Judith Merchant – Die Lügen jener Nacht

Inhalt

Als sie zur Hochzeit ihrer Studienfreundin geladen wird, ist Mimi zunächst skeptisch – hat sie doch den Kontakt lange sträflich vernachlässigt. Doch unerwartet herzlich wird sie im alten Bonner Freundinnenkreis aufgenommen, und spätestens nach der Junggesellinnen-Party im nächtlichen Römerbad ist es, als sei sie nie fort gewesen. Am Hochzeitsmorgen aber bringt ein entsetzlicher Todesfall alles ins Wanken. Misstrauen kriecht in die eingeschworene Gruppe, und langsam beschleicht Mimi ein furchtbarer Verdacht: Hat man sie nur zur Hochzeit eingeladen, um ihr einen Mord in die Schuhe zu schieben? (Verlagsinfo)

Mein Eindruck:

Ich fand bereits den Einstieg in die Geschichte sehr interessant: Mimi hat ihr Studium vor zehn Jahren abgebrochen und ist Hals über Kopf mit einem neuen Schwarm nach Schottland gezogen. Doch dieser macht nun Schluss, außerdem setzt er ihr ein Ultimatum bzw. zeigt ihr wo die Tür ist. Leider vernachlässigt Mimi vor lauter Liebeskummer ihren Job in einem Pub, sodass sie zu allem Überfluss auch dort rausgeworfen wird. Da kommt die Einladung zur Hochzeit einer alten Freundin, inklusive Kost und Logis für eine Feierwoche, gerade richtig.

Ihre Ankunft in Bonn und das erste Treffen mit ihren Studienfreundinnen ist wunderbar undurchsichtig, denn Mimi ist äußerst zaghaft und weiß nicht, was sie von dem unerwartet herzlichen Empfang halten soll. Ihre Ängste diesbezüglich werden feinfühlig sowie greifbar beschreiben: sie leidet enorm unter Minderwertigkeitsgefühlen, weil alle anderen glücklich vergeben sind, und sie – im Gegensatz zu ihren Freundinnen – nichts aus ihrem Leben gemacht hat. Also lügt sie, weicht aus, meidet, aber das sollen nicht ihre einzigen Vergehen bleiben…

Mimi ist oft verwirrt, wenn ihre Freundinnen Erlebnisse aus der gemeinsamen Vergangenheit erwähnen, denn sie kann sich kaum diese Zeit erinnern. Diese Gedächtnislücken werden regelmäßig zum Thema, und ich fragte mich wie das sein kann, beziehungsweise was zu diesem Black Out geführt haben könnte. Um Mimis Verwirrung die Krone aufzusetzen, kommt ein Filmriss am Morgen nach der wilden Junggesellinnen-Party dazu, zudem ist die Braut unauffindbar, dann taucht auch noch eine Leiche auf.

Ab jetzt geht es richtig rund in Mimis Kopf: sie wird schnell zur Hauptverdächtigen und kann sich nicht erklären weshalb. Gleichzeitig rücken ihre Freundinnen noch enger um sie zusammen, sie spenden ihr Trost und hüllen sie in Geborgenheit. Mimi ist gerührt von so viel Liebenswürdigkeit, weshalb sie sich zu öffnen beginnt. Doch dann schert eine der Frauen aus und versucht Mimi zu ihrer Verbündeten zu machen, indem sie ihr ein gewaltiges Geheimnis über sich verrät. Kurz darauf beichten ihr die anderen auch eine Schandtat, und Mimi ist verunsicherter den je. Als, durch eine zufällige Entdeckung, die Erinnerung an ihre Studienzeit allmählich zurückkehrt, ahnt sie, dass sie in Gefahr ist…

Fazit:

„Die Lügen jener Nacht“ ist ein psychologisch spannendes Kammerspiel mit atmosphärischem Lokalkolorit, und einer ungewöhnlichen Protagonistin. Judith Merchants Schreibstil ist kreativ und sie beschreibt Mimis Innenleben, die zwischenmenschlichen Konflikte, sowie die Umgebung, ausführlich und lebendig. Zum Ende hin laufen die geschickt gestreuten Spuren, auf überraschende Weise, zusammen, sodass Mimis Erinnerungsdefizite und ihre einstige Flucht nach Schottland, plötzlich Sinn ergeben. Mir erschienen die verwobenen Begebenheiten, die zu dem bittersüßen Finale führen, allerdings ein klein wenig zu konstruiert.

Die Autorin

Judith Merchant studierte Literaturwissenschaft und unterrichtet heute Creative Writing an der Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Für ihre Kurzgeschichten wurde sie zweimal mit dem Friedrich-Glauser-Preis ausgezeichnet. Nach der Veröffentlichung ihrer Rheinkrimi-Serie (darunter »Nibelungenmord« und »Loreley singt nicht mehr«) zog Judith Merchant von der Idylle in die Großstadt. 2019 erschien ihr Thriller »ATME!«. (Verlagsinfo)

Taschenbuch: 448 Seiten
ISBN-13: 978-3-426-50865-7

www.droemer-knaur.de

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