John Fowles – Mantissa. Roman über Erotik

Amüsant: Der Schriftsteller im Clinch mit seiner Muse

Ein Mann erwacht unversehens in einem Krankhausbett. Nacheinander bekommt er Besuch von einer Gruppe weiblicher Gestalten, allen voran die strenge Dr. A. Delfie. Erst im Verlaufe der geschliffenen Dialoge à la Menippus stellt sich heraus, dass unser „Held“ ein Schriftsteller ist und mit den Musen seiner Schaffenskraft ringt, insbesondere mit Erato.

Der Autor

John Fowles ist einer der ganz großen in der angelsächsischen Literatur. John Robert Fowles (* 31. März 1926 in Leigh-on-Sea bei London, Country Essex; † 5. November 2005 in Lyme Regis) war ein britischer Romanautor, Erzähler, Dichter und Essayist, der als einer der ersten postmodernen Autoren die europäische und nordamerikanische Literatur des letzten Drittels des 20. Jahrhunderts maßgeblich beeinflusst hat. Mit Romanen wie „Der Magus“ und „Die Grille“ schuf er Klassiker der phantastischen Literatur. „Mantissa“ ist gegenüber diesen beiden Wälzern eine kleine Etüde, ein – im wahrsten Sinne des Wortes – Kammerspiel.

Werke

1963: The Collector; revidierte Version 1979; dt.: 1964 Der Sammler,
1964: The Aristos, Selbstporträt
1965: The Magus; revidierte Version 1977; dt.: Der Zauberer bzw. Der Magus, 1977 überarbeitet
1969: The French Lieutenant’s Woman; dt.: Die Geliebte des französischen Leutnants, 1970
1973: Poems (Einziger Gedichtsband)
1974: The Ebony Tower; dt.: Der Ebenholzturm, 1975
1974: Shipwreck; Fotoband; dt. Schiffbruch, 1976
1977: Daniel Martin; dt.: Daniel Martin, 1980
1978: Islands; Fotoband (Scilly-Inseln)
1979: The Tree; ein langes autobiographisches Essay über die Natur sowie die Kunst und das Schreiben, illustrierte Neuausgabe 2016

Deutsche Ausgaben

1980: The Enigma of Stonehenge; Fotoband
1982: A short history of Lyme Regis
1982: Mantissa; dt.: Mantissa, 1984
1983: Lyme Regis: Three Town Walks; revidierte Ausgabe 2003
1985: A Maggot, Roman; dt.: Die Grille, 1987
1985: Land, Fotoband engl. Landschaften
1990: Lyme Regis Camera; Bildband mit historischen Aufnahmen
1998: Wormholes – Essays and Occasional Writings
2003: The Journals – Volume 1, Tagebücher 1949 – 1965
2006: The Journals – Volume 2, Tagebücher 1965 – 1990
2012: Selected Poems mit zahlreichen bis dahin unveröffentlichten Gedichten

Handlung

Miles Green erwacht im Krankenhaus – ohne zu wissen, wie er hierherkam oder wer er ist. Er erinnert sich weder an seine Frau noch an seinen Beruf. Da verrät ihm die behandelnde Ärztin Dr. A. Delfie, dass die Gehirnzellen, die das Gedächtnis steuern, in enger Verbindung mit dem Teil des Gehirns stehen, in dem das Sexualverhalten gesteuert wird.

Sie stellt ihre Therapie ganz auf diese Tatsache ab. Dabei wird sie von der attraktiven farbigen Krankenschwester Cory unterstützt, die Miles besonders gut gefällt. Besser jedenfalls als die ganz in schwarzes Leder gekleidete Punkerin, die launische Griechin und die herrische Oberschwester, die ihn der Reihe nach besuchen. Und Miles hat vielerlei Damenbesuch auf seinem Zimmer – was offenbar mit seinem obskuren Beruf zusammenhängt und mit den schönen Künsten, die hierbei betrieben werden.

Mein Eindruck

Im Verlauf der hauptsächlich von Dialogen getragenen Handlung findet ein literarischer und hochgeistiger Guerillakrieg zwischen den Geschlechtern statt. Wie sich herausstellt, ist Miles Schriftsteller. Die Dialoge liefern ein Konfrontationsprotokoll voll bohrender, aber amüsant behandelter Fragen.

Die „launische Griechin“ ist natürlich die Muse Erato, die ja für die erotische Literatur zuständig ist. Schnippisch zieht sie über ihre acht Schwestern her. Mnemosyne ist für die Erinnerung zuständig – sie könnte sich in der Oberärztin verbergen.

Oder ist in Wahrheit alles nur Einbildung? Denn Erato scheint auch als Punkerin aufzutauchen und als Schwester Cory. Mal ist Erato da, doch sogleich wieder verschwunden. Diese Phänomene könnten die eines sehr lebhaften und unterhaltsamen Traums sein, in dem sich der Schriftsteller – das Alter Ego des Autors – mit dem Zusammenhang zwischen Kreativität und Erotik auseinandersetzt. Es ist eine Satire in der Tradition des Menippus (https://de.wikipedia.org/wiki/Menippos_von_Gadara), und darüber gibt es sogar eine literaturwissenschaftliche Arbeit.

Hinweis zum Titel

Als „Mantisse“ bezeichnet man die Ziffernstellen einer Gleitkommazahl vor der Potenz. Beispiel: Bei der Zahl 2,9979 hoch 108 ist 2,9979 die Mantisse.

Das Wort kommt aus dem Latein, wo es Zugabe, Gewinn bedeutet. Siehe Mantisse.

taschenbuch: 176 Seiten
Originaltitel: Mantissa, 1982
Aus dem Englischen von Eva Bornemann
ISBN-13: 9783548602790

https://www.ullstein-buchverlage.de/

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