Åsa/Asa Larsson – Der schwarze Steg (Lesung)

Der importierte Krieg, verwirrend erzählt

Nach ihrem letzten Fall kann die Anwältin Rebecka Martinsson nur schwer in ihren Alltag zurückfinden und kehrt nach Kiruna im höchsten Norden Schwedens zurück. Kiruna ist ein altes Erzgrubengebiet. Die Stille ihres neuen Lebens wird unterbrochen, als ganz in der Nähe eine Frau ermordet aufgefunden wird.

Inna Wattrang war leitende Angestellte bei einer weltweit erfolgreich tätigen Bergbaugesellschaft. Deren Gründer Mauri Kallis verdankt seinen märchenhaften Aufstieg unter anderem seiner verwegenen Lust am Spekulieren. Rebecka, die für den Oberstaatsanwalt arbeitet, erkennt, dass die Tote etwas mit den überaus dubiosen Geschäften von Kallis Mining in Uganda zu tun hatte. (Abgewandelte Verlagsinfo)



Die Autorin

Åsa Larsson wurde 1966 in Kiruna geboren. Sie arbeitete als Steueranwältin, bis sie beschloss, Autorin zu werden. Mit ihrem ersten Krimi „Sommersturm“, der 2003 ausgezeichnet wurde, machte sie in Schweden Furore. Der zweite Roman „Weiße Nacht“ erhielt den Schwedischen Krimipreis 2004 und stand lange auf der Bestsellerliste. „Der schwarze Steg“ ist Krimi Nummer drei um die eigensinnige Rebecka Martinsson.

Rebecka-Martinsson-Reihe

2003 Solstorm
Sonnensturm, dt. von Gabriele Haefs; München: Bertelsmann 2004. ISBN 3-570-00843-6
2004 Det blod som spillts
Weiße Nacht, dt. von Gabriele Haefs; München: Bertelsmann 2006. ISBN 3-570-00873-8
2006 Svart stig
Der schwarze Steg, dt. von Gabriele Haefs; München: Bertelsmann 2007. ISBN 3-570-00989-0
2008 Till dess din vrede upphör
Bis dein Zorn sich legt, dt. von Gabriele Haefs; München: Bertelsmann 2009. ISBN 978-3-570-01084-6
2012 Till offer åt Molok
Denn die Gier wird euch verderben, dt. von Gabriele Haefs; München: Bertelsmann 2012. ISBN 978-3-570-10101-8
2021 Fädernas missgärningar
Wer ohne Sünde ist, dt. von Lotta Rüegger und Holger Wolandt; C.Bertelsmann 2022. ISBN 978-3-570-10102-5

PAX-Reihe

Alle Titel dieser Reihe gemeinsam mit Ingela Korsell und Henrik Jonsson (Illustration).

PAX – Nidstången; Stockholm: Bonnier Carlsen 2014. ISBN 978-9-163-87913-5
PAX – Der Fluch, dt. von Maike Dörries; München: cbj 2015. ISBN 978-3-570-17176-9
PAX – Grimmen; Stockholm: Bonnier Carlsen 2014. ISBN 978-9-163-87912-8
PAX – Der Höllenhund, dt. von Maike Dörries; München: cbj 2015. ISBN 978-3-570-17177-6
PAX – Mylingen; Stockholm: Bonnier Carlsen 2015. ISBN 978-9-163-87985-2
PAX – Das Geisterkind, dt. von Maike Dörries; München: cbj 2016. ISBN 978-3-570-17241-4
PAX – Bjäran; Stockholm: Bonnier Carlsen 2015. ISBN 978-9-163-87981-4
PAX – Der Hexendämon, dt. von Maike Dörries; München: cbj 2016. ISBN 978-3-570-17242-1
PAX – Gasten; Stockholm: Bonnier Carlsen 2015. ISBN 978-9-163-87983-8
PAX – Näcken; Stockholm: Bonnier Carlsen 2016. ISBN 978-9-163-87986-9

Die Sprecherin

Nina Petri gab ihr Schauspieldebüt in der TV-Serie „Rote Erde“ und war seitdem in vielen Erfolgsfilmen zu sehen, u. a. in „Lola rennt“ und „Emmas Glück“. Sie wurde mit dem Bayerischen Filmpreis und dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet.

Bei den Aufnahmen in den Eimsbütteler Tonstudios führte Gabriele Kreis Regie.

Handlung

Die Anwältin Rebecka Martinsson hat schreckliche Dinge erlebt und musste in die Nervenheilanstalt. Als sie wieder einigermaßen genesen ist, muss sie zwar noch Medikamente nehmen, aber sie kann wenigstens in ihre Heimatstadt Kuuravaara bei Kiruna zurückkehren. Dort hat ihre Großmutter ihre Wohnung hinterlassen. Vom Erzbergbau in Kiruna, der Erzhauptstadt des Nordens, merkt sie hier nichts. Es ist ruhig. Zu ihrem früheren Chef Mans Svengren hat sie per E-Mail Kontakt, aber der Oberstaatsanwalt Alf Björnfot hat eine Stelle für sie, die sie im Juni 2004 annimmt: Sie untersucht nun Wirtschaftskriminalität in Kiruna, der Boomtown des Nordens.

Eines Tages im März 2005 wird Rebecka von Björnfot und der Kommissarin Anna Maria Mella, die nur einen Meter fünfzig groß ist, um ihre Mitarbeit in einem neuen Fall gebeten. Eine Frau ist in einem der Fischerboote auf dem nahen See gefunden worden. Die Frau wurde erwürgt, aber zusätzlich noch mit einem spitzen Gegenstand durchs Herz gestochen. An ihrem Fuß sind seltsame Verbrennungen, und ihre Zunge ist geradezu zerfleischt. Sieht nach Folter aus, meint Mellas Kollege Stolnake. Aber wer ist sie?

Die Tote war doch erst kürzlich im Fernsehen, und der Kriminalexperte für Computer Fred Ulsson findet ihr Bild in der Zeitung: auf einem Gruppenfoto der Firma Kallis Mining. Sie heißt Inna Wattrang, „Informationschefin“ des Unternehmers Mauri Kallis. Kallis ist ein neureicher Emporkömmling, der aus Kiruna stammt und in Stockholm in die Spekulation mit Bergbauwerten einstieg. Seinen Partner Didi Wattrang, Innas drogensüchtigen Bruder, hat er inzwischen aus der Firma hinausgeworfen. Wie Anna Maria bei einem Kurzbesuch feststellt, lebt Didis Familie aber noch auf dem feudalen Anwesen Kallis‘, das dessen adliger Frau Ebba gehört. In Kiruna identifiziert Didi die Leiche seiner Schwester, verschwindet aber schnell wieder.

Während Rebecka untersucht, ob Kallis unsaubere Geschäfte macht, durchsucht Mella Kallis‘ Ferienhaus am See. Hier findet sie noch Innas Habseligkeiten, aber deren Handy und Notebook sind verschwunden. Rebecka hat die geniale Idee, dass in dem Eisloch im Fischerhaus auf dem vereisten See, einer „Arche“, vielleicht die gesuchten Gegenstände entsorgt worden sein könnten. Doch die Suche des Tauchers fördert nur einen hellen Herrenmantel zutage. Doch die Flecken, derentwegen er weggeworfen wurde, bestehen aus Inna Wattrangs Blut. Der Mantel ist zu dünn für diese Kältegrade – jemand aus dem Süden hat ihn getragen und blieb nicht lange. Die Suche bei den Mietwagenverleihers fördert den Briten John McNamara zutage, doch der echte McNamara starb im Irak-Krieg. Haben sie es mit einem Auftragsmörder zu tun?

Der Lokaljournalist Per Erik Seppala berichtet Mella und Rebecka von einem Journalisten namens Bulind, der in dieser Gegend angeblich an einem Herzinfarkt verstorben sei, sich tatsächlich aber erhängte. Ob das stimmt, zweifelt Seppala ebenfalls an. Denn Bulind hat über die dunklen Machenschaften von Kallis Mining in Kiruna recherchiert. Und nun ist er mundtot gemacht worden. Mella lässt den Toten exhumieren. Die gerichtsmedizinische Untersuchung bestätigt Seppalas Verdacht: Bulind wurde erwürgt.

Und nachdem die gelöschte Festplatte von dem tüchtigen Fred Ulsson wiederhergestellt worden ist, lassen sich Bulinds Unterlagen über Kallis lesen. Offenbar wurde gemauschelt, und Rebecka findet hohe Zahlungen an einen einfachen Geologen, der plötzlich zum Vorstandsmitglied bei Kallis Mining befördert wurde. Als sie dem Ingenieur auf den Zahn fühlen, stellt er sich als Mann mit einem Gewissen heraus und gesteht alles.

Die Zeit läuft ab, spürt Mella. Mauri Kallis hat ein großes Ding zu laufen, bereitet etwas mit seinen Partnern vom African Mining Trust vor, um seine und deren „Interessen“ im nordwestlichen Uganda zu wahren. Kallis tätigt Zahlungen an ein Geheimkonto in Andorra, doch wofür? Finanziert er etwa die Rebellentruppen im Norden Ugandas, die Präsident Museveni bekämpfen? Könnte es sein, dass Inna Wattrang dies herausgefunden hat und für dieses Geheimnis sterben musste, fragt sich Mella.

Sie fährt abends zum Anwesen von Mauri Kallis, wird aber am äußeren Tor gestoppt, ohne eine Menschenseele zu sehen. Als ihr Kollege und Fahrer Stolnake die Scheinwerfer aufblendet, entdecken sie zwei Leichen hinter dem Tor, die auf dem Boden der Zufahrt in ihrem Blut liegen …

Mein Eindruck

Anders als ich in meiner Handlungsskizze darstelle, gibt es noch mehrere andere Handlungsstränge. Dazu gehört vor allem der von Mauri Kallis, dessen Werdegang in menschlicher und wirtschaftlicher Hinsicht zunächst in Rückblenden erzählt wird, bis endlich zunehmend die Gegenwart zu ihrem Recht kommt. Rückblenden erhellen auch Mauris Verhältnis zu Inna, ohne allerdings Sexszenen zu präsentieren, wie ich erwartet habe.

Schließlich lässt die Autorin zweimal nicht unerwähnt, dass Inna große Brüste besitzt. Nicht nur deswegen interessierte sie Mauri Kallis, sondern auch wegen ihres zupackenden, verführerischen Wesens, das sie nicht zuletzt für seine Firma gewinnbringend einzusetzen wusste. Und sie ist so ziemlich die Einzige, die ihren Bruder Didi an die Kandare nehmen kann. Letzten Endes vergeblich, wie sich herausstellt. Das Geflecht dieser Rückblenden zu durchschauen, ist nicht einfach. Hinzu kommt, dass die Rückblenden die Gegenwartshandlung schier unendlich wie einen Kaugummi dehnen. Offenbar hat die Autorin anderes im Sinn als einen spannenden Krimi zu erzählen. Vielleicht hat ihr eine Art Globalisierungsthriller vorgeschwebt.

Die Ex-Heldin

Rebecka Martinsson kommt ein wenig zu kurz, nachdem sie in den beiden Vorgängerromanen, die ich nicht kenne, die Handlung dominiert haben muss (sie wurde dabei auf traumatische Weise misshandelt, so dass sie in der Nervenheilanstalt behandelt werden musste). Nicht sie ist es daher, die einen neuen Lover kennenlernt, sondern Mellas Kollege Stolnake – die Witwe des Journalisten Bulind. Martinnson kehrt vielmehr zu ihrem Exchef zurück. Auch nicht gerade aufregend, aber verwundete Menschen wie sie suchen keine Abenteuer, sondern Sicherheit.

Hellseherin

Ein weiterer Erzählstrang, der die Handlung zerdehnt, schildert in Episoden das Leben des bemerkenswerten Mädchens Esther Kallis, der Halbschwester Mauris, die aus einer Liebschaft seiner Mutter mit einem Inder hervorgegangen ist. Esther verfügt über besondere Fähigkeiten. Die Fünfzehnjährige ist nicht nur eine visionäre Malerin, die unter dem Verlust ihrer ebenfalls malenden Mutter leidet, sondern auch eine Hellseherin. Wie sonst wäre es zu erklären, dass sie die Ankunft des Unheils, das sich Mauris Anwesen aus Uganda nähert, bis auf die Stunde genau vorhersehen kann – ohne allerdings irgendjemanden zu warnen? (Ob sie auch ihren eigenen Tod voraussieht, bleibt unklar. Aber als er kommt, ist er durchaus willkommen.)

Denn in Uganda hat Kallis tatsächlich einen Buschkrieg finanziert, der ihm seine verlorene Goldgrube zurückbringen soll. Als durch einen Verräter in der eigenen Familie die ugandische Regierung den Beweis dafür erhält (geahnt hat man es dort schon länger), macht sich eine Todesschwadron nach Stockholm auf den Weg.

Inferno

Der Showdown, der den blutigen Abschluss dieses Uganda-Abenteuers bedeutet, ist keiner. In einem Showdown würden sich der Held des Guten und der Oberschurke gegenüberstehen und den Sieg ausfechten. Das ist hier nicht der Fall: Es ist mehr oder weniger ein elendes Gemetzel. Spannung kommt nur durch die Frage auf, wer überlebt und ob die Polizisten dabei umkommen.

Ein derart blutiges Inferno fand ich dem Roman weniger als angemessen, nachdem die Spannungsschraube auf verschiedene Weise recht sachte angezogen worden war. Es ist, als würde eine stetige Entwicklung plötzlich in ihr Gegenteil umkippen. Um dies zu verhindern, wären allerdings fähigere und energischere Ermittler als ausgerechnet der „laufende Meter“ Anna Maria Mella nötig gewesen.

Die Sprecherin

Man merkt der bekannten Schauspielerin Petri an, dass ihr der Vortrag keinerlei Mühe bereitet hat, besonders auch in emotionaler Hinsicht. Ihr Vortrag bleibt stets ausgeglichen und kontrolliert. Heiter wird sie nur, wenn Anna Maria mal morgens von dem jüngsten ihrer vier Kinder geweckt wird. Dann lacht sie auch mal. Auch die Eingangsszene, in der Inna Wattrangs Leiche per Zufall entdeckt wird, ist komisch erzählt, und Petri schlägt einen leichten Ton an. Leider kann Petri keine Figuren charakterisieren. Der einzige Ansatz ist eine minimale Hebung oder Senkung ihrer Tonlage. Das macht ihren Vortrag nicht gerade lebhafter oder unterhaltsamer. Ich wäre fast eingeschlafen.

Dass es sich um eine gekürzte Lesung handelt, wird mehrfach bemerkbar, als die Rückblenden abrupt abbrechen und schwupps! in die Gegenwartshandlung übergehen. Es heißt für den Hörer, wie ein Luchs die Ohren zu spitzen und aufzupassen, auf welcher Zeitebene sich die Handlung gerade befindet. Zeitungszitate und TV-News können Tagebucheinträge Esthers ablösen, diese wiederum Mauris inneren Monolog und so weiter.

Die Wirklichkeit ist zwar ebenso zersplittert, aber das muss man nicht auch auf die Erzählform anwenden. Larssons Erzählstil ist somit recht fortschrittlich, was es zusammen mit dem Fehlen eines zentralen Blickwinkels für den Hörer nicht gerade einfach macht, sich einen Reim auf die erzählte Geschichte zu machen.

Unterm Strich

In der Mitte des Romans habe ich mich unsäglich gelangweilt, insbesondere dann, als auch noch die sonderbare Esther eingeflochten wurde. Die zentrale Geschichte um die Globalisierung des Wirtschaftskrieges, der unter anderem in Uganda Menschenleben fordert, ist zwar kompliziert erzählt, aber im Grunde simpel gestrickt. Kallis will seine Goldgrube wiederhaben und lässt sich mit dubiosen Leuten ein. Inna bekommt das heraus, klagt Mauri deswegen an und droht, an die Presse zu gehen. Sie bezahlt dafür wie der Journalist Bulind mit ihrem Leben – mit Wissen und Billigung Mauris. Dass sie Didi vor ihrem Tod informiert haben muss, findet Mauri zu spät heraus, denn Innas Folterknecht hat Mist gebaut. Die Nemesis ist schon unterwegs.

Um eine so simple Geschichte erzählt zu bekommen, muss ich nicht einen so kompliziert gestrickten Roman goutieren. Die Grundstory wurde in „Blood Diamond“, in dem Leonardo DiCaprio mitspielt, besser und spannender erzählt. All die lieben Tierchen, von denen die Autorin uns so herzergreifend erzählt, tragen nur dazu dabei, die Landschaft und die Bewohner der Kiruna-Region zu einer Art Disney-Land des Herzens zu machen. Diese Gegend bringt das kuriose Mädchen Esther Kallis hervor, das in die Zukunft und in die Vergangenheit von Menschen sehen kann. Sie ist das Prinzip der Erlösung, das die Nemesis, die Kallis heimsucht, bekämpft. Natürlich wird sie eine Märtyrerin. Ich finde das einfach zu pathetisch.

Das Hörbuch

Nina Petri beschreitet einen Mittelweg aus kontrolliertem Sprechen und emotionaler Aufladung dieses Sprechens in bestimmten Situationen, so etwa besonders in heiteren Szenen. Die Charakterisierung durch besondere stimmliche Charakteristik ist Petris Stärke hingegen nicht. Nicht jeder kann ein Rufus Beck sein.

Das Hörbuch hat mich durch den abrupt und häufig erfolgenden Szenenwechsel verwirrt, der zusätzlich oft einen Wechsel in der Zeitebene herbeiführt. Ich ertappte mich wiederholt dabei, minutenlang herumzurätseln, ob das Gehörte gerade eine Rückblende ist oder in der Gegenwart des Jahres 2005 spielt. Das kann’s eigentlich nicht sein.

Originaltitel: Svart Stig
Originalverlag: Albert Bonniers, Stockholm 2006
Aus dem Schwedischen übersetzt von Gabriele Haefs
373 Minuten auf 5 CDs
ISBN-13: 978-3-89903-493-3

http://www.hoerbuch-hamburg.de