Joe Haldeman – Der ewige Krieg (Neufassung)

Sarkastische Satire über den Vietnamkrieg

Ein Krieg in ferner Zukunft läuft anders ab als heute. Mit der Verfügbarkeit von lichtschnellen Raumschiffen wird er durch das Phänomen der Zeitdehnung über Jahrhunderte hinweg ausgetragen. Es ist – schon aus nachrichtentechnischen Gründen – keine Verständigung mehr möglich. Der Konflikt gerät außer Kontrolle, weitet sich aus wie ein Flächenbrand, gewinnt immer mehr Eigengesetzlichkeit und bläht sich schließlich auf ins Absurde. Mitten drin stecken Soldat William Mandella und seine Kampfgenossen. (Verlagsinfo)

Der Roman wurde 1976 mit den beiden wichtigsten Preisen des Science-Fiction-Genres ausgezeichnet, dem Nebula Award der Kritiker und dem Hugo Gernsback Award der Leserschaft.

Hinweis

Die Kampfhandlungen, die auf den Erfahrungen des in Vietnam schwer verwundeten Autors beruhen, sind blutig und brutal, der Drogenkonsum ist gewöhnungsbedürftig und der hetero- wie homosexuelle Geschlechtsverkehr für die Leserschaft in jeder Generation eine Herausforderung.

Der Autor

Der US-Autor Joe Haldeman, geboren am 9. Juni 1943 in Oklahoma City, studierte Physik, Astronomie, Mathematik und Informatik an der Universität von Maryland. 1967 wurde er zum Militärdienst nach Vietnam eingezogen. Durch seine Erlebnisse in Vietnam wurde er zu seinem wohl bekanntesten Roman „Der Ewige Krieg“ (The Forever War) inspiriert, für den er den Hugo Award sowie den Nebula Award erhielt.

„Der Ewige Krieg“ arbeitete er später zu einer Trilogie aus („Der ewige Friede“, „Am Ende des Krieges“), deren zweiter Band erhielt ebenfalls sowohl den Hugo- als auch den Nebula-Award. Bekannt ist auch seine Worlds Trilogie, die „Kreisende Welten“, „Isolierte Welten“ und „Worlds Enough and Time“ umfasst.

Zu seinen Romanen kommen zahlreiche Kurzgeschichtensammlungen, darunter „Unendliche Träume“ (dt. bei Heyne). Seit den 1990er Jahren erscheinen seine Romane nicht mehr auf deutsch, obwohl Haldeman in den USA und in Großbritannien nach wie vor hoch im Kurs steht. Beispielsweise erhielt er für den 1993 erschienen Roman „Graves“ den World Fantasy Award, und 2004 für Roman „Camouflage“ den Nebula Award sowie den James Tiptree, Jr. Award.

Zur Zeit lehrt Haldeman am Massachusetts Institute of Technology (MIT) Schriftstellerei und Science-Fiction. Sein 2002 verstorbener älterer Bruder Jack C. Haldeman II war ebenfalls Science-Fiction-Autor. (Quelle: Wikipedia) Haldeman lebt in Florida.

Romane (korrigierte Angaben):

• 1972 War Year
• 1975 The Forever War (dt. Der Ewige Krieg 1978)
• 1976 Mindbridge (dt. Die Denkbrücke 1978)
• 1977 Planet of Judgment (dt. Grenze zur Unendlichkeit / Duell der Mächtigen 1980)
• 1977 All My Sins Remembered (dt. Der befleckte Engel 1978)
• 1979 World Without End (dt. Welt ohne Sterne‘ 1979 / Welt ohne Ende 1980)
• 1981 Worlds (dt. Die kreisenden Welten 1982 / Kreisende Welten 1984)
• 1983 There Is No Darkness (dt. Und fürchtet keine Finsternis 1985) mit Jack C. Haldeman II
• 1983 Worlds Apart (dt. Isolierte Welten)
• 1987 Tool of the Trade
• 1989 Buying Time (dt. Gekauftes Leben 1992)
• 1990 The Hemingway Hoax (dt. Der Schwindel um Hemingway 1992)
• 1992 Worlds Enough and Time
• 1994 1968
• 1997 Forever Peace (dt. Der ewige Friede 2000)
• 1998 Forever Free (dt. Am Ende des Krieges 2002)
• 2000 The Coming
• 2002 Guardian
• 2004 Camouflage
• 2005 Old Twentieth
• 2007 The Accidental Time Machine (dt. 2012 als „Herr der Zeit“)
• 2008 Marsbound
• 2010 Starbound
• 2011 Earthbound

Handlung

William Mandella von viele klugen Köpfen, die der irdischen Bildungselite angehören. Das macht ihn in den Augen der Militärs hervorragend geeignet, gegen die Aliens zu kämpfen. Die Aliens aus dem System Aldebaran im Sternbild Stier, lateinisch Taurus, haben offenbar ein Raumschiff mit über 700 Personen an Bord zerstört. Dafür sollen die Taurier bezahlen. Doch wo befinden sich die Aliens, wie sehen sie und um wie viele handelt es sich? Das sollen Mandella und seine Schicksalsgenossen herausfinden; gemäß einem neuen Wehrpflichtgesetz können sie ohne Weiteres eingezogen werden.

Der Kommandeur des Ausbildungslagers in Missouri bereitet Mandella, Rogers, Doc Wilson und viele weitere darauf vor, was sie dort draußen erwartet. Erstens sind die Raumschiffe der Kriegsmarine überlichtschnell, denn sie benutzen die immense Schwerkraft von Schwarzen Löchern, den Kollapsaren, dazu, um die immensen Entfernungen zurückzulegen. Der Flug zum Aldebaran werde nicht weniger als zwei Kollapsarpassagen erfordern. Schwarze Löcher zu durchqueren ist nicht die schlaueste Reisemethode.

Der klitzekleine Haken bei dieser Fortbewegungsmethode wird Mandella, der etwas von Physik versteht, schnell klar: Einsteins Relativitätstheorie führt dazu, dass die Zeit gedehnt wird. Diese Zeitdilatation führt zum Anhäufen einer hohen „Zeitschuld“ zwischen dem Reisenden und denen, die er oder sie auf der Erde hinterlässt. Diese Zeitschuld kann Jahrzehnte, wenn nicht sogar Jahrhunderte umfassen.

Basecamp

Die Ausbildung im Basecamp ist nicht nur stupide, sondern auch mörderisch. Der vollcomputerisierte Kampfanzug fordert seine ersten Opfer, denn sie haben nicht mit seinen Tücken gerechnet. Auf dem fernen Planeten Charon, der jenseits von Pluto seine Bahn zieht, verschlimmert sich das Problem. Hier ist vor allem die Kälte das Problem. Die „tropische“ Außentemperatur im Camp Miami liegt bei 8 Grad C über dem absoluten Tiefpunkt, der bei etwa -273°C liegt.

Auf Charons Rückseite liegen die Temperaturen noch klein wenig tiefer. Wasserstoff gefriert zu Eis, doch weil die Rekruten solche Bedingungen nicht kennen, verhalten sie sich falsch. Mehrere beißen vorzeitig ins Gras. Mandella gelingt es unter äußerstem Einsatz, einen anderen Rekruten zu retten. Der Feldwebel Cortez ist alles andere als begeistert, und Mandella kriegt keinen Orden.

Aldebaran

Der vermutete Vorposten der Taurier liegt auf dem erdähnlichen Planeten, der die Sonne Epsilon des zweiten Kollapsar-Systems umkreist. Während das Raumschiff „Hope of Earth“ ihn umkreist, entlässt die diversen Kommandotrupps in ihren Landefähren. Nach einem Plumpser ins Wasser des Ozeans, schleicht die Fähre bis ans Ufer. Die baumlose Gegend sieht aus, als wäre sie mit Gras bewachsen, und tatsächlich tauchen nach einer Weile Pflanzenfresser aus. Die dreibeinigen „Teddys“ verfügen jedoch über eine Kommunikationsmethode, die Psi-begabte Soldaten entweder in den Wahnsinn treibt oder ihnen zumindest schwere Kopfschmerzen bereitet. Cortez lässt alle Pflanzenfresser niedermetzeln.

Dann erst tauchen die ersten Taurier aus. Sie sehen aus wie Wespentaillenmodels auf „Besenstielen“, die jeweils von einer Art Kraftfeldblase geschützt sind. Wird diese Blase zerstört, ersticken die Taurier an der giftigen Luft Epsilons. Und wenn eine Blase einen Soldaten berührt, so verwundet sie ihn trotz des Kampfanzugs so schwer, dass er ebenfalls draufgeht.

Cortez löst einen posthypnotischen Befehl aus, der seine Soldaten zu skrupellosen Kampfmaschinen macht. Mandella weiß, was mit ihm passiert, doch das Tier in ihm will töten. Erst als alles vorüber ist, hebt Cortez den Bann auf. Als die Soldaten begreifen, was sie angerichtet haben, stellen sich heftige psychische Nachwehen ein.

Nur einer der Taurier ist in einer Rettungskapsel entkommen. Mandella ahnt, dass dies noch üble Folgen für die Mission der „Hope“ haben könnte. Er soll recht behalten…

SPOILER!

Soweit die knappe Zusammenfassung des ersten Teils. Im zweiten Teil halten sich Mandella und seine Freundin Marygay auf der Erde auf, aber das ist keineswegs Urlaub, sondern der Aufenthalt in einer weiteren Kriegszone. Mandellas betagte Mutter geht in Washington, D.C., niemals ohne ihren Leibwächter aus, denn die Straßen sind denkbar unsicher, weil alle bewaffnet herumlaufen und einander auszurauben versuchen.

Nach ihrem Tod zieht zu seiner Freundin hinaus aufs Land, aber da ist es auch nicht sicherer. Das Haus ihrer Eltern ist zu einer Festung ausgebaut, aber als die Marodeure mit ihren schweren Waffen kommen, entbrennt ein Kampf auf Leben und Tod, den die Eltern nicht überleben. Mandella und seine Freundin kratzen ihre Ersparnisse zusammen und treten wieder in die Raumflotte ein. Dort werden sie schon erwartet und zu Ausbildern gemacht.

Der dritte Teil

Schon beim nächsten Einsatz verzeichnen Mandellas und Marygays Gruppen schwere Verluste. Weil wenigstens die Kampfanzüge aufgerüstet worden sind, verlieren Mandella und Marygay zwar je ein Körperglied – Mandela ein Bein und sie einen Arm – , doch die Klinik auf der Welt Threshold ersetzt beides durch entsprechende Metallkonstruktionen und lässt das restliche Fleisch nachwachsen. Dieser Prozess ist allerdings mit großen Schmerzen verbunden, weshalb das kein Zuckerschlecken ist.

Mandella entdeckt, dass die Ärzte jetzt der dritten Kriegsgeneration angehören; eine Folge der Zeitdilatation. Da er und Marygay ihren Sold ausbezahlt bekommen haben, sind sie Milliardäre: Mit dem Sold kommt auch der Zinseszins aufs Konto. Sie verprassen das Geld auf dem schönen Urlaubsplaneten Heaven so lange sie können, denn der nächste Marschbefehl kommt bestimmt. Ein Angelausflug mit blutigem Ausgang kündigt Unheil an: Der Marschbefehl schickt das Freundespaar an verschiedene Zielorte. Die Gesetze der Raumzeit werden sie für lange Zeit, wenn nicht für immer trennen.

Der letzte Teil

Die nächste Mission sieht Major Mandella als Kommandeur einer Kampfeinheit unterwegs zu einer anderen Galaxie, nämlich zur Großen Magellanschen Wolke. Mit einem Hüpfer von 150.000 Lichtjahren saust sein Raumschiff durch die Wurmlöcher der Kollapsare, die sie passieren müssen. Die Beschleunigung von unmenschlichen 25 Ge lässt sich nur in speziellen Anzügen bewältigen, was ziemlich langweilig ist. Seine Zeitschuld am Kollapsar Sade 138 beträgt nun 700 Lebensjahre. Nachdem keine Taurier aufgespürt worden sind, beginnt die gemischte Truppe mit dem Aufbau eines Camps.

Mandella hat gleich am Vortag des Abflugs einen Dämpfer einstecken müssen: Die Bevölkerung der Erde ist vollständig homosexuell. Das hat der Überbevölkerung entgegengewirkt, und die Gesamtpopulation der Erde liegt nur noch bei etwa einer Milliarde – Lesben und Schwule offenbar. Heteros wie er gelten als eine genetische, äh, Fehlfunktion. Sie ist glücklicherweise heilbar, heißt es.

Wie sich das genau auf die Psychologie seiner auswirkt, erfährt er, als es dem Koch gelingt, einen 99-prozentigen Alkohol herzustellen und unter der Mann- bzw. Frauschaft zu verkaufen. Nachdem ihm sein Stellvertreter und einziger Freund Charlie Moore eine solche Flasche Fusel organisiert hat, schmeißt Mandella in seiner Kabine ein Gelage mit der Bordärztin. An einem bestimmten Punkt verkündet sie völlig enthemmt, wie ihn die Crew heimlich nennt: „der alten Vorderlader“!. Sie ist enthemmt genug, mit ihm auf gute alte Weise ins Bett zu gehen. Doch dazu kommt es glücklicherweise nicht…

Nach 400 Tagen Festungsbau auf dem Planeten von Sade 138 kommt endlich die erlösende Meldung: „Sie sind da“, die Taurier nämlich. Und zwar mit gleich zwei Kreuzer, die Unmengen von Landefähren und Drohnen mit sich führen. Es kommt zu einer Weltraumschlacht, in deren verlauf einer dieser Kreuzer ausgeschaltet wird, eine seiner Drohnen stürzt auf den Planeten. Dies ist Ursache eines gewaltigen Erdbebens, das sowohl die angreifenden Taurus-Infanteristen als auch die Verteidiger schwer in Mitleidenschaft zieht. Jetzt ist guter Rat teuer, doch Mandella fällt im Angesicht des finalen Nahkampfs noch eine rettende Idee ein…

Mein Eindruck

Ich habe den Roman in nur wenigen Tagen gelesen. Die Handlung, die auf vier Buchteile aufgeteilt ist, liest sich sehr flüssig. Die Szenen, die vielfach von sarkastischen Dialogen getragen werden, sind anschaulich geschildert, stets motiviert und zeugen von reichhaltiger militärischer Erfahrung. Diese erstreckt sich nicht nur auf die Technologie, die sich im Verlauf der Jahrhunderte ständig weiterentwickelt, sondern auch auf die Psychologie.

Es gibt auf der einen Seite die Offiziere, also die Kommissköpfe, dann die Wissenschaftler und schließlich die Mannschaften. Da Mandella, der Ich-Erzähler, sich im Laufe des Krieges, von unten nach oben vorarbeitet bzw. er befördert wird, lernt er also Konflikte und Einstellungen kennen. War er am Anfang selbst ein Kritiker der Offiziere, so ist er am Ende selber einer und muss sich die Kritik der SoldatInnen anhören. Sie nennen ihn ironisch den „alten Vorderlader“, weil er immer noch der überholten heterosexuellen Schule anhängt, statt voll auf die Ideologie der Homosexualität zu schwören wie der Rest. Nun, er kann ihnen noch ein paar Tricks zeigen. Der Epilog belegt die Berechtigung – mehr darf nicht verraten werden.

Absurdität des Krieges

Mandellas Universum wird von Zufällen, Wünschen und Zwängen bestimmt. Nicht nur Mandellas Name sollte eigentlich „Mandala“ lauten, aber der Standesbeamte konnte das Wort ebensowenig buchstabieren wie die Hippe-Eltern. Auch der Ausbruch des Krieges beruht auf einem Missverständnis. Nun wird Mandella von einem Kampfanzug in den nächsten gesteckt, denn der Kosmos dort draußen ist saukalt. Es kämpft eigentlich kein Mensch, sondern eine Maschine. Es ist ein Maschinenkrieg, der von Maschinenlogik ermöglicht und gesteuert wird. Alle Raumschiffe könnte ihre Sprünge nicht bewältigen, wenn nicht irgendein Supercomputer den Kurs berechnen und steuern würde.

Folglich sind alle Menschen, ihre zwecke und Ziele von vornherein absurd. Sie erfüllen Aufgaben, für die Menschen nicht gemacht sind, folglich kommt es zu Unmengen von Unfällen. Diese mögen zunächst grotesk erscheinen, sind aber stets tragische Folgen der besagten Maschinenlogik. Warum sollte irgendjemand über gefrorenen Wasserstoff stiefeln wollen? Oder Schützengräben in Boden buddeln, der bei kuscheligen 25 Grad über dem absoluten Nullpunkt, also bei minus 248 Grad Celsius, gefroren ist?

Absurdität der Gewalt

Wie im Himmel, so auf Erden – die Gewalt, die der Krieg ausübt, wird auch in den Vereinigten Staaten ausgeübt. Alle Bürger in der Stadt wie auch auf dem Land sind bis an die Zähne bewaffnet oder haben zumindest einen Leibwächter, der es ist. Intelligenz ist dabei keine Jobqualifikation. Hauptsache, der Mann kann ballern, was das Zeug hält. Die Waffenproduzenten und -händler reiben sich die Hände und verdienen sich eine goldene Nase.

Das Militär hat seine Existenzberechtigung demonstriert, was wohl die Hauptursache für die Fortführung des Krieges darstellt. Die Soldaten werden zwar Milliardäre, müssen aber am Ende feststellen, dass ihre Kohle nichts wert ist, weil man auf der Erde nur noch in Kalorien rechnet. Nur eines wundert den heutigen Leser. Die Produktion der Raumschiffe, Treibstoffe und Waffen kostet nicht nur Unmengen an Geld, sondern auch an Rohstoffen. Woher kommen diese Vorräte? Der Autor scheint sie für unerschöpflich zu halten. Die Kriegsindustrie erzeugt große Mengen an CO2 und anderen Abgasen, doch an keiner Stelle beschwert sich jemand darüber. Diese ökologische Seite und der Aspekt der Nachhaltigkeit spielt keinerlei Rolle und das lässt das Szenario überholt aussehen.

Drogen, Sex und Humor

Zu meinem Erstaunen ist dies auch ein sehr humorvoller Roman. Zu Anfang muss der Leser den Witz an einer Formulierung selbst zwischen Zeilen suchen, aber im letzten Buchteil bricht der Humor brachial durch: Der – illegal produzierte – Alkohol führt nicht nur zu losen Sitten an Bord, sondern auch zu herrlich grotesken Szenen in der Kapitänskajüte. Hier fällt dann das böse Wort vom „alten Vorderlader“ (im Gegensatz zum standardmäßigen „Hinterlader“, der seit jeher männliche Sexualität bezeichnet).

Die zeitgenössischen Leser der siebziger Jahre haben von Anfang den übermäßigen Drogengenuss und den ständigen heterosexuellen Sex im ersten Buchteil kritisiert. So erwähnen es sowohl der Autor in seiner Einleitung als auch Ben Bova in seinem Vorwort. Nun, eine der Aufgaben von Kunst im allgemeinen und SF im besonderen ist die Herausforderung von Standards und Tabus. Das ist dem Autor gelungen. Aber erwähnt auch, dass die Soldaten im Vietnamkrieg, an dem er persönlich teilnahm, von ihren Offizieren zum Drogenkonsum ermuntert worden seien, denn sonst hätte die Todesangst zu noch mehr Selbstmorden geführt, als sie das eh schon tat.

Und was den Sex angeht, so sind die entsprechenden Szenen in Kubricks Film „Full Metal Jacket“ nur ein gelinder Vorgeschmack, was die Soldaten in ihren R & R-Pausen (Rest and Recreation) tun durften, sei es in Saigon, Bangkok oder in Manila. Die Mädchen auf den Vergnügungsmeilen gibt es bis heute, geschaffen mit den Militärdollars der Amis. Was die Leser aber wirklich störte, war der Sex zwischen den Soldaten beiderlei Geschlechts.

Der fand aber natürlich ebenfalls statt, und die entsprechenden Szenen in Altmans Spielfilm „M.A.S.H.“ bieten nur eine leise Andeutung dessen, was hinter der Front und im Bootcamp wirklich abging. In Coppolas Spielfilm „Apocalypse Now“ werden amerikanische Playmate-Girl in den Dschungel geflogen, um die Soldaten zu „betreuen“ – es ist eine der Schlüsselszenen des Films. Sex hat also von jeher eine zentrale, aber unterdrückte Rolle im Krieg gespielt, sei es in Vietnam oder in der Zukunft. Sexuelle Kriegsführung, wie sie von Russland in der Ukraine praktiziert wird, ist der folgerichtige nächste Schritt in die Praxis: Massenvergewaltigung der „feindlichen“ Frauen. Die Serben hatten zu diesem Zweck anno 1990-92 spezielle Lager eingerichtet.

Die Übersetzung

Hinweis:

Die deutsche Übersetzung liegt in zwei unterschiedlichen Versionen vor. Der Autor hat den Roman erheblich überarbeitet und der deutsche Verlag (Heyne), der die neue Fassung veröffentlichte, hat die Datierung zusätzlich um 300 Jahre in die Zukunft verlegt. Die alte Übersetzung von 1977 liegt in der Heyne SF-Bibliothek vor

Die aktuelle deutsche Übersetzung stammt aus dem Jahr 2000 und enthält sowohl ein Vorwort von Ben Bova als auch eine Vorbemerkung des Autors, die die beiden Fassungen erläutert. Beim genaueren Hinsehen finden sich aber in der „Neufassung“ eine Menge Rest der alten Übersetzung von 1977. So kommt es nicht nur zu stilistischem Mischmasch, sondern auch zu Altlasten an Druckfehlern.

S. 121: “je näher der taurische[r] Verfolger kommt…“: Das R ist überflüssig.

S. 135: “Ze[h]ntausendstel-Sekunde“: Das H fehlt.

S. 163: “(aus) eine[r] langen Bahn“: Das R fehlt.

S. 175: “P[r]omenadedeck”: Das R fehlt.

S. 190: “Mir blieb nichts anderes übrig, als an einer [der] Stelzen nach oben zu klettern.“ Der Genitiv „der“ fehlt.

S. 205: “Ein[e] offenes Gittergestell…”: Das E ist überflüssig.

S. 210a: “so dass wir nicht sprechen konnte[n]“: Das N fehlt.

S. 210b: “Versuchen Sie einander Kraft [zu] geben!“ Das Wörtchen „zu“ fehlt.

S. 217: “eine Kollektion armlanger Fänge“: Gemeint sind aber nicht Fangarme, sondern Reißzähne.

S. 253: “dass sie durch den normalen Raum kariolten“: Gemeint ist mit diesem veralteten Ausdruck vermutlich „steuerlos trudeln“.

S. 306: “Ich arbeitete mich über den (…) Böden auf die Kuppel zu.“ Korrekt sollte es statt „Böden“ besser „Boden“ heißen, denn es gibt bloß einen.

S. 321: “Er trug die gleiche schlichte Uniform wie wir und die junge Frau [und] hatte sich unter jeden Arm einen Stapel dicker Bücher geklemmt.“ Das zweite „und“ ist überflüssig.

S. 324: “Ich habe zwar keine[n] Beweis dafür…“: Das N fehlt.

Unterm Strich

Diesen Klassiker der Militär-SF konnte ich in nur wenigen Tagen bewältigen, was für den flüssigen, anschaulichen Erzählstil spricht. Mal abgesehen von der pazifistischen Botschaft, so bietet der Roman nicht nur Erotik und Romantik, sondern auch eine Menge Action und Humor. Das mag manchen heutigen Leser erstaunen, der ein dröges Traktat erwartet. Das Gegenteil ist der Fall. Dieser Roman ist überraschend unterhaltsam und auch weibliche Leser erreichen.

Die Kriegsführung, die hier entworfen wird, erscheint zunächst pompös und beeindruckend, erweist sich aber am Schluss, als einige Wahrheiten ans Licht kommen, aber absurder Selbstzweck. Was im Rückblick auf einem Missverständnis beruht hat, kommt dem Militär und den Waffenfabrikanten gerade recht. Die Dummen sind die einfachen Soldaten und Unteroffiziere draußen an der Front, denn sie müssen nicht bloß den Kopf hinhalten, sondern bezahlen mit ihrem Leben.

Auf der Erde

Die Kriegsführung wird ergänzt von der Weiterentwicklung, die im Laufe der Jahrhunderte zwischen 2297 bis 3343 n.Chr. (1346 Jahre) stattfindet. Mandella kommt im zweiten Buchteil hautnah mit dem Erdenleben in Berührung – siehe oben. Der Standard ist Heterosexualität und es herrscht viel Gewalt, weil das Faustrecht regiert. Im vierten Buchteil ist Homosexualität die Norm, was Mandella zu seinem Verdruss wie ein Fossil aussehen lässt.

Wieder zurück auf der Erde gibt es überhaupt keine Sexualität mehr: Alle sind geklont. Der Krieg ist vorüber. Nur die letzte Seite verrät dem Leser, was Mandella davon hält: Ein Kind wird auf ganz altmodische Weise gezeugt und geboren. Das ist zwar ein Happy-End, aber auch ein Akt des Protests. Und wer weiß: Vielleicht wird dieses Kind dereinst ein Guru der Pazifisten werden – oder ein weiterer Sternenkrieger.

Taschenbuch (2000): 330 Seiten
O-Titel: The Forever War, 1974;
Neuübersetzung aus dem US-Englischen von Birgit Reß-Bohusch, Vorwort von Andreas Decker.
ISBN-13: 978-3453164147

www.heyne.de

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