Lesley Kara – Das Gerücht

Inhalt

Joanna zieht mit ihrem Sohn Alfie von London in eine Kleinstadt am Meer. Zunächst ist es die pure Idylle – dann hört sie, dass die Kindermörderin Sally McGowan, die als Zehnjährige einen Spielkameraden umbrachte, unter anderem Namen in der Stadt leben soll. Vor Jahrzehnten machte der Fall Schlagzeilen, inzwischen ist Sally längst aus dem Gefängnis entlassen worden. Unbedacht erzählt Joanna anderen Müttern von dem Gerücht und ihrem Verdacht, wer die Mörderin von damals sein könnte. Sie ahnt nicht, was für eine verheerende Spirale von Ereignissen sie damit in Gang setzt. Und wie sehr sie selbst in diese Geschichte verstrickt ist. (Verlagsinfo)

Mein Eindruck:

Zunächst lernen die Leser/innen Joannas Leben als alleinerziehende Mutter kennen: sie ist in eine Küstenkleinstadt, in der auch ihre Mutter wohnt, gezogen, da ihr Sohn Alfie in London Opfer von Mobbing wurde. Sie ist sehr darum bemüht sich mit den Müttern der Mitschüler ihres Sohnes anzufreunden, weil sie sich dadurch bessere Anschlussmöglichkeiten für ihn versprich und der Zweck heiligt bekanntlich die Mittel…

Mal aus Verlegenheit, mal aus einem verzweifelten Bedürfnis um Aufmerksamkeit heraus, verbreitet Joanna ein hochexplosives Gerücht – und tatsächlich werden sie und Alfie im Club der Babysitter, Spielverabredungen sowie Kindergeburtstage aufgenommen. Auch ihr chaotisches Liebesleben entwickelt sich erstaunlicherweise wegen des Gerüchts zu etwas Festem, aber die Ironie des Schicksals lässt sie all dies nicht genießen…

Joanna wird bedroht: sie erhält verstörende Mitteilungen und in der Schule taucht eine beunruhigende Fotomontage von Alfie auf. Plötzlich erscheint ihr jede Frau um die sechzig mindestens seltsam, wenn nicht gar verdächtig. Lebt die Kindermörderin wirklich in der Nahe und versucht Joanna einzuschüchtern? Oder hat sie sich in der Kleinstadtidylle mit ihrer Tratscherei letztendlich unbeliebt gemacht?

Je mehr Joanna über die berühmt berüchtigte Sally McGowan und die Auswirkungen von vergangen, falschen Verdächtigungen erfährt, desto mehr plagen sie Gewissensbisse. Als dann in der Innenstadt konkrete Verdächtigungen sowie Angriffe stattfinden, wird ihr klar in was für ein gewaltiges Wespennest sie gestochen hat.

Die Autorin zeigt eindrucksvoll auf, wie unverhofft Klatsch zu etwas potentiell Lebensbedrohlichem werden kann. Das Gerücht verbreitet sich ein Virus, völlig unberechenbar und willkürlich hinsichtlich der Opfer. Die Protagonistin selbst ist streng genommen Täterin und Opfer zugleich – was zu der Frage der Schuldfähigkeit führt, auch in Bezug auf Sally McGowan: Zählen mildernde Umstände? Kann man ein zehnjähriges Kind eines Verbrechens für schuldig befinden? Darf man es noch Jahrzehnte später dafür ächten? Ist Läuterung möglich?

Joanna ist trotz offensichtlicher Fehler und Schwächen ungemein sympathisch, denn ihre Beweggründe sind nur allzu menschlich. Außerdem ist sie oft selbstkritisch: Sie erkennt ihre Missgeschicke sofort, enttarnt ihre Rechtfertigungen und bemüht sich um Schadenbegrenzung. Sie ist jedoch flatterhaft: teilweise fällt es ihr schwer ehrlich mit den Konsequenzen, die sie zu verantworten hat, umzugehen, wodurch das Unheil weiter vor sich hinschwelt. Joanna ist der beklemmenden Dynamik um sie herum ausgeliefert: je nachdem was gerade passiert, ist sie mal fest entschlossen dem Gerücht auf den Grund zu gehen, mal überzeugt davon, dass sie lediglich paranoid ist…

Die Autorin

Lesley Kara hat als Krankenschwester und Sekretärin gearbeitet, Englisch studiert, eine Zusatzausbildung zur Lehrerin gemacht und als Dozentin und Managerin im Bereich Further Education gearbeitet. Sie lebt in einer englischen Kleinstadt an der Küste von Essex. (Verlagsinfo)

Fazit:

„Das Gerücht“ ist ein mitreißendes Debüt voller falscher Fährten und erschütternder Twists! Der Schreibstil ist wunderbar flüssig sowie eindringlich – ich habe jede Sekunde mit Joanna gelitten! Die subtile Spannung hat mich regelrecht dazu gezwungen immer weiter zu lesen, bis tief in die Nacht hinein. Während der letzten hundert Seiten wird die vage Zerstörungskraft um Sally McGowan konkret: Hinweise verdichten sich und als Joanna begreift wer hinter den Bedrohungen steckt, muss sich einer niederdrückenden Wahrheit stellen…

Klappenbroschur: 400 Seiten
Originaltitel: The Rumor
Aus dem Englischen von Britta Mümmler
ISBN-13: 978-3-423-26242-2

www.dtv.de

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