Kathy Reichs – Fire and Bones. Tempe Brennan 23

Geheimnisse, die das Feuer preisgibt

“Brandstellen zu bearbeiten, ist nie einfach.“ Nach Washington, D.C., gerufen, um die Opfer einer rätselhaften Brandstiftung zu untersuchen, stellt Tempe bald fest, dass ihre Vorbehalte gerechtfertigt sind. Der Brandort befindet sich im Stadtteil Foggy Bottom, einem Viertel mit recht bewegter Vergangenheit, und als die Puzzleteile an die richtige Stelle fallen, gerät der verborgene Besitzer des Hauses zunehmend unter Verdacht.

Die TV-Reporterin Ivy Doyle, die Tempe von ihrer Tochter empfohlen bekommen hat, wittert eine gute Story – und bringt Tempe kurzerhand in ihrem eigenen Haus unter. Zusammen graben sie in der Vergangenheit: In den 1930er und 1940er Jahren war das Haus in Foggy Bottom der Treffpunkt einer Schlagzeilen produzierenden Verbrechergang. Diese Tatsache scheint zunächst nicht relevant zu sein, bis der Sohn eines Bandenmitglieds auf seiner Farm in Virginia erschossen wird.

Als ein weiteres Gebäude, das mit der Foggy Bottom Gang in Verbindung steht, in Flammen aufgeht, wird aus den zufälligen Fakten eine Reihe gezielter Angriffe, zumal es ein weiteres Todesopfer gibt. Als Tempe und Ivy tiefer graben, weisen Tempes Instinkte sie daraufhin, dass jede ihrer Bewegungen in der US-Hauptstadt irgendwie vorausgeahnt worden ist. Und jeder weitere Schritt ist von einer tödlichen Gefahr begleitet…“ (abgewandelte Verlagsinfo)

Die Autorin

Kathy Reichs wurde 1950 in Chicago geboren und wuchs dort auch auf. Sie ist Professorin für Soziologie und Anthropologie, eine von nur knapp hundert vom American Board of Forensics Anthropology zertifizierte forensischen Anthropolog*innen und unter anderem für gerichtsmedizinische Institute in Quebec und North Carolina tätig. Ihre Romane erreichen regelmäßig Spitzenplätze auf internationalen und deutschen Bestsellerlisten und wurden in dreißig Sprachen übersetzt. Für den ersten Band ihrer Tempe-Brennan-Reihe wurde sie 1998 mit dem Arthur Ellis Award ausgezeichnet. Die darauf basierende Serie »BONES – Die Knochenjägerin« wurde von Reichs mitkreiert und -produziert.

Temperance-Brennan-Romane

Déjà Dead (1997), dt. Tote lügen nicht (1998)
Death du Jour (1999), dt. Knochenarbeit (1999)
Deadly Décisions (2000), dt. Lasst Knochen sprechen (2001)
Fatal Voyage (2001), dt. Durch Mark und Bein (2002)
Grave Secrets (2002), dt. Knochenlese (2003)
Bare Bones (2003), dt. Mit Haut und Haar (2004)
Monday Mourning (2004), dt. Totenmontag (2004)
Cross Bones (2005), dt. Totgeglaubte leben länger (2005)
Break no Bones (2006), dt. Hals über Kopf (2006)
Bones to Ashes (2007), dt. Knochen zu Asche (2007)
Devil Bones (2008), dt. Der Tod kommt wie gerufen (2008)
206 Bones (2009), dt. Das Grab ist erst der Anfang (2009)
Spider Bones (2010), dt. Blut vergisst nicht (2010)
Flash and Bones (2011), dt. Fahr zur Hölle (2011)
Bones Are Forever (2012), dt. Knochenjagd (2012)
Bones of the Lost (2013), dt. Totengeld. Blessing Verlag, München 2013, ISBN 978-3-89667-452-4.
Bones Never Lie (2014), dt. Knochen lügen nie. Blessing Verlag, München 2015, ISBN 978-3-89667-453-1.
Speaking in Bones (2015), dt. Die Sprache der Knochen. Blessing Verlag, München 2016, ISBN 3896674544.
The Bone Collection (2016), dt. Die Knochenjägerin. Vier Fälle für Tempe Brennan. Blessing Verlag, München 2017, ISBN 978-3-896-67580-4.
A Conspiracy of Bones (2020), dt. Das Gesicht des Bösen. Blessing Verlag, München 2020, ISBN 978-3-89667-455-5.
The Bone Code (2021), dt. Der Code der Knochen. Blessing Verlag, München 2021, ISBN 978-3-89667-724-2.
Cold, Cold Bones (2022), dt. Kalte, kalte Knochen. Blessing Verlag, München 2022, ISBN 978-3-89667-740-2.
The Bone Hacker (2023, Die Hand des Todes, Heyne 2024)

Virals-Romane

Virals (2010), dt. Virals – Tote können nicht mehr reden (2011)
Seizure (2011), dt. Virals – Nur die Tote kennt die Wahrheit (2012)
Code (2013), dt. Virals – Jeder Tote hütet ein Geheimnis (2013), ISBN 978-3-570-15367-3
Exposure (2014)
Terminal (2015)

Sunday-Night-Reihe

Two Nights (2017), dt. Blutschatten. Blessing Verlag, München 2018, ISBN 978-3-896-67621-4.

Handlung

Eigentlich will Tempe Brennan drei Tage zusammen mit ihrem Lebensgefährten Ryan drei Tage in Savannah ausspannen und der Liebe frönen. Doch ihre Tochter Katy überredet sie, der Reporterin Ivy Doyle zu helfen, die Katy einst in Afghanistan das Leben rettete. Denn Ivy versucht, über eine rätselhafte Brandstiftung in Washington, D.C., zu berichten. Tempe wäre die ideale Expertin, um die Opfer zu identifizieren und ihnen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Und weil auch die Washingtoner Untersuchungsbeamtin Jada Thacker, zuständig für medizinisch relevante Fälle, sie um Mithilfe bittet, sagt Tempe für „einen oder zwei Tage“ zu.

Washington, D.C.

Widerwillig reist sie mit dem Auto in die Hauptstadt, denn alle Flüge sind ausgebucht: Es gibt eine große lokale Feier am Memorial Day und obendrein eine LGBTQ-Parade. Die Stadt ist deswegen gerammelt voll, und das bekommt Tempe bald zu spüren: Jada kann ihr nur für eine Nacht ein Hotelzimmer besorgen. Glücklicherweise ist Ivy Doyle in der Lage, ihr für ein paar Nächte Obdach zu gewähren. Ihre noble Hütte ist nicht von schlechten Eltern, denn Ivy kommt aus einer sehr reichen Sippe, die ihr Geld in der TV- und Telekommunikationsbranche gemacht hat. Das Haus verfügt sogar für einen eigenen Alarmknopf, um im Fall des Falles die Polizei herbeizurufen. Tempe ahnt nicht, wie willkommen ihr dieser Knopf einmal sein wird…

Foggy Bottom

Schon der erste Tag am Brandort, einer alten viktorianischen Villa im Stadtteil Foggy Bottom, ist beeindruckend. Es soll laut Burgos, dem Einsatzleiter der Feuerwehr, vier Brandopfer geben: Die alte Hütte war wohl ein illegales Airbnb-Quartier, allerdings ohne jeden Fluchtweg. Das bringt die Frage auf, wer wohl ein derartiges Schmuckstück besaß und verkommen ließ. Ivy Doyles Informant redet von einem Meth-Labor irgendwo im Haus, und auch Burgos weiß nichts Gutes über den Zustand zu berichten: Es gab keinerlei Brandschutzeinrichtungen – eine richtiggehende Todesfalle.

Dieser Eindruck bestätigt sich, als sich vor Tempes Augen der Boden des Kellers, in dem sie Opfer Nr. 4 gefunden hat, auftut und Hickory, der Leiter der Tatortinspektoren, hineinstürzt. Es hat sich nicht verletzt, aber der Unterkeller entpuppt sich als Labyrinth aus Geheimgängen und Lagerräumen. Zu allem Überfluss entdeckt Tempe in einem Jutesack ein fünftes Opfer: Nur die Knochen sind noch übrig. Tempe ist seltsam berührt: Welches Schicksal hat die kleine Frau einst ereilt? Warum musste sie hier unten im Verborgenen sterben?

Dunkle Vergangenheit

Zusammen mit der Reporterin untersucht Tempe die dunkle Vergangenheit des alten Hauses. Offenbar gehörte es in den 1930ern und 1940ern – der Jutesack wurde zwischen 1940 und 1945 hergestellt – den Alkoholschmugglern und Schutzgelderpressern der Foggy Bottom Gang. Diese bestand aus drei Brüdern der Familie Warring. Diese Information scheint zunächst nicht relevant zu sein, doch dann wird ein Nachkomme dieser Gang auf seiner Farm in Virginia erschossen. Dann wird ein weiteres Haus in Foggy Bottom niedergebrannt, wobei ein weiterer Mensch ums Leben kommt. Was noch Zufall schien, ist jetzt eine Serie von gezielten Angriffen.

Zunehmend hat Tempe den Eindruck, dass jemand jeden ihrer Schritte überwacht, ja, sogar vorausahnt. Und jeder Schritt bringt mit sich tödliche Gefahr…

Mein Eindruck

Brandfälle sind selten in den Fällen, mit denen sich die forensische Anthropologin Temperance Brennan befasst. Brände sind eher selten, dafür bergen sie aber zahlreiche Unwägbarkeiten hinsichtlich Identität, Tatzeit und Todesursache (meist Ersticken). Auch in Washington, D.C. dauert es lange, bis Tempe die fünf Opfer zufriedenstellend untersucht hat. Besonders Nummer fünf, die Frau aus dem Jutesack, liegt ihr am Herzen. Sie wirft ein weitgespanntes Netz aus, um weiterführende Hinweise zu erhalten. Mit deren Hilfe kann sie den Jutesack auf die Zeit zwischen 1940 und 1945 datieren.

Doch wer die Frau aus der Vergangenheit gewesen, lässt sich nur anhand des riesigen Stapels an Zeitungskopien erkunden, den Ivy in der Stadtbibliothek angefertigt hat. Den Schlüssel bietet zunächst die Foggy Bottom Gang, dann aber der heutige Besitzer der niedergebrannten Häuser. Wen soll diese mysteriöse Holding vor dem Auge der Öffentlichkeit verbergen, fragt sich Tempe. Als sie mit einem Polizisten hinaus aufs Land fährt, blickt sie bald in die Mündung eines Revolvers…

Bevor es soweit kommt, verwirren mehrere falsche Fährten die Ermittlerin, doch sie lässt nicht beirren. Nicht nur Burgos, der schweigsame Feuerexperte, sondern auch Jada Thacker, die plötzlich andere Prioritäten hat, geraten ins Zwielicht. Schließlich findet Tempe auch an Ivy Doyle, ihrer Gastgeberin, einiges auszusetzen: Warum ist die Tochter aus reichem Hause noch nicht längst Programmchefin statt sich draußen in der Pampa die Hacken abzulaufen?

Und dann ist noch Ivys Verlobter, ein verboten gut aussehender Immobilienmakler mit dem romantischen Namen Benjamin Zanetti. Kommissar Zufall kommt Tempe zu Hilfe, als sie Bens Machenschaften auf die Spur kommt. Nicht nur sein Aussehen gehört verboten, sondern auch seine Machenschaften – sie fordern mindestens ein weiteres Opfer im Feuer…

Textfehler

Auf Seite 157 sollte es anstelle von „residential perking permit“ besser „residential parking permit“ heißen, also „Parkausweis für Anwohner“.

Unterm Strich

Ich hatte „Die Hand des Todes“, Tempes 21. Fall, begeistert gelesen und stürzte mich auf den Folgeband. Zunächst war ich jedoch höchst erstaunt über den Schreibstil: Die vielen Einzeiler unterscheiden sich stark vom ausführlichen Stil, der in der Übersetzung in Absätzen sortiert ist. Diese Einzeiler haben es jedoch in sich. Sie führen wie in einem Gedankenstrom den Leser von einer Assoziation zur nächsten und beenden das jeweilige – relativ kurze – Kapitel mit einer Pointe. In dieser Pointe zeigt sich der großartige, trockene Humor der Autorin. Wer würde schon Prägungen wie „Sweet Jesus on a pancake“ erwarten?

Ich kenne nicht viele Tempe-Krimis, aber es gehört wohl zum Standard, dass mindestens eine Spur in die Vergangenheit führt. Wie sonst wären Verbrechen zu erklären? In den vorliegenden sieben Fällen spielt stets auch die Hauptstadt der USA eine Rolle. Sie strahlt nicht vor nationalem Ruhm, sondern weist diesmal eine dezidiert finstere Seite auf: die Foggy Bottom Gang. Alkoholschmuggel und Schutzgelderpressung kennt man in den 1930er Jahren, als die Prohibition endete, in allen Großstädten der USA, aber die Gang trieb ihr Unwesen bis in die fünfziger Jahre. Jemand musste sie protegiert haben, denkt Tempe.

Es kann nicht ausbleiben, dass sie bei ihrer Schnüffelei auf die richtige Spur – ein „pissgelber“ Toyota – stößt, sondern auch gleich in Lebensgefahr gerät. Höchste Zeit für die Kavallerie…

Taschenbuch: 272 Seiten.
O-Titel: Fire and Bones, 2024
ISBN-13: 978-1398531185

https://www.simonandschuster.co.uk/

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