Joshua Palmatier – Die Assassine. Geisterthron 01

Eine Meister-Assassine: rasante Action-Fantasy

In den Palästen und Hallen Amenkors herrscht trügerischer Friede, doch in den Gassen der Slums leben die Menschen in Armut und Verbrechen. Als obdachlose Waise hat das vierzehnjährige Mädchen, das Varis, Jägerin, genannt wird, gelernt zu kämpfen. Dabei hilft ihr eine besondere Gabe: Sie kann die wahre Natur der Menschen spüren: Unschulkdige sind grau, Schuldige rot. Einfach, oder?

Eines Tages tritt ein Assassine der Regentin, die auf dem Geisterthron sitzt, an Varis heran und bietet ihr Arbeit an: Sie soll die Verbrecher, die die Regentin tot sehen will, aufspüren. Doch was soll Varis tun, wenn sie erkennt, dass selbst in den Guten das Böse wohnt und sich Grau mit Rot vermischt?

Der Autor

Joshua Palmatier wurde in Couderspot, Pennsylvania, geboren und lebte als Jugendlicher in diversen Staaten der USA, da sein Vater beim Militär war. Er ist promovierter Mathematiker und unterrichtet an einer Universität in New York. Palmatier schreibt seit seiner Jugend und hat bereits viele Fantasy-Romane veröffentlicht.

„Die Assassine“ ist sein erster Roman und zugleich der Startband der Geisterthron-Trilogie.

1) Die Assassine (08/2009)
2) Die Regentin (01/2010)
3) Die Kämpferin

Weitere Titel:

Stadt des Lichts
Sturm der Magie
Die gefallene Welt

Mehr Infos auf der Website des Autors: http://www.joshuapalmatier.com/

Handlung

Seit der Sturm des unsichtbaren magischen Feuers durchs königliche Amenkor gefegt ist und wieder verschwand, hat sich die Hafenstadt verändert; Krankheit, Wahnsinn und Tod griffen um sich. Aber manche Menschen haben magische Gaben entwickelt, Menschen wie das vierzehnjährige Mädchen, das nun, sechs Jahre später, als obdachlose Waise in einem Schlupfwinkel in der Unterstadt haust und sich mit Diebstahl durchs Leben schlägt. Seitdem ein Gardist sie vergewaltigen wollte und sie ihn tötete, besitzt sie einen ausgezeichneten Dolch, den sie ohne Zögern einzusetzen weiß.

Die Unterstadt wird der Siel genannt, und in manchen engen Gässchen gibt es überhaupt kein Licht. Hungrig folgt das Mädchen leise einer Frau, die einen Korb voll Kartoffeln trägt. Da hört sie plötzlich, wie ein Kerl über die Frau herfällt, sie vergewaltigt und erdrosselt. Erst nachdem sie, vor Entsetzen starr, gewartet hat, wagt sich das Mädchen zu der Leiche. Doch zu früh: Der Mörder hat auf sie gelauert und wirft seine Würgeschlinge nun um ihren Hals! Nur die Dolchklinge, die sie zwischen Schlinge und Hals stecken kann, bewahrt sie vorm Ersticken. Sie kann den Strick zerschneiden und den Mann mit einem gezielten Stich töten.

Während sie noch röchelnd dahockt, hört sie eine beifällige Stimme: „Beeindruckend.“ Es ist ein Gardist, der selbst als Assassine der Regentin hinter dem Mörder her war. Er bietet ihr Arbeit an: Sie soll für ihn Verbrecher aufspüren. Er nennt sie „Varis“, die Jägerin. Ein Name, der so gut ist wie jeder andere. Doch kann sie ihm trauen? Ihr untrügliches Bauchgefühl sagt ihr, dass er einer der Guten ist. Nachdem sie den Tag wieder mit Diebstahl und Gewalt verbringen musste, findet sie sich am bezeichneten Treffpunkt ein: Erick hat Brot, Käse und sogar Orangen mitgebracht. Während sie hungrig das Essen in sich hineinschlingt, erklärt Erick, was er von ihr erwartet.

Er bezeichnet eine Zielperson, einen hakennasigen Mann, den sie beschattet. Als sie Erick nachts zu dessen Schlupfwinkel führt, entdeckt sie, dass Erick in eine Falle läuft: Ein zweiter Kerl ist ihm gefolgt. Schnell eilt sie in den verfallenen Bau und kommt gerade noch rechtzeitig, um Erick vor dem zweiten Mörder zu retten. Sie sticht unkontrolliert auf den Kerl ein, den sie getötet hat. Erick ist klar, dass er ihr eine bessere Kampftechnik beibringen muss. Dann ritzt er den beiden Toten das Zeichen des Geisterthrons auf die kalte Stirn.

Ihr nächster Auftrag ist folgenreicher. Sie beobachtet einen weiteren Vergewaltiger und Mörder, schleicht ihm nach, entdeckt die Leiche des Mädchens. Doch obwohl ihr Bauchgefühl sie eindringlich warnt und ihr total schlecht ist vom Geruch des Bösen, erfüllt der Anblick des missbrauchten und ermordeten Mädchens sie mit solcher Wut, dass sie dem Killer nachschleicht, ihn stellt und ihm das Messer in die Brust stößt. Nicht ins Herz, denn er soll die Rächerin ansehen, während das Leben ihn verlässt.

Doch sie wurde beobachtet, von einem anderen namenlosen Straßendieb, den Varis immer nur das „Blutmal“ nennt und mit dem sie schon mehrmals aneinandergeraten ist. Als sie Erick zu der Leiche des Mörders führt, beschuldigt Blutmal sie des Mordes. Erick ist ungerührt, sondern packt den vorwitzigen Sprecher, befiehlt ihm zu schweigen. Dann muss Varis alles ganz genau erzählen. Erick weist sie an, das Zeichen des Geisterthrons in die Stirn des Toten zu ritzen. Mit zitternden Händen tut sie es, denn sie erinnert sich an den Grund, aus dem sie ihn tötete. Sie ist nun eine von Ericks Leuten. Und als Blutmal ebenfalls für ihn arbeiten will, fühlt sie einen Stich der Eifersucht, doch für Einwände ist es bereits zu spät. Na, das kann ja heiter werden.

Schon der erste Auftrag wird ein Fiasko, denn es erweist sich, dass Blutmal Genuss an der Ermordung von Opfern empfindet, und das stößt Varis ab. Sie muss ihm sogar helfen, gegen sein Opfer, das sich gegen ihn wendet, zu überleben. Dennoch beansprucht er die Leiche für sich. Dass Erick den Jungen nicht zurechtweist, verstört Varis. Noch schlimmer wird es beim nächsten Auftrag. Varis, die gekundschaftet hat, merkt bei der Beobachtung des Paares, das die Regentin als Opfer bezeichnet hat, dass die Frau, Mari, von dem Mann, Rec, tyrannisiert wird. Blutmal kommt Varis und Erick zuvor und tötet – waren sie denn nicht beide als Opfer bezeichnet?

Varis sagt zum ersten Mal, dass sie zwischen Guten und Bösen unterscheiden kann. In der Zwischenwelt, in die sie schlüpfen kann – den „Fluss – erscheinen die Guten als grau, die Bösen als rot. Doch Menschen wie Erick vereinen beide Farben in sich, und das findet Varis verwirrend. Doch auch Erick befindet sich in einem Konflikt: Nur wenn sich die Regentin geirrt hat, war Mari ein unschuldiges Opfer. Und zu behaupten, dass sich die Regentin irren kann, ist Hochverrat.

Dennoch entlässt er Blutmal aus seinen Diensten. Das nimmt der Junge seiner Kollegin sehr übel und rächt sich an ihr auf schreckliche Weise…

Nachdem dieser Zweikampf sein tödliches Ende genommen hat, gibt es für Varis kein Bleiben mehr im Siel und bei Erick, und sie muss lernen, im wahren Amenkor zu überleben. Sie ist kaum überrascht, als sie merkt, dass es auch unter den feinen Leuten Mörder und Diebe gibt…

Mein Eindruck

Dieser Roman ist dermaßen actionreich und spannend erzählt, dass ich nur zwei Tage brauchte, ihn zu lesen, denn meine Augen klebten fast an den Sätzen. Ich denke, die Lektüre der 380 Seiten ist locker in nur einem Tag zu schaffen.

Zarte, romantisch veranlagte Gemüter seien dringend vor der Lektüre gewarnt, denn hier gibt es so viele Leichen wie in einem Italo-Western. Aber die Tötungen erfolgen nie um ihrer selbst willen; die meisten sind sogar so grausig geschildert wie die Todesfälle in Clint Eastwoods Western „Erbarmungslos“. Und genau das ist der Knackpunkt der Geschichte, der Sinn des Buches.

Sinnvolle Morde?

Bevor Varis Erick kennenlernt, hat sie lediglich zum Selbsterhalt getötet, und zwar einen Exgardisten, der sie vergewaltigen wollte – justament in dem Augenblick, als die erste Welle des Weißen Feuers über Amenkor hinwegrollte. Diese geheimnisvolle Magie veränderte etwas in Varis’ Innern, so dass sie zur Selbstbehauptung imstande war und den Mann töten konnte. Die Tötungen an den Opfern, die die Regentin bezeichnet, sind eine völlig andere Sache. Varis, Erick und Blutmal sind die private Meuchelmördertruppe, um unliebsame Zeitgenossen, die Amenkors Bevölkerung bedrohen, zu beseitigen. Sie dienen also dem Schutz der Stadt, heißt es.

Doch auch dies kann nicht alles sein, wie der falsche Mord an der unschuldigen Mari zeigt. Die Regentin muss sich irren und folglich wahnsinnig sein. Varis ist nicht die einzige, die diesen Verdacht hegt. Als sie Erick nachspioniert, muss er die Palastwache passieren. Eine der Wachen erwähnt, dass die Regentin nicht mehr ganz richtig im Kopf sein könnte, denn der Geisterthron habe ihr den Verstand verwirrt. Erick weist den Mann zwar zurecht, beweist aber nicht das Gegenteil. Varis denkt zunächst, diese Angelegenheit könne ihr einerlei sein, doch dies erweist sich als Irrtum.

Wie erwähnt, gibt es auch auf den Docks und den Märkten Amenkors Morde. Daher hält es der Kaufmann Borund für angebracht, sich einen Leibwächter zuzulegen, wie es sein Standeskollege Carl bereits tut. Weil er beobachtet hat, wie Varis auf den Docks mit ihrer Fertigkeit mit der Klinge einen Räuber ins Jenseits befördert hat, will er sie engagieren. Obwohl sie zunächst ablehnt, sich in so ungewohnte Umgebung zu begeben und fürs Morden Geld anzunehmen, bewahrt sie Borund vor dem Dolchstoß eines von Carl gedungenen Mörders. Klar, dass sie jetzt engagiert ist.

Tyrannenmord

Als sie für Borund Carl nachspioniert, findet sie heraus, dass die Morde an vier anderen Händlern dazu dienen, ein Kartell von Carl-treuen Händlern zu errichten. Borund ist dabei nur im Wege, und es wird weitere Attacken geben, soviel ist klar. Doch auch der Mord an Carl, eine Art Nothilfe für Borund, stoppt den unaufhaltsamen Abstieg der Stadt nicht. Der Winter steht bevor, die Vorräte werden knapp, doch die Regentin verbietet, dass die Schiffe auslaufen dürfen, um Nachschub heranzutransportieren. Es wird zu einer Hungersnot kommen, der die Hälfte der Bevölkerung zum Opfer fallen könnte, auch durch die Seuchen.

Borund kann nichts gegen die Regentin, die Amenkor in den Untergang treibt, unternehmen, wenn er sich an den Hauptmann der Garde hält. Doch es gelingt ihm, zum Oberhofmarschall Avrell vorzudringen, der von den Neuigkeiten aus der Stadt überrascht ist. Baille hat ihn nicht informiert. Zusammen schmieden Avrell, Borund und schließlich auch Erick ein Komplott, um die wahnsinnig gewordene Regentin zu beseitigen und die Stadt vor dem sicheren Untergang zu bewahren. Folgender Satz von Varis ist das Zentrum der Moral der Geschichte: „Jemand, der den Unterschied zwischen Gut und Böse, zwischen Schuldigen und Unschuldigen nicht kennt, sollte nicht auf dem Thron sitzen.“ (Seite 344) Dies ist seit griechischen und römischen Zeiten die einzige legitime Rechtfertigung für Tyrannenmord.

Doch wer soll eine so verschlagene Regentin töten, die mit den geheimnisvollen Mächten des Geisterthrons im Bunde steht und an allen Wachen vorbeizuhuschen vermag? Nur jemand wie Varis, der über die gleichen Kräfte verfügt…

Geniales Finale

In der Anbahnung des Höhepunktes zeigt sich die erzählerische Meisterschaft des Auors – und das bereits im Debüt! Der Roman beginnt nämlich nicht mit der Biographie der Heldin, denn deren Lebensgeschichte wird in die Hauptgeschichte eingeflochten. Nein, das Buch fängt mit Varis’ Eindringen in den Palast an, und erst in einzelnen Fortsetzungen können wir verfolgen, wie es Varis gelingt, zum Thronsaal vorzudringen. Dabei gilt es verschiedene Hindernisse zu überwinden und verräterische Gespräche zu belauschen.

Doch den Schluss und den Höhepunkt des Romans bildet das Aufeinandertreffen von Varis und Regentin in der unmittelbaren Nähe des Geisterthrons. Dieses Artefakt trägt seinen Namen völlig zu Recht, denn es scheint sich um ein die physikalische Wirklichkeit verzerrendes Objekt zu handeln, dessen Innenleben bislang schon viele Regentinnen in den Wahnsinn getrieben hat. Kann Varis gegen diese Kräfte bestehen, und welchen Plan verfolgt die Regentin, die offenbar ihre eigene Mörderin hierhergelotst hat? Dies soll nicht verraten werden.

Schwäche

Die einzige Schwäche im Plot, die mir aufgefallen ist, ist das zufällige Aufeinanderprallen der erwachsen gewordenen Varis mit ihrem früheren Lehrmeister Erick irgendwo in den Docks. Es ist eine glückliche und womöglich folgenreiche Wiederbegegnung, doch herbeigeführt wird sie wohl mehr vom Willen des Autors als durch die Wahrscheinlichkeit der Umstände.

Die Übersetzung

Die Übersetzung durch Michael Krug ist stilistisch und sprachlich sehr gelungen und makellos – wären da nur nicht hin und wieder ein paar Druckfehler, die zu falsch geschriebenen Wörtern führen. Aber keiner dieser Fehler ist sinnentstellend und somit kein Problem.

Unterm Strich

Selten flattert mir ein derartig spannender und überzeugender Fantasyroman auf den Redaktionstisch. Ich habe den Roman in nur zwei Tagen ausgelesen, denn ich wollte unbedingt wissen, wie die Geschichte Amenkors und Varis ausgeht. Das Buch ist für einen Debütroman erstaunlich geschickt erzählt und hält den Leser mit erzählerischen Kniffen wie etwa einer scheibchenweise erzählten Palastinfiltration bei der Stange. Dieser Erzählstrang führt dann endlich zum erhofften Höhepunkt, dem Finale, das in mehreren Details dennoch zu überraschen weiß.

Allerdings soll nun nicht der Eindruck vermittelt werden, dass es im Buch um die Räuberpistole eines Meuchelmörders geht. Das wäre grundfalsch. Spannung und Action tragen zwar viel zur Unterhaltung bei, würden aber alleine längst nicht überzeugend wirken. Dazu ist die komplette, in Rückblenden erzählte Lebensgeschichte der Hauptfigur Varis nötig, ebenso wie die Geschichte ihrer zahlreichen Niederlagen und Auseinandersetzungen um Gut und Böse. Sie – und der junge Leser tut es mit ihr – erarbeitet sich einen Begriff von dem, was Gut und Böse ist, was Schuld und Unschuld bedeuten. Kurzum: eine Ethik des Handelns und Beurteilens.

Der romantisch veranlagte Leser sei gewarnt: Hier gibt es kaum jemals Romantik, und wenn es zwischen Varis und Erick, ihrem Lehrmeister und Auftraggeber, je so etwas wie emotionale Anwandlungen gibt, so sind sie bald verflogen. Schließlich sagt sie zu ihm: „Ich brauche dich nicht mehr, um mich zu beschützen.“ Aber schließlich braucht er sie, um ihn vor dem sicheren Tod von der Hand mehrerer Meuchler zu bewahren. Kann es Liebe unter Mördern geben – das wäre eine gute Frage, die in der Fortsetzung zu beantworten wäre.

Taschenbuch: 380 Seiten
O-Titel: The skewed throne, 2006;
Aus dem US-Englischen von Michael Krug.
ISBN-13 9783785760130

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