John De Lancie/Peter David: Ich, Q (Star Trek – The Next Generation)

An einem ungemütlichen Ort des Universums finden sich Jean-Luc Picard, Captain des Raumschiffs „Enterprise“, der Androide Data und Q, das (scheinbar) allmächtige Geistwesen mit ausgeprägtem Ego, wieder. Das Ende der Welt steht neuerlich bevor, und nur dieses ungleiche Trio kann es (vielleicht) aufhalten … – Aus dem Plot werden wenige Funken geschlagen; Q-Witzchen sollen die Handlung in Schwung halten bzw. ersetzen, doch seine Allgegenwart entlarvt den zynischen Witzbold als dauerschwätzenden Klamottenkomiker.

Das geschieht:

Ein mächtiger, an ein Schwarzes Loch erinnernder Mahlstrom tut sich auf, verschlingt Raum und Zeit gleichermaßen und zieht selbst weit voneinander entfernte Orte in Mitleidenschaft. Ganze Planeten werden vom Sog erfasst, ihre Bewohner an einen unbekannten Ort verschleppt, den Hieronymus Bosch (oder Tine Wittler) geschaffen haben könnte.

Drei sehr bekannte Persönlichkeiten geraten ebenfalls in den Bann des Phänomens. Captain Jean-Luc Picard gönnt sich einen erholsamen Urlaubstag auf dem Holo-Deck der „Enterprise“. Der Androide Data leistet ihm Gesellschaft, als eine unbekannte Kraft ihn und den Captain plötzlich in einen dunklen Abgrund zu ziehen droht. Am anderen Ende des Universums unternimmt Q, das scheinbar allmächtige Wesen aus dem gleichnamigen Kontinuum, mit seiner Familie einen Ausflug. Als sich der Mahlstrom auch hier auftut, kann Q trotz seiner gottähnlichen Macht weder seine ‚Frau‘ noch seinen ‚Sohn‘ davor bewahren, entführt zu werden. Ihm gelingt es lediglich, Picard und Data zu retten.

Wieder einmal sind sie vereint: der spöttische, überhebliche, sprunghafte Q und Picard, der vielleicht einzige Mensch, für den Q so etwas wie Respekt aufbringt. Im Q-Kontinuum sucht das Trio Zuflucht. Dort erfährt es, dass die anderen Q über das Phänomen Bescheid wissen: Es naht das Ende der Welt, die ihr entropisches Endstadium erreicht hat.

Die Q, die alle Wunder des Universums längst gesehen haben, fiebern diesem Ereignis und dem Abenteuer des eigenen Todes entgegen – bis auf Q, den ewigen Rebellen. Er will seine Familie retten und dem Schicksal Sand ins Getriebe werfen. Zu seinem Ärger muss sich Picard an der Seite des ungeliebten Störenfrieds gesellen, denn natürlich gedenkt auch er die Welt zu retten. Gemeinsam macht sich das Trio auf den Weg hinab in den Mahlstrom, wo freilich selbst Qs Allmacht nichts mehr ausrichten kann, er eine alte Feindin aus dem M-Kontinuum entdeckt und sogar auf Gott (der tatsächlich eine Frau ist) trifft …

Ein Franchise treibt Blüten

„Star Trek“ ist für Schauspieler ein Segen und ein Fluch gleichzeitig. Der Erfolg von bisher fünf Fernsehserien (plus Kinofilme, plus Zeichentrickserie …) hat einen modernen Mythos geschaffen, der weltweit eine ganze Industrie trägt und dessen Anhänger nach Millionen zählen. Wer hier einen Auftritt absolvieren kann, wird von den Fans als Teil des „Star-Trek“-Universums vereinnahmt und verehrt.

Das kann von Vorteil sein, denn viele Jahrzehnte „Star Trek“ haben schlüssig bewiesen, dass selbst eine Hauptrolle keineswegs das Sprungbrett für eine echte Karriere bedeuten muss. Irgendwie sind sie irgendwann alle zurückgekehrt in die Welt der Alpha-, Beta-, Gamma- und Delta-Quadranten, wenn es ‚draußen‘ mit dem Starruhm nicht recht klappte.

John De Lancie dürfte dem „Star-Trek“-Franchise dankbar sein; dies verrät schon der Blick auf die Liste der Filme und TV-Shows, in denen er üblicherweise auftritt (falls dies überhaupt jemals aufgefallen ist). Bereits in der ersten Episode der „Next Generation“ trat er als Q auf und kehrte mehrmals zurück, prägte dem großen Finale sein Zeichen auf und trieb später auf „Deep Space Nine“ und auf der „Voyager“ sein Unwesen. Der große Erfolg war nicht nur guten Drehbüchern zu verdanken, sondern auch und in erster Linie John De Lancie, der Q geformt und zu der Kultfigur gemacht hat, die ihm Lohn und (Gnaden-) Brot – siehe oben – auf den „Star-Trek“-Conventions sichert und immer sichern wird.

Ein Q kommt selten allein zu Wort

Zum Brot hat man gern auch ein wenig Butter, muss sich De Lancie gedacht haben, als er 1999 und noch viele Jahre vor dem „Star-Trek“-Reboot daran ging, seine Q-Popularität literarisch auszuschlachten. Dabei ist die Frage, in welchem Maße oder ob überhaupt er an „Ich, Q“ mitgeschrieben hat, absolut nebensächlich: Allein auf den Namen kam es an, wie schon William Shatner eindrucksvoll bewiesen hat. Ein Q-Roman, verfasst von Q: Das ist ein Pfund, mit dem sich auf dem heiß umkämpften Buchmarkt wuchern lässt. Wenn man dem verheißungsvollen Jungautor (oder ‚Ideenlieferanten‘) einen alten Hasen (hier Peter David) an die Seite stellt und gut dafür bezahlt, sich auf dem Titelblatt mit dem zweiten Rang zu begnügen, ist ein neuer Bestseller eigentlich schon geboren.

Gibt es unter solchen Voraussetzungen noch etwas Wesentliches zum Roman „Ich, Q“ zu sagen? Nun, der originellste Einfall blieb zweifellos dem Titel vorbehalten. Im Original ist das Wortspiel „I(ntelligenz) Q(uotient)“ – „I, Q“ – natürlich schöner als in der Übersetzung. Ansonsten erzählt das Buch zur Kultfigur die „Star-Trek“-übliche Geschichte vom seltsamen, noch nie da gewesenen Raumwunder, hinter dessen Kulissen bald die bekannte und seichte TV-Dramaturgie sichtbar wird.

Auf der Haben-Seite steht ein „Star-Trek“-Roman ohne „Enterprise“ und die seit Jahren wie auf Schienen agierenden Kommandocrew um Jean-Luc Picard. Weil dort seit Jahr und Tag die im Fernsehen vorgeprägten Rollen mit bitterem Ernst geboten werden, ist man froh, wenn auf diesen Schauplatz einmal verzichtet wird. Ganz mochten die Autoren freilich nicht auf bekannte Gesichter verzichten. Picard musste mit auf die Odyssee, weil er sich im Fernsehen immer so schön mit Q gestritten hat, und Data ist ohnehin ein Liebling des Publikums. In „Ich, Q“ müssen sich allerdings beide mit simplen Statistenrollen begnügen. Ihre Präsenz soll dem unsicheren Leser signalisieren, dass er sich noch immer im „Star-Trek“-Universum befindet.

Was hat uns Q zu sagen?

Das ‚Besondere‘ an „Ich, Q“ ist – wie der Titel ja bereits andeutet – die Person des Erzählers. Q übernimmt diese Rolle, und er tut es so, wie wir es aufgrund seiner TV-Persönlichkeit erwarten: aus- und abschweifend, respektlos, ohne besondere Rücksicht auf erzählerische Konventionen. Das hätte amüsant werden können, doch leider wird schon nach kurze Lektüre klar: Q ist nur ‚kultig‘, wenn er seine kurzen Gastauftritte im Fernsehen gibt. Ist man gezwungen, ihn länger zu ertragen, lösen sich sein erfrischend anarchisches Wesen und seine angedeutete (Fast-) Allmacht rasch in Nichts, endlose Schwadronaden und flache Kalauer auf.

Das Dilemma des Autorduos De Lancie/David erwies sich als unlösbar: Wie stellen wir ein gottähnliches Wesen dar, wenn wir doch ganz von dieser Welt sind und unsere ebenso ‚normalen‘ (lesenden) Zeitgenossen ihren Spaß daran finden sollen? Peter David gehört zu den absoluten Spitzenkräften jener Hausmannschaft die das Franchise zuverlässig mit handwerklich soliden und in den „Star-Trek“-Kanon eingepassten Geschichten beliefert. Er weiß, wie man auch eine Geschichte, die ‚nur‘ unterhalten (und möglichst viel Geld einbringen) soll, mit Schwung und Witz erzählt. Aber auch er ist mit „Ich, Q“, sichtlich ratlos geblieben. Seine Kunst blitzt immer wieder auf, aber es dominiert leider die unfreiwillige Entzauberung des geschwätzigen Q, der besser in seinem Kontinuum geblieben wäre. Und John De Lancie hat seinem Alter Ego keinen Dienst erwiesen.

Taschenbuch: 280 Seiten
Originaltitel: I, Q (New York : Pocket Books/Simon & Schuster, Inc. 1999)
Übersetzung: Andreas Brandhorst
ISBN-13: 978-3-453-17937-0
www.randomhouse.de/heyne

eBook: 925 KB
ISBN-13: 978-3-641-11716-0
www.randomhouse.de/heyne

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