Einen Namen im Frauenbuchgenre hat sich die Stern-Journalistin Ildiko von Kürthy durch ihr Erstlingswerk „Mondscheintarif“ gemacht, welches bereits wenig schmeichelhaft verfilmt wurde. Mit „Freizeichen“ hat sie ihren dritten Roman veröffentlicht, der ebenfalls im |Wunderlich|-Verlag erschienen ist und nun als Taschenbuch bei |rororo| vorliegt.
Der Leser befindet sich gleich zu Beginn mitten in einem Gedankenmonolog der Hauptperson Annabel wieder, die sogleich berichtet, dass sie nun endlich vor dem Problem steht, sich zwischen zwei Männern entscheiden zu müssen. Eigentlich ist sie bereits seit viereinhalb Jahren mit Ben zusammen, doch im Alltag ist die Leidenschaft flöten gegangen und Annabel fragt sich nun, ob diese Beziehung so noch Sinn ergibt. Kurzentschlossen – eine Fettanalysewaage und Max Frisch haben ihren Teil dazu beigetragen – fährt sie für ein paar Tage zu ihrer reichen Tante nach Mallorca, um dort über ihre Beziehung und ihre Frisur nachzudenken. Auf Mallorca angekommen, muss sie feststellen, dass ihr Koffer nicht mitgeflogen ist und ihre überschüssigen dreieinhalb Kilo sich vielleicht doch nicht so günstig verteilen, wie ihre Freundin Mona ihr das immer wieder versichert.
Doch ihre schwache Blase führt zu der Begegnung mit einem unglaublich gut aussehenden jungen Mann auf einer Traumyacht. Hätte Annabel nicht dringend auf die Toilette gemusst, hätte sie sich sicherlich nie getraut, Robin anzusprechen, aber in dieser Notlage blieb ihr nichts anderes übrig und schon ist Annabel frisch verliebt. Sie beschließt, sich von Ben zu trennen und teilt diesen Entschluss ihrer Freundin Mona am Telefon mit. Kurz darauf gibt der Handyakku endgültig seinen Geist auf, während das dazugehörige Ladegerät leider auf dem Weg nach Thailand ist.
Annabel erlebt eine aufregende Zeit auf Mallorca und gewinnt sogar eine Nacht im berühmten Fünfsternehotel „Mardavall“, wo sie der aus „Mondscheintarif“ bekannten Cora Hübsch begegnet und deren Freundin Sonja, die unsterblich in Annabels Freund Ben verliebt ist und beschlossen hat, Ben seiner Freundin auszuspannen. Noch weiß sie allerdings nicht, dass es sich bei dieser Freundin um ihre neue Bekanntschaft Annabel handelt. Nun kann das „Zickenbeißen“ beginnen …
„Freizeichen“ ist erneut viel zu kurz geraten, denn die 232 Seiten (gebundene Version) hat „frau“ innerhalb kürzester Zeit durchgelesen. Schon mit dem ersten Satz reißt Ildiko von Kürthy ihre LeserInnen mit sich und bereits nach der ersten Seite fühlt man beim Lesen mit und entdeckt an Annabel genau die gleichen Macken und Ängste, die man selbst täglich durch das Leben schleppt. Annabel wächst einem mit ihren so menschlichen Fehlern und Gedanken sofort ans Herz, findet man sich doch nur zu gut in ihr wieder. Ildiko von Kürthy hält ihren Leserinnen oftmals einen Spiegel vor und dennoch muss man lauthals loslachen, weil Annabel sich eigentlich doch so merkwürdig verhält. Von Kürthy schafft es, auf der einen Seite etliche Klischees zu bedienen, ohne dabei aber in die Sparte typischer Frauenlektüre abzurutschen, denn es steckt in ihren Büchern mehr als nur ein Funken Wahrheit drin. Genau diese Mischung aus Beziehungs- und Gewichtsproblemen und herrlichen Geschichten macht das Buch so lesenswert.
Die gesamte Geschichte ist aus Annabels Perspektive beschrieben und umfasst größtenteils ihre Gedanken zur Welt und sich selbst. Durch diese detaillierten Einblicke in die Gefühlswelt der Hauptfigur gewinnt diese stetig an Farbe, sodass der Leser sich im Laufe der Geschichte ein immer genaueres Bild von Annabel machen kann. Die meiste Zeit philosophiert sie über die Frage, was sie später mal ihren Kindern erzählen soll, wenn ihr größter Wunsch doch der gemeinsame Tatortabend mit ihrem Freund ist, bei dem er ihr Spaghetti Arrabiata kocht. Aber kann das alles gewesen sein? Nun ist Robin aufgetaucht, der sie geküsst und dadurch für den bisher aufregendsten Tag ihres Lebens gesorgt hat. Auf der anderen Seite fragt sie sich, ob sie überhaut objektiv bleiben kann in Anbetracht dieses ersten Kusses. Im Laufe des Buches erfährt der Leser immer mehr über die erste Begegnung zwischen Annabel und Robin und die Gedanken, die Annabel sich über ihr Leben macht.
|“Nicht, dass es an meinem Dasein wirklich was auszusetzen gegeben hätte. Alles so weit in Ordnung. Aber mit dem Leben ist es wie mit Jeans: Nur weil du die Marke gefunden hast, die gut sitzt und an den Hüften nicht unnötig aufträgt, heißt das nicht, dass du sie dein Leben lang tragen wirst. Ich hatte fünf Donna-Karan-Jeans und seit Jahren den Haarschnitt und den Mann, die zu mir passten. Verdammt, es wurde Zeit, was Neues auszuprobieren, etwas zu wagen, Abenteuer zu erleben, statt nur von ihnen zu träumen.“|
Das Buch ist so lustig und kurzweilig geschrieben, dass es praktisch eine Sünde wäre, wenn man es nicht in einem Zug durchläse, an vielen Stellen muss man tatsächlich laut lachen, weil die Situationen so herrlich komisch beschrieben werden. Von Kürthys Schreibstil ist einfach erfrischend und zeugt von guter Beobachtungsgabe und viel Fantasie, denn die Autorin führt teilweise so skurrile Beispiele und Gedanken an, wie sie einem selbst nie in den Sinn kämen. Gerade die kleinen, aber feinen Übertreibungen sind es, die den Charme des Buches ausmachen. Im Prinzip könnte ich hier das halbe Buch als Leseprobe angeben, weil fast jeder Absatz absolut lesenswert ist. Die meisten Frauen werden sich nur zu gut mit Annabels Alltagssorgen auskennen und die meisten Männer dürften hier einen interessanten Einblick in die weibliche Psyche bekommen. Auch bei „Freizeichen“ merkt man, dass Ildiko von Kürthy weiß, wovon sie spricht, sie kennt die weiblichen Macken und versteht es, sie amüsant und mit einem Augenzwinkern zu Papier zu bringen.
|“Wann war mir aufgefallen, dass mit meinem Leben irgendetwas nicht stimmt? Vielleicht war es der Moment, als ich zum ersten Mal eine Waage benutzte, die auch den Fettanteil des Körpers misst. Zwar hatte ich nicht auf ein Bombenergebnis gehofft, aber da ich gerade erst am Abend zuvor auf den Nachtisch verzichtet hatte, war ich zuversichtlich aufgestiegen. Errechnet wurde ein Wert, über den ich bis heute mit niemandem gesprochen habe.“|
„Freizeichen“ unterscheidet sich unter anderem dadurch von „Mondscheintarif“, dass die Handlung in einen wesentlich unrealistischeren Rahmen verlegt wurde, denn wer hat schon eine steinreiche Tante mit Villa auf Mallorca und trifft dort den Traumtyp auf einer riesigen Yacht, um dann darüber hinaus auch noch eine Übernachtung mit Beauty-Behandlung und neuem Haarschnitt durch Udo Walz im berühmten Fünfsterne-Hotel zu gewinnen? Um die Geschichte noch zu toppen, lernt Annabel natürlich ausgerechnet die Frau kennen, die hinter ihrem Freund her ist. Unrealistische Momente werden hier aneinander gereiht, machen das Buch dadurch aber nicht schlechter, sondern führen eher dazu, dass man sich noch besser in eine Traumwelt begeben kann, wo am Ende vielleicht doch alles automatisch gut wird. Wer träumt nicht von solch einer ereignisreichen Luxuswoche auf einer sonnigen Insel? Aber ausleben kann man es doch nie, und da macht „Freizeichen“ es einem möglich, sich zumindest gedanklich mit Annabel zusammen auf die Insel zu begeben und mit ihr zusammen von einem besseren Leben zu träumen.
Allerdings ist „Freizeichen“ nicht so frei von Botschaft, wie es den Anschein haben mag, denn manch eine Textpassage hat durchaus leicht philosophischen Charakter, viele Situationen sind irgendwie doch aus dem wahren Leben gegriffen …
|“Wie war ich, wer war ich, wonach habe ich mich gesehnt, als ich zum letzten Mal so viel Sternenhimmel über mir hatte? Wie bin ich, wer bin ich, wonach sehne ich mich jetzt? Wann war ich glücklich? War ich es oft genug? Habe ich es immer rechtzeitig bemerkt, wenn ich glücklich war? Oder erst im Nachhinein, bei der Erinnerung oder beim Durchblättern eines Fotoalbums? Ich kenne einige Menschen, denen erst, wenn es ihnen schlecht geht, klar wird, wie gut es ihnen vorher ging. So bin ich nicht. Ich bin froh, dass ich zu denen gehöre, die das Glück bemerken, wenn es da ist, und die es auskosten und teilen und mitteilen.“|
Wahrscheinlich kennen die meisten solche Situationen auch, in denen einem auffällt, dass man sein Glück verpasst hat. Solche Passagen, in denen Ildiko von Kürthy einem mögliche eigene Fehler vor Augen hält, machen das Buch zu mehr als bloßer trivialer Frauenlektüre, das Buch steckt meiner Meinung nach voller Wahrheiten, die an manchen Stellen nur etwas überspitzt dargestellt werden.
Darüber hinaus ist die Hardcoverfassung verziert mit einigen hübschen Fotos, die ganz im Stile des Außencovers in Pink- und Schwarztönen gehalten sind. Immer passen sie zur Situation und umrahmen die Geschichte somit recht liebevoll.
Abschließend kann ich nur eine Empfehlung für Freunde von unterhaltsamen Frauenromanen aussprechen und auch für alle LeserInnen von „Mondscheintarif“, da es hier ein Wiedersehen mit Cora Hübsch gibt und man also ein wenig mehr über sie und ihren Traummann Daniel erfährt. Keine Frage: „Freizeichen“ bietet kurzweiliges Lesevergnügen, das frau sich nicht entgehen lassen sollte!
Gebundene Ausgabe: 240 Seiten
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