Lee Child & Andrew Child – The Secret (Jack Reacher 28)

Die Mörder von damals sind die Auftraggeber von heute

Chicago, April 1992. Der Krankenhauspatient Keith Bridgeman erwacht nach einem Herzinfarkt, nur um zwei fremde Frauen an seinem Bett vorzufinden. Sie zeigen ihm eine Liste von Namen. Es sind sieben Namen und zwei von diesen Männern sind bereits tot. Es ist ein Team gewesen, das im Jahr 1969 in Indien an einem Schutzstoff gearbeitet hat, wie Bridgeman weiß – und sie wissen es das auch. Aber warum fragen sie dann nach einem achten Namen? Den kann ihnen Bridgeman nicht geben. Wenig später findet man ihn draußen auf dem harten Boden unter seinem offenen Fenster im zwölften Stock.

Dieser Sturz erzeugt einiges Aufsehen an unerwarteten Dienststellen. Unter anderem beim Verteidigungsminister Charles Stamoran, der gesuchten achten Person. Er ruft eine dienstübergreifende Task Force ins Leben, um nicht nur zu ermitteln, sondern auch den Killer zu stoppen, der sein altes Team auslöscht. Jack Reacher, gerade zum Captain degradiert, wird der Task Force als Vertreter der Armee zu gewiesen. Ist er erfolgreich, fein, aber wenn nicht, dass ist er ein willkommener Sündenbock.

Das wird ihm sofort klar, als die Gruppe erstmals zusammentritt. Die anderen kommen vom FBI, der CIA und dem Schatzamt. Der letztere Agent ist offensichtlich ein falscher Fuffziger, deshalb nimmt er auch die anderen unter die Lupe. Die FBI-Agentin Smith und der CIA-Mann Neilsen scheinen echt zu sein, also arbeitet er mit ihnen (und nicht umgekehrt).

Die Autoren

Lee Child wurde in den englischen Midlands geboren, studierte Jura und arbeitete dann zwanzig Jahre lang beim Fernsehen. 1995 kehrte er der TV-Welt und England den Rücken, zog in die USA und landete bereits mit seinem ersten Jack-Reacher-Thriller einen internationalen Bestseller. Er wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u. a. mit dem Anthony Award, dem renommiertesten Preis für Spannungsliteratur.

Lee Childs Bruder Andrew wurde im Mai 1968 in Birmingham, England, geboren und studierte an der Universität von Sheffield englische Literatur und Theaterwissenschaften. Nach seinem Abschluss gründete und leitete er eine kleine unabhängige Theatertruppe, bevor er für fünfzehn Jahre in die Telekommunikationsbranche wechselte. Unter dem Namen Andrew Grant veröffentlichte er bereits mehrere erfolgreiche Romane. Heute lebt er mit seiner Frau, der Schriftstellerin Tasha Alexander, in Wyoming, USA.

Wer ist Jack Reacher?

Jack Reacher (* 29.10.1960) wurde in West-Berlin geboren und verbrachte als Sohn eines Marine-Corps-Offiziers seine Kindheit und Jugend auf über die Erde verteilten US-Militärbasen. 1983 trat er selbst in den Militärdienst ein und wurde 13 Jahre später, im April 1996, im Rang eines Majors der Militärpolizei ehrenhaft entlassen. Seitdem hat er keinen festen Wohnsitz, sondern bereist (hauptsächlich) die USA. Durch sein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden wird er immer wieder in Kriminalfälle verstrickt.

Er zeichnet sich durch hohe Intelligenz, große Körperkraft und Willensstärke aus. Besonders ausgeprägt ist sein unbedingter Wille, Schwächere zu schützen.

Die Jack Reacher Reihe

1) Größenwahn (Killing Floor, 1997)
2) Ausgeliefert (Die Trying, 1998)
3) Sein wahres Gesicht (Tripwire, 1999)
4) Zeit der Rache (Running Blind/The Visitor, 2000)
5) In letzter Sekunde (Echo Burning, 2001)
6) Tödliche Absicht (Without Fail, 2002)
7) Der Janusmann (Persuader, 2003)
8) Die Abschussliste (The Enemy, 2004)
9) Sniper (One Shot, 2005)
10) Way Out (The Hard Way, 2006)
11) Trouble (Bad Luck and Trouble, 2007)
12) Outlaw (Nothing to Lose, 2008)
13) Underground (Gone Tomorrow, 2009)
14) 61 Stunden (61 Hours, 2010)
15) Wespennest (Worth Dying for, 2010)
15.5. Second Son (2011)
16. The Affair (2010)
16.5. Deep Down (2012)
17. Der Anhalter (A Wanted Man, 2012)
17.5. High Heat (2013)
18. Never Go Back (2013)
18.5. Not a Drill (2014)
19. Personal (2014)
20. Make Me (2015)
21. Night School (2016)
22. Midnight Line (2017)
23. Past Tense (2018, dt. Titel: „Der Spezialist“)
24. Blue Moon (2019, „Die Hyänen“)
25. The Sentinel (2020, „Der Sündenbock“)
26. Better Off Dead (2021, „Der Kojote“)
27. No Plan B (2022)
28. The Secret (2023)
29. In Too Deep (2024)

Erzählungen

No Middle Name (2017)

Handlung

Chicago, 7. April 1992. Der Krankenhauspatient Keith Bridgeman erwacht nach einem Herzinfarkt, nur um zwei fremde Frauen an seinem Bett vorzufinden. Sie zeigen ihm eine Liste von Namen. Es sind sieben Namen und zwei von diesen Männern sind bereits tot. Es ist ein CIA-Team gewesen, das im Jahr 1969 in Indien an einem chemischen Schutzstoff gegen sowjetische Kampfstoffe gearbeitet hat, wie Bridgeman weiß – und sie wissen es das auch. Aber warum fragen sie dann nach einem achten Namen? Den kann ihnen Bridgeman nicht geben. Wenig später findet man ihn draußen auf dem harten Boden unter seinem offenen Fenster im zwölften Stock.

Dieser Sturz erzeugt einiges Aufsehen an unerwarteten Dienststellen. Unter anderem beim Verteidigungsminister Stamoran, der gesuchten achten Person. Er ruft eine dienstübergreifende Task Force ins Leben, um nicht nur zu ermitteln, sondern auch den Killer zu stoppen, der sein altes Team auslöscht. Jack Reacher, gerade zum Captain degradiert, wird der Task Force als Vertreter der Armee zu gewiesen. Ist er erfolgreich, fein, aber wenn nicht, dass ist er ein willkommener und sehr entbehrlicher Sündenbock.

Das wird ihm sofort klar, als die Gruppe erstmals zusammentritt. Die anderen kommen vom FBI, der CIA und dem Schatzamt. Der letztere Agent ist offensichtlich ein falscher Fuffziger, deshalb nimmt er auch die anderen unter die Lupe. Die FBI-Agentin Smith und der CIA-Mann Neilsen scheinen echt zu sein, also arbeitet er mit ihnen (und nicht umgekehrt). Sie bekommen ebenfalls die Liste mit den sieben Namen jener Leute, die 1969 in einem geheimen CIA-Chemielabor in Indien arbeiteten. Einer nach dem anderen stirbt eines zweifelhaften Todes, bei dem die Behörden nicht bestimmen können, ob es sich um Mord oder doch um Selbstmord handelt.

Nr. 7 fehlt

Einer ist seinen Bewachern bislang entwischt, der Gruppenleiter mit Namen Neil Pritchard. Die Agenten hätten ihn in seinem Haus nicht finden können. Was nicht für die Fähigkeiten der Agenten spricht, denn sie haben ja auch die anderen Namen auf der Liste nicht schützen können. Der Killer muss verdammt clever sein. Und es ist Reacher klar, dass der Killer zu Pritchard zurückkommen wird, um den achten Mann zu finden. Noch ist daher ein wenig Zeit, um herauszufinden, was hinter der ganzen Sache steckt.

Weil den offiziellen Informationen, die ihnen ihr eigener Gruppenleiter zu geben bereit ist, nicht zu trauen ist, schaltet Reacher seinen Bruder Joe ein, der im Schatzamt arbeitet. Der kann ihm sagen, ob es den Mann vom Schatzamt wirklich gibt, dann, dass dieser „Walsh“ seinen letzten Undercover-Einsatz versemmelt hat. Was bestätigt, was Reacher vermutet: Die Gruppe besteht aus Versagern und potentiellen Sündenböcken. Und weil dazu auch der Gruppenleiter zählen dürfte, muss Reacher außerhalb dieses Kreises nach Informationen suchen: beim KGB. Denn dieser Geheimdienst wusste durch seine eigene Spionageabwehr wahrscheinlich genau darüber Bescheid, was die CIA 1969 in Indien und anderswo trieb.

Natürlich fliegt Reacher nicht nach Moskau oder zur russischen Botschaft in Washington, D.C., denn Smith vom FBI hat einen Überläufer ausfindig gemacht, und der lebe sogar in der hiesigen Stadt. Es gibt allerdings ein klitzekleines Problem: Er wird von gleich sieben Leibwächtern beschützt…

Mein Eindruck

Die Handlung folgt den Aktionen von drei Teams, ist also noch relativ überschaubar. Team 1 ist der Serienkiller, der einen der CIA-Wissenschaftler nach dem anderen niedermacht. Team 2 ist der Verteidigungsminister mit seinen Handlangern und seiner Frau. Team 3 ist die von ihm eingesetzte Gruppe von entbehrlichen Ermittlern, darunter Reacher. Erst sehr spät wird Reacher klar, dass es noch mindestens ein weiteres Team geben muss, aber da ist es für ihn schon fast zu spät. Und zu diesem Zeitpunkt hat Neilsen bereits ins Gras gebissen. Agentin Smith fühlt sich eindeutig verfolgt. Höchste Zeit, in den Untergrund zu gehen, findet Reacher und verschwindet mit Smith von der Bildfläche.

Gleich von Anfang an entfaltet der Plot ein sehr hohes Tempo, das vom Leser höchste Aufmerksamkeit fordert. Vorbei der gemütliche Trab von „No Plan B“, dieser Plot geht diesmal gleich in den Galopp über. Der Serienkiller ist auf seiner Killertour, und nur wer die Liste des indischen CIA-Teams hat, kann sagen, wer als nächstes Opfer infrage kommt. Das hält die Ermittler um Reacher sichtlich auf Trab, zwingt aber auch den Verteidigungsminister Stamore, ständig seine Strategie zu ändern.

Reacher führt

Angesichts der näher rückenden Bedrohung übernimmt Reacher in seinem Trio mehr oder weniger sanft die Führung. Zunehmend dringlicher stellt er sich seinen Leuten die Frage, was 1969 wirklich in Indien passiert ist. Smith hat nämlich bereits herausgefunden, dass die alten Akten frisiert worden sind. Glücklicherweise gelingt es dem Trio, einen sehr versteckt in den Wäldern lebenden Ex-Reporter aufzuspüren, der damals die Wahrheit recherchiert und geschrieben hat. Doch sein Blatt weigerte sich kurz vorm Druck, den Artikel zu veröffentlichen. Weil bis heute die Schergen des Pentagons unterwegs seien, versteckt sich Flemming in einer verfallenen Fabrik im Wald.

Er lässt sich nur schwer überreden, mit der Wahrheit herauszurücken. Doch diese Wahrheit ist so explosiv, wenn sie sich beweisen ließe, dass Köpfe rollen würden. Auch noch nach 23 Jahren. Denn die Spur des Geldes führt untrüglich zu einem modernen Unternehmen, das kurz davor steht, seinen schärfsten Konkurrenten zu schlucken und ein Quasi-Monopol zu errichten…

Die Spur führt zurück

Der gewiefte Krimikenner ist mit dem bewährten Plot-Kniff vertraut, dass die Spur häufig zum Auftraggeber zurückführt. So geschehen in Raymond Chandlers Marlowe-Krimi „Das Hohe Fenster“ und vielen Krimis von Chandler-Verehrern, beispielsweise von Robert B. Parker. Die Gleichung dieses Plots legt nahe, dass der Verteidigungsminister selbst der gesuchte Schurke sei. Glücklicherweise hat sich Lee Child diesmal diese offensichtliche Lösung verkniffen, sondern führt den Leser gekonnt in die Irre. Die Wahrheit ist noch viel grausamer.

Unterm Strich

Dieser Thriller geht ab wie eine Rakete und verliert keinerlei Treibstoff! Die verzweigte Handlung ist spannend ist bis zur letzten Seite des Showdown-Nachspiels. Ich war nach dem relativ gemächlichen „No Plan B“ positiv überrascht. Schon die Idee, alle Morde wie Unfälle oder Selbstmorde aussehen zu lassen, sorgt schon für sehr kuriose Todesfälle – und einen hohen Bodycount.

Dubiose Spione

Das eigentliche Thema sind die zahllosen verdeckten Außenstellen der CIA, in denen sehr dubiose Dinge geschahen, besonders während des Vietnamkriegs. Unter dem Vorwand, ein Gegenmittel gegen russische ABC-Waffen zu entwickeln, entwickeln die Amis in Indien und anderswo eigene ABC-Waffen, die grauenhafte Substanzen wie das Entlaubungsmittel „Agent Orange“ weit in den Schatten stellten: Allein bei nur einem „Unfall“ in Indien kamen 1007 Menschen ums Leben.

À la Baldacci

Diese fragwürdigen Aktivitäten werden im Thriller ebenso angeprangert wie die Nachfolger dieser geheimen Niederlassungen, die in Form heutiger Chemiekonzerne wie Dupont alte Substanzen wiederverwenden, um trotz maximalen Risikos einen Reibach zu machen. Mit diesem Anliegen folgt der Thriller den Fußspuren, die David Baldacci in seinen jüngsten Trillern hinterlassen hat. Markante Ermittler wie „Memory Man“ Amos Decker, der Ex-Army-Ermittler John Puller und Ex-Marine Travis „The 6:20 Man“ Devine decken zahlreiche vergessene Verbrechen vergangener US-Regierungen auf, dass einen mitunter das kalte Grausen packt.

SPOILER!

Bislang habe ich von einem Serienkiller gesprochen, aber es sind in Wahrheit zwei Schwestern, die in Israels Armee bestens ausgebildet worden sind. Folglich sind sie mit allen Wassern gewaschen, um ihre Opfer, und seien sie noch so gut geschützt, auf die Pelle zu rücken. Weibliche Kämpferinnen sind inzwischen in, und bei Baldacci findet sich in Atlee Pine, einer Provinzpolizistin und Gewichtheberin, ein Paradebeispiel dafür. Wer jetzt noch Frauenfiguren in Killerthrillern unterschätzt, ist selber schuld.

Hinweis

Meine Originalausgabe im Paperback-Format enthält eine Leseprobe des nächsten Reacher-Thrillers „In Too Deep“. Nach angemessener Zeit wird auch davon eine deutsche Übersetzung erscheinen. Momentan ist der Stand, dass kürzlich die Übersetzung des Vorvorgängers von „The Secret“ erschien, die den Titel „Der Kojote“ trägt.

Taschenbuch: 378 Seiten plus Leseprobe
ISBN-13: 9780552177566

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