Larry Niven/Jerry Pournelle – Komet: Der Einschlag

Als sich der Komet Hamner-Brown der Erde nähert, wird dies zunächst als Medienereignis und Neustart für die Raumfahrt gefeiert. Doch der ‚Gast‘ aus dem Kosmos trifft den Planeten und löscht den Großteil der Menschheit aus. In den Ruinen müssen Menschen entscheiden, wie weit sie gehen wollen, um zu überleben … – Auf den Spuren des klassischen Katastrophenromans beginnt die Handlung vor dem Einschlag. Viele Personen werden uns vorgestellt; sie stehen stellvertretend für „die [US-] Menschheit“ vor dem Untergang. Ausführlich und (viel zu) langsam beginnt das Drama, nimmt nach dem „Hammerfall“ Tempo und Drastik auf, um nach der Katastrophe in „Mad-Max“-Drastik zu verebben: Lesefutter mit sämtlichen Klischees des Genres und eigentlich die Idealvorlage für eine TV-Serie.

Das geschieht:

Er umkreist die Sonne auf einer so weiten Umlaufbahn, dass er die Erde nur alle Jahrzehntausende passiert: Hamner-Brown, ein Komet, der sich aktuell nähert. Das mediale Interesse ist groß, aber vor allem facht der Brocken aus Stein und Eis das seit den Mondflügen nur noch schwelende Interesse an der Raumfahrt wieder an. Da diese Geschichte Ende der 1970er Jahre spielt, gibt es noch eine Sowjetunion, die ein Forscherteam zum Kometen hinaufschickt. Die USA wollen sich keineswegs abhängen lassen. Letztlich tut man sich zusammen und schickt eine ‚gemischte‘ Crew in den Weltraum.

Aus wissenschaftlicher Faszination und gewöhnlicher Neugier (oder Gleichgültigkeit) entsteht Sorge: Hamner-Brown wird der Erde besorgniserregend nahe kommen. Zwar beruhigen Wissenschaftler und Politiker, doch hinter den Kulissen steht fest, dass es zum Einschlag auf der Erde kommen könnte. Die Folgen wären buchstäblich apokalyptisch, denn dieser Komet ist schwer und schnell. Er würde die Erdkruste aufreißen, gigantische Flutwellen auslösen, die Atmosphäre aufwühlen und die Atemluft mit Asche vergiften.

Schließlich steht fest, dass Hamner-Brown seinen Spitznamen „Luzifers Hammer“ verdient. Das kosmische Geschoss zerbricht zwar, bevor es aufschlägt, doch seine Fragmente gleichen Grobschrot und streuen die Vernichtung. Die Welt sinkt in Schutt und Asche, die meisten Menschen sterben. Womöglich sind sie die Glücklicheren, denn sobald der erste Schock verebbt ist, beginnen die Kämpfe um die wenigen Ressourcen und läuten eine weitere Phase des Untergangs ein …

Wenn uns der Himmel auf den Kopf zu fallen droht

Seit Jahrtausenden versetzen sie die Menschen in Angst und Schrecken: Kometen und Meteoriten, die hell beschweift oder düster dräuend aus den Tiefen des Alls erscheinen und die Erdbahn kreuzen – meist jedenfalls, denn hin und wieder kommt es zu Teil- oder gar Volltreffern mit buchstäblich globalen Folgen; so wird das Aussterben der Dinosaurier auf den Einschlag eines gewaltigen Brockens vor der Küste der mittelamerikanischen Halbinsel Yukatan zurückgeführt.

Nachdem die Wissenschaft entschlüsselt hatte, was da über unseren Köpfen schwebte – eigentlich recht prosaisch Klumpen aus Stein, Eis und gefrorenen Gasen -, dauerte es nicht lange, bis man sich Gedanken machte, was die Bruchlandung auf einer inzwischen allerorts von Menschen besiedelten Erdkugel nach sich ziehen konnte. Da spätestens im 19. Jahrhundert die Medien mit im Boot der Unheils-Unken saßen, fielen entsprechende Prognosen dramatisch aus.

Der französische Astronom – und Schriftsteller – Camille Flammarion (1842-1925) gab 1893/94 mit „La Fin du Monde“ (= „Das Ende der Welt“) schon im Titel vor, was der Menschheit drohte. Er eröffnete einen wahren Kugel- (bzw. Meteoriten-) Hagel literarischer Apokalypsen, die erst recht einen Aufschwung erlebten, als 1910 der Halleysche Komet am Firmament erschien. Das geschah seit Urzeiten alle 76 Jahre und war immer gut ausgegangen, was sich auch dieses Mal wiederholte. Als Halley wieder verschwand, waren alle zufrieden – Astronomen, Journalisten und die Verkäufer von Gasmasken, denen Angsthasen ihr Produkt aus den Händen gerissen hatten, um nicht im Zyanidgift des Kometenschweifes zu ersticken …

Einschlag auf dem Buchmarkt

Halley kehrte 1986 zurück und ließ die Unterhaltungsindustrie erst recht brummen; schließlich wurde sie inzwischen vom Kino ergänzt. Schon vorher hatte es immer wieder gekracht, so 1933 in Philipp Wylies und Edwin Balmers „When Worlds Collide“ (dt. „Wenn Welten zusammenstoßen“), 1939 in R. C. Sherriffs „The Hopkins Manuskript“ (dt. „Der Mond fällt auf Europa“) oder 1964 in Fritz Leibers „The Wanderer“ (dt. „Wanderer im Universum“), um nur einige Titel zu nennen.

„The Wanderer“ ist von besonderem Interesse, weil sich Autor Leiber nicht nur auf die eigentliche Katastrophe konzentrierte, sondern auch die Vorgeschichte und die Folgen des Einschlags thematisierte. Dies war ebenfalls schon früher geschehen, doch Leiber wollte mehr: das Panorama eine Gesellschaft im Angesicht des Untergangs. Damit wurde „The Wanderer“ zu einer Blaupause für spätere Werke, denn die Science Fiction der 1960er Jahre beschäftigte sich verstärkt mit dem „inner space“ und der Frage, welche (politischen, wirtschaftlichen, ökologischen) Herausforderungen – nicht nur Fortschritte – der Menschheit zukünftig ins Haus standen.

„Komet – der Einschlag“, ursprünglich auch hierzulande unter dem besseren, ‚sprechenden‘ Titel „Lucifer’s Hammer‘ erschienen, treibt dieses Konzept auf die Spitze. Heute sind SF-Romane von Ziegelsteindicke und Endlos-Serien fast die Regel, doch in den 1970er Jahren waren die Werke gewöhnlich seitenärmer. Mit knapp 800 Seiten stellt „Komet“ zumindest als Druckerzeugnis weiterhin ein Schwergewicht dar.

Ökonomie des Untergangs

Das Autorenduo Niven/Pournelle dreht am ganz großen Rad. Stellvertretend für die Menschheit erlebt eine Gruppe kalifornischer Bürger den „Hammerfall“. Es vergeht viel Zeit, in der uns die Protagonisten vorgestellt werden. Niven/Pournelle sind ehrgeizig. Sie berücksichtigen möglichst jede Gesellschaftsschicht, Berufsgruppe, Hautfarbe. Die Zahl der Figuren ist deshalb groß, und die Autoren bemühen sich, ihnen plausible Biografien zu schaffen.

Tatsächlich schwebt ihnen wohl ein Querschnitt der zeitgenössischen US-Gesellschaft vor, die sich historisch entwickelt und eingependelt hat und trotz beträchtlicher Probleme ‚funktioniert‘. Der Einschlag eines Kometen ist im Lebensplan nicht vorgesehen. Die Protagonisten beschäftigen sich mit Alltäglich- und Schwierigkeiten, die den Lesern bekannt sind, weil sie sich mehrheitlich selbst damit herumschlagen.

Der „Hammerfall“ bringt sämtliche Konstanten zum Einsturz. Die Überlebenden müssen sich neu orientieren und in einer zerstörten, beinahe zivilisationslosen Welt den Neuanfang versuchen. „Komet“ spielt größtenteils nach dem Einschlag. Nachdem Niven/Pournelle den Ist-Zustand beschrieben haben, spielen sie nun dessen Fortsetzung durch. Auch in diesem Punkt sind sie sehr gewissenhaft. Die Kapitel werden eingeleitet von Zitaten, in denen Wissenschaftler und „Zukunftsforscher“ sich Gedanken über Zusammenbruch und Wiederkehr der Zivilisation machen. Was sie verkünden, klingt erschreckend und bildet eine Kette von Prognosen, die Niven/Pournelle nun mit Leben füllen.

Keine Welt für Optimisten

Ihre Sicht ist wie die der meisten Wissenschaftlicher pessimistisch. Man kann dies mit dem Blick auf die Menschheitsgeschichte nachvollziehen: Jede Krise forderte Opfer. In „Komet“ geht es um keinen menschlich verursachten Dritten Weltkrieg; für den „Hammerfall“ kann niemand etwas. Dennoch versagt ein großer Teil der Menschheit, während der andere vor Entscheidungen gestellt wird, die sämtliche moralischen Vorgaben in Sachen Solidarität oder gar Nächstenliebe auf den Prüfstand und ins Abseits stellen.

Diese Sicht ist autorenbedingt sehr US-zentriert. Die selbstverständliche Omnipräsenz von Feuerwaffen aller Art ist daher für die Geschichte von elementarer Bedeutung. Leider wird nie deutlich, ob Niven/Pournelle damit eine gewisse Kritik verknüpfen; da Pournelle auch als Redakteur und Kolumnist eines Militärmagazins mit dem knappen, aber vielsagenden Titel „Survive“ fungierte, muss man das wohl verneinen. Sobald der Hammer gefallen ist, regieren jedenfalls (bewaffnete) Gewalt und Stadtflucht, situativ entfachter Pioniergeist und Pathos. Angstvolles Verharren oder selbstlose Hilfsbereitschaft führen zum Tod. Dies bleibt so, als die Überlebenden nicht mehr rennen, sondern zu neuen Gemeinschaften zusammenfinden. Wer nichts beitragen kann, muss und wird davongejagt, was Bauern und Handwerker favorisiert, während Forscher ihren ‚Wert‘ unter Beweis stellen müssen, indem sie beispielsweise ein Atomkraftwerk in Gang halten (oder Giftgas herstellen). Banker, Verwaltungsangestellte, Juristen u. ä. hand- bzw. kopfarbeitsferne Zeitgenossen sind in dieser neuen Welt überflüssig geworden. Niven/Pournelle erwähnen sie kaum; sie sterben offensichtlich, und man benötigt sie auch nicht.

Apokalypse in Zeitlupe

Ehrgeiz ist bekanntlich keine Garantie für Erfolg. „Komet“ bietet viele gelungene Einfälle, denen eindringliche und nachvollziehbare Schilderungen dessen folgen, was geschieht bzw. geschehen könnte, sollte der Himmel eines Tages einstürzen. Doch Niven/Pournelle schießen über ihr Ziel – oder ihre Ziele – hinaus. Allzu breit und gleichzeitig trotzdem zu ausschnitthaft und flach legen sie ihr Drama an. Womöglich liegt es an den vielen Jahren, die seit dem Erscheinen verstrichen sind. Das Muster wurde allzu oft übernommen, und es hat sich abgenutzt. Wie „Komet“ als Film aussehen könnte, hat u. a. „Deep Impact“, der Film von 1998, gezeigt: Vor und nach ausgezeichnet realisieren Katastrophen-Szenen regieren Routine und Klischees.

Cäsarenwahn, Kannibalismus, Vielweiberei, Euthanasie … Alles wird angerissen, wenig auf den Punkt gebracht. Niven/Pournelle gehen offenbar davon aus, mit ihren Figuren (auch der übergeschnappte Weltuntergangsprediger ist an Bord) die Leser positiv oder negativ zu polarisieren. Tatsächlich bleiben uns sämtliche Protagonisten herzlich gleichgültig, denn allzu ausgelutscht sind die auf sie projizierten Eigenschaften, Konflikte und Gewissensnöte. Damit empfiehlt sich „Komet“ eigentlich für eine TV-Serie, die sehr wahrscheinlich zustande gekommen wäre, hätten Niven/Pournelle den Hammer nicht bereits 1977 niedersausen lassen; damals waren die technischen Möglichkeiten nicht ausgereift genug, um die Katastrophe überzeugend (und kostengünstig) in (TV-) Szene zu setzen. Jahrzehnte später haben neue Kometen bzw. Meteoriten die Erde verwüstet: „Armageddon“ (1998; dt. „Armageddon – Das jüngste Gericht“), „Impact Earth“ (2008; dt. Comet Impact – Killer aus dem All”), „These Final Hours“ (2013) … Selbst Enfant terrible Lars von Trier ließ die Erde 2012 durch einen Zusammenprall untergehen („Melancholia“).

Nachdem einige Jahrzehnte verstrichen sind, gehört „Komet“ zu jenen ehemaligen Bestsellern, die eher durch ihre literaturhistorische Bedeutung interessant geblieben sind. Inhaltlich hat die Zeit den Inhalt ein- und überholt. Neues oder Visionäres ist nicht (mehr?) zu entdecken. Wer Spaß an bierernstem und mit erhobenem Zeigefinger serviertem Katastrophen-Trash hat, wird Gefallen an „Komet“ finden. Ansonsten gilt es zwischen den gelungenen Schlaglichtern wirklich lange, wirklich hohle Passagen zu überstehen – Jupp!

Autoren

Lawrence van Cott Niven wurde am 30. April 1938 in Los Angeles als Sohn eines Anwalts geboren. Er studierte Mathematik und Physik an Universitäten in Kalifornien und Kansas. Nach dem Abschluss begann Niven zu schreiben; eine erste Kurzgeschichte („The Coldest Place“, dt. „Der kälteste Ort“), wurde 1964 veröffentlicht. Sie zeigt ihn als typischen Verfasser ‚harter‘ SF, der eine spannende Handlung in einen wissenschaftlich möglichst akkurat gestalteten (oder wenigstens so wirkenden) Rahmen einbettet.

Ende der 1960er Jahre entstand Nivens „Ringworld“-Universum, das zum Schauplatz zahlreicher Romane und Storys wurde, die nicht zwangsläufig miteinander verknüpft sind, obwohl sie manchmal separate Unterzyklen bilden; allein die (nachträglich von Niven bearbeitete) Geschichte der „Kzin-Kriege“ umfasst inzwischen mehr als zehn Bände. Für „Ringworld“ (dt. „Ringwelt“) selbst wurde Niven 1970 sowohl mit dem „Hugo“ als auch mit dem „Nebula Award“ für den besten Roman des Jahres ausgezeichnet.

Niven arbeitet oft mit Ko-Autoren. Mit Jerry Pournelle schuf er u. a. 1974 die inzwischen klassische Space-Opera „The Mote in God’s Eye“ (dt. „Der Splitter im Auge Gottes“). Weiterhin arbeitete er mit Steven Barnes, Edward M. Lerner, Michael Flynn oder Brenda Cooper zusammen.

Jerry Eugene Pournelle, geboren am 7. August 1933 in Shreveport, US-Staat Louisiana, fand erst verspätet zur (praktischen) Wissenschaft: Während des Koreakriegs wurde er von der Army eingezogen und wurde Artillerie-Offizier. Nach der Rückkehr ins Zivilleben arbeitete Pournelle in der Forschungsabteilung des Flugzeugbauers Boeing, wo er sich u. a. mit dem Konzept des erdnahen Transportverkehrs beschäftigte (der sich auch dazu eignen konnte, irdische Feinde aus dem Erdorbit zu bombardieren). Pournelle bildete sich im Rahmen verschiedener Studiengänge an der University of Washington fort. Er erwarb nicht nur ein Diplom als Systemtechnik, sondern promovierte 1964 auch zum Doktor der Psychologie und Politischen Wissenschaften. In den 1960er Jahren war Pournelle für das Verteidigungsministerium und für die Luftfahrt tätig. Politisch war er konservativ und stand auf der Seite der „Falken“, die in der Aufrüstung das beste Mittel sahen, die ‚Feinde‘ der USA einzuschüchtern. Auch in seinem literarischen Werk machte Pournelle keinen Hehl aus seiner Überzeugung, dass Probleme militärisch gelöst werden können oder sollten.

Einer breiten Öffentlich wurde Pournelle als Journalist bekannt. Für die Computerzeitschrift ‚Byte‘ schrieb er zwischen 1982 und 1998 eine überaus erfolgreiche Kolumne, die allgemeinverständlich Möglichkeiten und Probleme der in Schwung geratenen digitalen Revolution erläuterte. Schon vor dem Siegeszug des Internets publizierte Pournelle über noch rudimentäre Online-Dienste, später führte er einen beliebten Blog.

Als SF-Autor debütierte Pournelle 1971 mit der Erzählung „Peace with Honor“ im Magazin „Analog“. In den folgenden Jahren veröffentlichte der abenteuerliche Routine-SF, bevor er sich mit Larry Niven zusammentat. 1974 erschien „The Mote in God’s Eye“ (dt. „Der Splitter im Auge Gottes“), der als ‚intelligente‘ Wiedergeburt der Space Opera galt und vielfach preisgekrönt wurde. Mit Niven veröffentliche Pournelle weitere erfolgreiche Werke, blieb aber auch solo aktiv. Zu seinen eher umstrittenen Werken gehört die zwischen 1989 und 1993 erschienene „Military-SF“-Serie um den Söldner John Christian Falkenberg.

2008 wurde bei Pournelle ein Hirntumor festgestellt. Dieser konnte zwar medizinisch kontrolliert werden, aber als Autor wurde Pournelle bis zu seinem Tod am 8. September 2017 in Studio City, Los Angeles, Kalifornien, nicht mehr aktiv.

Taschenbuch: 768 Seiten
Originaltitel: Lucifer’s Hammer (New York : Del Rey 1977)
Übersetzung: Andrea Blendl
Cover: Andrei Bat u. Matthias Lück
http://www.mantikore-verlag.de

eBook: 2017 KB (Kindle)
ISBN-13: 978-3-945493-96-0
http://www.mantikore-verlag.de

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