Jim Crace – Das Ende der steinernen Welt. Roman

Von der Notwendigkeit des Erzählens

Das Dorf, in dem der Einarmige aufwächst, ist stolz auf seine Steinwerkzeuge, eine begehrte Handelsware, welche die Bewohner selbstgefällig macht und hart. Einer, der nicht wie sie arbeiten kann, hat hier keinen Platz. Doch der Einarmige lernt ein anderes Handwerk. Er bearbeitet die Worte, bis sie sich zu Geschichten formen, und er kündet von Veränderungen: Er hat Schiffe gesehen, Vorboten der neuen Zeit, in der Bronze den Stein ersetzen wird… (Verlagsinfo)

Der Autor

Jim Crace, 1946 in London geboren, bereiste als Englischlehrer und Journalist die ganze Welt. 1989 arbeitete er als freier Journalist und Autor für Zeitungen und Zeitschriften wie „Times Literary Supplement“, „Sunday Telegraph“ und „Radio Times“ sowie für den Rundfunk. 1974 veröffentlichte er seine erste Geschichte. Mit dem Erzählband „Der siebte Kontinent“ (bei Klett-Cotta 1988) gelang ihm 1986 ein spektakulärer, für einen Erstling ungewöhnlicher Erfolg. Er wurde mit zahlreichen preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Guardian Fiction Award, dem Whitbread First Novel Award und dem David Higham Award.

Jim Crace hat mittlerweile bereits über ein halbes Dutzend Romane und Storybände veröffentlicht, und doch ist er hierzulande immer noch relativ unbekannt bei uns. Das ist sehr schade, denn seine Vorstellungskraft und seine Aussagen sind außergewöhnlich und verdienen unsere Aufmerksamkeit.

Weitere Übersetzungen

Stadt der Küsse (2004) ISBN 3896672606
Satans Speisekammer (OT The Devil’s Larder, 2001), 2002; ISBN 3813502015
Ein Mann, eine Frau und der Tod (2000), ISBN 3813501744
Die Versuchung in der Wüste (1998) ISBN 3896670743

Complete Works

Continent (seven stories) (1986)
The Gift of Stones (1988)
Arcadia (1992)
Signals of Distress (1994)
The Slow Digestions of the Night (short stories) (1995)
Quarantine (1997)
Being Dead (1999)
The Devil’s Larder (64 short pieces) (2001)
Six (2003) (published in the US as Genesis)
The Pesthouse (2007)
On Heat (2008)
All That Follows (2010)
Harvest (2013)
The Melody (2018)

Handlung

Der Ich-Erzähler, ein junger Mann, begann mit dem Lügen, als er sich nicht mehr wie alle anderen mit dem fachgerechten Behauen des Feuersteins – durchaus eine beachtliche Kunst! – und dem Verkauf seiner Produkte ernähren konnte, weil ihn ein Fremder mit einem Pfeil am Arm verwundet hatte. Der Arm musste daraufhin amputiert werden.

Und damit ist unser junger Einarmiger arbeitslos. Im Überfluss seiner Freizeit, beim Streunen, fallen ihm Geschichten ein, Produkte der Sehnsucht und Phantasie, Lügen zwar, doch vergelten ihm die Steinleute solch ungewöhnliche „Ware“ mit Nahrung. Bis die Bronzeleute kommen.

Wurde er am Anfang nur mitleidig geduldet, ist es am Schluss, als im Handel die härtere Bronze, das heißt: die neue Technik der Metallgewinnung und -bearbeitung, den Feuerstein verdrängt hat, der Geschichtenerzähler, der den Steinleuten eine Überlebenschance bietet: Denn er allein hat einmal über den Zaun geschaut und genug Phantasie entwickelt, um dem Unbekannten, Fremden mit neuen Lösungen begegnen zu können.

Mein Eindruck

Wie wurde das Erzählen eigentlich erfunden? Alles begann mit dem Lügen, meint Jim Crace in seinem Roman. Crace schildert die Epoche am Ende der Steinzeit, ähnlich wie William Golding in seinem großartigen Roman „Die Erben“ (1955) das Ende des Neandertalers und das Auftauchen des Cro-Magnon-Menschen schilderte. Bei Crace wird die Stein- von der Bronzezeit abgelöst, mit drastischen Folgen.

Crace versteht es vorzüglich, den Leser während des Erzählens einer bewegenden Geschichte zum Nachdenken über vermeintlich Altbekanntes zu bringen – mit überraschenden neuen Einsichten. Gelobt sei die Story! „Täuschen seine Schauplätze auch Exotik und Ferne vor, gehen sie doch stets uns unmittelbar an – gerade weil seine Themen zeitlos sind.“ (Verlagsinfo)

Bei einer Lesung am 2.2.1989 in Reutlingen sagte der Autor, die Steinzeit sei eine Metapher für die in der Industrie von Birmingham arbeitenden Menschen. Mittlerweile ist die Schwerindustrie aus Großbritannien komplett verschwunden, ebenso wie die damit verbundene Arbeiterkultur. Die Steinzeit wird von der Bronzezeit abgelöst, diese wiederum von der Eisenzeit. Craces gesamtes Werk dramatisiert die schweren Veränderungen des gesellschaftlichen Wandels, wobei sich Tradition und Fortschritt ständig in Konflikt miteinander befinden. Die zum Untergang verdammten Kräfte der Tradition jedoch werden, ungewöhnlich für Fantasy, ohne Re-Aktion oder gar Nostalgie porträtiert, so etwa auch in Craces Roman „Arcadia“ (1992).

Die Übersetzung durch Joachim Kalka ist wie schon bei „Der siebte Kontinent“ vorzüglich und ohne Fehler.

Hardcover: 165 Seiten
Originaltitel: The Gift of Stones, 1988
Aus dem Englischen von Joachim Kalka.
ISBN-13: 9783608956405

www.klett-cotta.de

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