Es gibt Worte, die rufen bestimmte Bilder hervor. Bei mir gehören dazu unter anderem auch „Verfolgungsjagd“ und „Roadmovie“. Bei „Verfolgungsjagd“ hat man schnell Bilder von aufregenden Verfolgungen in Autos oder zu Fuß vor Auten, bei welchen der eine unentwegt hinter dem anderen her ist. „Roadmovie“ erinnert andererseits an Filme wie „Easy Rider“, „Thelma and Louise“ oder „Wild at Heart“, wobei das Wort selbst tatsächlich einen Film impliziert.
Der Klappentext von Dean Koontz‘ Roman „Kalt“ wirbt damit, dass es sich bei dem Buch um „Eine gnadenlose Verfolgungsjagd und ein fantastisches Roadmovie“ handeln würde. Und tatsächlich werden die Helden des Romans gnadenlos verfolgt, es geschieht „fantastisches“ und ein gutes Stück des Buches fliehen sie über die Straße und erleben entlang der Straße ihre Abenteuer. Was fehlt, sind der Film und die Jagd. Dies mag jetzt pedantisch erscheinen, ist aber symptomatisch für die Aufmachung des Buches. Der Klappentext ist zwar teilweise falsch, gibt aber genug preis, um etwa die Hälfte des Buches zu verraten. Der deutsche Titel hat relativ wenig mit dem Buch zu tun und bezieht sich wohl als eine Art Wortspiel darauf, dass der eigentliche Bösewicht „Kalt“-blütig agiert und außerdem die Helden den Nordpol besuchen. Oder vielleicht soll er sich auch an bekannte Horrorromane mit Einworttiteln anlehnen und damit die Verkaufszahlen in die Höhe schnellen lassen. Was schade ist, da der Originaltitel „By the Light of the Moon“ (Beim Licht des Mondes) wesentlich besser zum Buch passt und auch als Satz zentrale Bedeutung für die Akteure erlangt. Und warum gerade ein Insekt für das Cover-Bild gewählt wurde, vermag vermutlich nur der Designer zu sagen – besonders bei dem Titel.
Wenigstens hat man darauf verzichtet, das Buch als Horrorroman, Thriller oder Science-Fiction zu bezeichnen, denn dies wird dem Roman nicht gerecht, weil dieser sich mit dem etwas kitschigen Schluss in das Genre der Superhelden begibt.
Dabei fängt die Geschichte mit einem Schwall an gewaltigen Bildern an, die zwischen Kitsch („Der verblichene Tag war inzwischen in der Erde, im Asphalt vergraben. Dem Auge entzogen, aber spürbar, spukte sein Geist durch das nächtliche Arizona: ein heißer Geist, der träge von jedem Zoll des Bodens aufstieg …“) und Detektivbüro-Sprache („Die zeitgenössische Kultur passte Dylan O´Conner etwa so gut wie ein dreifingriger Handschuh …“) hin und her schwanken.
Nachdem man jedoch erfahren hat, dass es sich bei dem Charakter, aus dessen Perspektive der Roman begonnen wird, um einen Künstler namens Dylan O´Connor handelt, der in der Welt nur die wunderbarsten Bilder wahrnimmt, wird klar, dass diese Sprache als Stilmittel gedacht ist, um die Perspektiven der Akteure zu verdeutlichen. Denn der zweite Hauptakteur, die Comidiene Jill Jackson, sieht die Welt mit anderen Augen, und diese Sichtweise wird dem Leser auch vermittelt. Besonders interessant wird das Buch jedoch immer dann, wenn Dylans Bruder, der autistische Shepard, in das Geschehen einbezogen wird, denn Koontz hat sich große Mühe gegeben, die Probleme, die Shepard selbst mit der Welt und vor allem seine Begleiter Dylan und Jill während der Flucht mit ihm haben, herauszuarbeiten.
Immer wieder sagt er seine Mantras auf, begibt sich in eine Ecke, um die Welt auszuschließen und gibt sinnlose Dinge von sich, die aber mit der Zeit Bedeutung gewinnen. So wird auch ein guter Teil der Spannung während der Szenen, in denen es tatsächlich um den Konflikt mit den Verfolgern geht, daraus gewonnen, dass Shepard nicht angemessen auf die Situation reagieren kann und damit sich und seine Begleiter in Gefahr bringt.
Dieses Stilmittel hat aber zwischenzeitlich auch den Effekt, dass es die Handlung in die Länge zieht und man versucht ist, Teile des sich nur geringfügig ändernden Dialoges zwischen Shepard und Dylan zu überspringen. Genauso gehen die Übercharakterisierungen der Protagonisten irgendwann ein wenig auf die Nerven, da man das Gefühl bekommt, dass die Personen nur existieren, um ihre Neurosen auszuleben.
Wie vielleicht auffällt, hat sich diese Rezension bisher wenig mit dem tatsächlichen Inhalt des Romans beschäftigt. Dies liegt nicht daran, dass es dem Buch an Spannung mangelt, sondern daran, dass der Inhalt bereits überwiegend auf dem Klappentext beschrieben wird:
Ein verrückter Wissenschaftler injiziert drei Personen gegen ihren Willen ein Mittel, welches sie verändert und dazu führt, dass sie dank des Mittels besondere Fähigkeiten entwickeln und sich gezwungen sehen, anderen zu helfen. Das Mittel hatte bei vorherigen Testpersonen zu brutalen Übergriffen geführt, weswegen einige Mörder auf die neuen Probanden angesetzt werden. Diese Söldner tauchen tatsächlich einmal im Buch als echte Bedrohung auf, verschwinden jedoch die meiste Zeit hinter der Action, die die guten Taten mit sich bringen. Nicht wirklich überraschend, war die Auswahl der drei Helden nicht zufällig, da der Wissenschaftler zu zweien von ihnen eine ihnen bis dahin nicht bekannte Beziehung hatte. Und nachdem man noch ein paar Dinge erledigt hat, ist alles gut und man ist mit sich und den bisher am Körper eingetretenen Veränderungen im Reinen.
Wie bereits geschrieben, ist der Roman tatsächlich spannend und diese Zusammenfassung wird der Spannung nicht gerecht, aber die eigentliche Spannung liegt auch nicht in der Geschichte, sondern in den Akteuren, die das Buch lesenswert machen. Herauszuheben ist dabei noch die Figur des Wissenschaftlers, welcher in seiner selbstanklagenden Art tatsächlich hassenswerter ist als so mancher manische Psychopath, besonders nachdem man schließlich erfahren hat, was wirklich hinter seinen Selbstanklagen steckt. Daher kann ich den Roman durchaus als Ferienlektüre empfehlen.
|Orginaltitel: A Maze of Death
übersetzt von Yoma Cap, überarbeitet von Alexander Martin|
_Peter Singewald_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.x-zine.de veröffentlicht.|