John Birmingham – Der Effekt

Spannend: Die Amis sind weg – was machen wir jetzt?

Am 14. März 2003 verschwinden die Vereinigten Staaten von Amerika – aber wohin? Auch Teile der angrenzenden Länder werden von einer Energiewolke erfasst, die jedes Leben vernichtet. Wer oder was könnte diesen unglaublichen Effekt ausgelöst haben, fragen sich die überlebenden Amerikaner, die eigentlich gerade in den Irak einmarschieren wollten. Dieser wiederum erklärt zusammen mit dem Iran den USA den Krieg. Für die übrig gebliebenen Amis geht es nun ums nackte Überleben. Wer dachte, mit dem Verschwinden der Amis erfülle sich sein Wunschtraum, sollte einmal etwas über die möglichen Folgen lesen.

Der Autor

John Birmingham wurde 1964 in Liverpool geboren und wuchs in Australien auf. Er arbeitete lange Jahre als Journalist, bevor er sich dem Schreiben von Romanen widmete. Heute ist er einer der populärsten australischen Autoren der Gegenwart. Mit „Der Effekt“ sorgte er laut Verlag auch international für Furore.

Handlung

TAG EINS

Es ist der 14. März 2003, als etwas im wahrsten Sinne des Wortes Unfassbares geschieht: Eine Art Energieblase bedeckt fast ganz Nordamerika. Alle höheren Lebewesen, die hineingeraten, werden vernichtet. Oberst Musso, der Kommandant des kubanischen Stützpunkts Guantánamo, lässt die Ränder des Phänomens erkunden. Nur noch ein grüner Schleim ist von dem übrig, was einmal Menschen waren. Er selbst muss den Verlust seiner Familie und seines Vaterlandes verkraften. Die Kubaner, die bei ihm Hilfe suchen, haben jedoch ihre komplette Existenzgrundlage verloren und kämpfen ums Überleben. Als er die Barriere untersucht, stülpt diese einen Ausläufer aus, der Musso nur um Haaresbreite verfehlt …

Der Ingenieur

Neben Alaska und Hawaii ist auch Seattle, als einzige Großstadt der USA, dem „Effekt“ entgangen. Der Stadtrat fürs Bauamt James Kipper, ein Ingenieur, ist gerade auf seiner geliebten alljährlichen Bergtour, als er etwas Unglaubliches beobachtet: Ein Passagierflugzeug fliegt führerlos gegen einen Berghang und explodiert. Gleich darauf bekommt er einen Anruf auf seinem Satellitentelefon, sofort zurückzukehren. Nix war’s mit der Bergtour, ein Helikopter holt ihn zurück. In der Stadt muss James nicht nur nach dem Rechten sehen, sondern auch nach seiner Frau Barbara und seiner Tochter Suzie, die beide mitten ins nun ausbrechende Chaos geraten sind.

Embedded Reporter

In der kuwaitischen und saudiarabischen Wüste warten eine Viertelmillion Soldaten darauf, dass der amerikanische Oberbefehlshaber den Einmarsch in den Irak befiehlt. Doch wo ist dieser George W. Bush, wenn man ihn braucht? Und wo ist überhaupt Washington, D.C., geblieben, die Hauptstadt der freien Welt? Bret Merton ist Ex-Soldat und Reporter für die Armee-Zeitung „Army Times“. Über Satellitenverbindungen ins Internet bekommt er mit, was die Satelliten von New York City zeigen: brennende Wolkenkratzer, abstürzende Flieger und nirgendwo eine Menschenseele. Schon bald hört Bret von tanzenden Menschen in Palästina und anderen muslimischen Ländern: Der Große Teufel ist tot! Saddam al-Hussein verkündet, dass Allah höchstpersönlich den Feind vernichtet habe. Da ist Bret nicht so sicher. Jedenfalls bleibt den Koalitionstruppen nichts anderes übrig als zu kämpfen, als Saddam seine Truppen losschickt …

Der Schmuggler

Der australische Schmuggler Peter Holder schippert mit seiner Jacht gerade eine Million US-Dollar zum mexikanischen Pazifik, um sie einem Falschgeldschmuggler zu übergeben, als er und seine Crew die Auswirkungen des Effekts zu spüren bekommen. Im Nordosten irisiert die Luft wie von einem Energieschleier, und das Radar zeigt, dass die Schiffe, die dort hineingeraten, merkwürdige Kursveränderungen aufweisen. Vorsichtshalber macht Peter kehrt und geht auf sicheren Abstand. Seine Dollar-Million kann er auch woanders loswerden (falls sie dann noch etwas wert ist).

Aber als er die führerlos dahintuckernde Riesenjacht des australischen Golfmillionärs Greg Norman entdeckt, denkt er: Was für eine fette Beute! Leider ist das Schiff so gruselig wie einst die menschenlos dahinsegelnde |Marie Céleste|: Schleimpfützen in leeren Kleidern allenthalben, vor denen es den beiden Mädels Jules und Fifi in Peters Gefolge graust. Doch kaum haben sie sich per TV über den Zustand der Welt aufgeklärt, als auch schon die Konkurrenz heranbraust, um Peter die fette Beute wieder abzujagen. Peter und seine kleine Crew müssen sich mit MGs und Raketenwerfer zur Wehr setzen …

Killer

Die Killerin erwacht in einem Pariser Krankenhaus. Caitlin Monroe, eine Amerikanerin, sollte hier unter der Tarnung einer Antikriegs-Aktivistengruppe den deutschen Al-Quaida-Sympathisanten Hans Baumer ausfindig machen und ausschalten. Stattdessen hat eine Explosion sie böse erwischt. Der Arzt sagt, sie habe eine schwere Gehirnerschütterung davongetragen. Diese stellt sich später als bösartiger Tumor heraus. Caitlin verrät sich, als sie perfektes Französisch spricht, obwohl sie diese Fähigkeit stets geleugnet hat. Monique, eine der Aktivistinnen, wird misstrauisch, also muss Caitlin sofort verschwinden. Denn die Zielperson ist Moniques Freund.

Doch gerade, als sie an der Krankenhausrezeption auschecken will, kommt es zu einem Zwischenfall. Der Kopf einer Frau neben ihr wird von einer Kugel zerfetzt! Sofort springt Caitlin in Deckung und nimmt die hysterische und hilflose Monique mit. Caitlins Killerinstinkte übernehmen das Kommando, und einen nach dem anderen schaltet sie die Angreifer aus, bis sie in einem gestohlenen Wagen flüchten kann. Doch wer waren diese Spezialagenten, fragt sich Caitlin aufgeregt, während sie die wimmernde Monique immer noch am Rockzipfel hängen hat. Es kann sich nur um französische Geheimagenten handeln, die gegen das amerikanische Killernetzwerk Echelon eingesetzt worden sind. Aber warum gerade jetzt? Steckt Al-Quaida jetzt mit dem Geheimdienst der Franzmänner unter einer Decke?

2. Teil: WOCHE EINS

Die Ordnung in Paris ist noch nicht zusammengebrochen, aber von ihrem Versteck in Caitlins Sicherer Wohnung aus können sie und Monique die Brände sehen und die Explosionen hören, die die Vorstädte in Schutt und Asche legen: Die Intifada der muslimischen Bewohner ist dort in vollem Gange. Die Giftwolke, die über der Stadt liegt und die Tauben vom Himmel fallen lässt, macht das Einkaufengehen zu einem lebensgefährlichen Unternehmen, denn der Regen verätzt die Haut. Die Giftwolke wurde von Amerika herübergeblasen, wo inzwischen die Großstädte in Flammen aufgegangen sind und Millionen Tonnen Giftgase freisetzten.

Aber Caitlin weiß, dass sie nicht bleiben kann. „Es ist noch nicht vorüber“, sagt sie Monique bei einem frugalen Mahl. Erstens wird sie immer noch vom Geheimdienst verfolgt – der ihre andere Sichere Wohnung am Montparnasse gefunden hat – und zweitens nähert sich die Welle der Gewalt, die sich zwischen faschistischen Skinheads und muslimischen Vorstadtkämpfern entlädt, inzwischen den zentralen Vierteln der Seine-Metropole. Caitlin hofft, in Großbritannien Unterschlupf zu finden, und bricht mit Monique auf, die ihre bisherige Welt untergehen sieht …

Der Reporter

Der Irakkrieg läuft schlecht, muss Bret Merton feststellen. Zwar haben die US-Truppen es bis in die Außenbezirke von Bagdad geschafft, doch jetzt passiert eine Katastrophe: Weil der Iran in den Krieg eintritt, müssen die Amerikaner ihre Luftunterstützung von den Bodentruppen abziehen und die Flugzeuge dem neuen Feind entgegenwerfen. Nackt und ungeschützt sehen sich die Soldaten um Bret Merton dem Artilleriefeuer der Republikanischen Garden ausgesetzt. Es dauert nur wenige Sekunden, bis ein Granateinschlag den Reporter durch die Luft wirbelt …

Der Ingenieur

In Seattle hat die Armee die Ausgangssperre verhängt. Das ist schon schlimm genug, findet Ingenieur und Stadtrat James Kipper. Plünderer werden schon wegen eines Kasten Biers standrechtlich erschossen, Straßenpenner wegen Verletzung der Ausgangssperre von Panzern abgeknallt. Solche Zustände hätte er sich vor einer Woche nicht mal träumen lassen. Aber selbst die Versorgung der Stadt steht auf der Kippe: Nur noch wenige asiatische Frachter wagen sich mit Heizöl und Lebensmitteln an die Westküste der USA. Womit sollen die Amis auch bezahlen, seit die Wall Street nicht mehr existiert und der Dollar kaum noch etwas wert ist? James‘ Frau Barbara will nach Neuseeland auswandern, doch das ist einfacher gesagt als getan …

Hawaii und Kuba

Admiral Richie ist mittlerweile der ranghöchste Offizier in den kümmerlichen Resten der amerikanischen Streitkräfte. Als Kommandeur des Pazifik-Raums ist er mit Oberst Musso in Guantánamo und anderen Offizieren übereingekommen, dass die Legislative wiederhergestellt werden muss. Und da das amerikanische Volk der Souverän ist, stellen dessen ranghöchste Vertreter die besten Kandidaten dar. Die Alternative wäre eine Militärdiktatur, und niemand will das – vorerst jedenfalls.

Als der Admiral, gebeugt von Trauer um seine Familie, das Hauptquartier von Gouverneurin Lingle in Honolulu aufsucht, fällt ihm als Erstes das furchtbare Durcheinander auf, das hier herrscht. Niemand scheint das Sagen zu haben. Die Reportermeute hat den hochgewachsenen Mann in der strahlenden Uniform jedoch sofort erspäht und gestellt. Ritchie muss Rede und Antwort stehen, was eigentlich los ist und was die Streitkräfte vorhaben. Dann erst geleitet ihn ein bemerkenswert unternehmungs- und entscheidungsfreudiger „Anwalt“ zur Gouverneurin. Ritchie trägt ihr sein Anliegen vor: Sie soll Präsidentin werden …

Mein Eindruck

Dies ist keine Science-fiction, auch wenn es vielleicht so aussieht. Aha, da vernichtet ein unerklärlicher „Effekt“ Nordamerika und die Geschichte, die wir vom Jahr 2003 geschrieben, verändert sich auf unerwartete Weise. Das ist jedoch reine Spekulation, wie sich im weiteren Verlauf zeigt. Mit einer wissenschaftlichen Erklärung des „Effekts“, wie sie eine SF-Geschichte anstreben würde, hat der Autor nichts am Hut. Der „Effekt“ ist so etwas wie ein MacGuffin, nur dass niemand danach sucht, sondern alle versuchen, sich damit abzufinden. Es kommt keineswegs unerwartet, dass der „Effekt“ am Schluss ebenso erklärungslos verschwindet, wie er gekommen ist.

Schachspiel ohne Dame

Deshalb geht es also nicht um den Auslöser der Katastrophe, sondern um deren Folgen, und die sind recht aufschlussreich. Auf einem Schachbrett wäre es ungefähr so, als würde man die weiße Dame ersatzlos aus dem Spiel nehmen, was schon recht schlimm ist. Nicht nur wird die weiße Mannschaft erheblich geschwächt, es müssen nun auch Ersatzleute gesucht werden, um das Vakuum zu füllen, sonst hat Schwarz leichtes Spiel. Während sich Weiß in aller Eile umgruppiert, suchen die Bauern im Spiel ihr Heil in der Flucht. Weit kommen sie dabei aber nicht.

Weiß wird von den USA und seinen spärlichen Überbleibseln repräsentiert, Schwarz von allen seinen Gegnern, als da sind die Iraker, die Iraner und die Kolumbianer unter Hugo Chavez. O ja, der Autor hat ein klares Feindbild. Und es ist leider gar nicht mal so abwegig, wie man sechs Jahre nach dem Jahr 2003 feststellen kann. Die Kolumbianer treten nicht als die edlen Soldaten auf, die auf die Einhaltung der Genfer Kriegskonvention achten, sondern als bessere Straßengang, der nichts heilig ist. Da die Chavez-Truppe nur die Sprache der Gewalt versteht, müssen die Amis den Kolumbianern wohl oder übel zeigen, wo der Hammer hängt und wer die meisten Atomwaffen besitzt, beispielsweise in U-Booten.

Anhand eines halben Dutzends Hauptfiguren entfaltet der Autor ein Panorama dessen, was nach dem Verschwinden Nordamerikas passieren könnte. Allerdings konzentriert er sich als Unterhaltungsschriftsteller, der sich an Tom Clancy orientiert, mehr an den oberflächlichen Aktionen als an den tiefgreifenden psychologischen Reaktionen. Dieses Vorgehen ist erstens spannender für den Leser, denn es passiert immer etwas, und zweitens bleibt den Leuten im Fall einer solchen globalen Katastrophe eh nur wenig Zeit, um sich über ihre eigenen Gefühle Gedanken zu machen. Sie haben nämlich meist dringender mit ihrem eigenen Überleben zu tun.

Interessant ist zumindest, auf welche Weise sich die Zivilisten weiterentwickeln. Da ist Jules alias Lady Julianna Balwyn, Sproß einer alten englischen Adelsfamilie, die nun mit ihrer Jacht zahlreiche Flüchtlinge aus Acapulco herausholt, das dem Untergang geweiht ist. Julianna wird zu einer Lebensretterin, die einen bedeutenderen Lebenszweck findet als nur Sex und Abenteuer.

Der Chronist

Bret Merton ist in erster Linie Chronist der militärischen Geschehnisse, erst im Nahen Osten, dann auch mitten in Paris, wo er für die BBC arbeitet (man muss ja seine Brötchen verdienen). Hier stößt er auf eine andere Hauptfigur, nämlich die Auftragskillerin Caitlin Monroe. Die von ihrem Tumor schwer gehandicappte Killerin im Auftrag des authentischen Geheimdienst-Netzwerks Echelon schleicht sich in genau jenes Haus in Paris Mitte, in dem sich Bret nach einem Raketenbeschuss in Sicherheit gebracht hat. Er muss feststellen, dass dies ein geheimer Al-Quaida-Schlupfwinkel ist. Seine Lage wird durch Caitlins Auftauchen und Eingreifen nicht gerade sicherer …

Dass sich Teile des französischen Militärs mit Al-Quaida verbünden, hat mich nicht wenig überrascht. Doch diese Leute scheinen noch aus Zeiten des Algerienkrieges zu stammen und für Frankreich nur in der Verbrüderung mit dem Islam eine Zukunft zu sehen. Kein Wunder, dass sie gegen die Partei Nicholas Sarkozys, des Innenministers, kämpfen müssen, der sich nun ausgerechnet auf deutsche Skinheads verlässt, um Feuer mit Wasser zu bekämpfen. Wenn er da mal nicht den Teufel mit dem Beelzebub austreibt.

Die Übersetzung

Die Übersetzung ist flott zu lesen und über weite Strecken fehlerfrei. Mit einigen Wörtern bin ich dennoch nicht einverstanden. So heißt es etwa auf Seite 283 „Atomsphäre“ – ein herrlicher Verdreher von „Atmosphäre“. Weniger lustig ist die Großschreibung von „weniger Wert sein als“ statt „weniger wert sein als“ auf Seite 51.

Auch mit der Großschreibung von „etwas zu Essen“ (S. 51 und 405) bin ich nicht einverstanden, denn auf S. 382 des DUDEN 24. Auflage steht eindeutig „jemandem zu essen geben“, wobei „essen“ kleingeschrieben ist, egal ob ein „etwas“ davor steht oder nicht.

Ein grober Schnitzer ist hingegen die Verwechslung, die auf Seite 293 passiert – und die möglicherweise auf das Konto des Autors geht. Die ganze Zeit lesen wir, dass Gouverneurin Lingle in Hawaii ihren Amtssitz hat, aber nun wird sie plötzlich nach Seattle verlegt. Wat denn nu? Wahrscheinlich sollte es einfach „Hawaii“ statt „Seattle“ heißen, denn eine „Gouverneurin von Seattle“ ergibt keinen Sinn, weil eine Stadt keine Gouverneurin, sondern eine Bürgermeisterin hätte.

Ansonsten muss ich loben, dass der Übersetzer sämtliche militärischen Rangbezeichnungen, von denen es nur so wimmelt, korrekt und einleuchtend übertragen hat, zumindest in den Augen eines Laien wie mir. Da er geht es mir wie dem Zivilisten James Kipper.

Unterm Strich

Wer jemals einen Roman von Tom Clancy gelesen und nicht als Verfilmung genossen hat, wird sich in „Der Effekt“ sofort wie zu Hause fühlen. Es gibt eine Menge militärischer und killermäßiger Action, was beim männlichen Publikum sicher für Unterhaltung sorgen dürfte. Doch die zivile Seite des Geschehens wird weder ausgeblendet noch unterbewertet, denn schließlich kommt der nächste Präsident der Vereinigten Staaten aus dem Stand der Zivilisten. (Man kann sich leicht denken, um wen es sich dabei handelt.) Auch die einst kriminelle Julianna Balwyn alias Jules spielt eine wichtige Rolle für mexikanische Zivilisten, ohne jedoch die kämpferische Action zu vernachlässigen. Es gibt zwar keine Liebesszenen noch nennenswerte Romantik, aber ich denke, auch weibliche Leser können diesen Handlungssträngen etwas abgewinnen.

Wie gesagt, ist dies kein SF-Roman, sondern nur eine Art Gedankenspiel: „Was wäre, wenn es die USA nicht mehr gäbe?“ Und zwar genau am Vorabend des Einmarsches in den Irak und in Afghanistan. Der „Effekt“ erlaubt es dem Autor, quasi ein Naturphänomen einzuspannen, um jede Menge Schaden anzurichten. Dadurch vermeidet er jede Art der Schuldzuweisung, wie sie bei einem Atomkrieg unvermeidbar wäre. Genauso gut könnte ein Asteroid einschlagen. Nur, dass ein Asteroid viel weniger Schäden erzeugen würde.

Es geht dem Autor also neben der rein menschlichen Handlungsebene um die indirekten Folgen des „Effekts“: Die USA brennen vollständig nieder, die Kernreaktoren schmelzen, Giftwolken verätzen jedes tierische Leben in Europa und östlich davon, wodurch die Nahrung für die Menschen knapp wird. Ähnliche Erscheinungen wie bei einem nuklearen Winter sind die Folge, was natürlich Hekatomben von Opfern nach sich zieht.

Endstation Seattle

Die Lösungen in dieser verzweifelten Lage sind deshalb von höchstem Interesse, und in Seattle als einziger verbliebener Großstadt der USA entscheidet sich exemplarisch das Schicksal der Amerikaner in aller Welt. Die entscheidende Frage, ob es jetzt eine Militärdiktatur geben wird, wird gottlob verneint, auch wenn dies manchem Leser ein wenig blauäugig erscheinen mag. Der Autor vermeidet diesen Eindruck. Es ist ein paar rührigen Machern wie etwa Bill Gates von Microsoft sowie dem Anwalt Jed Culver (und der verbotenen Résistance) zu verdanken, dass das Volk von Seattle wie 1989 die DDR-Bürger in Leipzig auf die Straße geht und den Kongressabgeordneten zeigt, wer in ihrer Stadt in Wahrheit das Sagen hat. Das fand ich eine akzeptable Wendung der historischen Entwicklung, denn sie beruht auf Präzedenzfällen.

Mein Leseerlebnis

Ich habe den dicken 750-Seiten-Wälzer in nur wenigen Tagen verschlungen, was doch für die gute Schreibe des Autors spricht. Für das niedrige Niveau an Psychologisierung, den hohen Gewaltanteil und die gelegentlich fehlerhafte Übersetzung gibt es jedoch Punktabzug.

Originaltitel: Without warning, 2009
Aus dem US-Englischen von Ronald Gutberlet
750 Seiten
ISBN-13: 978-3453526006

http://www.heyne.de

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