehrt, duldet Harald dieses männliche Treiben seiner Frau nicht mehr und fordert sie heraus, um sie – wieder einmal – zu demütigen. Doch er hat nicht mit ihrer Kampfkunst gerechnet und landet alsbald auf dem Hosenboden. Noch in der gleichen Nacht kommt es zum Krach und zu Maeves Abreise.

Einen Tagesritt entfernt gelangt Maeve unversehens in den Schrein ihrer Muttergottheit. Die Morrigu hört sich ihr Klagen an und hilft ihr, indem sie ihr zwei Dinge übergibt. Der Federmantel der Göttin verleiht Maeve die Gabe der Unsichtbarkeit. Noch wichtiger aber ist das Siegel mit der göttlichen Krähe darauf: Es soll den untreuen Ehemann als Feigling brandmarken…

Mein Eindruck

Wie in der obligatorischen Einleitung erwähnt wird, hat die Autorin die Gesetze der nordischen und irischen Völker studiert und Erstaunliches gefunden. Frauen, zumal Ehefrauen, hatten damals sehr viel mehr Rechte als etwa im 19. oder 20. Jahrhundert. In Maeves Ehe treffen jedoch irisch-christliche auf dänisch-heidnische Gesetze. So kommt es, dass in der Nacht des Ehekrachs unversehens über Mitgift und Morgengabe verhandelt wird, über Ländereien und Nebenfrauen, nicht aber über Götter.

Ingvar hat zum Glück mehr Verstand als sein lümmelhafter Bruder, den er alsbald auf Kaperfahrt schickt: Ingvar trägt Maeve die Ehe an, die sie gerne eingeht. Schließlich hat der Frieden im Land immer noch oberste Priorität.

3) Tanith Lee: Südlichter (Southern Lights)

Nach ihren abenteuerlichen Heldentaten in „Nördliches Schach“ zieht es Jaisel wieder in heimatliche Gefilde. Doch der Süden befindet sich mitten im Winter, und so hofft sie auf warmes Obdach. Sie findet es im seltsamsten Haus, das sie je betreten hat. Es gehört einem blinden Alchimisten, und dessen schöne Tochter Ghisanna führt den mannhaften Fremden gerne nach Hause – zumal Jaisel ihr die schweren Wassereimer trägt.

Die Halle des Alchimisten erscheint heimelig, doch dessenungeachtet ist Jaisel auf der Hut. Der blinde Alte hat sich nicht nur künstliche Augen eingesetzt, sondern baut auch künstliche Vögel und weiß mit Magie umzugehen. Ghisanna bedient den Alten und den Gast (den sie weiterhin für einen Mann hält) emsig. Schließlich ist die Stimmung gemütlich genug, dass der Alte sein erstes Spielzeug vorführt: Es ist ein mechanischer Ritter. Aber seine Bewegungen sind so lebensecht, dass es an Magie grenzt. Die nächste Vorführung involviert ein Jungfrau und ein Einhorn. Sie spielen die Legende nach. Als Jaisel über ihrem Kopf ein mächtiges Gleiten hört, winkt der Alte ab: nur der Schnee, der schmelze.

Schließlich gibt Jaisel vor, zu Bett gehen zu wollen. Heimlich zwinkert ihr Ghisanna zu, sie solle später, wenn ihr Vater schlafe, zu ihr ins Zimmer – sie bezeichnet die Tür – komme, denn sie fühle sich sehr einsam und habe sich in den Gast verliebt. Als Jaisel ihr eröffnet, dass sie ebenfalls eine Frau sei, macht das nichts: Sie solle trotzdem komme. Spricht’s und verschwindet.

Diese Gleichmütigkeit weckt Jaisels Misstrauen erst recht. Eine Stunde lang überlegt, was zu tun ist. Schließlich geht sie den Korridor des oberen Stockwerks entlang, doch nicht zur bezeichneten Tür Ghisannas, sondern zur Tür, die das Mädchen als verboten bezeichnet hat. Darin stößt Jaisel auf das große Geheimnis des Magierhauses…

Mein Eindruck

Die literarischen Anklänge an die Erzählung „Rappaccinis Tochter“ von Nathaniel Hawthorne (1804-1864) sowie an die Novelle „Der Sandmann“ von E.T.A. Hoffmann sind unübersehbar, aber für einen literaturgeschichtlich weniger beschlagenen Leser wohl nicht so offensichtlich. Jaisel findet ihren Verdacht bestätigt: dass nämlich Ghisanna eine Automate ist, erschaffen von ihrem sogenannten „Vater“, und nichts von ihrer Herkunft ahnt, genauso wenig wie all die anderen Spielzeuge im Haus des Puppenmachers.

Angela Carter hat mal einen ganzen Roman über solch einen Sekundärschöpfer geschrieben: „Das Haus des Puppenmachers“ (Klett-Cotta). Der kritische Ansatz ist stets der gleiche: Frauen werden wie Puppen oder Maschinen behandelt, und zwar nicht nur in der Welt der Fantasy. Die Pointe von Tanith Lees Erzählung: Jaisel stößt auf eine ganze Stadt von Maschinenmenschen. Und als vor ihren Augen in einer Lawine verschwindet, kann sie nicht sicher sein, dass nicht auch der Rest ihrer Welt eine Maschine ist.

4) Gordon Derevanchuk: Zroyas Trizub (Zroya’s Trizub)

Tindira gehört dem Volk der Tzingari an, das umherziehend östlich des Karpatrisgebirges im Lande Antya lebt. Obwohl die junge Frau schwanger und unbegleitet ist, hat sie sich in den dunklen Wald gewagt. (Vermutlich pflückt sie Gänseblümchen.) Auf einer Lichtung wird sie von Lisovyki umzingelt, Waldtrollen, die dem dunklen Gott Chernobog dienen. Auf einem Altar wird sie von dem Gott vergewaltigt und verliert ihr Kind.

Kaum genesen, sinnt sie bereits auf Rache und begibt sich zu diesem Behufe schnurstracks zu der Hütte der Baba Yagá. Die Hütte steht, wie jeder weiß, auf riesigen Hühnerbeinen und kann sich daher rasch fortbewegen. Die alte Hexe nimmt Tindira freundlich auf und bittet, sie möge sie Mama Lagu nennen. Nachdem sie ihren Hunger gestillt hat, bittet sie die Alte um Hilfe gegen die Waldgeister. Die soll ihr gewährt werden, sagt die Baba Yagá, doch im Gegenzug sei ihr Tindira einen Gefallen schuldig. Einverstanden.

Wenige Wochen später ist Tindira genügend ausgebildet, um es mit den Waldgeistern aufzunehmen. Im westlichen Gebirge wagt sie sich in den Zweikampf mit einem Troll und überlistet diesen derart, dass sie in die heilige Höhle gelangt, so sich der (titelgebende) Dreizack der Kriegsgöttin Zroya befindet. Mit einem Zauberspruch beseitigt sie den Schutzbann, der auf der göttlichen Waffe liegt, und packt sie fest mit ihrer Faust. Nun sollen sich die Waldtrolle bloß vor ihr in Acht nehmen! Sie ist eine Polyanitza!

Mein Eindruck

Diese Erzählung von einem Ukrainer oder Weißrussen ist Heroic Fantasy reinsten Wassers. Der Showdown mit den Waldgeistern ist Action pur, und die Heldin stillt ihren Rachedurst. Doch sie hat nicht nach dem Gefallen gefragt, den sie der Hexe schuldet. Die Baba Yagá ist, wie jeder weiß, ein hinterlistiges und gieriges Frauenzimmer – alle Legenden des alten Russland erzählen von ihrer Heimtücke. Sie hat es sogar mit dem Gott der Nacht, Chernobog, aufgenommen und versucht, den Starken Wanja, eine Art tumben Herakles, in ihren Sumpf zu zerren.

Eines der Ziele Tindiras besteht darin, die Seele ihres ungeborenen Kindes davor zu bewahren, zu einem untoten Wiedergänger, einem Mavki, gemacht zu werden. Deshalb hat sie den Leichnam in Mutter Erde sicher vergraben und einen Zauber gesprochen. Doch die Baba Yagá hat sie überlistet und verlangt nun das schier Unmögliche von Tindira…

Leider ist die Vorgeschichte gestrichen worden, die erklärt hätte, warum die Hauptfigur so dämlich ist, sich überhaupt in einen trollverseuchten Wald zu begeben.

5) Phyllis Ann Karr: Das Räubermädchen (The Robber Girl)

Das Räubermädchen kare verjubelt gerade die Beute ihres letzten Überfalls in der Kneipe, als die drei Bürger, die sie gerade beim Kartenspiel zu überlisten versucht, ihrem vom Palast der ewigen Freude erzählen. Dass er bewacht ist und von einer Glaskuppel geschützt wird, schreckt sie nicht davon ab, am nächsten Tag mit einem Wagen und einem Boot hinzufahren: Im Palast soll es Unmengen von Gold und Juwelen geben.

Nachdem sie den Teich überquert und alle tierischen Wächter – Schwäne, Hähne und Hunde – überlistet hat, dringt sie in den Palast unter der Glaskugel ein. Gold und Silber, wohin man nur schaut. Aber um Juwelen zu erbeuten, muss sie in das Schlafzimmer der Prinzessin eindringen. Sie stopft sich die Taschen voll, als die Bewohnerin erwacht und Alarm schreit. Die Verfolgung dauert eine Weile, bis es zum Showdown kommt. Zum Glück haben der Prinz und seine Höflinge noch nichts von Pistolen und dem Schaden, den Kugeln anrichten, gehört. Mit einem Loch in der Brust stürzt der Prinz zu Boden. Die über der Glaskuppel hängende dunkle Wolke streckt einen Fühler aus und dringt durch das in die Kuppel geschossene Glas, um den Prinzen zu berühren.

Nachdem sie ihren Tribut an die unerwartet wehrhafte Prinzessin entrichtet hat, verlässt die Räuberin den Palast. Dabei erprobt sie die erstaunlichen Eigenschaften eines Rubins, in den ein Diamant eingelassen ist: Er verstärkt alle Sinneswahrnehmungen. Sie kann damit besser sehen als eine Eule, sehr nützlich. Wie nützlich, erweist sich, als Kare dem Befehl der Prinzessin und dem Ruf eines Traums folgt und nach der Burg des Todes sucht. Sie soll den toten Prinzen zurück in den Palast bringen. Wie sich bald zeigt, kann sie den Hauptmann Tod nur mithilfe ihres Rubins sehen…

Mein Eindruck

Die Idee zu dieser feinen Geschichte entstammt Hans Christian Andersens weltbekanntem Märchen „Die Schneekönigin“. Kare ist die Freundin von Gretchen, deren Freund Karl von der Schneekönigin ver- und entführt wird. Kare erbeutet mit dem magischen Rubin ebenfalls einen magischen Gegenstand. Sie muss es nicht mit der Königin aufnehmen wie Karl, sondern gleich mit dem Tod selbst. Doch auch dieser lässt sich überlisten, denn eigentlich ist er ein ganz netter, vernünftiger Bursche. Man merkt: Die Autorin verfügt über einen verschmitzten Humor, der sich besonders dem Englischkenner erschließt.

6) Gael Baudino: Lady vom Ende des Waldes (Lady of the forest end)

Wieder einmal hat sich die Schwertkämpferin Avdoyta ihrer Haut erwehren müssen. Ihre männlichen Kontrahenten, die ihr unbedachterweise an die Wäsche wollten, liegen in ihrem Blute. Der letzte von ihnen, der noch lebt, hat einen allerletzten Wunsch. Der Wurm wimmert: „Bring dieses edle Medaillon meiner Herrin Cynthia von den leuchtenden Bergen zurück, Herrin!“ Als Avdoyta ihm dies gnädigerweise verspricht, segnet er das Zeitliche.

Doch wo lebt diese Cynthia und wer ist sie? Um Antworten zu erhalten, nimmt Avdoyta den Mönch Monmouth in die Mangel. Bei einem Glas Wein kommt man sich näher. Er verrät ihr, dass Cynthia eine Zauberin sei und irgendwo im Osten wohne, in einer schwerbewachten Burg. Sofort fühlt sich Monmouth fortgerissen und nach Osten gezerrt.

Viele Tage später gelangen sie an den Rand eines Dschungels aus fleischfressenden Pflanzen. Eher per Zufall als durch Kunstfertigkeit gelingt es Monmouth, einen Pfad hindurchzuschlagen. Der Pfad führt zu Cynthias Burg, vor deren Wällen eine nette Frau im Garten Blumen schneidet. Wie siech herausstellt, handelt es sich um Cynthia, die nach ihrem Herrn und Gebieter Lorr schmachtet. Es lässt sich wohl kaum vermeiden, ihr mitzuteilen, welches traurige Schicksal ihren Liebsten ereilt hat und dass dessen Mörderin nun vor ihr steht.

Im Kerker hat Avdoyta viel Gelegenheit, über ihren Fehler nachzudenken. Doch Monmouth präsentiert sich ihr wohlgenährt in seidenen Gewändern. Er sei jetzt der neue Gefährte Cynthias. Tage später ist er nicht mehr so wohlgenährt, sondern hohläugig: Die Zauberin nutzt die Gabe seiner Männlichkeit ausgiebig aus – alle anderen Wächter in der Burg sind Trugbilder. Schon wenige Tage später hat Monmouth alles für die Flucht vorbereitet. Doch er hat die Rechnung ohne Cynthia gemacht…

Mein Eindruck

Der augenzwinkernde Ton einer Farce wird durchgehend beibehalten, so dass die Lektüre dieser kurzweiligen Geschichte ein wahres Vergnügen ist. Leider ist der einzige Mann darin nur ein feiger Mönch, was ich wenig erbaulich finde, ist doch das Vergnügen an seinem Auftritt ganz auf weiblicher Seite.

Die beiden Frauen haben ebenfalls eine Schraube locker. Avdoyta ist ein weiblicher Conan mit dem starren Kodex eines Ritters. Cynthia ist ein geistig beschränktes Frauenzimmer, das sich durch Mannstollheit und Unterwürfigkeit gegenüber Gebietern auszeichnet. Dennoch ist Avdoyta so gnädig, die Frau als Knappe in ihre Dienste zu nehmen. Man wundert sich, was aus den Zauberkräften Cynthias geworden ist, Alles nur Lug und Trug?

7) Eleanor Arnason: Der Elfenbeinkamm (The Ivory Comb)

Hoch im Norden, wie die Nordlichter wehen und das Himmelszelt steht: Die Großmutter der Welt, die hier wohnt, kämmt sich regelmäßig mit einem Elfenbeinkamm den Pelz. Was herausfällt, sind Tiere, einerseits nützliche, andererseits schädliche. Ohne diesen Segen müssten die Menschen verhungern, denn die Tiere würden sich nicht fortpflanzen.

Doch Unheilstifter treibt Schabernack und will diesen Segen unterbinden. Er überlistet die Großmutter, nimmt ihr den Kamm ab und versteckt sich am einzigen Ort, wo ihn niemand vermuten würde: in ihrer Vagina. Niemand kann den Kamm finden, und die Tiere bleiben aus, so dass magere Zeiten anbrechen. Als die Luft rein ist, verduftet Unheilstifter wieder, vergisst aber den Kamm. In der Paarungszeit bricht auch Seilmacherin vom Bernsteinvolk auf, um einen Paarungspartner zu finden, und sie stößt ausgerechnet auf Unheilstifter. Der will aber keine Babys machen, sondern nur seinen Spaß mit ihr haben. Da erkennt sie, wer und was er ist. Sie bindet ihn mit ihrer Brautgabe, einem festen Lederseil. Doch nach einigem Gezeter kann er sich befreien und eilt gen Norden.

Sie folgt ihm sofort nach und gelangt ebenfalls zum Himmelszelt, in dem die Großmutter der Welt lebt. Diese hat ihren Kamm immer noch nicht gefunden und ist deswegen sehr unglücklich, denn die vielen Tiere in ihrem Pelz ärgern sie. Wieder versteckt sich Unheilstifter in ihrer geräumigen Vagina, und Seilmacherin sucht ihn lange vergeblich, doch dann kommt sie auf die zündende Idee. Es gibt aber ein Problem: Um Unheilstifter aus seinem Versteck herauszubringen, braucht sie Hilfe. Sie wendet sich an die drei Geister des Himmels, der Fruchtbarkeit und des Krieges. Diese sind bereit, der treuen Seilmacherin zu helfen…

Mein Eindruck

Zunächst fällt an diesem ungewöhnlichen Text auf, dass er aus sehr kurzen Sätzen besteht. Dies deutet auf seinen „Ursprung“ in der mündlichen Überlieferung der Naturvölker hin. Von den Finnen weiß man beispielsweise, dass ihre Schamanen Texte erlernen, erinnern und erzählen konnten, die an die zehntausend Jahre alt waren. Der letzte dieser Erzähler starb Ende des 20. Jahrhunderts. Solche Erzähler mussten ihre Zuhörer mit sehr kurzen, einprägsamen Sätzen darüber informieren, was in der Geschichte passiert. Schließlich sollte sich auch die Zuhörer später daran erinnern können.

Man kann sich also leicht in die Lage eines Inuit oder ähnlichen Nordlandbewohners versetzen, wenn er diese Geschichte erzählt hört. Und sie erzählt nicht nur vom Aufbau der Welt, sondern ist obendrein umwerfend komisch! Die Figur des Unheilstifters ist uns als Loki aus den isländischen Eddas vertraut. (Die Wikinger selbst schrieben nichts auf.) Dass es eine kluge und mutige Frau ist, die es mit diesem Loki-Typen aufnimmt, passt genau ins Schema dieser Auswahl. Dass sie mit Geschlechtsverkehr droht, ist ebenso ungewöhnlich wie die Erwähnung einer Vagina. Dieser Teil der weiblichen Anatomie wird in der amerikanischen Literatur meist konsequent ignoriert, außer in Pornos, die von Männern geschrieben wurden – was doch recht bezeichnend für die amerikanische Kultur ist.

8) Lillian Steward Carl: Die Grenzen von Sabazel (The Borders of Sabazel)

Die sardische Armee von Bellasteros hat die kaiserlichen Truppen besiegt, der Kaiser ist in die Festung Azervinah geflohen. Um sich selbst „Kaiser“ nennen zu können, plant der Kriegsherr, nicht nur die uneinnehmbare Festung zu stürmen, sondern auch gleich das umliegende Land von Sabazel zu erobern. Doch Sabazel wird von Amazonen bewohnt, die von Danica anführt, die bevorzugte Tochter der Göttin Ashtar. Danica kann die Stimme der Göttin in ihrem Kopf hören und so deren Anweisungen empfangen. Sie soll Bellasteros dazu bringen, dass er noch in diesem Jahr der Göttin im Tempel von Sabazel huldigt.

Der erste Schritt im Plan lautet „Freiheit“. Danica bietet Bellasteros die Festung Azervinah mitsamt Kaiser an, wenn er Sabazel verschont. Dieser Plan klappt, auch wenn es dem Kriegsherrn nicht gefällt, den Kaiser und dessen Mätresse einer Frau überlassen zu müssen. Planphase 2 sieht Verführung vor, die Phasen 3 und 4 Überwindung und Besänftigung. Leichter gesagt als getan, wie Danica bald herausfindet…

Mein Eindruck

Mit seinem umfangreichen Personal und der dreistufigen Handlung ist dieser Erzählung das genaue Gegenteil der Arnason-Saga vom Elfenbeinkamm. Sie wirkt geradezu wie ein barocker Ritterroman à la „Orlando Furioso“ aus dem 17. Jahrhundert, nur dass die Ritter lauter Frauen sind.

Eine große Rolle spielt auch Danicas magischer Schild, eine Superwaffe wie aus einem Marvel Comic. Das Wunderding wehrt Bellasteros‘ erbost geschleuderten Speer ab. Ich hätte mir an vielen Stellen die eingehendere Schilderung von Empfindungen und Gefühlen gewünscht, musste aber mit pompösen Phrasen vorliebnehmen. Die Autorin kann erzählen, aber meine Sache sind ihre Schilderungen nicht.

9) Ardath Mayhar: Der Widerspenstigen Rache (Who Courts a Reluctant Maiden)

Grittel Sundotha ist kräftig und zwei Meter groß, aber leider eine Frau. Von ihrer Mutter verstoßen, befindet sie sich auf Wanderschaft. Sie gelangt in die Burg Kranold, die vom verderbten Dorin Anthelles beherrscht wird. Nachdem ein lüsterner Wächter ihr Zutritt gewährt hat, bemerkt sie am Brunnen sofort die Niedergeschlagenheit der anwesenden Frauen sowie die Vielzahl verdreckter Kinder.

Eine Frau mittleren Alters zieht sie diskret beiseite und führt sie in ihren privaten Verschlag, um sie über die hiesigen Verhältnisse aufzuklären. Alle Frauen hier seien vom Burgherrn vergewaltigt und als Sklavinnen gehalten worden, bis er ihrer überdrüssig wurde. Daher sei eine so bemerkenswerte Frau wie Grittel ganz nach seinem Geschmack. Er werde versuchen, sie gefügig zu machen, indem er seinen Dämon Jereel einsetze, der seine Opfer mit seinem Blick willenlos mache. Doch sie habe den wahren Namen des Dämons herausgefunden, und der laute Azatoth.

Es kommt, wie es vorherzusehen war: Dorin will die neue Frau an seinem Tisch in seinem gemach vergewaltigen, doch als sie sowohl ihn als auch den Dämon abwehrt, wirft er sie in den Kerker. Der ist eine umgebaute Spülküche und entsprechend wenig stabil. Im Handumdrehen hat Grittel die Bolzen ihrer Ketten gelockert. Als Dorin mit seinem Henker, der eine Peitsche schwingt, eintritt, demonstriert sie, wie morsch so ein Bolzen sein und wie hart er einen Körper treffen kann. Dann lässt sie die Peitsche auf Dorins Rücken eine Tarantella tanzen…

Mein Eindruck

Grittel ist ein feministischer Conan, ebenso kräftig und mit gleichem Sinn für Gerechtigkeit ausgestattet. Aber ihre Gerechtigkeit kann insofern grausam erscheinen, als sie Gleiches mit Gleichem vergilt, nämlich das Auspeitschen. Zartbesaitete Gemüter sollten diese Story meiden. Interessant ist die Natur des Dämons: Er bezwingt nur Menschen, die sich unterlegen fühlen und seinen wahren Namen nicht kennen. Die Botschaft: Frauen sollten ihre Würde niemals aufgeben und nach dem Wissen streben, den Namen des Dämons Unterdrückung in Erfahrung zu bringen.

10) Lee Killough: Der Seelenräuber (The Soul Slayer)

Nach dem atomaren Holocaust ist die Welt der Altvorderen nicht wiederzuerkennen. Gol Manaan hieß vor langer Zeit Manhattan, Kansas. In dieser Zeit versucht Kimara, es mit dem Kriegsherren Maldorc aufzunehmen, um ihren Gatten Owerd und ein paar Männer ihres Stammes aus Maldorcs Gewalt zu befreien. Die Krieger Maldorcs waren schier unangreifbar, denn sie jagten mit ihren Rüstungen aus Eisen den Bewohner der Burg Ducanne tiefes Entsetzen ein: Eisen war verflucht und ließ seine Träger seelenlos werden. So beschlossen Owerd und Kimaras Schwiegermutter, sich lieber zu ergeben als zuzusehen, wie Frauen und Kinder abgeschlachtet wurden.

Gol Manaan ist ein gespenstischer Ort, findet die Kriegerin, als sie durch den Sumpf reitet und sich den ersten Ruinen nähert. Als der erste gepanzerte Ritter auftaucht, fällt es ihr schwer, ihn zu besiegen, doch sie schafft es – gerade noch rechtzeitig, um sein Visier aufzuklappen und den starren Blick zu registrieren, der ihn als Zombie ausweist. Dann nehmen die anderen Ritter sie gefangen. Sie bringen Kimara zu ihrem Anführer Maldorc, der in den Innenbezirken der zerstörten Stadt haust.

Er verlangt natürlich ihre Unterwerfung, doch sie als sie auf ihn losgeht, merkt er, dass sie Temperament hat. Er lädt sie höhnisch zu einer Partie Schach ein. Einsatz ist ihr Leben und das ihres Mannes, versteht sich. Sein Zauberer warnt ihn vergeblich vor den Folgen einer Niederlage. Maldorc erweist sich als schlechter Verlierer: Als sie ihn schachmatt setzt, geht er mit dem Schwert auf sie los…

Mein Eindruck

Obwohl das Finale höchst zufriedenstellend verläuft und Kimara bekommt, was sie wollte, bleiben doch Fragen und Wünsche offen. Da ihr das gleiche Zombie-Schicksal droht wie den Rittern Maldorcs, wäre es interessant zu erfahren, wie die Zombifizierung vor sich geht, die vermutlich der Zauberer vornimmt. Dieses Detail verrät die Story ebensowenig wie den Ursprung all des vielen Eisens, mit dem Maldorc seine Kämpfer so effektiv ausstattet. Vor diesem Eisen haben die Ureinwohner um Kimara Angst, denn die Legenden der Weisen behaupten, es sei eng mit dem Untergang der Welt verbunden – oder gar dafür verantwortlich. Da ist etwas Wahres dran, aber Schwerter usw. kann man auch in Pflugscharen umwandeln, um so effektiver das Land zu bestellen. Der Abscheu vor Eisen erscheint fadenscheinig begründet und erinnert eher an Legenden über Elfen, die von Eisen krank werden.

11) Jo Clayton: Nachtarbeit (Nightwork)

Yassim ist eine Koura, eine kämpfende Dienerin der Mondgöttin und Mutter. Sie reitet von Götterhain zu Götterhain, und wo immer Frauen ihre Hilfe erbitten, versucht sie ihnen zu helfen. Uns es gibt viel zu tun, seit das Land von den fremden Shitaar erobert worden ist und die Ureinwohner unterdrückt werden. Die Priester der Eroberer verraten die Ureinwohner an die Fürsten der Eroberer, indem sie zu Ruhe und Demut im Angesicht der Gewalt aufrufen.

Yassim beseitigt mit einem einfachen Kräutersud, den sie über die befallenen Felder verteilt, eine Getreidekrankheit. Doch im Falle der entführten Tochter von Farod sind handfestere Maßnahmen erforderlich. Der Sohn des Fürsten hat die erst elf Jahre alte Suli entführt, um sie zu seiner Sexsklavin zu machen. Der Kinderschänder hofft, damit durchzukommen, doch er hat nicht mit dem Angriff durch eine Koura gerechnet…

Mein Eindruck

Der Einsatz Yassims von Waffen und Magie macht die Geschichte sehr unterhaltsam. Die Autorin prangert nicht nur Pädophilie an, sie bestraft sie auch nach Kräften, und zwar sowohl den Übeltäter als auch dessen Priester. Mit beeindruckender Konsequenz schildert die Autorin auch die vielfältigen Aspekte der Mondmagie, die Yassim verwendet. Sie kann mit einem polierten Spiegel in die Ferne sehen, kann sich unsichtbar machen, kann ihren „Willen“ fernwirken lassen (sie versetzt Suli in eine Ohnmacht) und Waffen sich entgegen der Newtonschen Lehre verhalten lassen. Dolche, die um die Ecke fliegen, sind schwer abzuwehren.

Als wäre dies nicht schon genug, entwirft die Autorin für diese kurze Erzählung eine komplexe, mehrschichtige Kultur, die über ihre eigene Geschichte verfügt. Ihre Figuren versieht sie mit unverkennbar eigenem Charakter. Man merkt daran, dass es sich bei Jo Clayton bereits 1982 um eine versierte Autorin handelte, die mit der Science Fantasy Reihe um „Diadem von den Sternen“ (dt. bei Moewig) einen erfolgreichen Serienauftakt vorgestellt hatte. Sehr gerne würde ich mehr Geschichten über die Koura Yassim lesen.

12) George R. R. Martin: Das verlassene Land (In the Lost Lands)

Die schöne und kluge Lady Melange hat alles, was das Herz begehrt – bis auf eine Sache. Und so schickt sie ihren treuen Lieblingsritter Jerais den Blauen zu Alys der Grauen, denn diese steckt voller Geheimnisse. Die graue Frau altert nie und wie es scheint, kann sie jede gewünschte Gestalt annehmen. Ein Beutel voller Edelsteine weckt das Interesse von Alys und sie fragt Jerais nach dem Begehr der Lady Melange. „Sie will sich in einen Wolf verwandeln können“, antwortet der Ritter. Alys sagt ihre Hilfe zu: „Ich weise keinen ab.“ Doch der Ritter offeriert einen Saphir: „Ich wünsche, dass du keinen Erfolg hast.“ Wieder sagt sie: „Ich weise keinen ab.“

Alys hat vier Wochen Zeit, ihr Werk zu vollbringen. Zwei Wochen vergehen, um Nachrichten zu verbreiten, die schließlich auch das Verlassene Land erreichen. Von dort kommt Boyce mit dem selbstsicheren Lächeln. Er will sie zu einem der Werwölfe bringen, die das Verlassene Land zu einem Ort des Grauens gemacht haben. Schon nach wenigen Tagen überwindet Alys‘ Wagen den Gebirgspass, und das öde Land liegt vor ihr. Weitere Tage, und der Vollmond geht auf: Boyce verwandelt sich.

Er denkt, er habe leichtes Spiel mit der grauen Frau, die er gerade noch geliebt hat, doch sie hat Vorkehrungen getroffen. Mit einem speziellen Federkleid verwandelt sie sich in einen Adler. Mit den silbernen Klingen an ihren Krallen beginnt sie, die Haut des Werwolfs zu verwunden, bis er entkräftet zu Boden sinkt. Er fleht und beteuert seine Liebe, klagt und gelobt Besserung – nichts hilft gegen das, was sie nun offenbar vorhat. Als der Vollmond erneut aufgeht, ist er am Boden gefesselt und beginnt sich zu verwandeln. Sie hält das Häutemesser schon bereit…

Mein Eindruck

Eine wunderbare Story im Genre von Sword & Sorcery, mit einer starken Frau als Hauptfigur. Man sollte meinen, Alys säße in einer Zwickmühle, doch weit gefehlt. Sie erkennt, was Jerais in Wahrheit will: die Lady Melange selbst. Er soll sie bekommen – als Werwölfin. Die Moral von der bösen Geschicht‘: Alys weist keinen Kunden ab, aber man sollte sich wirklich zweimal überlegen, ob man sich an sie wenden will.

Die Erzählung ist in der Manier großer Vorbilder wie R.E. Howard und Fritz Leiber geschrieben, doch nimmt sie durch die Hauptfigur die magisch-erotischen Geschichten von Tanith Lee und Jessica Salmonson (für deren Anthologie „Amazonen“ der Text 1980 ursprünglich gedacht war) vorweg.

Die Übersetzung

Die Texte strotzen derart vor Rechtschreib- und Kommasetzungsfehlern, dass es sinnlos – und langweilig – wäre, sie alle aufzuzählen. Wenigstens ist hier das Auftreten von orthografischen Fehlern im Vergleich zum Band „Amazonen!“ eingedämmt worden, doch es wimmelt vor falschen Endungen und fehlenden bzw. überflüssigen Buchstaben. Zudem sind einige Stilfehler übersehen worden.

S. 28: Mit „Novellen“ meint die Übersetzerin durchgehend „Romane“!

S. 68: „Heb deine Sachen auf und zieh sich an.“ Statt „sich“ müsste es sicherlich „dich“ heißen.

S. 104: „Die Kette [des Eimers] rasselte durch den Schaft…“ Ein Brunnen besteht aber aus einer Öffnung und einem Schacht, nicht aus einem Schaft.

S. 155: „Pflugstert“: norddt. Form von „Pflugsterz“: Führungsteil am Pflug (DUDEN, 24. Auflage).

S. 178: „Manche nennen Euch gü[l]tig.“ Das L ist offensichtlich überflüssig.

S. 188: Der Fachausdruck „Hemiolen“ wird nicht erklärt. „Eine Hemiole (griech. hemiolos „anderthalb“) ist eine rhythmische Akzentverschiebung innerhalb eines Dreier-Taktes, bei der zwei Takte zu einem großen Dreiertakt zusammengefasst werden.“ (Wikipedia)

S. 198: „Souvenier“ statt „Souvenir“.

S. 234:“Päan“ wird nicht erklärt. Es handelt sich um ein feierliches Preis- und Danklied, praktiziert im antiken Griechenland.

S. 258: „in einem Tal über einem geologischen Irrtum“. Gemeint ist wahrscheinlich eine geologische Verwerfung (fault).

S. 259: „Tümpel, in denen das Wasser ka[u]m hüfthoch stand.“ Das U fehlt.

S. 281: „Die gespalteten Hufe“. Korrekt wäre „die gespaltenen Hufe“.

Unterm Strich

Die Auswahl dieser „Amazonen“-Geschichten ist recht durchwachsen. Highlights sind sicherlich die Beiträge der erfahrenen Profis wie etwa George R.R. Martin, Jo Clayton, Lee Killough und Tanith Lee. Dieser Kreis lässt sich durch unerschrockene Erzählerinnen wie Eleanor Arnason oder Ardath Mayhar erweitern, obwohl „realistisch“ weniger auf Arnasons Legende vom gestohlenen Elfenbeinkamm zutrifft.

Aber die Herausgeberin hat auch Anfängerinnen eine Chance gegeben, darunter Busby, Fitzgerald, Baudino und Karr. Sie schlagen sich achtbar, aber innerhalb erprobter Grenzen hinsichtlich Plot, Sprache und Stil. Als Tiefpunkt empfand ich Lillian Karls Story, die sich auf barocken Stil stützt, der an „Orlando Furioso“ erinnert, aber Figuren sich wie Conan aufführen lässt. Eine interessante Abwechslung stellt Gordon Derevanchuks Erzählung „Zroyas Trizub“ dar: Sie entführt den Leser in alte Russland, wo noch die Hexe Baba Yagá geholfen hat. Der Text scheint allerdings heftig gekürzt worden zu sein, so dass die Motivation der Hauptfigur, überhaupt den Zauberwald zu betreten, auf der Strecke blieb.

Insgesamt gesehen hat es die Herausgeberin geschafft, nicht immer die altbewährte Conan-Formel aus der Sword & Sorcery-Ecke durchspielen zu lassen, sondern konnte auch mal ausgefallenere Schauplätze und Akteure aufbieten. Wie gesagt, sind die Texte von Profis wie George R.R. Martin und Tanith Lee den restlichen Beiträgen in Einfallsreichtum und Aussagegehalt haushoch überlegen.

Taschenbuch: 329 Seiten
Originaltitel: Amazons II 1982
Aus dem US-Englischen von Eva Eppers
ISBN-13: 978-3404200528

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Für die zahlreichen Druck- und Stilfehler gibt es Punktabzug.

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