Jodi Taylor – Doktor Maxwells chaotischer Zeitkompass (Die Chroniken von St. Mary’s 2)

Nervig: Zeitkorrektur mit Chaostruppe

Madeleine „Max“ Maxwell wollte Archäologin werden, um Abenteuer zu erleben, unfassbare Entdeckungen zu machen und gelegentlich die Welt zu retten. Da erhält sie ein besonderes Jobangebot. Wenn sie die Zusatzausbildung übersteht – und die wenigsten tun das – wird sie Abenteuer erleben, die jene von Indiana Jones wie einen Sonntagsspaziergang aussehen lassen. Und wenn sie überlebt, wird sie wenigstens ein paarmal die Welt retten.

Nicht mal die Möglichkeit, durch die Zeit zu reisen, bewahrt Madeleine „Max“ Maxwell vor Déjà-vus. Und so rennt sie schon wieder um ihr Leben – diesmal verfolgt von Jack the Ripper. Es wird nicht das letzte Mal sein. Ihre Mission führt sie über die hängenden Gärten von Ninive und den Mord an Thomas Becket bis zu einer außerplanmäßigen Dodo-Rettungsmission. Diesmal geht es nicht nur um den Schutz der ganzen Menschheit, sondern um das Bewahren der Zeit selbst. Dabei wird Max vom Chaos verfolgt, wann sie sich auch befindet… (bearbeitete, erweiterte Verlagsinfo)

Die Autorin

Jodi Taylor war die Verwaltungschefin der Bibliotheken der Grafschaft North Yorkshire und so für eine explosive Mischung aus Gebäuden, Fahrzeugen und Mitarbeitern verantwortlich. Dennoch fand sie die Zeit, ihren ersten Roman „Miss Maxwells kurioses Zeitarchiv“ zu schreiben und als E-Book selber zu veröffentlichen.

Nachdem das Buch über 6.000 Leser begeistert hatte, erkannte endlich ein britischer Verlag ihr Potenzial und machte Jodi Taylor ein Angebot, das sie nicht ablehnen konnte. Seit dem schreibt sie an vier Zyklen.

Ihre Hobby sind Zeichnen und Malerei, und es fällt ihr wirklich schwer zu sagen, in welchem von beiden sie schlechter ist.“ (korrigierte, erweiterte Verlagsinfo)

Die Chroniken von St. Mary’s

Jodi Taylors Hauptserie folgt den Mitarbeitern des St. Mary’s Institute of Historical Research, insbesondere der Historikerin Dr. Madeleine „Max“ Maxwell, auf Zeitreisen, um „wichtige historische Ereignisse in der heutigen Zeit zu untersuchen“.

Romane

Just One Damned Thing After Another (Juni 2013)
Deutsch: Miss Maxwells kurioses Zeitarchiv, Übersetzt von Marianne Schmidt, 19. August 2019, ISBN 978-3-7341-6208-4
A Symphony of Echoes (Oktober 2013)
Deutsch: Doktor Maxwells chaotischer Zeitkompass, Übersetzt von Marianne Schmidt, 27. April 2020, ISBN 978-3-7341-6210-7
A Second Chance (Februar 2014)
Deutsch: Doktor Maxwells skurriles Zeitexperiment, Übersetzt von Marianne Schmidt, 15. Februar 2021, ISBN 978-3-7341-6272-5
A Trail Through Time (Juli 2014)
Deutsch: Doktor Maxwells wunderliches Zeitversteck, Übersetzt von Marianne Schmidt, 19. Juli 2021, ISBN 978-3-7341-6273-2
No Time Like the Past (Februar 2015)
What Could Possibly Go Wrong? (August 2015)
Lies, Damned Lies, and History (Mai 2016)
And the Rest is History (April 2017)
An Argumentation of Historians (Mai 2018)
Hope For the Best (Mai 2019)
Plan For The Worst (April 2020)
Another Time Another Place (angekündigter Veröffentlichungstermin: April 2021)

Handlung

Madeleine „Max“ Maxwell und ihre Kollegin Kalinda vom St. Mary’s Institut haben sich zur Feier von Kalindas letzter Zeit-Tour ausgerechnet das finstere London von Jack the Ripper ausgesucht. Sie wissen alles über die berüchtigten Prostituiertenmorde des Schlitzers. In einer Kaschemme im berüchtigten Viertel Whitechapel versuchen sie, mehr herauszubekommen, ja, vielleicht sogar Mary Kelly, das letzte Opfer, selbst aufzuspüren und möglicherweise „etwas zu unternehmen“.

Doch so viel Glück ist ihnen nicht vergönnt, vielmehr geraten sie im dicksten Londoner Smog im Gewirr der dunklen Gassen selbst in Lebensgefahr. Max glaubt, aus dem Augenwinkel etwas vorüberhuschen zu sehen. Plötzlich greift etwas an und verletzt Kalinda mit einem Messerstich. Sie müssen schnellstens zum Pod, ihrem Zeitfahrzeug zurück , um Kalinda medizinisch versorgen zu können. Kaum sind sie drinnen angekommen, als Max auch schon den Startknopf drückt, um in ihre eigene Zeit (unsere nahe Zukunft) zurückzukehren.

Da bemerkt sie zu ihrem Entsetzen, dass sie nicht zu zweit, sondern zu dritt im Pod sind. KONTAMINATION! Sie darf den Pod nicht öffnen, sondern muss die unsichtbare Gefahr identifizieren und bekämpfen. Langsam geruht Jack the Ripper, sichtbar zu werden und seine hässliche Visage zu zeigen… Doch der Notknopf hat auch das Personal von St. Mary’s herbeigerufen. Werden sie rechtzeitig kommen, bevor Kalinda verblutet ist und Max Jacks nächstes Opfer geworden ist?

Mein Eindruck

Wieder mal hat der Schurke Clive Ronan zugeschlagen, doch wo und wann? Max hat den einzigen Plan, und alle finden, es sei ein saublöder Plan. Aber funktioniert. Sie reist in die Zukunft, um herauszufinden, was im Institut passiert sein wird. Zu ihrem Schrecken stellt sie fest, dass Ronan das Institut übernommen, 18 seiner Angestellten getötet und mehrere Zeitreise-Pods gestohlen hat. Während sie für Ablenkung sorgt und es mit ihrer Erzfeindin Isabella Barclay zu tun bekommt (siehe Band 1), läuft der eigentliche Angriff, den Peterson und Guthrie im Keller ausführen. Der Sieg ist ganz auf Max‘ Seite, und sie wird dafür zur Interimsdirektorin befördert, aber Ronan ist mit mindestens einem Pod entkommen.

Episoden

Immer wieder hat Max Gelegenheit, die Zeit bzw. die verbürgte Historie zu retten. So bewahrt sie etwa die letzten Dodos vor dem Aussterben, muss den Mord an Thomas Becket mit ansehen und landet in Ninive zur falschen Zeit am falschen Ort, um auf diese Weise Augenzeugin eines Königsmordes zu werden. Dank Tim Peterson und eines Praktikanten gelingt es ihr, das Schicksal lästiger Augenzeugen zu vermeiden und zu überleben.

Was man so Liebe nennt

Was sich immer wieder störend bemerkbar macht, ist ihre mehr oder weniger erfolgreiche Liebesaffäre mit Chief Leon Farrell, dem Chef der technischen Abteilung. Das sorgt für begehrte Glückshormone. Aber es gibt einen Preis dafür. Farrell bekommt es überhaupt nicht gut, dass er im „Roten Haus“ von einem wahnsinnigen Psychiater behandelt wird, der irgendwie mit Clive Ronan im Bunde steht. Das wirkt sich sehr ernüchternd auf einen besonders heiklen Moment aus, und versetzt die gekränkte Max in wütende Raserei. Wehe, wenn sie losgelassen! Sie versenkt Farrells Wagen im nächstgelegenen See und spricht lange Zeit nicht mehr mit ihm. Die Stimmung im Institut wird ziemlich gedrückt.

Korrektur im XXL-Format

Doch es gibt viel zu tun. jemand findet anhand eines verschollen geglaubten Shakespeare-Manuskripts heraus, dass nicht Elizabeth I. von England Königin wurde, sondern ihre Schwester Maria Stuart von Schottland. Wenn diese Entwicklung nicht bereits im keim anno 1567 beseitigt werden kann, wird es das St. Mary’s Institut gar nicht geben! Und dreimal darf man raten, wer wieder seine schmutzigen Finger im Spiel hat – richtig: Clive Ronan.

Die Episode in Maria Stuarts Schloss Holyrood Palace in Edinburgh ist der Höhepunkt eines an solchen Episoden reichen Romans. Hier zeigt sich, was Max‘ Truppe draufhat – und was nicht. Nur wenn sich Max und Farrell wieder zusammenraufen, kann der schlau und monatelang eingefädelte Staatsstreich gelingt, der aus Maria Stuart eine Staatsfeindin machen soll, die einen Kopf kürzer gemacht wird – wie die verbürgte Geschichte belegt.

Die Übersetzung

S. 182: „Heinrich II., Erzbischof von Canterbury…“ Falsch, denn das war ja am 29.12.1170 der ermordete Thomas Becket. Heinrich II. war der König. Und er fragte ein paar seiner Ritter „ganz beiläufig“ seufzend, wer ihn bitteschön von diesem Kerl „befreien“ könnte. Die Ritter erkannten den Willen ihres Herrn und erledigten den Job.

S. 364: „In braunroter Farbe war in riesengroßen Buchstaben das Datum 681 v.Chr. gekritzelt. Man konnte es nicht verpassen.“ Weil es aber nicht um das Datum, sondern um die „riesengroßen Buchstaben“ geht, ist „verfehlen“ das korrekte Wort anstelle von „verpassen“.

S. 374: „Weller und Evans stützten Peterson, der noch nicht wieder auf dem Dampfer war.“ Die Übersetzerin kommt ab und zu ins Straucheln und Mixen, was ihre Metaphern angeht. Der übliche Ausdruck lautet: „Peterson, der noch nicht ganz auf dem Damm war.“

S. 294: Hier findet sich die Stelle, von der die Autorin ihre Originaltitel abgeleitet hat: „Man spricht von der ‚Harmonie der Sphären‘, aber in Wahrheit ist die Geschichte eines Symphonie von Echos.“

Unterm Strich

Chaos ist wohl der beherrschende Eindruck, den dieser zweite Roman um Madeleine Maxwell im Leser hinterlässt. Wie man erwarten dürfte, handelt es sich um eine Aneinanderreihung von Ausflügen in fremde Zeiten und Epochen. Weil aber Max selbst die Verkörperung des Chaos ist, da sie ihre weiblichen Gefühle nicht im Zaum halten kann, passiert immer etwas Unvorhergesehenes und Ungeplantes. Das macht die gesamte Geschichte zwar abwechslungsreich, aber auch beliebig.

Die einzige Episode, der man so etwas wie Planung und gründliche Ausführung zusprechen kann, ist das große Finale um Maria Stuart. Sämtliche Abteilungen des Instituts legen sich ins Zeug, um Maria Stuart zu Fall und Clive Ronan hinter Gitter zu bringen, doch schließlich klappt nur die Hälfte des Plans. Dieses Verdienst kann sich wieder mal Max an die breite Brust heften (es gibt immer wieder versteckte Hinweise, dass sie das, war ihr an Körpergröße fehlt, in den Umfang ihres Körpers investiert hat, insbesondere in ihre Oberweite).

Die Leserin würde erwarten, dass Max ein Quäntchen Mitgefühl für die rechtmäßige Königin von Schottland und England aufbringen würde, doch weit gefehlt: Was die verbürgte Geschichte will, das muss auch – auf welchem Weg auch immer – herbeigeführt werden. tatsächlich erwartet Max, dass „die Geschichte“ höchstpersönlich als wirkende Macht ins Geschehen eingreift. Damit ist nicht bloß die Muse der Geschichtsschreibung gemeint, die als Angestellte des Instituts auftritt, sondern Madame Historia selbst. Diese Vorstellung ist wohl etwas gewöhnungsbedürftig, doch als poetische Metapher funktioniert sie durchaus.

Es sind die langsamen, aber gleichfalls chaotischen „Erholungspausen“ zwischen den erwähnten Episoden, die die Geduld des Lesers strapazieren. Hier versucht Max als Interimsdirektorin jenen Job zu erledigen, den die Autorin selbst als Verwaltungsdirektorin der Bibliotheken von North Yorkshire versehen hat. Sie weiß offenbar, dass die meiste Zeit Flöhehüten und Chaosbekämpfung angesagt sind. Nicht jeder Praktikant überlebt, die Autos des vermeintlichen Feindes (nämlich Leon Farrell) schon gar nicht.

Was fehlt, sind kühl reflektierende Selbstgespräche oder wenigstens intelligente Dialoge. Sie würden das Geschehen kommentieren und beurteilen. Doch Max regiert eher aus dem Bauch heraus und erwartet, dass alle nach ihrer pfeife tanzen. Dann schlägt das Chaos garantiert zu. Das kann man wohl mit einem Quantum Humor unterhaltsam finden, doch mir war das nach einer Weile – wohl nach den ersten 100 Seiten – zu lästig und mühsam, weil nicht wirklich witzig. Und so benötigte ich – mit Pausen – mehrere Monate zu Bewältigung dieses „Meisterwerks“. Weitere Bände dieser Reihe werde ich ganz sicher nicht lesen.

Taschenbuch: 475 Seiten
Originaltitel: A Symphony of Echoes, St. Mary’s Chronicles Book Two
Aus dem Englischen von Marianne Schmidt.
ISBN-13: 9783734162107

https://www.penguinrandomhouse.de/Verlag/Blanvalet/1000.rhd

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