Grauenvolles erwartet die forensische Anthropologin Tempe Brennan, als sie in den kleinen Ort St. Jovice gerufen wird: ein niedergebranntes Haus mit sieben Leichen, zwei davon Babys, denen das Herz fehlt. Nur zu gern widmet sie sich deshalb ihrem anderen Auftrag – der Exhumierung der Ordensschwester Elisabeth Nicolet zwecks postumer Heiligsprechung. Doch erst liegt die Nonne in einem falschen Grab, und dann entdeckt Tempe gemeinsam mit Detective Ryan eine entsetzliche Parallele zu dem Fall von St. Jovice. (Verlagsinfo)
Die Autorin
Kathy Reichs, geboren in Chicago, lebt in Charlotte und Montreal. Sie ist Professorin für Soziologie und Anthropologie, eine von nur knapp hundert vom American Board of Forensics Anthropology zertifizierte forensischen Anthropolog*innen und unter anderem für gerichtsmedizinische Institute in Quebec und North Carolina tätig. Ihre Romane erreichen regelmäßig Spitzenplätze auf internationalen und deutschen Bestsellerlisten und wurden in dreißig Sprachen übersetzt. Für den ersten Band ihrer Tempe-Brennan-Reihe wurde sie 1998 mit dem Arthur Ellis Award ausgezeichnet. Die darauf basierende Serie »BONES – Die Knochenjägerin« wurde von Reichs mitkreiert und -produziert.
Temperance-Brennan-Romane
1. Déjà Dead (1997), dt. Tote lügen nicht (1998)
2. Death du Jour (1999), dt. Knochenarbeit (1999)
3. Deadly Décisions (2000), dt. Lasst Knochen sprechen (2001)
4. Fatal Voyage (2001), dt. Durch Mark und Bein (2002)
5. Grave Secrets (2002), dt. Knochenlese (2003)
6. Bare Bones (2003), dt. Mit Haut und Haar (2004)
7. Monday Mourning (2004), dt. Totenmontag (2004)
8. Cross Bones (2005), dt. Totgeglaubte leben länger (2005)
9. Break no Bones (2006), dt. Hals über Kopf (2006)
10. Bones to Ashes (2007), dt. Knochen zu Asche (2007)
11. Devil Bones (2008), dt. Der Tod kommt wie gerufen (2008)
12. 206 Bones (2009), dt. Das Grab ist erst der Anfang (2009)
13. Spider Bones (2010), dt. Blut vergisst nicht (2010)
14. Flash and Bones (2011), dt. Fahr zur Hölle (2011)
15. Bones Are Forever (2012), dt. Knochenjagd (2012)
16. Bones of the Lost (2013), dt. Totengeld. Blessing Verlag, München 2013, ISBN 978-3-89667-452-4.
17. Bones Never Lie (2014), dt. Knochen lügen nie. Blessing Verlag, München 2015, ISBN 978-3-89667-453-1.
18. Speaking in Bones (2015), dt. Die Sprache der Knochen. Blessing Verlag, München 2016, ISBN 3896674544.
19. The Bone Collection (2016), dt. Die Knochenjägerin. Vier Fälle für Tempe Brennan. Blessing Verlag, München 2017, ISBN 978-3-896-67580-4.
20. A Conspiracy of Bones (2020), dt. Das Gesicht des Bösen. Blessing Verlag, München 2020, ISBN 978-3-89667-455-5.
21. The Bone Code (2021), dt. Der Code der Knochen. Blessing Verlag, München 2021, ISBN 978-3-89667-724-2.
22. Cold, Cold Bones (2022), dt. Kalte, kalte Knochen. Blessing Verlag, München 2022, ISBN 978-3-89667-740-2.
23. The Bone Hacker (2023), dt. als “Die Hand des Todes„, 2024
24. Fire and Bones (2024)
Virals-Romane
Virals (2010), dt. Virals – Tote können nicht mehr reden (2011)
Seizure (2011), dt. Virals – Nur die Tote kennt die Wahrheit (2012)
Code (2013), dt. Virals – Jeder Tote hütet ein Geheimnis (2013), ISBN 978-3-570-15367-3
Exposure (2014)
Terminal (2015)
Sunday-Night-Reihe
Two Nights (2017), dt. Blutschatten. Blessing Verlag, München 2018, ISBN 978-3-896-67621-4.
Handlung
Die forensische Anthropologin Temperance („Mäßigung“) Brennan lehrt an zwei Universitäten: einmal in ihrer Heimatstadt Charlotte im kuschelig warmen North Carolina, zum anderen im bitterkalten kanadischen Montreal. Zu diesen Temperaturunterschieden und was sie in den Menschen bewirken, hat Tempe, wie sie kurz genannt wird, einiges anzumerken.
Sie besitzt einen mitunter recht sarkastischen Humor, obwohl sie diese Tatsache gut zu verbergen versteht. Die Wissenschaftlerin ist eine ungewöhnlich intelligente und beherrschte Heldin, die über starke Nerven verfügt. Sie hat schon einiges durchgemacht, doch ihr ganzes Herz hängt an ihrer Verwandtschaft und ihrer Katze, Birdie.
Eigentlich soll sie ja bloß das Grab einer vor über hundert Jahren gestorbenen Nonne suchen. In einer abgelegenen Kirche exhumiert sie sterbliche Überreste – Knochen, daher der Buchtitel – und untersucht sie nach allen Regeln der Kunst. Fehlanzeige. Es ist nicht die zur Seligsprechung anstehende Elisabeth Nicolet. Sie muss weitersuchen.
Bei einem ihrer nächsten Einsätze holt sie sich ebenfalls blaue Finger und beinahe ernsthafte Erfrierungen. Ein Anwesen in Kanada ist vollständig abgebrannt, und die Feuerwehr hat sieben Leichen gefunden, darunter einige stark verbrannt. Als Tempe auch zwei Babyleichen zur Analyse vorgelegt werden, bricht es ihr schier das Herz: Mathias und Malachy wurden mit unzähligen Stichen ermordet. (Dieses Buch hat noch mehr solcher Szenen – Zartbesaitete seien gewarnt.) Die Leichen tragen noch Armbändchen mit ihren Namen darauf.
Die Spuren deuten auf einen Ritualmord hin, den eine in der Gegend agierende Sekte begangen haben könnte. Weitere Leichen: eine junge Schwangere, die in einem Park Montreals hingerichtet wurde. Bei Tempes Recherche an der McGill Uni wird sie von einer manisch dreiblickenden Dozentin gewarnt, sich nicht an deren Studentinnen „heranzumachen“ und herumzuschnüffeln.
Als ihre Schwester Harry sie besucht und etwas von einer Bewusstseinstherapiegruppe faselt, hätte Tempe eigentlich gewarnt sein müssen, dass ihre Schwester in Gefahr geraten könnte. Doch in Charlotte beginnt wieder das Uni-Semester, und so lässt sie Harry ahnungslos zurück.
Doch auch im Paradies wartet die Schlange. Als Tempe mit ihrer Tochter Katy einen Ausflug auf eine idyllische North-Carolina-Insel mit einer Affenforschungsstation darauf macht, kann sie sich an der schönen Natur nur kurz erfreuen. Denn sie findet zwei Leichen im Uferschlamm. Und auch diese jungen Frauen wurden praktisch hingerichtet.
Als Tempe und ihre Montrealer Polizistenkollege Andy Ryan in der Gegend eine Sekte vorfinden, stellen sich bald beunruhigende Verbindungen ein. Wieder wird die Schnüfflerin gewarnt: eine verbrannte tote Katze mit einer Botschaft, garniert mit einer Brandstiftung, spricht eine deutliche Sprache.
Dann endlich erinnert sich Tempe ihrer Schwester, die inzwischen in Montreal verschwunden ist. Und die Sekte schreckt vor nichts zurück, wie sie bald am eigenen Leib erfahren muss. Der Showdown findet mitten in einem schrecklichen Eissturm statt.
Mein Eindruck
Man merkt es der Erzählung an, dass die 52-jährige Autorin selbst das „Handwerk“ der Hauptfigur ausübt. Temperance Brennan ist quasi ihr Alter ego: eine ungewöhnliche Heldin, wie ich eingangs bereits geschrieben habe. Man folgt ihren Aktionen gerne, selbst wenn dies bedeutet, akribisch genau erstellte Berichte mitlesen zu müssen. Ihre treffenden Beobachtungen von Menschen und Umgebungen entschädigen für so manche Länge. Besonders ihr Humor hat es mir angetan. Da bekommt so mancher frankophoner Frauenfeind sein Fett weg. Und eine Ex-Marinesoldatin „futtert zum Frühstück Nägel“.
Die Handlung ist sorgfältig zwischen den zwei Hauptschauplätzen konstruiert. Diese Zweiteilung führt zu einem enormen Kommunikationsaufwand, und so wundert es nicht, dass Tempes blinkender Anrufbeantworter eine unfreiwillige Hauptrolle spielt. Immer wieder habe ich mich gefragt, warum die gute Frau kein Handy besitzt. Es würde ihr vieles erleichtern. Vielleicht sind Handys in den USA teurer?
Diese Zweiteilung erzeugt übrigens eine Reihe von Spannungsbögen, deren längster zugleich der erste ist: Wo liegt Schwester Elisabeth und warum sollte sie möglicherweise nicht seliggesprochen werden können? Dieses Geheimnis lüftet die Autorin gemeinerweise ganz zuletzt.
Sprachlich und stilistisch steht das Buch leider auf dem Niveau eines Dutzendwerkes. Die Sätze sind möglichst einfach und kurz, was sie eben so ungemein lesbar macht: ein Buch zum Verschlingen. Auch der Stil ist sehr einfach gehalten, aber nicht dümmlich. Die Beschreibungen von Mensch und Natur sind genau, detailliert und stimmungsvoll – die Übersetzung fängt die Nuancen gekonnt und stimmig ein, was geradezu eine erleichternde Wohltat ist, wenn ich an gewisse Machwerke denke, die durch die Übersetzung verhunzt wurden.
Unterm Strich
Ein leicht zu lesender, spannender Thriller um eine gerichtsmedizinische Anthropologin, die den Ritualmorden einer Sekte auf die Spur kommt – sie gerät dabei selbst in höchste Gefahr, ebenso wie ihre Schwester. Ich hatte das Buch in zwei Tagen durch. „Knochenarbeit“ erfordert also keineswegs geistige Knochenarbeit vom Leser, sondern bietet vielmehr erstklassige spannende Unterhaltung – zumindest für Leser, die ein wenig Geduld und Mitdenken aufbringen können.
Inhaltlich führt uns die Autorin vor Augen, dass der Übergang zwischen therapierenden New-Age-Gruppierungen und handfest autoritären Sekten fließend ist und so bindungs- und hilflose junge Menschen durchaus in Lebensgefahr geraten können. Das Phänomen der Sekten ist kein Hirngespinst: In den USA gehören ihnen ständig zwischen drei und fünf Millionen Menschen an. Und wie man bei dem spektakulären Satanistenmordprozess in jüngster Vergangenheit erfahren konnte, gibt es dieses Phänomen auch hierzulande. Alle seien gewarnt, will uns die Autorin sagen.
Taschenbuch: 416 Seiten.
O-Titel: Death du jour, 1999
Aus dem US-Englischen von Klaus Berr.
ISBN-13: 978-3442353934
www.blanvalet.de
Der Autor vergibt: