Himalaya-Storys: Jimmy Carter und der Yeti
Was tun zwei verrückte Amerikaner in Nepal? Für Kim Stanley Robinson bietet diese Frage Stoff für vier im wahrsten Sinne des Wortes wunderbare Geschichten. Seine Helden George Fergusson und Freds Fredericks schlagen sich eigentlich als Touristenführer durch, doch so ganz nebenbei erleben sie die unglaublichsten Abenteuer.
So befreien sie mit der ganz und gar unfreiwilligen Hilfe von Jimmy Carter einen leibhaftigen Yeti aus dem Badezimmer eines Luxushotels. Dann erklimmen sie ohne Sauerstoffgerät den Mount Everest, um einen tibetanischen Guru von einem mehr als wunderlichen Fluch zu befreien. Und schließlich steigen sie in ein Tunnelsystem unter der hauptstadt Katmandu hinab, geraten an bewaffnete Revolutionäre und verschaffen sich beim König von Nepal eine Privataudienz – mit dem Ergebnis, dass die ganze Armee sie jagt… (Verlagsinfo)
Der Autor
Kim Stanley Robinson, geboren 1952 und passionierter Bergsteiger, gehört seit seiner Doktorarbeit über Philip K. Dick und diversen Romanen zur Autoren-Mannschaft, die Mitte der achtziger Jahre als „Humanisten“ bezeichnet wurde. Damit stellte man ihn in Opposition zu den neuen „Cyberpunks“ um William Gibson und Bruce Sterling, die neue Techniktrends aufgriffen und kritisch verarbeiteten.
KSR selbst hat es stets als lächerlich abgelehnt, dieses Etikett auf sich selbst anzuwenden. Er legte in seiner bekannten Orange County Trilogie (The Wild Shore; The Gold Coast; Pacific Edge; 1984-1990) mehr Wert auf gute Charakterisierung der Figuren, eine Vision gesellschaftlicher Entwicklung und die Überzeugungskraft seiner Ideen. Das hat mir immer am besten an seinen Büchern gefallen.
Wesentlich bekannter wurde Robinson mit seiner Mars-Trilogie Red Mars, Green Mars und Blue Mars, die in naher Zukunft zu einer Kurzserie fürs Fernsehen gemacht werden soll. Danach folgten die umfangreichen Romane „Antarktika“ (Umweltthriller) und „The Years of Rice and Salt“ (Alternative History), dem im Juni 2004 ein weiterer Roman folgte: „Forty Signs of Rain“, der Startband seiner bislang unübersetzten CAPTIAL-CODE-Trilogie. Im Herzen ist KSR stets ein Erforscher und Warner.
Übersetzte Werke
1) Das wilde Ufer
2) Goldküste
3) Pazifische Küste
4) Roter Mars
5) Grüner Mars
6) Blauer Mars
7) Flucht aus Kathmandu
8) Geschöpfe der Sonne
9) Die Marsianer
10) Antarktika
11) New York 2312
12) New York 2140
13) Aurora
14) Schamane
15) Die eisigen Säulen des Pluto
16) Sphären-Klänge
Die Erzählungen
Unter den vielen Träumern, Aussteigern und Idealisten, die in den Achtzigern in Nepal strandeten, finden sich auch die zwei Helden des Episodenromans: George Fergusson und Fred Fredericks, die sich als Trekking-Führer ihren Lebensunterhalt in Nepal verdienen. In vier Abenteuern lässt uns der Autor an ihren Abenteuern teilhaben.
Flucht aus Katmandu
In der grandios-verrückten Novelle „Flucht aus Katmandu“ retten sie einen leibhaftigen Yeti davor, in einem Privatzoo als Versuchskaninchen zu enden, indem sie ihn als USA-Tourist, dem Jimmy Carter die Hand schüttelt (er ist das Felsgesicht auf dem Titelgemälde), ausgeben und außer Landes schmuggeln.
Chomolungma
Sie besteigen den höchsten Berg der Erde, die „Mutter Göttin der Welt“ (Chomolungma), um einem „tulku“, der Reinkarnation eines früheren Lama, seinen Weg zu einem Guru aus eigenem Anrecht zu öffnen. Und so ganz nebenbei gelingt es ihnen noch, den legendären Engländer Mallory, der in den 20er Jahren bei einer Everest-Expedition tödlich verunglückte, vor einer letzten Ruhestätte in der Westminster Abbey zu bewahren. (Mallorys Leiche wurde 1999 tatsächlich am Everest entdeckt.)
Shangri-La
Auf der Suche nach der „Wahren Natur von Shangri-La“ gelingt es dem Duo entgegen allen bürokratischen Widerständen, den Bau einer Straße nach Shambala, der verborgenen Stadt Tibets, der geheimen Hochburg des tibetanischen Buddhismus, zu verhindern.
Im Untergrund
Unsere Helden zetteln im „Unterirdischen Königreich“ bald einen Staatsstreich an, doch sie müssen erkennen, dass es zahlreiche unterirdische Regierungen auf der Welt gibt und dass sie uns vielleicht vor einem noch größeren Desaster bewahren, als wir eh schon in der Umwelt anrichten.
Mein Eindruck
Da ist wohl jemand von einer Himalaya-Tour zurückgekommen, hat seinen Rucksack in die Ecke geschmissen, den Staub aus seinen Haaren geschüttelt und uns von einem Flecken Erde erzählt, der – anno 1989 – seine Unschuld zu verlieren droht. Er berichtet von den mühsamen Reisen, den eigentümlichen Bewohnern Nepals, der uns völlig fremden Nahrung und schließlich auch von der Errungenschaft der nepalesischen Feldlatrine. All das wirkt so real, dass man kaum glaubt, dass der Autor das nur angelesen hat. Vielleicht war ihm darin ja Karl May ein leuchtendes Vorbild…
Der trockene Humor, witzige und spritzige Einfälle erheitern den Leser auf nahezu jeder Seite dieser vier Novellen. Robinson öffnet einem die Augen für eine Welt, die fernab für die meisten von uns noch als Plätze für Träume dienen kann. Doch nach dem Desaster am Everest 1996 – Jon Krakauer berichtete in seinem zweimal verfilmten Bestseller „In eisige Höhen“ darüber – ist der Himalaya auch ein Ort für Alpträume geworden.
Tipp
Auch die holprige deutsche Übersetzung mag einem die Lektüre vergällen, doch jeder Berg-Enthusiast, der etwas für Abenteuergarn übrig hat, sollte sich dieses Buch reinziehen.
Taschenbuch: 349 Seiten
Originaltitel: Escape from Kathmandu, 1989
Aus dem Englischen von Uwe Anton
ISBN-13: 9783404241378
www.luebbe.de
Der Autor vergibt: