Kurt Vonnegut – Zeitbeben. Phantastischer Roman

Kilgore Trout, Retter der Welt

Was wäre, wenn man die Zeit anhalten und dann wieder ablaufen lassen könnte? Welche Folgen hätte dieses „Zeitbeben“ auf die Menschheit? „Im Jahr 2001 beschließt das Universum, vor die Wahl gestellt, ob es sich ausdehnen oder einen zweiten Urknall erleben soll, ins Jahr 1991 zurückzukehren. Zehn Jahre lang kommt es zu einer Wiederholung von allem und jedem, der freie Wille existiert nicht mehr. Nun schlägt die große Stunde von Kilgore Trout, einem vergriffenen Science-fiction-Autor…“ (Verlagsinfo) Vonneguts letzter Roman sprüht vor Ideen, wie das aussehen könnte.

Der Autor

Der amerikanische Autor Kurt Vonnegut jr. wurde 1922 am Tag des Waffenstillstands, dem 11.11., geboren. Wie man seinem Namen schon entnehmen kann, ist er deutscher Abstammung. Seine Eltern lebten in Germantown, einem Ortsteil von Indianapolis, und entsprechend war auch sein Umfeld von deutschen Traditionen geprägt.

Wenn es nach Familientradition gegangen wäre, dann hätte auch Kurt Architekt werden müssen. Doch da die Branchenaussichten schlecht waren, zog er zunächst den Militärdienst vor. Allerdings wurde er erst 1944 in den Einsatz geschickt. Er wurde mit seinem Bomber abgeschossen und kam in Kriegsgefangenschaft nach Dresden. Doch erlebte er im Februar 1945 den alliierten Bomberangriff, der die Stadt in Schutt und Asche legte. Dies erzählt er eindrucksvoll in seinem verfilmten Roman „Schlachthof 5 oder Der Kinderkreuzzug“ sowie in „Mutter Nacht“.

Nach seiner Rückkehr in die USA heiratet Kurt am 1.9.1945 seine Jugendliebe Jane Marie Cox, zieht mit ihr nach Chicago, um Anthropologie zu studieren, beginnt als Reporter zu arbeiten und zieht 1947 nach Schenectady an der Ostküste, um als Public-Relations-Mann für den Konzern General Electric zu arbeiten. Das ist eine ganz neue, ganz andere Welt für ihn. Dass sein Bruder Bernard in der Forschungsabteilung arbeitet, hält Kurt nicht davon ab, die Atomwaffenproduktion des Rüstungskonzerns aus tiefstem Herzen abzulehnen. Ab 1949 betrachtet er sich als Schriftsteller und verkauft die ersten Stories und Artikel. Er kündigt den GE-Job 1951 und zieht nach Cape Cod, Massachusetts.

Bis heute hat Vonnegut über ein Dutzend Romane geschrieben, Dutzende von Kurzgeschichten veröffentlicht sowie einige Theaterstücke produziert. Einiges davon wurde aufgeführt, verfilmt, in eine Oper (Schlachthof 5) umgearbeitet und vieles mehr. In den neunziger Jahren erklärte Vonnegut, er wolle nicht mehr schreiben. Zuletzt erschien auf Deutsch im Jahr 2006 jedoch das Erinnerungsbuch „Mann ohne Land“ (Pendo-Verlag), er starb am 11. April 2007.

Handlung

Leser, die Vonnegut noch nicht kennen, sollten sich auf ein ungewöhnliches Leseerlebnis einstellen – hier werden keinerlei Genre-Regeln beachtet, und gegenüber den lieben Mitmenschen nehmen weder Vonneguts Ich-Erzähler noch sein alter ego Kilgore Trout ein Blatt vor den Mund. „Zeitbeben“ ist eben ein Vonnegut-Roman.

Der Autor, „Amerikas beliebtester griesgrämiger Alter“, erklärt unumwunden, er habe aus seinem mißglückten Roman „Zeitbeben Eins“, an dem er zehn Jahre lang gebastelt hatte und der gar nicht erst geschrieben werden wollte, die besten Stücke filetiert und den Rest weggeworfen. Das Ergebnis ist „Zeitbeben“.

Worum geht’s? Gute Frage! Die Struktur des Buches ist „etwas unübersichtlich“, um es vornehm auszudrücken. Ein Versuch:

Im Jahr 2001 beschließt das Universum, vor die Wahl gestellt, ob es sich weiterhin ausdehnen oder einen zweiten Urknall erleben soll, ins Jahr 1991 zurückzugehen. Zehn Jahre lang kommt es folglich zu einer Wiederholung von allem und jedem, der freie Wille ist suspendiert – ein Zeitalter auf Autopilot.

Als „freie Wille wieder voll reinhaut“, wie Kilgore Trout es so unnachahmlich elegant formuliert, schlägt dessen große Stunde. Trout ist ein „vergriffener Science-Fiction-Autor“ und im Jahr 2001 ein steinalter Penner – aber mit guten Stories und erstklassigen schmutzigen Witzen. Und er erweist sich als Retter in der Not, als der Autopilot des Universums aussetzt und in New York das reine Chaos ausbricht.

Der große Rest des Buches ist Autobiographie, Satire, kosmische und nicht so kosmische Meditation, Geraunze, sind Anekdoten – vor allem über den weitläufigen Clan der Vonneguts -, Aphorismen und natürlich Witze.

Unterm Strich

In einer für Vonnegut charakteristischen Mischung aus Albernheit und Tiefsinn, ernsten Sentenzen und Slapstick-Elementen wettert der ergraute Vonnegut gegen Krieg und Gewalt, gegen das verblödende Fernsehen und gegen den Strichpunkt, gegen die Missachtung von Jugend und Alter und kehrt immer wieder zu seinen Lieblingsthemen zurück: zur Bedeutung von Familie und Geschichte, zur Vergeblichkeit allen menschlichen Handelns („vanitas“) und zur Vergänglichkeit irdischen Lebens. So erweist er sich als großer Moralist am Ende seines Jahrhunderts, aber ohne Larmoyanz. Er verabschiedet sich von der literarischen Bühne mit einem Biss in den Hintern seiner geschätzten Kritiker.

Hardcover: 225 Seiten
Originaltitel: Timequake, 1997.
Aus dem Englischen von Harry Rowohlt
ISBN-13: 9783446195080

www.hanser.de

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