Kinkel, Tanja – Puppenspieler, Die

Auf dieses Buch war ich wahrhaft gespannt. Als „Die Puppenspieler“ 1993 erschien, waren die Kritiken voll des Lobes über die junge, deutsche Autorin, so dass ich mit einer relativ hohen Erwartungshaltung an diesen Roman heranging. Gerade mal 23 Jahre alt war Tanja Kinkel, als sie ihr bislang erfolgreichstes Buch beendete. Inzwischen promovierte Germanistin begann die 1969 in Bamberg geborene Autorin bereits mit acht Jahren Gedichte und Erzählungen zu schreiben, gewann 1987 in einem Jugendliteraturwettbewerb den ersten Platz für den besten Einzeltext und den dritten Platz für insgesamt fünf Texte.
In „Die Puppenspieler“ nimmt sie sich des finsteren Mittelalters an, ein allseits beliebtes Thema bei historischen Romanen und auch bei mir.

Richard Artzt ist gerade erst zwölf Jahre alt, als er mit ansehen muss, wie seine Mutter, eine Sarazenin, auf dem Scheiterhaufen qualvoll stirbt, weil sie die Liebesgelüste eines Mönches abgewiesen hatte. Voll Hass auf die Kirche schwört Richard, dieser irgendwann zu beweisen, dass es keine Hexen gibt.
Als Vollwaise wird er von seiner Tante Sybille Artzt aufgenommen, deren Ehemann Jakob Fugger, einer der erfolgreichsten Kaufleute seiner Zeit, durch geschickten Geldhandel zum Bankier des deutschen Königs Maximilian I. geworden ist, dessen Handelsbeziehungen weltweit reichen, der sich mit vorausschauendem Geschäfts- und Finanzsinn verschiedene Minen aneignete und somit den Metallhandel beherrscht. Fugger, der die Menschen nach seinen Wünschen biegen und beugen kann, wird für den Jungen schnell zum größten aller „Puppenspieler“. Fasziniert von diesem Mann und seiner Neugier entsprechend taucht Richard in die Naturwissenschaften ein, lernt begeistert fremde Sprachen und begreift rasch die Geschäftswelt der Fuggers.
Nach drei Jahren erfüllt ihm Jakob Fugger einen Traum: Er schickt ihn nach Italien, in die neu errichtete Faktorei in Florenz, wo Richard wieder eine neue Welt kennenlernt, wo die Renaissance in ihrem ganzen Glanz vor ihm liegt, wo aber auch der Einfluss der Kirche mächtig ist. Seine Aufgabe ist die Weiterleitung von Neuigkeiten und Wissenswertem aus der Welt der Medici.
Seinem persönlichen Schwur folgend wird Richard Zeuge einer schwarzen Messe, in deren Verlauf er ein geplantes Attentat auf den über Florenz herrschenden Lorenzo de´Medici aufdecken und deshalb verhindern kann, und aufgrund der wieder einmal ein unschuldiger Mensch stirbt. Selbstvorwürfe treiben ihn zu dem Mönch Mario Volterra, dem es gelingt, die Freundschaft des Deutschen zu erringen. Er schafft es ebenfalls, Richard das Geheimnis um den Tod seiner Mutter zu entlocken und beginnt mit ihm zusammen ein Buch zu schreiben, das die Unrechtmäßigkeit der Hexenprozesse aufdecken soll.
Doch da ist noch die Zigeunerin Saviya, der er einst das Leben rettete und die er nun liebt. Als sich offenbart, dass Saviya die Zauberin ihres Stammes ist und angesehenen Bürgern als Hexe die Zukunft vorhersagt, trennen sich ihre Wege, denn Richard kann diese Tatsache nicht akzeptieren. Da ruft Fugger ihn nach Augsburg zurück.

„Die Puppenspieler“ ist tatsächlich eine kleine Goldperle, und gäbe es nicht so unwichtige Dinge wie z.B. schlafen, hätte ich das Buch nicht aus der Hand genommen. Damit ist ja schon mal klar, dass alle Lobeshymnen meines Erachtens voll und ganz gerechtfertigt sind, denn Kinkel ist es hier gelungen, die Großen dieser Zeit wieder auferstehen zu lassen, nebenbei fesselnden Geschichtsunterricht zu geben und den Leser sich wie auf einer Zeitreise fühlen zu lassen. Zumindest ich wurde eine Puppe von Fugger, wandelte durch Florenz und Rom, unterhielt mich mit Philosophen und Dichtern, bewunderte Michelangelo bei seiner Arbeit und trauerte um Lorenzo de´Medici. Da fällt es schwer, wieder in die Gegenwart zurückzukehren, um gleich mal über die Fugger-Familie recherchieren zu gehen, denn dieses Buch macht neugierig und hungrig auf mehr. Solch sorgsam und liebevoll ausgearbeiteten Charaktere bleiben einem eben im Gedächtnis.
Und auch Kinkels erzählerisches Talent überzeugt vollkommen. Wo bei anderen Autoren oft entweder die Detailfreude oder die Handlung zu kurz kommen, ist hier eine glückliche Mischung zu finden, so dass Fans historischer Romane gut auf ihre Kosten kommen. Und ein flüssiger Schreibstil lässt die Seiten viel zu schnell vorüberfliegen.
Fazit: Meine Erwartungen wurden allemal erfüllt, deshalb kann ich mit gutem Gewissen eine uneingeschränkte Empfehlung geben, allerdings keine Leseprobe, denn die würde ca. 600 Seiten lang werden.

Homepage der Autorin: http://www.tanja-kinkel.de