Mein Name ist Zoë Barry. Ich glaube, Sie sind mein Vater…
Eines Nachmittags steht die junge Frau in Professor David Connollys Büro an der Dubliner Uni und behauptet, seine Tochter zu sein. David ist wie vor den Kopf geschlagen und traut seinen Ohren nicht. Nach dem ersten Schock stellt er Zoë seiner Frau Caroline und seinen Kindern vor. Bald ist Zoë Teil der Familie, zieht sogar bei den Connollys ein. Doch während sie in Davids Gegenwart schüchtern und verletzlich wirkt, zeigt sie Caroline gegenüber ein anderes Gesicht – kühl, berechnend, beinahe verschlagen. Ist Zoë die, die sie vorgibt zu sein? Wen haben die Connollys in ihr Haus und in ihr Leben gelassen? Eine Tochter? Eine Schwester? Oder eine völlig Fremde, die geduldig darauf wartet, ihrer aller Leben zu zerstören? (Verlagsinfo)
Inhalt und Eindrücke:
Mit ihrem engelsgleichen Haar, der zerbrechlich wirkenden Figur und dem schüchternen Blick fällt Studentin Zoë ihrem Professor David Connolly schon ihm Hörsaal unter den Erstsemestern auf. Als sie ihn anspricht, ist er zunächst aber nicht verwundert – schließlich ist er für seine Studenten immer auch Ansprechpartner, egal ob es um Fachliches, Hausarbeiten oder Probleme geht. Doch diese Studentin hat ein ganz anderes Anliegen und David ist fassungslos. Zoë behauptet, die Tochter seiner verflossenen Liebe Linda zu sein und kann dieses auch mit einer Geburtsurkunde belegen. David rechnet zurück und beginnt, sich im Geist mit einem längst vergangenem Kapitel seines Lebens auseinander zu setzen: Linda, für ihn unvergessen als seine große Liebe, und er waren ein Paar, noch bevor er seine jetzige Frau Caroline heiratete. Während er sich mit seiner Frau ein Leben aufbaute und sie gemeinsam zwei Kinder bekamen, er beruflich als Dozent für Geschichte an der Universität in Dublin Fuß fassen konnte, gab es keinen Kontakt mehr zu seiner alten Liebe in der nordirischen Stadt Belfast. Vergessen hat er Linda trotz allem nicht und als plötzlich Zoë mit ihrer Behauptung vor ihm sitzt, stürzt alles auf David ein. Wie soll er Caroline davon erzählen, ohne sie zu verletzen? Wie werden seine Kinder Robbie und Holly auf die Nachricht reagieren, dass sie eine Halbschwester haben, die nur wenige Jahre älter ist als sie selbst? Und was werden die Kollegen in der Universität von ihm denken? Stellt es nicht sogar ein Problem dar, dass er seine uneheliche Tochter hat und diese zu allem Überfluss von ihm unterrichtet wird?
Viel Zeit bleibt David nicht, die neugewonnene Erkenntnis für sich zu behalten. Ehefrau Caroline wird schnell misstrauisch ob seiner Heimlichtuerei, vermutet gar eine Affäre mit einer anderen Frau. Schließlich aber ist es raus und die Familie von David und Zoë beginnen sich anzunähern. Erste gemeinsame Mittagessen im Haus der Connollys laufen zwar zunächst für alle Beteiligten merkwürdig und gestelzt ab, doch nach und nach lernen sie sich besser kennen. Der 15-jährige Sohn Robbie ist sogar sehr angetan von seiner neuen Halbschwester und findet schnell gemeinsame Themen. Seine jüngere Schwester Holly hingegen tritt Zoë skeptisch gegenüber. Ähnliches gilt für Davids Ehefrau Caroline. So schwer es ihr auch fällt, versucht sie dennoch von Anfang an das Mädchen kennenzulernen und – ihrem Mann zuliebe – eine Beziehung. Nicht eben leicht für sie, zumal sie erfuhr, dass Linda für ihn die große Liebe war. Als Caroline zudem den Eindruck gewinnt, Zoë wäre berechnend und manipulativ, wird sie vorsichtig und reagiert zurückhaltender auf das Mädchen.
Der Zeitpunkt, an dem die neue Tochter in die Familie tritt, ist außerdem ohnehin schwierig: David und Caroline hatten sich scheinbar gerade erst von einer Ehekrise erholt und noch dazu liegt Davids Mutter im Sterben.
Doch auch Zoë scheint es mit dieser Situation nicht richtig gut zu gehen und nach einem Vorfall entschließt sich David dazu, sie in seinem Haus aufzunehmen. Von der gelegentlichen Besucherin wird Zoë zum Dauergast im Hause Connolly und stellt dabei das Leben jedes einzelnen Familienmitgliedes auf den Kopf. Als einige Lügen und Intrigen auffliegen, gewinnt der Leser einen Eindruck davon, dass sie möglicherweise nicht das unschuldige Mädchen ist, das sie zunächst vorgab zu sein.
„Girl Unknown“ ist in vier Teile gegliedert und wird in Kapiteln abwechselnd aus der Sicht von David und seiner Ehefrau Caroline erzählt. Lediglich im letzten Teil des Romans kommen weitere Erzähler zu Wort. Das Autorenduo, bestehend aus Karen Gillece und Paul Perry hat bereits in den Romanen „Bittere Lügen“ und „Was wir getan haben“ auf ähnliche Weise erfolgreich zusammengearbeitet. Das Besondere dabei: Gillece schildert die Sicht von Ehefrau Caroline, während Paul Perry die Kapitel aus der Sicht von David verfasst hat. Alle bisherigen Romane von Karen Perry spielen hauptsächlich in (Nord)Irland, haben aber jeweils auch ein anderes Land als weiteren Schauplatz. Das bringt zusätzlich interessante Aspekte für die Geschichten mit sich.
Die Sprache ist bei beiden einfühlsam, reich an Dialogen und gut zu lesen.
Mein Fazit:
Die Vorgängerromane des Autorenduos Paul Perry hatte ich bereits in jeweils kurzer Zeit verschlungen, so dass ich mich auf diesen neuen Band sehr freute. Das Thema und die Art, wie auch in „Girl Unknown“ zwischenmenschliche Beziehungen, aber auch menschliche Abgründe und Verfehlungen beschrieben und im Roman präsentiert werden, passt wiederum genau in den Stil und trägt damit quasi die Handschrift der beiden irischen Autoren. Durch die einfühlsame Sprache kommt der Leser den Protagonisten sehr nahe und fühlt mit ihnen.
Das schafft Gänsehaut und eine prickelnde Spannung beim Leser, die sich aufbaut und bis zum Finale steigert. Das Ende des Thrillers ist anders als erwartet und durchaus clever gemacht.
Gut gefallen hat mir auch der Ortswechsel im Roman, wobei ein Großteil in Irland und nur der Schlussteil in Frankreich spielt.
Lediglich die Umschlaggestaltung, auf der ein dunkelhaariges Mädchen auf dem Weg zu einem Haus ist, passt nicht so gut zur Geschichte, in der mehrfach die langen sehr hellen Haare von Zoë beschrieben werden.
Kurzum: Für mich ist „Girl Unknown“ zwar nicht der beste Roman von Karen Perry, aber durchaus lesenswert.
Broschiert: 400 Seiten
ISBN-13: 978-3651025516
www.fischerverlage.de
Der Autor vergibt: