John Norman – The Captain. Hour of the Wolf (The Telnarian Histories 2)

Science Fiction trifft Fantasy trifft Erotik

Im 2. Band des Zyklus „The Telnarian Histories“ wird die Handlung aus „The Chieftain“ nahtlos fortgesetzt. Die feindlichen Otungen nehmen die Herausforderung des Wolfungen-Häuptlings Otto, vormals der Gladiator Dog, an, um eine Schmach zu tilgen. Es kommt zu einem merkwürdigen Zweikampf, der jedoch abrupt endet, als die Truppen von Ortogs Vater Abrogastes auftauchen. Verschiedene Dinge werden daraufhin geklärt. Auf der Sommerwelt des Imperiums soll Otto ein Hauptmannspatent erhalten – daher der Buchtitel „The Captain“ – doch man stellt ihm eine tödliche Falle, um dies zu vereiteln. Wer jetzt an den Germanen Arminius denkt, der es im römischen Heer zum Offizier und Ritter gebracht hat, denkt, liegt ziemlich richtig.

Der Autor

In seinem bis dato 35 Bände umfassenden Gor-Zyklus erzählt der amerikanische College-Professor John Norman (eigentlich John Lange) die Abenteuer von Menschen auf der Welt Gor, einem Planeten, der sich in seiner Umlaufbahn um unsere Sonne der Erde genau gegenüber befindet. Gor ist somit eine Art Zwillingswelt, allerdings weitaus wilder, altertümlicher, wenig erforscht und von zwei Alienspezies umkämpft, den auf Gor im Verborgenen herrschenden Priesterkönigen und den sie bedrängenden Kurii. Raumschiffe der Priesterkönige verkehren zwischen Erde und Gor: Sie bringen geheime Technik, Gold und entführte junge Damen auf die Gegenerde.

Die Telnarischen Historien hingegen haben nichts mit Gor zu tun, außer dass es hier ebenfalls Barbaren und schöne Sklavinnen gibt. Außerdem gibt es hier ein Galaxien umspannendes Imperium, das wie jenes von Ar um seinen Fortbestand ringt. Science Fiction trifft Fantasy.

Der Zyklus

The Chieftain (1991)
The Captain (1992)
The King (1993)
The Ursurper (2015)
The Emperor (2015)

Handlung

Der zweite Band der Telnarischen Historien führt drei Handlungsstränge parallel, in denen der Aufstieg Ottos und die Sklavenausbildung der in Band 1 eingeführten Gerichtsbeamtin aufgezeigt werden.

Die Sommerwelt

Der Wolfungen-Häuptling Otto und der imperiale Marineoffizier Julian sind zur Welt geflogen, auf der der Imperator des Telnarischen Reiches den Sommer zu verbringen pflegt. Langsam begeben sie sich durch die Stadt zum riesigen, ausgedehnten Palast vor. Julian hat seinen Einfluss als naher Verwandter geltend gemacht hat und eine Audienz für sich und Otto erhalten. Er hat vor, Otto zum Befehlshaber einer Prätorianergarde vorschlagen zu lassen, um die bröckelnden Grenzlinien des Reiches besser schützen können.

Gleich bei ihrer Ankunft haben sie die Sklavin, die früher Gerichtsbeamtin auf Terennia gewesen war, in die Ausbildung eines Kenners gegeben. Der zweite Handlungsstrang beschreibt ihren Werdegang. Ob wohl aus der hochnäsigen Schönheit jemals eine perfekte Sklavin für Otto werden kann?

Im kaiserlichen Palast müssen Otto und Julian zu ihrem erstaunten Missvergnügen stundenlang warten, überwacht von Kameras, in Acht vor möglicherweise vergifteten Erfrischungen. Unterdessen erinnert sich Otto an das, was sich auf der Zweikampfwelt begab, nachdem Ortog seine Herausforderung angenommen hatte…

Der Zweikampf

(Rückblende) Die Otungen haben Ottos Herausforderung angenommen und ihn zu einem Treffpunkt befördert. Otto wird nur von Julian, dem jungen Marineoffizier, den Otto freigelassen hat, begleitet. Sie sind in Lumpen und Felle gekleidet und machen nicht allzu viel Eindruck. Der Otungen-König Ortog scheint Gericht über die Verräter zu halten, die ihn dem Imperium ausgeliefert hatten, und zwar sehr blutig. Die Priesterinnen hängen die Opfer auf und schneiden ihnen die Halsschlagadern auf. Das aufgefangene Blut fangen sie auf und speichern es. Die Oberpriesterin heißt Huta und ist Ortogs spirituelle Beraterin, eine Art weiblicher Rasputin.

Im Zelt des Königs wird die Berechtigung von Ottos Behauptung, dass er Prinzessin Gerune, Ortogs Schwester, nackt zu seinen Füßen liegen hatte, bestätigt. Die Schmach des Königs ist unglaublich, und wäre sie nicht seine Schwester, würde er sie auf der Stelle versklaven und verkaufen. Statt dessen demütigt er sie und bietet sie als Semi-Sklavin Otto und Julian an. Das ist jedoch eine List. Gerune ist sauer auf ihren Bruder und warnt die zwei Gäste, die Gerune freilassen und nicht anrühren.

Am übernächsten Morgen – ohne Essen – findet der Zweikampf statt. Doch Ortog durfte einen Streiter wählen, und wie sich herausstellt, handelt es sich dabei um zehn (!) debile Klone, die Huta gezüchtet hat. Die Wahl der Waffen ist ebenfalls Ortog überlassen und entpuppt sich als eine ebenso fiese Überraschung…

Mein Eindruck

Die Handlung wartet zum einen mit einigen der üblichen Norman’schen Überraschungen auf: Intrigen, Überfälle, Spione und so weiter, doch diesmal wird wenigstens keine hilflose Sklavin als Doppelgänger oder dergleichen benutzt (das kommt in Band 4). Tatsächlich sind die Kampfhandlungen, also die Action, ziemlich spärlich, obwohl anfangs – unter Ortogs Vater Abrogastes – eine Menge Blut fließt.

Dafür kommt jeder Leser, der sich für das Schicksal von jungen Frauen begeistern kann, die zu Sklavinnen gemacht oder als solche trainiert werden, voll auf seine Kosten. Tatsächlich haben wir es hier sogar fast mit einem halben Dutzend solcher Schönheiten zu tun. Die Gerichtsbeamtin aus Band 1 heißt nun Flora, und die vormalige Otungen-Prinzessin Gerune, die einen Krieg auslöste, heißt nun einfach Gerune. Hinzukommt noch eine adlige freie Frau, Renata, die sich dem starken Otto zu Füßen wirft. Sie hat ihr aktionsloses Drohnendasein satt und möchte lieber einem starken Mann bis zur Selbstaufgabe dienen. Diese Sprüche kennt man ja schon zur Genüge aus den GOR-Romanen. Fehlt noch Sklavin Nummer vier.

Der Mittelteil

Der aktionsarme Mittelteil – Otto und Julian warten auf die Zustellung des Offizierspatents für Otto – wird durch eine scheinbar zwecklose Nebenfigur dominiert, nämlich den Bräutigam von Flora. Er ist Finanzbeamter und heißt Tuvo Ausonius. Mit der früheren Gerichtsbeamtin – jetzige Flora – teilt er die Eigenschaft, ebenfalls ein „Gleicher“ zu sein, das heißt, er leugnet die Unterschiede zwischen den Geschlechtern, kleidet und verhält sich entsprechend.

Doch auf dem Flug von seiner Heimatwelt Miton zur Sommerwelt fällt ihm eine Stewardess auf, die sich nicht an die Vorschriften hinsichtlich der Kleidung in Gegenwart von „Gleichen“ hält. Er nutzt dies schamlos aus, um sie zu demütigen. Sie jedoch lässt sich das gefallen, weil sie nicht ihren Job verlieren will. (Später erläutert sie, dass sie für diesen Flieger überhaupt nicht qualifiziert ist. Das heißt, diese Begegnung ist von vornherein eine abgekartete Sache, und Tuvo Ausonius verhält sich wie vorausgesehen. Die Identität der Drahtzieher und Hintermänner wird später klar.)

Der weitere Verlauf der Geschichte berichtet, wie Tuvo versucht ist, die Stewardess Sesella Gardner zu seiner Sklavin zu machen, sie bei der Polizei meldet, woraufhin Sesella als unlizensierte Prostituierte festgenommen wird. In einer abgekarteten Gerichtsverhandlung unter Vorsitz eines Maskierten (Vorsicht: Hintermann!) wird Sesella zur Sklaverei verurteilt, was sie natürlich hart trifft, doch auch Tuvo kriegt sein Fett ab. Das Wort „Sklave“ fällt zwar niemals, doch darauf läuft es für ihn ebenfalls hinaus: Will er nicht, dass seine Unterschlagungen etc. auffliegen, so müsse er dem Maskierten bedingungslos dienen. Diese Erpressung lässt ihm keinen Ausweg, als beim teuflischen Plan mitzuwirken, der die Ermordung Ottos zum Ziel hat.

Finale

Nach einigem Hinundher mit den diversen Sklavinnen – insbesondere Flora und Sesella – kommt es also doch noch zu etwas Action. Die letzte Zeile rechtfertigt dann doch noch eine Fortsetzung: „The King“.

Unterm Strich

Was diesen Roman grundlegend von seinem Vorgänger unterscheidet, ist die zunehmende Abwesenheit jener langatmigen Kommentare, die in Band 1 den Lesefluss so häufig aufgehalten haben. An ihre Stelle tritt aber eine ebenso unwillkommene Monotonie des Stils: Das letzte Drittel besteht praktisch nur noch aus aneinander gereihten Dialogen. Offenbar musste der Autor hier kürzen, um die vorgegebene Anzahl von Seiten (gemessen in Wörtern) nicht zu überschreiten.

Ein klarer Fall, in dem die „Kunst“ – soweit bei einem Norman-Roman von „Kunst“ die Rede sein kann – zu einem Opfer des Kommerzes wurde. (Womöglicherweise wusste der Autor aber auch schon von der Entscheidung des neu eingewechselten Verlagslektors, seine Bücher nicht weiter zu verlegen – der politische Wind hatte sich gedreht. Angelegt auf fünf Bände, war vorerst mit Band 5 Schluss, nicht ohne Folgen für den Inhalt.)

Am Schluss ist der Leser froh, diesen Band hinter sich zu haben. Das Buch weiß nicht zu begeistern und wiederholt nur die Stereotypen, die man aus den späten GOR-Romanen kennt, die aber dennoch weitaus besser konstruiert sind als dieser Schund.

Die Abenteuer von Otto, dem Barbaren gehen zwar in drei weiteren Bänden weiter, doch stehen sie nicht mehr im Mittelpunkt des Berichtes. Vielmehr drehen sich die meisten Szenen um das Schicksal von vier schönen Sklavinnen, so dass für einen hohen Anteil an S/M- und Bondage-Erotik gesorgt ist. Es gibt hie und da noch Action, doch diese wird von den Damen in den Hintergrund gedrängt. Sie sorgen immerhin für ein wenig Psychologie.

Wenigstens verschwinden die lästigen Kommentare und Erklärungen zunehmend, so dass schließlich nur noch Dialogszenen vorhanden sind. Somit ist „The Captain“ lesbarer als etwa „The Chieftain“, doch begeistern kann sich für diesen Schund wohl nur ein John-Norman-Fan.

E-Book: 293 Seiten
Originaltitel: The Telnarian Histories: The Captain, 1992;
O-Verlag: Questar/ Warner Books, 1992
ISBN-13: 978-0446362542

Questar Books (vormals Warner, jetzt ein inaktives Imprint der Hachette Group)
http://hachettebookgroup.com/

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