Matthew Gregory Lewis / E. T. A. Hoffmann – Der Mönch / Die Elixiere des Teufels

„Der Mönch“

Ambrosio wurde als Säugling auf den Stufen des Klosters gefunden. Die Mönche erzogen ihn, und so war es nicht weiter verwunderlich, dass er selbst die Kutte ergriff. Inzwischen hat das einstige Findelkind sich zu einem Mönch gemausert, der in Madrid zu einer Berühmtheit avanciert, die heutzutage eigentlich nur Popstars genießen. Doch diese Berühmtheit hat einige Nebenwirkungen – unter anderem die, dass Luzifer persönlich auf den frommen Mann aufmerksam wird …

Den unbedarften Leser erwartet hier keine allzu leichte Kost. Immerhin stammt der Roman aus dem Jahre 1799. Doch wer die verschlungenen Pfade, denen damals die Literatur folgte, einschlägt und sich auf dieses Buch einläßt, den erwartet Phantastik vom Feinsten – ein Leckerbissen, wie er selten geboten wird.

Eigentlich ist die Geschichte so neu nun nicht und Lewis bedient sich auch recht fleißig bei antiken Werken, beispielsweise in der griechischen Mythologie. Das Thema, einen Heiligen vom Weg abzubringen, beschäftigte die Gemüter offensichtlich schon sehr viel länger als „nur“ in der heutigen Zeit, in der immer wieder das Zölibat auf dem Prüfstand steht. Dennoch gelingt es dem Autor immer wieder, gerade seine Hauptfigur Ambrosio glaubhaft wirken zu lassen. Alle anderen, einmal abgesehen von Mathilde, verblassen immer wieder und werden zu reinen Statisten.

Dem Gesetz der Zeit folgend, sind die meisten Charaktere reine Archetypen der liebenden, tapferen jungen Edelmänner und schönen Fräulein. Dennoch bringt Lewis einen neuen Hauch in seine Literatur. Während Figuren wie Raymond oder Antonie eigentlich die ganze Zeit über recht blass wirken und sich nicht recht entwickeln wollen, schlägt der Autor auch andere, düstere Töne in der Nebenhandlung zu Agnes ein.

Während diese, zumindest zu Anfang noch, als folgsame Tochter den Weg ins Kloster beschreitet, entwickelt gerade sie einen gewichtigen Gegenpart zu Mathilde, besonders auch in ihrer Abwesenheit. Doch während Letztere sich immer mehr als wahrer Dämon entpuppt, bleibt Agnes die ganze Zeit über menschlich und lässt den Leser um ihr Schicksal mitfiebern.

Beinahe möchte ich behaupten, dass gerade ihr Schicksal, die ja „nur“ eine die meiste Zeit abwesende Nebenfigur ist, beinahe wichtiger wird als die Hauptfigur, und die ist eindeutig Ambrosio.

Doch auch der „wahre Heilige“ hat seine Schattenseiten – und die heißen Stolz und Eitelkeit. Sie sind es, die ihn ins Verderben reißen und seine beinahe bodenlose Gier (nächste Todsünde) entfachen. Aus dem keuschen Mönch, dem Star Madrids, wird ein geiler Bock, der am allerliebsten die gesamte weibliche Bevölkerung (so sie denn jung und hübsch ist) beglücken möchte. Mit seiner Triebhaftigkeit, seiner ungezügelten Gier wird er immer mehr zum Satyr, immer unmenschlicher, immer zügelloser. Er ahnt nicht, dass das Verderben bereits auf ihn wartet.

Dieses Verderben hat einen Namen: Antonie. Und hier zieht Lewis wirklich alle Register der Gemeinheiten, die er sich nur ausdenken konnte. Und Antonie leidet, still und kummervoll – eine weitere Heilige.

„Der Mönch“ ist nicht umsonst ein Klassiker. Lewis setzte gezielt Mythologie und Theologie ein, erzeugte Spannung, wo sie wichtig war, und peppte ein altes Thema neu auf. Ein guter Roman, der, wie ich finde, noch ein Stück weitergehend als „nur“ bis zum „Faust“.

„Die Elixiere des Teufels“

Medardus ist ein einfacher Mönch. Eigentlich ist er, trotzdem er schon sehr jung ordiniert wurde, zufrieden mit seinem Leben. Doch dann wird ihm die Aufsicht über die Reliquien des Klosters übertragen. Und unter diesen Reliquien befindet sich eine mit besonderer Bewandnis: eine Flasche, die ein Elixier enthält, das der Teufel selbst zubereitet haben soll.

E. T. A. Hoffmann ist einer der Klassiker der deutschen Phantastik. Wann immer abfällig über dieses Genre gesprochen wird, lasse ich in der Regel ihn einfließen und schon verstummt um mich herum jeder Protest. Hoffmann besaß eine Genialität, die wirklich selten ist.

„Die Elixiere des Teufels“ kannte ich noch nicht, darum war ich umso erfreuter, sie rezensieren zu dürfen. Wenden wir uns der Geschichte zu:

Hoffmann baut hier ein starkes, für den Leser jedoch wenig einsehbares Gerüst um seine Geschichte. Erst in dem Moment, als er den „Ahnherrn“ sprechen lässt, wird der letzte Schleier von den Augen des Lesers gezogen, so dass man erst dann das Offensichtliche erkennt. Vorher schmunzelt man eher über die scheinbare Einfallslosigkeit des berühmten Autors.

Ganz nach Hoffmanns Art lässt dieser das Übernatürliche zumeist so auftreten, dass es beinahe seinen Reiz verliert. Es wirkt trivial, allerhöchstens durchwoben von Irrglauben und Wahnsinn. Dabei aber ist die Verführung des Teufels den ganzen Roman über aktiv, jedoch hintergründig angelegt. Hoffmanns Phantasie zu folgen, erweist sich hier als Verirrung in einem Labyrinth. Erst der Autor selbst kann, in Gestalt einer wenig Vertrauen erweckenden Arachne, den rettenden Faden dem Leser zuspielen und ihn sicher wieder hinausgeleiten. Allerdings nicht, ohne ihn über noch einige Irrwege zu führen.

Fast scheint es mir (hier noch deutlicher als bei Lewis´ „Mönch“), eine versteckte Kritik an den Praktiken der römisch-katholischen Kirche innerhalb des Romans gefunden zu haben. Die Art, wie der gute Mönch Cyrillus über Reliquien urteilt, nachdem der junge, unbedarfte Medardus ihn auf die Echtheit derselben anspricht, oder aber die überaus weltliche Charakterisierung des Papstes sowie die Methoden, derer sich die Dominikaner (natürlich diese, wer denn auch sonst?) bedienen, spricht mir persönlich nicht für eine heile Kirchenwelt. Auch Medardus´ Stolz hat wenig mit dem Auftreten eines frommen Mönches zu tun.

Vergleiche ich nun die beiden Romane, die in diesem Band zusammengenommen wurden, so stimmt es schon, was der Klappentext andeutet. Doch muss ich sagen, die Art, wie Hoffmann seine Geschichte erzählt, ist viel subtiler, mit sehr viel mehr Metaphern ausgestattet als „Der Mönch“ von Lewis. Mag sein, dass es durch die etwas spätere Veröffentlichung gekommen ist, mag sein, dass Hoffmann sich durch Lewis´ Werk zu seinen „Elixieren“ inspiriert fühlte. Die Vermutung liegt zumindest nahe.

Dennoch ist der eindeutig „meisterhaftere“ Roman, eben gerade durch seine teilweise Doppeldeutigkeit und seine hintergründrige Moral, eben jener Hoffmanns. Lewis näherte sich dem Thema, eben einen Mönch zu verführen, mit weniger Raffinese, dafür mit mehr sexueller Direktheit. Auch Medardus wird zum Mörder (er mordet sogar, wenn ich recht mitgezählt habe, wesentlich mehr als Ambrosio), dennoch bewahrt er sich einen letzten Hauch Menschlichkeit. Er bereut seine Taten, die Kirche, bzw. sein Kloster, ist sein letzter Zufluchtsort, der Ort, an dem er hofft, seine Buße abschließen zu können. Ambrosio dagegen suchte Schutz, ohne zu bereuen. Im Gegenteil, er stritt seine Schuld ab. Und damit bleibt er in der Glaubhaftigkeit weit hinter Medardus zurück.

Zwei Klassiker, die sich mit einem Thema beschäftigen, in einem Band. Dem area-Verlag sei für diese Labsal gedankt. Selten habe ich in der letzten Zeit ein wirklich so gutes Buch gelesen. Es bleibt zu hoffen, dass diese Reihen weitergehen und ein Erfolg werden. Denn, wie sagte ein weiser Mann: „Lesen bildet“, und für diese beiden Romane gilt das sicher mehr als für manch einen modernen Autor.

Verlagsinfo

Die zwei virtuosesten Romane der Weltliteratur um menschliche Triebe und den Bund mit dem Teufel sind auf besondere Weise miteinander verknüpft: Matthew Gregory Lewis´ Roman „Der Mönch“ wird in E. T. A. Hoffmanns Werk „Die Elixiere des Teufels“ von der weiblichen Hauptfigur Aurelia gelesen. Lewis´ Roman gilt als richtungsweisend für die gothic novel. In „Die Elixiere des Teufels“ zieht Hoffmann alle Register mit psychologischer Meisterschaft: von der Wiederkehr der Toten über das Auftauchen eines Doppelgängers bis hin zum Geschlechterfluch. Nicht umsonst gelten Lewis und Hoffmann als unerreichte Altmeister der Gruselliteratur.

Hyndara
Diese Rezension wurde mit freundlicher Unterstützung und Genehmigung unseres Partnermagazins www.x-zine.de veröffentlicht.
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Nachtrag der Redaktion: Da es sich hierbei um eine Laienrezension handelt, möchten wir noch einige ergänzende Informationen nachliefern und bedanken uns hierfür beim Fundus von wikipedia. Zu Lewis und „Der Mönch“ liegen nur Artikel in englischer Sprache vor.

Matthew Gregory Lewis (July 9, 1775 – May 14, 1818) was an English novelist and dramatist, often referred to as „Monk“ Lewis, because of the success of his Gothic novel, The Monk.

He was born in London and educated for a diplomatic career at Westminster School and Christ Church, Oxford, spending most of his vacations abroad in the study of modern languages; and in 1794 he went to the Hague as attache to the British embassy. Although he only stayed a few months, it was there that he produced, in ten weeks, his romance Ambrosio, or the Monk, which was published in the summer of the following year. It immediately achieved celebrity; but some passages it contained were of such a nature that about a year after its appearance an injunction to restrain its sale was moved for and a rule nisi obtained. Lewis published a second edition from which he removed what he thought were the objectionable passages, but the work reained much of its horrific character. Lord Byron in English Bards and Scotch Reviewers wrote of „Wonder-working Lewis, Monk or Bard, who fain wouldst make Parnassus a churchyard; Even Satan’s self with thee might dread to dwell, And in thy skull discern a deeper hell.“

Whatever its demerits, ethical or aesthetic, may have been, The Monk did not interfere with the reception of Lewis into the best society; he was favorably noticed at court, and almost as soon as he came of age he obtained a seat in the House of Commons as member for Hindon, Wiltshire. After some years, during which he never addressed the House, he finally withdrew from a parliamentary career. His tastes lay wholly in the direction of literature, and The Castle Spectre (1796}, a musical drama of no great literary merit, but which enjoyed a long popularity on the stage, The Minister (a translation from Friedrich Schiller’s Kabale und Liebe), Rolla (1797, a translation from Kotzebue), and numerous other operatic and tragic pieces, appeared in rapid succession. The Bravo of Venice, a romance translated from the German, was published in 1804; after The Monk it is his best known work. The death of his father left him with large fortune, and in 1815 he set off for the West Indies to visit his estates; in the course of this tour, which lasted four months, the Journal of a West Indian Proprietor, published posthumously in 1833, was written. A second visit to Jamaica was undertaken in 1817, in the hope of becoming more familiar with, and able to ameliorate, the condition of the slave population; the fatigues to which he exposed himself in the tropical climate brought on a fever which resulted in his death during the homeward voyage.

The Life and Correspondence of M. G. Lewis, in two volumes, was published in 1839.

(This article incorporates text from the public domain 1911 Encyclopædia Britannica.)

The Monk is a Gothic novel by Matthew Lewis that first appeared in 1796. It was written before he turned 20, in the space of 10 weeks.

The story concerns Ambrosio, a monk in Spain and a famous preacher, who is undone by the love of Matilda, his pupil. In order to carnally possess her, Ambrosio sells his soul to Satan. In the middle of telling this story, however, Lewis is frequently lured into further digressions, which serve to heighten the Gothic atmosphere of the tale while doing little to move along the main plot. A lengthy story about a „Bleeding Nun“ is told, and many incidental verses are introduced. A second romance, between Lorenzo and Antonia, whom Ambrosio also lusts after, is introduced; there is a tale of a person being buried alive after feigning death. Eventually, however, the story catches back up with Ambrosio, and in several pages of impassioned prose, Ambrosio is delivered into the hands of the Inquisition; he escapes by selling his soul to the devil for his deliverance from the death sentence which awaited him. The story ends with Ambrosio falling from the clutches of the devil’s talons as he prayed for God’s mercy, and with his damnation.

The Monk is remembered for being one of the more lurid and „transgressive“ of the Gothic novels. Featuring demonic pacts, rape, incest, and such props as the Wandering Jew, ruined castles, and the Spanish Inquisition, The Monk serves more or less as a compendium of Gothic taste. Ambrosio, the hypocrite done in by lust, and his sexual misconduct inside the walls of convents and monasteries, is a vividly portrayed villain, as well as an embodiment of much of the traditional English mistrust of Roman Catholicism, with its intrusive confessional, its political and religious authoritarianism, and its cloistered lifestyles. The American fictitious anti-Catholic libel, The Awful Disclosures of Maria Monk, borrowed much from the plot of this novel.

Ernst Theodor Amadeus Hoffmann (* 24. Januar 1776 in Königsberg; † 25. Juni 1822 in Berlin) war ein Schriftsteller der Romantik, Jurist, Komponist, Musikkritiker und Zeichner.

E.T.A. Hoffmann wurde auf den Namen Ernst Theodor Wilhelm getauft, änderte aber 1804 aus Verehrung für Wolfgang Amadeus Mozart seinen dritten Vornamen in Amadeus ab.

Aufgrund des Umfangs des Hoffmann-Artikels soll dieser nachfolgend nur verlinkt werden: http://de.wikipedia.org/wiki/E.__T.__A.__Hoffmann

Gebundene Ausgabe: 800 Seiten
www.tandem-verlag.de