Köster-Lösche, Kari – Mit der Flut kommt der Tod

Liebhaber historischer Romane dürften mit dem Namen Kari Köster-Lösche einiges verbinden: „Die Hakima“, „Die Heilerin von Alexandria“, „Die Wagenlenkerin“, um nur drei ihrer aktuell am meisten gefragten Werke zu nennen. Spielen manche ihrer Geschichten an fernen Schauplätzen, in längst vergangenen Zeiten, so findet die gebürtige Lübeckerin auch immer wieder direkt vor ihrer Haustür Stoff für spannende Erzählungen. Hexenwahn und Pestilenz im Tondern des 17. Jahrhunderts beispielsweise, oder die Konflikte zwischen Aberglaube, Fortschritt und der Naturgewalt der Meeres, spannend in Szene gesetzt in der Novelle „Das Deichopfer“. Es zeigt sich also, auch das norddeutsche Land besitzt narratives Potenzial. Mehr noch, die einzigartige Region Friesland, seit Jahrhunderten bestimmt durch das Ringen zwischen Mensch und Meer, scheint auch exotischen Örtlichkeiten, wie zum Beispiel dem antiken Griechenland, als Romanbühne den Rang ablaufen zu können. Mit ihrer aktuellen Erzählung (im August 2005 erschien noch „Mit Kreuz und Schwert“, der Abschluss ihrer Sachsen-Trilogie) widmet sich Kari Köster-Lösche nun ihrer ganz persönlichen, neuen Heimat. „Mit der Flut kommt der Tod“ spielt auf der Hallig Langeneß – ein von Watt und Wasser umschlossenes Stück Land, zwischen Föhr, Pellworm und der schleswig-holsteinischen Küste. Seit über zehn Jahren schon wohnt die Autorin zusammen mit ihrem Mann auf der lang gestreckten Marschinsel, sammelt Spuren der Inselhistorie, malt Aquarelle, erforscht das Watt und betreibt ein eigenes Museum. „Eigenes Erleben ist besser als jede Recherche“, sagt sie und man spürt die Wahrheit dieser Worte deutlich in jeder Zeile ihres neuen Romans. Authentisch und lebendig tritt dem Leser das Halligleben von vor über hundert Jahren vor Augen.

Erzählt wird die Geschichte des Husumer Wasserbauinspektors Sönke Hansen. Im Jahr 1894 wird er auf eine heikle Mission geschickt: Er soll auf der Hallig Nordmarsch-Langeneß die Voraussetzungen für den Bau eines Steindamms ausloten, womit die Insel dauerhaft vor dem nagenden Zahn der Nordsee geschützt werden könnte. Dabei ist die Frage des Deichbaus von politischer Brisanz, denn auf dem Festland steht man den Halligen durchaus skeptisch gegenüber. Die Bewohner seien rückständig, der Unterhalt der Halligen würde nur Kosten verursachen und nichts einbringen und obendrein stellten die vorgelagerten „Inseln“ ein militärisches Hindernis für die deutsche Flotte dar. Nichtsdestotrotz besteht Berlin darauf, dass die Sache in Augenschein genommen wird. Hansen selbst sieht die Bredouille schon früh auf sich zukommen: Seinen Vorgesetzten war er schon immer ein Ärgernis, zu unpatriotisch, zu unpreußisch. Dass er mit der Tochter eines Optanten – Bewohner von Nordschleswig, die sich nach der Übernahme Schleswig-Holsteins durch Preußen in Folge des deutsch-dänischen Krieges von 1864 für die dänische Staatsbürgerschaft entschieden – verlobt ist, macht die ganze Angelegenheit nur komplizierter. Obendrein sympathisiert er mit den eigenwilligen Halligbewohnern und denkt nicht daran, sie dem Schicksal der Nordsee zu überlassen. Doch der Oberdeichgraf erwartet, dass Hansen auf seiner Mission scheitern wird und die störenden Inseln den Fluten der See überlassen werden. Noch bevor Sönke Hansen überhaupt einen Fuß auf die Hallig Nordmarsch-Langeneß gesetzt hat, steht er bereits am Scheideweg: Den Zorn seiner Vorgesetzten riskieren und für den Deichbau plädieren, oder die Hallig und ihre Bewohner sich selbst und somit dem Untergang überlassen und dadurch seinen Herren nach dem Munde reden? Als Hansen schließlich auf Nordmarsch anlangt, wird die ganze Sache durch das skeptische Verhalten der Einheimischen noch weiter verkompliziert. Niemand will etwas mit den Bürokraten vom Festland zu tun haben und ein Steindeich würde nur Scherereien verursachen! Als die Flut eines Tages auch noch eine Leiche an den Strand spült, nimmt Hansens Mission langsam bedrohliche Züge an. Zumal der Tote dem Wasserbauinspektor auf den ersten Blick wie aus dem Gesicht geschnitten scheint. Was geht hier draußen vor, in den grauen Weiten des Watts? Was hat es mit dem merkwürdigen Segler auf sich, den einige Halligbewohner des Nachts erspäht haben wollen? Und was ist mit Gerda – Hansens Verlobte –, die seit seinem Aufbruch aus Husum spurlos verschwunden ist? Sönke Hansen muss all sein Können in die Wagschale werfen, um Licht ins Dunkel zu bringen, welches die Hallig langsam beschleicht.

Kari Köster-Lösche erzählt in „Mit der Flut kommt der Tod“ eine spannungsgeladene Geschichte vor einem ganz besonderen Hintergrund. Liebevoll wird das Leben auf der Hallig skizziert, so dass man sich als Leser bald selbst in der von Wind und Wellen umschlungenen Weite der nordfriesischen Vorküste wähnt. Haupt- wie Nebencharaktere kommen allesamt als Unikate daher und bereichern die Erzählung mit ihren eigenen, individuellen Facetten. Als historischer Roman verwendet die Geschichte einige Begriffe, die den meisten Lesern wohl eher unbekannt sind, doch ein ausführliches Glossar am Ende des Buches verschafft hier zügig Abhilfe. Desweiteren erleichtert eine Liste der auftretenden Personen die handlungsinterne Übersicht, während zwei Karten für geographische Orientierung in der friesischen Küstenregion sorgen. Insgesamt ein sehr empfehlenswerter Roman, der eine faszinierende Atmosphäre heraufbeschwört. Meer und Mensch und Mehr.

_Michel Bernhardt_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.x-zine.de/ veröffentlicht.|