Jules Verne – Paris im 20. Jahrhundert. Zukunftsroman

Zeitflaschenpost: Jules Vernes erster und letzter Roman

Vielen von uns ist Jules Verne als der Autor zahlreicher Jugendbücher vertraut. Dass er dies nicht von Anfang an war, beweist dieser lange verschollene Roman von 1863, Vernes erstes größeres Werk. Nachdem das Manuskript von Vernes Verleger abgelehnt worden war, lagerte es rund 85 Jahre in einem verschlossenen Tresor ohne Schlüssel. Zur Zeit wird es jedoch in zahlreiche Sprachen übersetzt, denn das Interesse an Verne ist weiterhin ungebrochen.

„Die Erzählung handelt von einem jungen Mann, Michel, der in einer Welt aus gläsernen Wolkenkratzern, Hochgeschwindigkeitszügen, gasbetriebenen Automobilen, Taschenrechnern und einem weltweiten Kommunikationsnetz lebt. Im Gegensatz zum Siegeszug von Naturwissenschaft und Technik werden Literatur, Musik und Bildende Kunst allerdings verachtet. Michel, Träger eines Preises für lateinische Literatur, wird in dieser Welt nicht glücklich und nimmt ein tragisches Ende.“ (Wikipedia.de)


Der Autor
Jules-Gabriel Verne, in Deutschland anfänglich Julius Verne (* 8. Februar 1828 in Nantes; † 24. März 1905 in Amiens), war ein französischer Schriftsteller. Er wurde vor allem durch seine Romane „Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“ (1864), „20.000 Meilen unter dem Meer“ (1869–1870) sowie „Reise um die Erde in 80 Tagen“ (1873) bekannt. Neben Hugo Gernsback, Kurd Laßwitz und H. G. Wells gilt Jules Verne als einer der Begründer der Science-Fiction-Literatur. (Wikipedia.de)

„Das Manuskript wurde 1989 von Piero Gondolo della Riva in einem Safe Michel Vernes, des Sohnes Jules Vernes’, gefunden. Der Schlüssel des Safes war verloren gegangen und man glaubte den Safe leer. Die französische Ausgabe (1994 bei Hachette) ist mit Illustrationen von François Schuiten versehen.“ (Wikipedia.de)

Handlung

Verne nimmt einfach den Einstieg eines jungen neunzehnjährigen Mannes, Michel, in die etablierte Gesellschaft von Paris zum Anlass, um die westliche Zivilisation des Jahres 1963 (also exakt 100 Jahre in der Zukunft) vorzustellen. Technisch hochgerüstet, mangelt es ihr doch an geistiger und menschlicher Kultur – wie Michel, der verhinderte Dichter und Romantiker, zu seinem Leidwesen erfahren muss. Kaum hat er von der staatlichen “Bildungskreditanstalt” sein Abschlussdiplom und einen Preis für seine anachronistischen Lateinerverse erhalten, muss er auch schon auf Geheiß seines Vormunds und Onkels in dessen Bank anheuern.

Hier scheitert er in einer Position nach der anderen, bis er als Diktierer beim Buchhalter des Großen Hauptbuches landet. Der Buchhalter ist wenigstens gut drauf – er spielt Klavier! – und erklärt Michel einiges von der Welt. Michel verliebt sich und bekommt die Frauen des 20. Jahrhunderts erklärt. Dies endet in einem Loblied auf die Pariserinnen des 19. Jahrhunderts.

Er und sein Freund verlieren natürlich wegen eines Streits um die Evastöchter die Fassung und den Job. Am Theater ergeht es Michel als Stückbearbeiter nicht viel besser, und er gerät in Arbeitslosigkeit und Elend. Schlussszene: Michel sinkt unter den prachtvollen Grabmälern der französischen Geistesgrößen des 18. und 19. Jahrhunderts bewusstlos in den Schnee.

Mein Eindruck

Anders als diese recht pessimistisch endende Story ist für den heutigen Leser viel interessanter, wie sich Verne die technischen Errungenschaften des 20. Jahrhunderts vorstellen konnte. Ausgehend von bahnbrechenden Erfindungen um 1863 herum beschreibt Verne immerhin gasgetriebene Automobile, elektrische Straßenbeleuchtung, Faxgeräte, fast lautlose S-Bahnen und riesige Ozeandampfer.

Kritik

1963 funktionieren Handel und Wandel prächtig und vor allem effizient. Die Bibliotheken der Klassiker hingegen sind leer, in den Gymnasien werden praktisch nur technische Fächer unterrichtet, und das menschliche Miteinander ist ebenfalls utilitaristisch geprägt. Michel, der Schöngeist, fühlt sich nur unter den Anachronismen dieser Zeit wohl – Vernes rückwärtsgewandte Kritik an den Entwicklungstendenzen seiner eigenen Zeit.

Anmerkungen

Eine weitere interessante Geschichte erzählen die ausgezeichneten Anmerkungen, die man zu jedem Kapitel benötigt, und das Nachwort von der Übersetzerin. Sie klärt uns darüber auf, was Verne eigentlich mit diesem Roman bezweckte: Der desillusionierte Ingenieur wollte unbedingt gedruckt werden und die Anerkennung seines Verlegers gewinnen.

Aus diesem Grund zitiert Verne zahlreiche Freunde des Verlegers, übertreibt es aber leider dabei ein wenig, so dass dieser Verleger einmal ins Manuskript schreibt: “Sie spinnen!” Nun, wie man weiß, stellte sich nach diesem (unterdrückten) Fehlstart (s.o.) bereits mit dem nächsten Buch “Fünf Wochen im Ballon” der große Erfolg ein.

Werksverzeichnis: Romane

Joyeuses Misères de trois voyageurs en Scandinavie (Romanfragment). 1861
Die fröhlichen Leiden dreier Reisender in Skandinavien. 2020
Cinq Semaines en ballon. 1863
Fünf Wochen im Ballon. 1875
Voyage au centre de la Terre. 1864
Die Reise zum Mittelpunkt der Erde. 1873
De la Terre à la Lune, trajet direct en 97 heures 20 minutes. 1865
Von der Erde zum Mond. 1873
Voyages et Aventures du capitaine Hatteras. 1866
Abenteuer des Kapitän Hatteras. 1875
Les Enfants du capitaine Grant. 1867 und 1868
Die Kinder des Kapitän Grant. 1875
Vingt mille lieues sous les mers. 1869 und 1870
Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer. 1874
Autour de la Lune. 1870
Reise um den Mond. 1873
Une ville flottante. 1871
Eine schwimmende Stadt. 1875
Aventures de trois Russes et de trois Anglais dans l’Afrique australe. 1872
Abenteuer von drei Russen und drei Engländern in Südafrika. 1875
Le Pays des fourrures. 1873
Das Land der Pelze. 1875
Le Tour du monde en quatre-vingts jours. 1873
Reise um die Erde in 80 Tagen. 1873
L’Île mystérieuse. 1874 und 1875
Die geheimnisvolle Insel. 1875 und 1876
Le Chancellor. 1875
Der Chancellor. 1875
Michel Strogoff. 1876
Der Kurier des Zaren. 1876
Hector Servadac. 1877
Reise durch die Sonnenwelt. 1878
Les Indes noires. 1877
Die Stadt unter der Erde. 1878
Un capitaine de quinze ans. 1878
Ein Kapitän von 15 Jahren. 1879
Les Cinq Cents Millions de la Bégum. 1879
Die 500 Millionen der Begum. 1880
Les Tribulations d’un Chinois en Chine. 1879
Die Leiden eines Chinesen in China. 1880
La Maison à vapeur. 1880
Das Dampfhaus. 1881
La Jangada. Huit cents lieues sur l’Amazone. 1881
Die „Jangada“. 1882
L’École des Robinsons. 1882
Die Schule der Robinsons. 1885
Le Rayon-vert. 1882
Der grüne Strahl. 1885
Kéraban-le-têtu. 1883
Keraban der Starrkopf. 1885
L’Étoile du sud. 1884
Der Südstern oder Das Land der Diamanten. 1886
L’Archipel en feu. 1884
Der Archipel in Flammen. 1886
Mathias Sandorf. 1885
Mathias Sandorf. 1887
Un billet de loterie. 1886
Ein Lotterie-Los. 1887
Robur-le-conquérant. 1886
Robur der Sieger. 1887
Le Chemin de France. 1887
Der Weg nach Frankreich. 2012
Nord contre Sud. 1887
Nord gegen Süd. 1888
Deux ans de vacances. 1888
Zwei Jahre Ferien. 1889
Famille-sans-nom. 1889
Die Familie ohne Namen. 1891
Sans dessus-dessous. 1889
Kein Durcheinander – auch bekannt unter: Alles in Ordnung und Der Schuss am Kilimandscharo. 1891
César Cascabel. 1890
Cäsar Cascabel. 1891
Mistress Branican. 1891
Mistress Branican. 1891
Le Château des Carpathes. 1892
Das Karpatenschloss. 1893
Claudius Bombarnac. 1892
Claudius Bombarnac. 1893
P’tit-bonhomme. 1893
Der Findling. 1894
Mirifiques Aventures de Maître Antifer. 1894
Meister Antifers wunderbare Abenteuer. 1894
L’Île à hélice. 1895
Die Propellerinsel. 1895
Face au drapeau. 1896
Vor der Flagge des Vaterlandes. 1896
bekannter unter dem Titel Die Erfindung des Verderbens.
Clovis Dardentor. 1896
Clovis Dardentor. 1896
Le Sphinx des glaces. 1897
Die Eissphinx. 1897
Le Superbe Orénoque. 1898
Der stolze Orinoco. 1898
Le Testament d’un excentrique. 1899
Das Testament eines Exzentrischen. 1899
Seconde Patrie. 1900
Das zweite Vaterland. 1901
als Fortsetzung der Robinsonade Der Schweizerische Robinson von Johann David Wyss geschrieben.
Le Village aérien. 1901
Das Dorf in den Lüften. 1901
Les Histoires de Jean-Marie Cabidoulin. 1901
Die Historien von Jean-Marie Cabidoulin. 1901
Les Frères Kip. 1902
Die Gebrüder Kip 1903
Bourses de voyage. 1903
Reisestipendien. 1903
Un drame en Livonie. 1904
Ein Drama in Livland. 1904
Maître-du-monde. 1904
Der Herr der Welt. 1904
L’Invasion de la mer. 1905
Der Einbruch des Meeres. 1905

Die folgenden Werke aus dem Nachlass Jules Vernes wurden von seinem Sohn Michel Verne mehr oder weniger stark überarbeitet und veröffentlicht:

Le Phare du bout du monde. 1906
Der Leuchtturm am Ende der Welt. 1906
Le Volcan d’or. 1906
Der Goldvulkan. 1906
L’Agence Thompson and Co. 1907
Das Reisebüro Thompson & Co. 1907
La Chasse au météore. 1908
Die Jagd nach dem Meteor. 1908
Le Pilote du Danube. 1908
Der Pilot von der Donau. 1908
Les Naufragés du Jonathan. 1909
Die Schiffbrüchigen der „Jonathan“. 1909
Le Secret de Wilhelm Storitz. 1910
Wilhelm Storitz’ Geheimnis. 1910
Hier et demain. 1910
Gestern und morgen. 1910
Ein Sammelband, der mehrere der Kurzgeschichten enthält.
L’Etonnante Aventure de la mission Barsac. 1919, geschrieben von Michel Verne
Das erstaunliche Abenteuer der Expedition Barsac. 1978

Ebenfalls aus dem Nachlass Jules Vernes stammen folgende Werke:

Voyage à reculons en Angleterre et Écosse. 1859 bis 1860 geschrieben, 1989 veröffentlicht
Reise mit Hindernissen nach England und Schottland, 1997
L’Oncle Robinson. etwa um 1870 bis 1871 geschrieben, 1991 als Fragment veröffentlicht
Onkel Robinson
Paris au 20e siècle. 1863 geschrieben, 1994
Paris im 20. Jahrhundert. 1996

(Quelle: Wikipedia.de; zu fast allen diesen Titel bitet die Wikipedia eine Inhaltsangabe!)

Hardcover: 206 Seiten
Originaltitel: Paris au XXième siècle, geschrieben 1863, VÖ 1994.
Aus dem Französischen von Elisabeth Edl.
ISBN-13: 9783552048041

www.hanser-literaturverlage.de/verlage/zsolnay

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