L. E Modesitt jr. – Die magische Insel (Recluce-Zyklus 1)

Spannender Recluce-Auftaktband

„Ein faszinierender Zyklus in der Tradition von Robert Jordans „Das Rad der Zeit“… Die Geschichte vom ewigen Krieg zwischen Schwarzer und weißer Magie auf der geheimnisvollen Insel Recluce… (Verlagsinfo)

Der junge Lerris kann sich nicht in die Kultur der ORDNUNG einpassen, weil sie ihm zu langweilig ist. Er hat nun die Wahl zwischen der Gefahrenbrigade oder der Verbannung. In der Ausbildung durch die Gefahrenbrigade merkt er immer wieder, dass er über besondere Kräfte verfügt. Die Frage ist allerdings, ob er ein Agent des bösen Chaos oder einer der guten Ordnung ist. Genau wie ihm geht es den Mädchen und Jungs seiner Gruppe. Die Meister der Bruderschaft beschließen, sie zu prüfen…

Der Autor

Leland Exton Modesitt, Jr. (* 1943 in Denver, Colorado) ist ein US-amerikanischer Science-Fiction- und Fantasy-Schriftsteller. Modesitt studierte am Williams College in Massachusetts und zog dann für 20 Jahre nach Washington, D.C., wo er sich zuerst der politischen Literatur widmete.

In dieser Zeit arbeitete er als Pilot für die Navy, als Rettungsschwimmer, Botenjunge, Radio-DJ, Assistent eines Kongressabgeordneten, Berater der amerikanischen Umweltschutzbehörde und als Hochschuldozent. Er zog um nach New Hampshire und lernte dort 1989 seine derzeitige Ehefrau Carol A. kennen, eine Opernsängerin. Seit 1993 lebt das Ehepaar in Cedar City, im Bundesstaat Utah.

Insgesamt war L. E. Modesitt Jr. dreimal verheiratet; er hat sechs Töchter und zwei Söhne. Bekannt ist er vor allem für seinen inzwischen 22 Bände umfassenden Fantasy-Zyklus Recluce.

Der Recluce Zyklus

The Magic of Recluce. 1991, ISBN 0-8125-0518-2, in deutsch als Magische Insel. 1999, ISBN 3-453-15628-5.
The Towers of Sunset. 1993, ISBN 0-8125-1967-1, in deutsch als Türme der Dämmerung. 1999, ISBN 3-453-15629-3.
The Magic Engineer. 1994, ISBN 0-8125-3405-0, in deutsch als Magische Maschinen. 2000, ISBN 3-453-15635-8.
The Order War. 1995, ISBN 0-8125-3404-2, in deutsch als Krieg der Ordnung. 2000, ISBN 3-453-16227-7.
The Death of Chaos. 1995, ISBN 0-8125-4824-8, in deutsch als Kampf dem Chaos. 2000, ISBN 3-453-16234-X.
Fall of Angels. 1996, ISBN 0-8125-3895-1, in deutsch als Sturz der Engel. 2000, ISBN 3-453-17213-2.
The Chaos Balance. 1997, ISBN 0-8125-7130-4, in deutsch als Der Chaos-Pakt. 2001, ISBN 3-453-17225-6.
The White Order. 1998, ISBN 0-8125-4171-5, in deutsch als Die weiße Ordnung. 2001, ISBN 3-453-17319-8.
Colors of Chaos. 1999, ISBN 0-8125-7093-6, in deutsch als Teil I: Die Farben des Chaos. 2001, ISBN 3-453-17890-4 und Teil II: Der Magier von Fairhaven. 2001, ISBN 3-453-17905-6.
Magi’I of Cyador. 2000, ISBN 0-8125-7948-8, in deutsch als Teil I: Sturm der Barbaren. 2002, ISBN 3-453-18808-X und Teil II: Freiheit für Cyador. 2002, ISBN 3-453-18874-8.
Scion of Cyador. 2001, ISBN 0-8125-8926-2, in deutsch als Teil I: Die Waffenhändler von Hamor. 2002, ISBN 3-453-19636-8, Teil II: Der Malachit-Thron. 2003 ISBN 3-453-21382-3. Die folgenden Bände wurden noch nicht übersetzt
Wellspring of Chaos. 2004, ISBN 0-7653-4808-X.
Ordermaster. 2005, ISBN 0-7653-1213-1.
Natural Ordermage. 2007, ISBN 978-0-7653-1813-8.
Mage-Guard of Hamor. 2008, ISBN 978-0-7653-1927-2.
Arms-Commander. 2010, ISBN 978-0-7653-2381-1.
Cyador’s Heirs. 2014, ISBN 978-0-7653-7477-6.
Heritage of Cyador. 2014, ISBN 978-0-7653-7613-8.
The Mongrel Mage. 2017, ISBN 978-0-7653-9468-2.
Outcasts of Order. 2018, ISBN 978-1-250-17255-6.
The Mage-Fire War. 2019, ISBN 978-1-250-20782-1.
#22 Fairhaven Rising, Feb. 2021, 9781250265197 (US Hardback)

Handlung

Der 15-jährige Junge Lerris lebt auf Recluce, der Insel der Magier der Ordnung. Seine Mutter ist Töpferin, sein Vater Schneider (unter anderem). Alles ist so wohlgeordnet, dass es Lerris anödet, und weil seine Eltern das merken, schicken sie ihn zu Onkel Sardit in die Lehre. Ein Jahr lang erlernt Lerris, was es bedeutet als Schreiner zu arbeiten. Er eignet sich einen scharfen Blick für die Wohlgeformtheit der Dinge an und kann daraus schnell darauf schließen, wie sehr die jeweiligen Menschen auf die Dinge achten – oder ob sie eher dem weißen Chaos huldigen.

Die Burg der schwarzen Magier

Doch auch Schreinern wird ihm auf Dauer langweilig. Lerris kann sich nicht in die Kultur der Ordnung auf Recluce einpassen, weil sie ihm zu langweilig ist. Seine Eltern stellen ihn vor die Wahl: zwischen der Gefahrenbrigade oder der Verbannung in Übersee. Schließlich gibt es auf der Welt noch viele weitere Inseln. Lerris wählt die Gefahrenbrigade. Was kann schon schiefgehen? Sein Vater gibt ihm einen schwarzen Stab mit, der über besondere Eigenschaften verfügt, wie Lerris überrascht herausfindet: Der Schwarzstab vereitelt Aktionen des Aktionen und spürt dessen Magie vorab auf. Das soll sich noch als nützlich erweisen.

In der Ausbildung durch die Ordnungsmeister der Gefahrenbrigade in Nylan merkt Lerris immer wieder, dass er über besondere Kräfte verfügt, genau wie die anderen in seiner Kandidatengruppe. Die Frage, die sich die Meister und Meisterinnen stellen, ist allerdings, ob er ein Agent des bösen Chaos oder einer der guten Ordnung ist. Genau wie ihm geht es den Mädchen und Jungs seiner Gruppe. Die Meister der Bruderschaft beschließen, sie zu prüfen, indem sie sie ins Ausland schicken, jeden an einen anderen Ort. Lerris muss von seiner Beinahefreundin Krystal, der er ein Schwert gekauft hat, Abschied nehmen.

In Candar

Ein schnelles Schiff, das von einem unsichtbaren Magierschiff begleitet wird, bringt die Gruppe zur Insel Candar, wo ein Herzog über den Hafen Freistadt herrscht. Für sieben Magierlehrlinge sind sieben Goldmünzen fällig – das war vereinbart und Isolde, die begleitende Magierin, entrichtet den „Zoll“, ohne mit der Wimper zu zucken. Doch als auch noch vier Goldstücke für die beiden Schwarzstäbler – gemeint sind Lerris und seine Rivalin Tamra – gefordert werden, besteht Meisterin Isolde auf ihrem Recht auf Zweikampf. Der Champion des Herzog tritt – und wird im Handumdrehen einen Kopf kürzer gemacht. Der Zoll entfällt. Die Meisterin quartiert ihre Gruppe in einem schönen Gasthaus ein, wo alles in Ordnung ist. Doch am nächsten Tag sind die Jungmagier völlig allein gestellt.

Herausforderungen der Reise

Zunächst hat Lerris gedacht, die Aufgabe, 1000 Meilen quer durch Candar zu reisen, sei machbar. Doch Candar ist ein Land von Halsabschneidern, miesem Wetter und lausigen Kaschemmen. Nachdem er sich ein treues, robustes Bergpony besorgt hat, durchbricht Lerris das Stadttor von Freistadt. Es ist klar, dass die Wächter nicht auf fremde Magier stehen, sondern sie als Spione einbuchten wollen. Er wird nicht verfolgt, aber fortan suchen Soldaten des Herzogs überall nach ihm. Er verhält sich unauffällig und versteckt seinen Stab der Macht. Das ist gut so, denn es reist ein Magier des Chaos durchs Land, um dem Herzog zu dienen. Seine Kutsche ist leicht zu erkennen: Sie ist strahlend weiß gestrichen. Offensichtlich hat der Magier keine Angst vor niemand.

Der graue Meister

In dem verkommenen Hirtenweiler Howlett, seiner zweiten Station, begegnet Lerris eben jenem weißen Magier. Er nennt sich Antonin und demonstriert seine Macht an einem unschuldigen Schaf. Er verwandelt es vor aller Augen – Lerris hat sich vor dem Blitz geschützt – in einen duftenden Hammelbraten. Die Armen, Hirten und Bettler dieses Landstrichs stürzen sich darauf, doch der graue Meister Justen, der schweigsam in der Ecke hockt, ist nicht beeindruckt und äußert auf verklausulierte Weise, wie es Magierart ist, seine Missbilligung.

Als er mit Lerris, den er zur Reise einlädt, auf dem Heuboden die Nacht verbringt, erzählt ihm, wie er, Lerris, gerade einer großen Gefahr entronnen sei: nämlich seine Seele geraubt zu bekommen. Antonin und seine Sippschaft seien Seelenwanderer, und ein knackiger junger Körper wie der von Lerris käme ihnen gerade recht, um noch ein paar Jahre hienieden verbringen zu können – allerdings ohne die Seele des Vorbesitzers, klar? Sehr klar. Lerris schaudert. Am nächsten Morgen niemand er Justens Angebot an, mit ihm weiterzuziehen und ein paar Dinge und Tricks zu lernen. Denn dass Lerris ein Meisterlehrling der Ordnung ist, hat Justen sofort gemerkt. Nach einem kleinen Frühstück machen sich die beiden unbemerkt davon.

Versuchungen

Justen führt Lerris als erstes in die Ruinen einer Geisterstadt. Sie hieß früher Fairhaven, sagt Justen, und beherrschte die ganze Insel Candar. Mit seinem speziell durchdringenden Magierblick – der auch schon gut getarnte Recluce-Schiffe erspäht hat – erblickt Lerris die Überreste eines Stadttors. Die Steine sind geschmolzen, als wäre sie einer unvorstellbaren Glut ausgesetzt gewesen. Wind wispert in seinen Ohren, und das lauter werdende Seufzen kündet von den Geistern, die diese Zerstörung hinterlassen hat. Doch die Geister sind alles andere als harmlos: „Mein!“ zischt eine Gestalt aus der Vergangenheit. Schnell als ein Gedanke wehrt der Zauberstab den Angriff ab. Und nur der geistige Schild, den Justen errichtet hat, verhindert, dass der Geist sich der Seele des Jungen bemächtigt.

Lerris schaudert, als sie zwei Meilen später in einer Schutzhütte Rast machen – nicht nur wegen der Erklärungen, die ihm Justen gibt, sondern wegen des Anblicks, die sein Lehrmeister wider Willen bietet: Der Graue Magier sieht um Jahrzehnte gealtert aus. Nach einem kräftigen Tee und einer heißen Tütensuppe gewinnt Justen seine Kräfte zurück. Doch Lerris will Erklärungen. Weil aber klar geworden ist, dass der Junge nichts auf Worte gibt, ist eine Demonstration erforderlich, wie so eine Seelenübernahme vonstattengehen kann. Plötzlich findet sich Lerris‘ Seele in einer weißen Wüste des Nichts wieder…

Unterdessen

Tamra ist nicht mehr Tamra. Die einst so stolze Rothaarige, die Lerris auf der Burg der Schwarzen Meister immer kontra gegeben hat, ist auf den ältesten Trick der Welt hereingefallen: Sie hat in den Spiegel geschaut. Dieser Spiegel gehört allerdings dem Weißen Magier Antonin und ist mit Chaosmagie versehen. Tamras Seele wird hineingezogen und eingesperrt. Jetzt ist ihr junger Körper frei für eine feindliche Übernahme…

Mein Eindruck

Lerris muss noch viel lernen, bis er diesen und viele weitere Schäden wiedergutmachen kann, die der Weiße Magier angerichtet hat. Die spannende Frage, ob dem Novizen dies gelingen wird, hält diesen Roman wie eine Klammer zusammen. In jedem Band (der zuweilen von Heyne halbiert worden ist) muss ein neuer Held solche Abenteuer und Prüfungen bestehen. Dies unterscheidet die Recluce-Romane von anderen Fantasy-Serien: Die Helden wechseln und sorgen so für Abwechslung.

Jeder Held – Lerris würde sich selbst eher als „Dummkopf“ oder „Narr“ bezeichnen – beherrscht eine besondere Fertigkeit oder Fähigkeit: Lerris ist besonders im Schreinern und Tischlern, der Held des zweiten Bandes ist ein Musiker usw. Die Fertigkeit ist sein Zugang zur Ordnung – und so verrät er sich. Übrigens sind Frauen völlig ebenbürtig, so etwa die schöne Krystal, die Lerris beinahe das Herz gestohlen hätte: Sie ist jetzt Subkommandantin am Fürstenhof einer Autarchin. Hier eröffnet sich ein zweiter Spannungsbogen. Wird das noch was mit ihr, oder geht der Held leer aus?

Trugbilder

Fabelwesen gibt es im ersten Band keine, aber dafür jede Menge Sinnestäuschungen. Denn die einzigartige Magie von Ordnung und Chaos sorgt dafür, dass die Welt der Materie und ihrer Wahrnehmung extrem manipuliert werden kann. So lässt sich mit Chaosmagie leicht etwas zerstören, so etwa mit virtuellen Feuerbällen. Sie eignet sich auch gut zur Tarnung. Gleiches gilt jedoch für Ordnungsmagie, und das verschafft Lerris eine Art Tarnkappe. Zerstörerisches Feuer ist nicht sein Ding, und das es für ihn schwer: Ordnung ist nur durch die Stärkung von komplexen Strukturen zu erreichen.

Lernen und erfahren

Kein Magier wendet die Ordnungsmagie leichtfertig an, und Lerris muss sich ihr Verständnis hart erkämpfen. Nur Erfahrung lehrt ihn, was der richtige Weg ist. Kein Wunder, dass sich die Meister immer so verklausuliert ausgedrückt haben: Die Antworten, die er verlangt, sind vorgefasste Erfahrungswerte, und wer würde ihm verweigern, ihn seine eigenen Erfahrungen machen zu lassen? Die Digne, die er mit der Ordnungsmagie anstellt, versetzen Justen, seinen Mentor, in Erstaunen, ja, sogar in Schrecken. Justens Buch „Die Basis der Ordnung“ ist nur stellenweise hilfreich: Vor allem die philosophischen Aussagen gehen weit über Lerris‘ Horizont. Aber im Showdown mit Antonin erweisen sie sich als goldrichtig: Ein Zauberstab ist lediglich eine Krücke, nicht mehr.

Verborgene Muster Nr. 1

Lerris‘ Problem ist seine Langeweile und Unerfahrenheit. Er hört nicht zu, und das, was ihm gesagt wird, versteht er nicht, weil es über seinen – sehr provinziellen – Horizont geht. Erst ganz am Schluss erkennt er, dass er, ohne es zu ahnen, zwei ganz verschiedene Missionen erfüllt hat. Erstens schicken ihn die Schwarzen Meister der Ordnung nicht aus Jux und Tollerei in eine feindliche Umgebung, die Magier ablehnt: Candar. Er agiert genau wie die anderen seiner Gruppe als Undercover-Agent gegen einen Weißen Magier, der sich anschickt, ganz Candar unter seine Kontrolle zu bringen, indem er einen Krieg anzettelt.

Lerris‘ unbewusste Mission besteht darin, Anwendungsformen der Ordnung ins Spiel zu bringen und so wissentlich-unwissentlich den Weißen Zauberer herauszufordern und abzulenken. Dass er sich dabei in große Gefahr begibt, nehmen seine Ausbilder billigend in kauf. Die entscheidende Episode in Lerris‘ Werdegang ist sein Jahr, das er als Schreinergeselle in Fenard verbringt, dem Fürstensitz von Gallos.

Die Formen der Ordnung, die hier unweigerlich wirken lässt, scheinen dem Weißen Magier, der den Fürsten unter seine Kontrolle gebracht hat, Paroli zu bieten. Doch wie so oft gehen die besten Pläne nach hinten los: Lerris muss seinen Meister, dessen geliebte Tochter und viele mehr in Sicherheit bringen. Das ist eine spannende und anrührende Episode, die besonders weibliche Leser interessieren wird. Und der Magier Antonin sieht nun Teufelei am Werk und bewegt den Fürsten so zu größeren Kriegsanstrengungen gegen das Nachbarland Kyphros. (Eine Landkarte findet man im Internet.)

Verborgene Muster Nr. 2

Als wäre das nicht schon genug an Mustern, entdeckt Lerris zu seinem nicht geringen Verdruss, dass Justen der Bruder seines Onkels sein muss. (Woher er das weiß? Das können uns nur die beiden Übersetzerinnen verraten, die den Text gekürzt haben. Vielleicht ist Lerris‘ zweiter Vorname aber auch „Sherlock“.) Während der schwarze Magier, der in Recluce Lerris gezeugt und aufgezogen hat, die Insel vor dem Chaos in Candar abgeschirmt hat, wählte sein Bruder Justen den Weg der Grauen Magie. Er bekämpft das Chaos auf einer sehr tiefen Ebene, etwa indem Mutterschafe, die vom Chaos infiziert worden sind, aussortiert und so den Gesamtbestand stärkt.

Im Rückblick verwundert es also nicht, dass sich Justen seines Neffen angenommen hat und ihm ein paar Tricks beigebracht hat. Doch welche Pläne verfolgt er wirklich mit Lerris, wenn dieser auf Antonin trifft? Man kann Justen keine Vorwürfe machen, er habe Lerris als Werkzeug benutzt, weil er es selbst nicht mit Antonin aufnehmen könne. Wir der geistige Kampf in Fairhaven, der uralten Stadt der Geister, gezeigt hat, ist Justen bereits viel zu alt und schwach, um einen so schweren Kampf wie mit Antonin bestehen zu können.

Reihenfolge

Dieser erste Band sollte laut Autor zuerst gelesen werden, obwohl sich die Handlung in der Chronologie von Recluce ziemlich am Ende der Entwicklung befindet. (Das erinnert an den Roman „Pells Stern/Downbelow Station“ von C.J. Cherryh, der den PELL-Zyklus eröffnet, aber chronologisch irgendwo in der Mitte angesiedelt ist.) Der Grund ist einfach: Die wichtigsten Konzepte hinsichtlich des magischen Universums zwischen Ordnung und Chaos sind bereits entwickelt, allein es fehlen die Helden – und vor allem ihre Vorgeschichte. Diese Vorgeschichte(n) liefern dann die Folgebände. Da ist beispielsweise die Rede von Dampfmaschinen und Dampfbooten. Diese tauchen in band 3 auf (s.o.).

Die Übersetzung

Höchstwahrscheinlich ist dieser Text erheblich gekürzt worden. Viele Dinge ergeben einfach keinen Sinn, und dass gleich zwei Übersetzerinnen ranmussten, spricht nicht gerade für die Qualität des Produkts der ersten. Immer wieder stößt der Leser auf flapsige Ausdrücke aus der Umgangssprache wie etwa „löhnen“ statt bezahlen, und die Figuren können mitten im Text das Geschlecht wechseln. Die Comic-Sprache wie etwa „PENG!“ und dergleichen geht vermutlich auf den Autor zurück. Eine Landkarte wäre extrem hilfreich gewesen. So eine findet man auf der Webseite des Autors oder auf Fanseiten.

S. 63: „Ich hatte das Gefühl, mein Kopf flöge von den Schultern“. Offenbar wurde hier eine idiomatische Wendung aus den USA wortwörtlich übersetzt, was zu einer sehr kuriosen Vorstellung im Kopf des Lesers führt. Gemeint ist einfach, dass Lerris erstaunt war.

S. 80: „Außerdem legt diese Art des Ladens den Punkt klar“: Auch über den Sinn diesen Satzes lässt sich trefflich grübeln.

S. 105: „“Warum nicht mit diesen?“, fragte Myrten und packte ihre Pistole fester.“ Myrten ist jedoch ein Mann, und deshalb ist „ihre“ das falsche Possessivpronomen. Es müsste „seine“ lauten.

S. 156: „Es war wie ein[e] Erklärung“: Das E fehlt.

S. 191: „Kutsche, die von zwei riesigen Rossen gezogen wurde.“ Der Plural von Ross“ lautet m.E. „Rösser“.

S. 255: „Den nicht Weg gewählt?“ Falsche Satzstellung. „Korrekt heißt es: „Den Weg nicht gewählt?“

S. 305: „Die Gedanken von jemande[m] so [zu] berühren…“: Statt „von jemanden“ muss es „von jemandem“ (Dativ) heißen; zweitens fehlt ein Wort, nämlich „zu“.

S. 339: „Mit Hilfe eines altes Stabs“: Korrekt muss es „Mit Hilfe eines alteN Stabs…“ heißen.

S. 384: „Wahrscheinlich brauch[t]e ein Geschenk…“: Das T fehlt, damit die Verbform für das Präteritum stimmt.

S. 477: „obwohl der Fels genauso aussah als (!) die vielen anderen ringsum.“ Statt „als“ verwendet man bei den meisten Vergleichen heutzutage „wie“. Vermutlich ein Korrekturfehler.

S. 481: „“Verdammt.“ Er schob sich näher an sein Schwert.“ Dieser Satz ergibt keinerlei Sinn, weil der Sprecher nämlich kurz zuvor sein Schwert in die Scheide gesteckt hat. Und was gibt es da zu schieben? Entweder er hat es oder er hat es nicht.

S. 550: „weißer Ma[r]morboden“: Das R fehlt. Es gäbe noch eine ganze Reihe ähnlicher Druckfehler, die ich aufzählen könnte.

Unterm Strich

Der Recluce-Zyklus lohnt sich für den Fantasy-Freund vor allem durch seine völlig eigenständige Interpretation des komplementären Gegensatzes aus Ordnung und Chaos. So würde man erwarten, dass Ordnung gut und Chaos schlecht sei, doch Lerris muss am Schluss erkennen, dass er zwar das Gute will und Ordnung stärkt, doch dass daraus allzu leicht die entsprechende Energie dem Chaos zufließt. Verflixt! Wer einen Sinn für Humor hat, der könnte dies recht ironisch finden. Doch wenn alles schiefläuft, kann sich daraus schnell eine Tragödie entwickeln. Was Lerris also am schnellsten lernt, ist Selbstkontrolle und Verantwortungsbewusstsein. Das hat mir besonders gefallen.

Es treten im Unterschied zu Tolkiens Werken keinerlei Fabelwesen aus den altnordischen Sagas auf: Drachen, Zwerge, Trolle und dergleichen. Stattdessen findet der Kampf mit magischen Mitteln in den Seelen der weiblichen und männlichen Figuren statt. Der Leser muss genau aufpassen, in welchem seelischen Zustand sich eine Figur gerade befindet. So kann er etwa bei den verzauberten Figuren wie etwa Soldaten in Fenard, wo Lerris seine Schreinerei betreibt, leicht danebenliegen.

Die Soldaten sind vom Chaos geimpft und innerlich ausgehöhlt worden. Deshalb sind sie empfänglich für allerlei Spuk. Es gibt eine gruselige Szene, als Lerris von seinem Lehrling Bostric in ein Bordell geführt wird. Dort locken die üppigsten und attraktivsten Frauen, doch als Lerris seinen Magierblick einschaltet, entpuppen sich alle als verderbte, körperlich und seelisch kranke Wesen. Er macht sofort kehrt und zerrt Bostric mit sich. Das genaue Gegenteil zu diesen Huren bildet Deirdre, die Tochter des Schreinermeisters. Sie würde ihm alles geben, was er sich wünscht, doch er lehnt ab. Das soll mal einer kapieren! Stattdessen verhält er sich sehr anständig. Wer mehr wissen will, der lese selbst.

Dieser Startband führt in die Welt von Recluce ein. Dieser Ort ist allerdings nur ein Inselkontinent von vielen, so dass eine Landkarte sehr willkommen gewesen wäre. Sie glänzt ebenso durch Abwesenheit wie ein Glossar und Personenverzeichnis. Das o.g. Konzept von Ordnung und Chaos (man denke an Yin und Yang) sorgt für ein ständiges Hinundher von Machtverhältnissen. Die Parteien kämpfen allerdings nicht nur mit Waffen und Soldaten, sondern auch mit Wetterelementen wie etwa Regen, Schnee und sogar Dunkelheit. Das zwingt Ordnungsmeister wie Lerris, ständig die Augen offenzuhalten. Und solche Beobachtungen sorgen sowohl für Spannung als auch für eine anschauliche, farbige Welt, in die der Leser eintauchen kann.

Wenn die beiden Übersetzerinnen sich ihrer Pflichten besser entledigt hätten, wäre mein Vergnügen an diesem Auftaktband sogar noch größer gewesen.

Taschenbuch: 575 Seiten
Originaltitel: The Magic of Recluce, 1990
Aus dem Englischen von Edda Petri und Siglinde Müller
ISBN-13: 9783453156289

www.heyne.de

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