Krock, Jeanine – Wege in die Dunkelheit. Ein Vampirroman

Jeanine Krock hat mit ihrem Romandebüt „Wege in die Dunkelheit“ (die Ähnlichkeit des Titels mit dem Urgestein aller Vampirportale – pathwaytodarkness.com – ist nicht von der Hand zu weisen) einen dichten und wirklich spannenden Vampirroman vorgelegt, der gleichzeitig einen Einblick in die Gothic-Szene der 80er Jahre bietet und fast nebenbei einen ganzen Vampirmythos aufbaut. Daher bleibt kaum verhüllt, „wo“ die Autorin herkommt: Gothic-Szene und Vampirwirklichkeit bedingen sich in „Wege in die Dunkelheit“ gegenseitig – die Faszination an der dunklen Seite der Existenz, das theatralische Pathos, das Kokettieren mit melancholischen Zuständen und tiefen Gefühlen bringen Vampire und Mitglieder der Subkultur unweigerlich zusammen.

Die Geschichte startet in Deutschland mit dem jungen Nik, der auf einem Konzert an die überirdisch schöne Shamina gerät. Selbige Shamina ist natürlich eine Vampirin und ganz in der Tradition des 19. Jahrhunderts grünäugig, sinnlich und unwiderstehlich. Nik ist sofort Feuer und Flamme und vergisst darüber seine – zugegebenermaßen – nervtötende Freundin Katharina. Shamina wiederum, durchaus von Nik angetan, hat keine Möglichkeit, aus den Verpflichtungen ihres Vampirismus auszubrechen, wird sie doch von ihrem Master Sylvain aufgefordert, ihm bei der Vernichtung eines urbösen Vampirs zu helfen.

So wandert die Handlung von der westdeutschen Provinz ins brodelnde Berlin, ins absolut überschäumende London und auf Sylvains englischen Landsitz. In Flashbacks erfährt der Leser darüberhinaus so einiges über die handelnden Vampire. Vor einer farbenfrohen historischen Kulisse gibt es da rauschende Feste und Straßenräuber, unsterbliche Diener und einen nie enden wollenden Vorrat an Blut.

Es ist schwierig zu entscheiden, wo man bei „Wege in die Dunkelheit“ ansetzen soll. Das Buch ist so voll von Ideen, Handlungssträngen und Themenkomplexen, dass man daraus ohne Probleme eine ganze Romanreihe hätte machen können, ohne dass dem Leser langweilig würde. Mehr noch, es hätte der Autorin die Möglichkeit gegeben, bestimmte Situationen nicht nur anzureißen und den historischen Hintergrund der Vampire deutlicher auszuleuchten. So aber werden ganze Handlungsstränge (beispielsweise Shaminas Vampirwerdung) nur kurz rekapituliert und damit Potenzial verschenkt. Ebenso ergeht es dem eigentlichen Knackpunkt des Romans, nämlich der geplanten Vernichtung des Oberschurken Ludovico, die blass und schablonenhaft bleibt und auf minimalem Raum abgehandelt wird. Auf die Charakterisierung der Gefahr, die von Ludovico (der nie wirklich auftaucht) ausgehen soll, wird überhaupt keine Tinte verwandt und man wird den Eindruck nicht los, dass er nur ein |plot device| ist, um die Vampire zusammenzuführen.

Wirklich gelungen ist dagegen die Beschreibung der deutschen und englischen Subkultur. Von der Darstellung von Bands bis zur ausführlichen Beschreibung von Hairstyles und Klamotten ist alles vertreten. Der dazugehörige Lebenstil komplett mit übertriebenen Gefühlen und plötzlichen Liebesbezeugungen durchtränkt den gesamten Roman und man ist klar im Vorteil, wenn man eine Gothic-Affinität besitzt. Ansonsten kann einem beim hohen Pathos-Grad schnell schwindelig werden. Hier werden sich jedoch auch die Leser finden, für die „Wege in die Dunkelheit“ wie auf den Leib geschneidert ist. Das Buch ist eine relativ unverhüllte, zweihundert Seiten lange Wunschvorstellung vom Vampirismus, die sich nicht damit abmüht, die damit verbundenen Problematiken zur Sprache zu bringen. Krocks Vampire sind durchweg menschenliebende Humanisten, die zur Blutbeschaffung natürlich nie jemanden töten würden – zumindest wenn es sich um die richtige Gruppe Menschen handelt. Einen Pulk Skins genüsslich um die Ecke zu bringen, bereitet ihnen dagegen keine moralischen Kopfzerbrechen.

Für Anhänger der schwarzen Subkultur sollte „Wege in die Dunkelheit“ also ein wahres Fest sein, der Durchschnittsleser wird aber ebenso gut unterhalten. Trotz der Schwächen (und der positiven Schwäche, dass das Buch ruhig hätte länger sein können), schafft es Krock, den Leser zu fesseln und zu unterhalten und ein breites Panoptikum an Schauplätzen und Figuren zu präsentieren. Die Verbindung des Vampirthemas mit der Gothic-Szene ist für das deutsche Genre ein Novum und schon daher die Lektüre wert.

Was abschließend noch erwähnt werden sollte, ist, dass dem Roman ein wirkliches Lektorat fehlt. Nicht nur hätte das den Stil an einigen Stellen geglättet, sondern dem Buch auch sonst eine „runde“ Form gegeben. Scheinbar war man sich aber bei |Ubooks| nicht ganz sicher, ob man nun die neue oder alte Rechtschreibung benutzen solle. Und um eine Entscheidung zu vermeiden, wurde einfach alles durcheinander verwendet. Das Gleiche gilt für die Zeichensetzung, besonders, wenn es um die wörtliche Rede geht. Da werden munter verschiedene Anführungszeichen verwendet, ohne darauf zu achten, wie diese mit den normalen Satzzeichen korrespondieren sollten. Man muss kein Grammatikgenie sein, um über solche wilden Satzkonstruktionen Verwunderung zu empfinden.