Thomas Kohlschmidt, in der Phantastikszene bekannt durch zahlreiche veröffentlichte Artikel und Kurzgeschichten, legt jetzt mit dem Phantastikthriller „BLIND“ sein Romandebüt vor.
Professor Keller sitzt in einer Hamburger Psychiatrie gefangen, da er ein Buch über eine merkwürdige Dunkelheit veröffentlichte, die die Erde zu beherrschen drohe. Mit diesen esoterischen Thesen kam er einem Kollegen in die Quere, der seinen gesamten Einfluss geltend machte, um Keller aus dem Verkehr zu ziehen.
Gerade diese beschworene und verlachte Dunkelheit ist nun im Begriff, sich auf die Erde herabzusenken, und Keller wird von einer amerikanischen Sturmtruppe aus der Psychiatrie befreit. Außerdem sind die Russen, die UNO und andere Mächte plötzlich an ihm interessiert, so dass er als Spielball von einem zum anderen wechselt, bis ihn eine Söldnertruppe nach Kalkutta, dem Ort seiner Forschungen und einzig mögliche Ausgangsbasis zur Lösung des Problems, bringt.
Seine Anhänger haben ihm im Verlauf der Gefangenschaftsjahre ein Labor ganz nach seinen Wünschen eingerichtet und in einen Hochsicherheitstrakt verwandelt, von dem aus er nun auf die andere Seite, in die „Nicht-Licht-Welt“, vorzudringen gedenkt, um der Gefahr zu begegnen. Für die Außenstehenden wird seine krankhafte Fantasie von Nicht-Licht-Wesen plötzlich zur alles betreffenden Gefahr; die Weltbevölkerung bricht in Panik aus und jede Macht will Keller für die nationale Sicherheit benutzen, ohne zu akzeptieren, dass er das Übel an seiner Wurzel in Kalkutta packen muss, wo er vor Jahren das Tor zur anderen Seite öffnete, das schon die Magier und Schamanen vergangener Zeiten zu hüten und zu verschließen bemüht waren. Was aber in der Nicht-Licht-Welt vorgeht, ist auch Keller noch unbekannt …
In einem Artikel auf WARP-online nimmt Kohlschmidt Stellung zu seiner Arbeit an diesem Roman und verdeutlicht seine Vorgehensweise bei der Recherche, die eine wichtige Rolle bei der Ausarbeitung gespielt hat, da er seine Geschichte an bekannten Orten mit verschiedensten Nationalitäten und Umgangsformen und realen Techniken erzählt. Dabei schafft er es sehr gut, die gefundenen Informationen zu bearbeiten und in einem gesunden, knappen Maß in seine Geschichte einfließen zu lassen, so dass man an keiner Stelle das Gefühl hat, er wolle möglichst alles, was er an Arbeit mit der Recherche hatte, auf Biegen und Brechen in dem Roman verarbeiten. Diese Fähigkeit muss man hervorheben, tun sich doch sehr viele gestandene Schriftsteller damit schwer und spicken ihre Erzählungen mit seitenlangen Abhandlungen. Kohlschmidt schafft diesen Balanceakt mit Auszeichnung, strafft so die Handlung und rückt das Wesentliche in den Mittelpunkt.
Dagegen erschweren die vielen unterschiedlichen Erzählebenen ein wenig den Lesefluss und behindern die Entwicklung der wichtigen Charaktere. An sich ist gegen die schlaglichtartige Darstellung der Situation nichts einzuwenden, wird so doch der große erdumfassende Zusammenhang sehr deutlich herausgestellt. Damit erhält jedoch jede einzelne Nebenfigur das gleiche Gewicht wie die wirklichen Handlungsträger, um deren Ausarbeitung etwas mehr hätte gegeben werden können.
Die Handlung steht auf etwas tönernen Füßen. Tragende Wichtigkeit kommt der Tatsache zu, dass die Anhänger von Kellers Theorie eine Organisation aufgebaut haben, die keinerlei finanzielle Probleme hat und außerdem die größten Könner aus jedem Gebiet rekrutieren konnte. Das erhebt alles in ein überirdisches Licht und enthebt Keller der Schwierigkeit, seiner (durch seinen Aufenthalt in der Klappsmühle nicht eben im Ansehen gesteigerten) phantastischen Theorie die Mittel und die Anerkennung zu erkämpfen, die es benötigt, um der Gefahr rechtzeitig entgegentreten zu können. So erscheinen die Protagonisten über jede weltliche Schwierigkeit erhaben, was durchaus der Glaubwürdigkeit der Geschichte abträglich ist.
Die Auflösung ist interessant und verknüpft die Mythologien eigentlich sämtlicher frühzeitlicher Völker auf einer neuen Ebene. Und natürlich muss der tragische Tod einer sympathischen Person die emotionale Bindung zum Leser gerade am Ende noch einmal richtig festigen.
Fazit: Kohlschmidts Romanerstling lässt sich locker, flüssig und spannend lesen und bietet kurzweilige Unterhaltung, hat aber einige Schwächen bei der Ausarbeitung der Charaktere und durch ein paar klischeehafte Wendungen. Ausbaufähig, aber ein Roman, der hohes Potenzial erkennen lässt.