_Passionsgeschichte: Kampf um den Spielzeugmacher_
Als Zaubertiere hat sie Isaak Bodkins in seiner kleinen Fabrik erschaffen: Bär, Kaninchen, Hund, Katze und Elefant, dazu bestimmt, Kinder zu erfreuen und zu trösten. Nun ist Isaak tot, und sein Nachfolger muss das Erbe am gleichen Tag übernehmen, damit die Kraft des Guten wirksam bleibt. Denn im Keller der Fabrik herrscht von alters her eine andere, finstere Macht – böse Spielsachen, die jetzt ihre Stunde für gekommen halten und alles daransetzen, ihr grausames Regime auf der Erde zu errichten … Die Zaubertiere haben eine abenteuerliche Reise durch die nächtliche Stadt durchzustehen, um Isaaks Nachfolgerin zu informieren.
Empfohlen ab 10 Jahren.
_Der Autor_
Dean Koontz wurde 1945 in Pennsylvania geboren, musste in seiner Jugend hungern, schrieb Schundromane für einen Hungerlohn, lernte seine Frau Gerda kennen und konnte schließlich mit ihr nach Kalifornien ziehen, wo das Ehepaar seither stets mit einem Golden Retriever zusammenlebt. Es gibt kein einziges Koontz-Buch der letzten Jahre – etwa seit „Geschöpfe der Nacht“, in dem nicht mindestens ein Loblied auf diese Hunderasse angestimmt wird.
Die zahlreichen Thriller und Horror-Romane des schärfsten Konkurrenten von Stephen King wurden sämtlich zu Bestsellern und in über 30 Sprachen übersetzt. Weltweit hat Koontz laut Verlag über 250 Mio. Exemplare verkauft. Leider wurden bislang nur wenige von Koontz‘ Büchern verfilmt. Die beste Verfilmung ist meiner Meinung nach „Intensity“, aber der Film strapaziert die Nerven derart, dass er höchst selten gezeigt wird.
_Dean Koontz auf |Buchwurm.info|:_
[„Todesregen“ 3840
[„Frankenstein: Das Gesicht “ 3303
[„Die Anbetung“ 3066
[„Kalt“ 1443
[„Der Wächter“ 1145
[„Der Geblendete“ 1629
[„Stimmen der Angst“ 1639
[„Phantom – »Unheil über der Stadt« “ 455
[„Nackte Angst / Phantom“ 728
[„Schattenfeuer“ 67
[„Eiszeit“ 1674
[„Geisterbahn“ 2125
[„Die zweite Haut“ 2648
_Der Sprecher_
Jürgen Kluckert hat an der Schauspielschule „Ernst Busch“ studiert und spielte Rollen im „Tatort“, bei „SOKO“ und „Liebling Kreuzberg“. Auch am Theater und als Synchronstimme, unter anderem von Morgan Freeman, Nick Nolte, Robbie Coltrane und Chuck Norris, wurde er bekannt. 1994 übernahm er die Synchronisation von Benjamin Blümchen. Er ist auch die Stimme von „Mr. Krabs“ in „SpongeBob“.
_Handlung_
Isaak Bodkins, der Schöpfer der Zaubertiere, ist gestorben. Aber der Spielzeugmacher hat Vorkehrungen für diesen Fall getroffen und den Stoffbären Amis zum Anführer seiner Geschöpfe bestimmt. Diese Geschöpfe sind außergewöhnlich insofern, als sie sprechen, denken, fühlen und sich bewegen können. Sie wissen (noch) nicht, warum dies woanders anders sein sollte. Isaak hat Amis daran erinnert, was die Aufgabe der Zaubertiere sei, nämlich jedes der Kinder, dem sie geschenkt werden, zu trösten, zu beschützen und ihm Rat zu erteilen. Darin bestünde ihre Magie. Doch bei Erwachsenen sei sie schwach und deshalb dürften sie sie nur im Kinderzimmer anwenden und sich ansonsten vor Erwachsenen in Acht nehmen. Issak sagte, der Tod sei nicht sein Ende, sondern nur eine Durchgangsstation. Um die Magie nicht vergehen zu lassen, müssten seine Geschöpfe seine Nachfolgerin besuchen, Mrs. Martha Miller, und sie zur neuen Spielzeugmacherin machen.
Es gibt nur ein Problem. Mrs. Miller, der der Spielzeugladen gehört und an die Isaak alle seine Spielzeuge verkauft hat, lebt am anderen Ende der Stadt. Nur die tapfersten Spielzeuge können auf die Expedition mitgehen, zu der ihr Anführer sie nun aufruft. Folgende sind bereit, Amis in die kalte, stürmische Nacht zu folgen: Einstein, der Elefant; Der Gestiefelte Kater, sein Degen ist aus Hartgummi; Caramel, das Hundemädchen; Skippy, der Hase; und Der Alte, dessen Gattung nicht ganz klar ist, der aber alles über die Zaubertiere und Isaak Bodkins weiß. Sie überlassen die Werkstatt den Affen und anderen Tieren, klettern aus einem Kellerfenster und machen sich auf den Weg.
Doch da nun die Magie des Spielzeugmachers schwächer wird, regt sich zwei Stockwerke tiefer neues Leben. Dorthin ist Isaak nie gekommen und so wusste er nicht, dass hier die Spielzeuge seines Vorgängers eingelagert sind: Cerberus Toys. Als Erster regt sich ihr Anführer. Rex ist eine Marionette ohne Fäden, in feinem Smoking und Zylinder, doch in seinem Spazierstock steckt ein ausfahrbares Messer. Er weckt und befreit die anderen Spielzeuge: Lizzie, das Tanzmädchen aus den 1920er Jahren, ist auch eine fadenlose Marionette, doch ihre Zigarettenspitze glüht und kann ein Feuer entzünden; Eisenbeißer ist ein Roboter und leider ein wenig einfältig und monomanisch in seinem Zerstörungsdrang; Jack Weasel ist ein Kastenteufel mit einem Clownsgesicht; seine Lippen sind blutrot; Die Stecherin ist eine fliegende Hornisse, die über einen Stachel im Hinterleib verfügt, der so groß ist wie eine Taschenmesserklinge. Zusammen mit den anderen Cerberus Toys macht sich die Stecherin an den Aufstieg nach oben und findet den Weg aus dem Haus. Die Zeit ist gekommen, dass das Böse die Herrschaft übernimmt. Und so machen sie sich daran, die „Wattebäuche“ zu verfolgen, um ihnen den Garaus zu machen.
|Victor Bodkin|
Victor Bodkin ist der Neffe des verstorbenen Spielzeugmachers. Er ist ein lediger Buchhalter ohne Kinder und denkt nur an Profitmaximierung. Folglich will er das große Grundstück seines verstorbenen Onkels versilbern. Für dessen Beruf hat nichts als Kopfschütteln übrig. Doch als der 35-Jährige an diesem Abend zu dessen Haus fährt, bemerkt er sonderbare Bewegungen auf der Straße. Er stoppt und sieht sechs Stofftiere über die Straße laufen, die bei seinem Anblick erstarren. (Achtung, ein Erwachsener!) Er steigt aus. Auf Befehl des Bären eilen sie weiter und verschwinden zwischen den Bäumen des nahen Parks.
Doch der Spuk ist noch nicht vorüber. Aus der Richtung, aus der die Stofftiere kamen, taucht ein kleiner Roboter auf. Doch statt beim Anblick eines Erwachsenen stehenzubleiben, haut ihm der Roboter voll auf die Schuhe. Damit nicht genug, zückt eine Marionette im Smoking ein Messer und greift an. Eine Hornisse fliegt im Sturzflug heran und verfehlt Victors Kopf nur deshalb, weil er sich zu Boden wirft. Er tritt den strategischen Rückzug an und versucht sich verwirrt einen Reim auf das Gesehene zu machen. Spielzeuge, die sich bewegen?! Das muss er genauer sehen. Er folgt ihnen.
|Nick Jack|
Aus dem Süden kommend, ist Nick Jack endlich in der Stadt eingetroffen, in die ihn eine Stimme gerufen und ihn wie ein Magnet gezogen hat. Nick wurde erst am Morgen aus dem Knast entlassen, wo er 15 Jahre abgesessen hat. Er ist bis zur Halskrause von Hass erfüllt, von Hass auf alles und jeden. Das Einzige, was ihn erfreut, sind Tränen in gequälten Kinderaugen.
In einer Busstation hat Nick einen Schlüssel gefunden. Auf dem Schlüssel stand eine Schließfachnummer, und in dem Schließfach fand er einen großen Koffer. In dem Koffer befinden sich zwei Millionen Dollar in kleinen Scheinen. Das Gesicht, das er im Spiegel statt seines eigenen gesehen hat, verlangte von ihm, den Koffer einem Mann namens Victor Boskin zu geben. Es ist der Kaufpreis für dessen Spielzeugfabrik. Diese Fabrik soll Nick übernehmen, denn er sei der neue Spielzeugmacher in Diensten des Herrn der Finsternis. Und seine Spielzeuge werden sich die Welt untertan machen.
_Mein Eindruck_
Auch wenn die Geschichte wie ein Märchen aussieht, so werden hier doch metaphysische Konflikte verhandelt, die sich zwischen Gott und Teufel, Gut und Böse abspielen. Allerdings erweist sich diese Konstruktion als äußerst simpel. Aber immerhin gibt es eine Bekehrung und zwei Bestrafungen.
Ist Gott ein Spielzeugmacher?, fragen sich die Zaubertiere. Nein, aber wenn er Kinder mag, dann mag er bestimmt auch Spielzeug. Und Isaak Bodkin sowie Martha Miller, seine Nachfolgerin, sind Gottes Diener, quasi seine Bischöfe. Sie senden ihre Jünger aus, um die Kinder der Menschen zu trösten, zu beschützen – und zu unterweisen. Macht nichts, wenn die Kinder sie vergessen, sobald sie erwachsen sind. Hauptsache, sie habe ihre Kindheit seelisch unbeschadet überstanden.
Eine Zeit großer Gefährdung, wie die Spielzeuge deutlich machen, die Cerberus Toys produziert hat. „Cerberus“ ist der Sage nach der dreiköpfige Hund, der die Tore zur Unterwelt bewacht. Womit wir schon beim Thema wären. Das Böse lauert unten in der Finsternis und wartet nur auf seine Chance, um die Guten zu verderben und die Herrschaft über die Menschen zu übernehmen. Dazu hat der Herr der Finsternis seinen Knecht Rex auf die Mission geschickt, die Zaubertiere Isaac Bodkins zu töten, bevor sie ihren Auftrag erfüllen können. Aber er hat auch Nick Jack (Old Nick ist ein umgangssprachlicher Beiname für den Widersacher) ausgeschickt, um einen wichtigen Menschen zu verführen: Victor Bodkin, Isaacs Neffen.
Wie in zahlreichen religiös angehauchten Romanen, seien sie nun historisch oder phantastisch ausgerichtet, ist Victors Seele ein Schauplatz widerstreitender Kräfte. Sein Materialismus macht ihn dem Angebot Nick Jacks geneigt, doch zum Glück kommen ihm ernsthafte Zweifel an dessen Seriosität. Victors Stunde schlägt, als Amis von Rex‘ Hand stirbt. Victor muss sich entscheiden, ob er diesen kaltblütigen Mord hinnehmen will. Amis ist die Jesusfigur im Stück, deren Opfertod eine entscheidende Wende, vulgo: Bekehrung, in seinen Mitmenschen bewirkt. Ob es funktioniert, soll hier nicht verraten werden. Victor ist unser Jedermann und unser Stellvertreter. Die Auferstehung Jesu, pardon: von Amis, ist nur eine Frage weiterer Opfer, die als Gabe der Liebe gegeben werden.
Für diese Interpretation spricht, dass andauernd irgendwelche inneren und äußeren Stimmen und mystische Erscheinungen wie Spiegelgesichter Anweisungen geben und so die Akteure durch die Nacht treiben, um den Konflikt auszutragen. Das letzte Wort haben: der Herr der Finsternis, der seinen versagenden Diener zu sich ruft, um ihm Lenkfäden zu verpassen; die Polizei, die einige bohrende Fragen an den Ex-Knacki Nick Jack hat; und Martha Miller, frischgebackene Spielzeugmacherin für Zaubertiere.
Wie man sieht, handelt es sich bei „Nacht der Zaubertiere“ um eine Passionsgeschichte, die zwar einfach gestrickt ist, aber von jedem Kind – ab zehn Jahren – verstanden werden sollte. Sie lässt sich auch gut zur Weihnachtszeit erzählen oder anhören.
_Der Sprecher_
Jürgen Kluckert beherrscht die hohe Kunst der Charakterisierung vieler verschiedener Figuren mit stimmlichen Mitteln. Jede Figur der Stofftiere und der Cerberus Toys hat ihre eigene stimmliche Charakteristik, so dass man alle Figuren sofort auseinanderhalten kann. Nicht genug damit: Die Stimmen passen auch. Der Elefant spricht tief und langsam, der Bär mit vertraueneinflößender Autorität, der Hase hoch und schnell, das Hundemädchen ein wenig naiv und der gestiefelte Kater (ähnlich wie in „Shrek“) ein wenig adelig-kultiviert, aber tapfer. Jedes Kind kann sich sofort in diese Figuren verlieben.
Rex, die Anführermarionette, klingt entsprechend herrisch, doch seine Autorität flößt keineswegs Vertrauen ein, sondern Furcht. Dito der verrückte Kastenteufel Jack Weasel und die ziemlich stumme Lizzie. Eisenbeißer hingegen will alles niedertrampeln und redet wie eine Maschine. Die Hornisse Stecherin summt und sirrt und zischt, wenn sie spricht – Kluckert gestaltet sie wundervoll.
Doch Charakterisierung alleine reicht nicht für einen guten, kindgerechten Vortrag. Nun müssen sich die Figuren auch wie lebende Wesen verhalten und Gefühle äußern. Kluckert lässt sie wüten, jammern, flehen, triumphieren und trauern – und noch vieles mehr. Er führt sein eigenes kleines Kasperletheater auf, lässt die Figuren „Puha!“ rufen, hämisch lachen. Ganz besonders hat mir sein furchterregendes „Klickediklick!“ gefallen, das der Kastenteufel verursacht, wenn er seine Opfer sucht. „Klickediklick!“
_Musik_
Dies ist ein Hörbuch der neuen |Lübbe Audio|-Hörbuchreihe „Wellenreiter“, die sich an ausdrücklich an Kinder und Jugendliche wendet (genauso wie „Silberfisch“ bei |Hörbuch Hamburg|). Das ganze Akustik-Design ist völlig anders als in der Erwachsenenreihe.
Zuerst erklingt der Jingle für die Reihe, ohne Gesang, aber mit einer flotten Surfermusik. Danach folgt das In- und Outro , welches von einem modernen musikalischen Motiv bestritten wird. Am Schluss des Hörbuchs wiederholt sich das Ganze in umgekehrter Reihenfolge.
Geräusche gibt es leider keine, so dass man sich jederzeit voll auf den Vortrag des Sprechers konzentrieren kann. Ein paar Soundeffekte hätten aber wirklich nur gestört.
_Unterm Strich_
Dean Koontz erzählt überaus einfach in bester erprobter Kinderbuchsprache. Er lässt aber trotz dieser literarischen Verantwortung auch den Humor nicht zu kurz kommen. Was diesem Schreibstil widerspricht, ist jedoch der Inhalt, den man Kindern bis zehn Jahren kaum zumuten mag.
Da werden Plüschbäuche aufgeschlitzt, rasiermesserscharfe Klingen ausgefahren und Schrotflinten abgefeuert, dass es eine „Pracht“ ist. Das personifizierte Böse hat seinen festen Platz, und das böseste Spielzeug ist eine Marionette. Welches Kind würde nach dieser Lektüre noch eine solche Puppe anfassen? Man kann vielleicht seine Aggressionen ausleben, lautet eine Theorie, aber was ist, wenn das Kind im Dunkeln einzuschlafen versucht und die Bilder von aufgeschlitzten Puppen vor Augen hat?
Kontz scheint hier manchen Kritikern über das Ziel hinauszuschießen und zu viel Schrecken und Grusel in seine Geschichte hineinzupacken. Jugendliche hingegen, die man für die alternative Zielgruppe halten könnte, finden wahrscheinlich wenig Gefallen an der Kinderbuchsprache, denn sie sind Geschichten im Stil eines „Herr der Ringe“ gewohnt. Ich denke, dass heutige Kinder mit zehn schon so weit sind, auch Greueltaten wie die Ermordung eines Teddybären zu verkraften. Aber das müssen die Eltern selbst entscheiden.
Jürgen Kluckert liebt hörbar Kinder als Zuhörer, und wer sich nicht an einen Märchenonkel erinnert fühlt, sollte sich zurück in seine Kindheit versetzen lassen. Kluckert entfaltet mit seinen beträchtlichen Mitteln seine Sprach- und Stimmmagie – er braucht keine Zaubertiere mehr, denn das sind schon wir, seine Zuhörer.
|Originaltitel: Oddkins, 1988
Aus dem US-Englischen übersetzt von Sybil Gräfin Schönfeldt
Empfohlen ab 10 Jahren
235 Minuten auf 3 CDs|
http://www.luebbe-audio.de