John Connolly – Der Pakt der Liebenden [Charlie Parker 8]

Ein buchstäblich dämonisches Pärchen jagt und tötet Liebespaare; Ex-Detektiv Charlie Parker findet heraus, dass dieses Duo auch im Rahmen seiner persönlichen Familientragödie eine zentrale Rolle spielte und ihn keineswegs vergessen hat … – In seinem achten Fall sieht sich Parker abermals mit Kriminellen und Geistern konfrontiert; die Mischung aus Thriller und Mystery ist längst nicht mehr neu (oder originell), wird aber routiniert und unterhaltsam auf den Weg zum Leser gebracht.

Das geschieht:

Weil seine Lizenz als Privatdetektiv kassiert wurde, arbeitet Charlie Parker als Barkeeper. Seine Lebensgefährtin hat sich von ihm getrennt, die gemeinsame Tochter sieht Parker seltener als ihm lieb ist. Dennoch ist sein Leben ruhiger geworden; aktuell jagt Parker keine dämonischen Serienkiller, die dem Gesetz durch die Maschen gerutscht sind. Er recherchiert deshalb in einer Privatangelegenheit, die ihn seit seiner Jugend beschäftigt.

Vor mehr als drei Jahrzehnten schoss sein Vater, der Polizist Will Parker, ein junges Mädchen und ihren Freund nieder. Sie waren unbewaffnet, weshalb niemand verstand, wieso der bisher unbescholtene und als ruhiger Zeitgenosse bekannte Mann diese Bluttat begangen hatte. Parker Senior trug nicht zur Klärung der Fragen bei, sondern jagte sich kurz nach dem Doppelmord eine Kugel in den Kopf.

Ohne dass es ihm bisher bewusst war, geriet Charlie Parker bereits damals ins Visier mächtiger, miteinander streitender und zum Teil buchstäblich überirdischer Mächte. Durch Zufall hat er vor einiger Zeit erfahren, dass die Frau, die ihn aufzog, nicht seine leibliche Mutter war. Parker will endlich Antworten. Er kehrt in sein Heimatstädtchen Pearl River zurück – und stört damit ein ohnehin labiles Gleichgewicht zwischen gefährlichen Kräften.

Zu ihnen gehören die „Liebenden“, ein dämonisches Duo, das junge Paare verfolgt und tötet. Der Tod kann sie nicht stoppen, da sie in neue Wirtskörper schlüpfen und ihr mörderisches Werk fortsetzen können. Aktuell haben die „Liebenden“ Parker ins Visier genommen – nicht zum ersten Mal, wie dieser herausfindet. Das gruselige Paar hat seine Spur wieder aufgenommen, ein Vorgang, der die Leben zahlreicher Unbeteiligter fordert. Parker will dies nicht länger dulden und versucht den „Liebenden“ eine Falle zu stellen …

Das Böse ist vom Leben unabhängig

Die Saga von Charlie Parker im Kampf mit den Mächten der Finsternis geht in die achte Runde. Man darf diese pompöse Umschreibung durchaus verwenden, denn Autor John Connelly hat keine Scheu, auf zwei Hochzeiten zu tanzen, deren Brautpaare sich eigentlich gar nicht vertragen dürften.

Die Parker-Serie startete als unglaublich intensive Studie über das Böse im Menschen. „Das schwarze Herz“ war ein Psycho-Thriller der Oberklasse, der sowohl die Seite des Schurken als auch die des Opfers ausleuchtete. Doch Connolly wollte mehr. Er gab seiner Serie eine Mythologie und schuf jenseits der Realität eine Dimension, die von Geistern und Dämonen bevölkert wird.

Diese sind nicht ausschließlich böse, mischen sich aber sämtlich gern in die Angelegenheiten der Menschen ein. Zunächst vorsichtig und weiterhin sachte geht Connolly auf gewisse Grundkonstanten dieser Parallelwelt ein. Er setzt dabei auf eine Doppelfrage, die nicht nur in der Bibel, sondern auch in den Schöpfungsgeschichten anderer Religionen eine wichtige Rolle spielt: Wie entstand die Welt, und wer bevölkerte sie ursprünglich? Die Mythologien hüllen sich in allegorisches Dunkel. Kraftvolle aber schattige Bilder sollen eine zum Zeitpunkt der Niederschrift bereits alte, überlieferte ‚Geschichte‘ verdeutlichen.

Mit wem teilen wir die Welt?

Connolly bedient sich bei vielen Religionen, wobei die Bibel eine gewisse Sonderstellung einnimmt. Hier ist es weniger der ‚offizielle‘, von der Kirche genehmigte Kanon, der ihn fasziniert. Der Autor nutzt die sogenannten „Apokryphen“ – Geschichten, die es nicht in die endgültigen Fassungen des Alten und Neuen Testaments geschafft haben, sondern zum Teil schon vor vielen Jahrhunderten von Kirchenlehrern aussortiert wurden.

In diesen Apokryphen geht es deutlich heftiger zur Sache, was die Gegenwart übernatürlicher Kräfte in der (Menschen-) Welt betrifft. Connolly leitet aus den Vorlagen eine parallele Historie ab, die sich aus religiöser Überlieferung speist aber eigentlich eine vergessene Realität widerspiegelt. In einer nicht näher definierten Urzeit bestimmten „Engel“, „Dämonen“ oder „Dschinns“ über die Erde und über die Geschicke der Menschen. Diese Wesen führten Krieg gegeneinander, schlossen Bündnisse und zerstritten sich wieder. Im Lauf der Zeit zogen sie sich zwar von der Welt zurück, ohne diese allerdings endgültig aufzugeben. Sie sind noch immer da und präsentieren einander alte, unbeglichene Rechnungen. Dazu bedienen sie sich gern der inzwischen allgegenwärtigen Menschen als Instrumente oder Wirtskörper.

Charlie Parker ist irgendwo in diesem komplexen Gefüge zu verorten. Am deutlichsten äußerte sich Connolly diesbezüglich in „Der brennende Engel“, der Parker als einen der Kriegerengel schilderte, die gegen Luzifer und sein Rebellenheer kämpften. Seitdem hat Connolly diesen Aspekt vorsichtig wieder zurückgenommen; er hat offensichtlich gerade noch rechtzeitig bemerkt, dass er in allzu absonderliche oder absurde Gefilde abzudriften begann.

Alte Hüter einer neuen Welt

So kämpft Parker inzwischen wieder verstärkt gegen ‚normale‘ Kapitalverbrecher. Die Mystery-Elemente setzt Connolly dosierter ein. Da er den einmal formulierten Basis-Mythos nicht vernachlässigen darf, kommt er aber regelmäßig darauf zurück. „Pakt der Liebenden“ ist in dieser Hinsicht beinahe ebenso esoterisch wie „Der brennende Engel“.

„Der Pakt der Liebenden“ zieht darüber hinaus eine Bilanz der Parker-Saga. Diese legt sich inzwischen wie Plaque über das Geschehen. Immer mehr Handlungszeit geht für die Beschäftigung mit der eigenen Vergangenheit verloren. Auch der Mittelteil von „Der Pakt der Liebenden“ zieht sich durch entsprechende Rückblenden und Erinnerungen sichtlich in die Länge.

Parkers Geschichte wird auch deshalb immer komplizierter, weil gewisse Figuren nicht mehr aus dem Geschehen genommen werden, sondern präsent bleiben. So kommt in „Der Pakt der Liebenden“ beispielsweise der „Kollektor“ einen Kurzauftritt. Wer ihn als Leser nicht kennt, hat Pech gehabt. Ohnehin ist die Kenntnis der Gesamt-Serie inzwischen unabdingbar. Ebenfalls zelebriert werden die üblichen Plänkeleien mit Parkers handzahmen Killer-Freunden Louis und Angel. Sie haben dieses Mal nichts zu tun, tauchen aber trotzdem auf, um ihre eigene Fan-Gemeinde nicht vor die Köpfe zu stoßen.

Dem Bösen die Stirn bieten

Vom Rächer in eigener Sache zum Spezialagenten Gottes … Wird es darauf hinauslaufen? Hoffentlich nicht, obwohl sich die Indizien mehren. Im Parker-Kosmos gibt es jetzt auch eine äonenalte und wachsame Geheimgesellschaft, die um die dämonischen Unterwanderungen weiß und deren Angehörige für die Wiederherstellung der universellen Ordnung sorgen. Parker ist wahlweise ein freier Mitarbeiter oder ein Köder. Auf jeden Fall verliert er seine Ausnahme- und Außenseiterposition, wenn er seine neuen Verbündeten nur anrufen muss, damit sie ihm wie im großen Finale zur Seite stehen.

Wie es für eine lange laufende Serie typisch ist, mehren sich nachträglich die Zeichen für Parkers Bestimmung. Ursprünglich war er ein Mann, der nach dem Verlust seiner Familie Serienkiller zur Strecke brachte. Dank „Der Pakt der Liebenden“ wissen wir, dass er schon seit seiner Geburt für Größeres bestimmt war und sich deshalb Geister und Dämonen die Klinken von Parkers Bleiben in die Hände (oder Klauen) geben.

Glücklicherweise ist John Connolly ein guter Erzähler mit einem Hang zu bizarren Finsterlingen. Weiterhin versteht er es, sein Publikum zu fesseln, auch wenn oft Routinen die Handlung kennzeichnen. Dies funktioniert auf jeden Fall besser als ein Experiment, das Connolly in Band 7 versuchte. Hier waren nicht Parker, sondern Louis und Angel die Hauptfiguren; ein Ansatz, den der Autor hoffentlich ad acta gelegt hat. Da der Erfolg ihm weiterhin treu ist, setzt Connolly seine Serie kontinuierlich fort. Ihre emotionale Wucht hat sie verloren. Spannend ist sie immer noch.

Autor

Obwohl er die Odyssee eines US-amerikanischen Privatermittlers beschreibt, wurde John Connolly 1968 im irischen Dublin geboren, wuchs dort auf, studierte und arbeitete (nach einer langen Kette von Aushilfsjobs) als Journalist (für „The Irish Times“), was er fortsetzt, obwohl sich der Erfolg als freier Schriftsteller inzwischen eingestellt hat. Die amerikanischen Schauplätze seiner Charlie-„Bird“-Parker-Thriller kennt Connolly aber durchaus aus eigener Erfahrung; schon seit Jahren verbringt er jeweils etwa die Hälfte eines Jahres in Irland und den Vereinigten Staaten.

Verwiesen sei auf die in Form und Inhalt wirklich gute Connolly-Website, die nicht nur über Leben und Werk informiert, sondern quasi als Bonus mehrere Gruselgeschichten und Artikel präsentiert.

Taschenbuch: 382 Seiten
Originaltitel: The Lovers (London : Hodder & Stoughton 2009)
Übersetzung: Georg Schmidt
ISBN-13: 978-3-548-28509-2
www.ullsteinbuchverlage.de

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